@ AgentProvocateur:
Ich habe den sehr interessanten Text über die „Laws of Nature“ aufmerksam gelesen und möchte dazu ein paar textnahe und später ein paar textfernere Bemerkungen machen, zu nächste die textnahen:
So wie ich den Text verstanden habe differenziert er zwischen zwischen „Gesetzen der Natur“ und wissenschaftlichen Gesetzen oder Naturgesetzen.
Die Beziehung zwischen den letzteren zu den „Gesetzen der Natur“ ist die, einer beschreibenden Annäherung der Letzteren an die „Laws of Nature“, das Wesen der „Gesetze der Natur“ ist, dass sie einfach da sind.
Hier gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Lager (die einige Überzeugungen teilen):
Die Regularisten behaupten, dass die „Gesetze der Natur“ zufällig sind, wie sie sind. Die Welt hat sich irgendwie so ergeben oder eingespielt, daraus erwachsen auch bestimmte wiederkehrende Abläufe, eine Art kosmischer Gewohnheiten, die aber auch anders hätten sein können. Dass sie sind, wie sie nun mal sind, ist purer Zufall.
Die „Necessitarians“ (ich weiß nicht ob es einen deutschen Begriff für sie gibt, vermutlich Regulisten, aber wegen der Verwechselungsgefahr bleibe ich beim englischen Ausdruck) sind – auf unterschiedliche Weise, aber dennoch im Kern übereinstimmend - der Auffassung, die „Gesetze der Natur“ würde bestimmten Notwendigkeiten ergeben, so dass einige Grundparameter genau so und nicht anders sein müssen und nicht zufällig sind, wie sie sind.
Zwar gibt es auch hier Kontingenzen, das älteste Lebewesen einer Gattung hätte durchaus noch älter werden können, aber es gibt eine rote Linie von Notwendigkeiten, die das Universum zu dem machen, was es ist.
Wenn ich es richtig verstehe, sagen Regularisten, dass die Welt zwar geordnet ist, sich diese Ordnung aber zufällig ergeben hat, es aber nun mal so ist, wie es ist und man sich anpassen oder das Beste draus machen muss.
Die Unterscheidung zwischen „mere failor“ (etwas hat aus irgendwelchen, aber nicht prinzipiellen, Gründen nicht geklappt) und „doom“ (etwas hat nicht geklappt, weil es prinzipiell nicht klappen konnte), finde ich ganz gelungen und wichtig.
David Foster Wallace, der große Schriftsteller, der auch Philosophie unterrichtete, machte in einer frühen Arbeit über Taylors Fatalismus, eine m.E. auch für diese Zwecke hilfreiche Differenzierung. Zunächst:
James Ryerson hat geschrieben:Was physikalisch unmöglich ist, kann in der realen oder aktualen Welt, in der wir leben, zu keinem Zeitpunkt an irgendeinem Ort der Fall sein der Fall sein.
(James Ryerson, Herzrasen im Kopf – David Foster Wallace als Philosoph, 2011, in D.F. Wallace, Schicksal, Zeit und Sprache – Über Willensfreiheit, Suhrkamp 2012, S.22)
Das ist einfach der Standpunkt der Necessitarians. Dann:
James Ryerson hat geschrieben:[W]as logisch unmöglich ist, kann in der Vielzahl denkbarer Welten, die wir uns vorzustellen vermögen, zu keinem Zeitpunkt an irgendeinem Ort der Fall sein.
So weit das Übliche. Wallace fragte sich: Was bedeutet es, wenn ich um 9:59 Uhr an meinem Schreibtisch in Brooklyn sage: „Es ist mir unmöglich, um 10 Uhr den Eiffelturm zu berühren.“? Offensichtlich soll damit nicht gesagt werden, dass diese Handlung logisch unmöglich wäre (denn ist ist ohne weiteres vorstellbar). Es soll aber auch nicht heißen, dass sie gegen die Naturgesetze verstieße (dass jemand um 10 Uhr den Eiffelturm berührt, ist durchaus ein alltäglicher physikalischer Vorgang. Statt dessen scheint die Aussage eher zu bedeuten, dass es mir angesichts der bestehenden Umstände physikalisch unmöglich ist, um 10 Uhr den Eiffelturm zu berühren. Wallace bezeichnete die neuartige Modalität als „situative physikalische Modalität“.
(ebd., S.22f)
Die „situative physikalische Modalität“ scheint mir dem „mere failor“ zu entsprechen, bzw. ihn zu implizieren, während „doom“ die klassische Unmöglichkeit meint.
Den Punkt 5.d. (die Darstellung der Konsenstheorie oder semantischer Wahrheitsheorien) finde ich etwas unambitioniert bis tendenziös erläutert. Es ist glaube ich grob verzerrend zu behaupten, dass semantische Theorien besagten, Wahrheit sei im simplen Sinne das, was in Aussagen behauptet wird. Umso mehr wundert es mich, da weiter unten, in 5.f. Folgendes steht:
Norman Swartz hat geschrieben:On the Regularists’ view, there simply is no problem of free will. We make choices – some trivial, such as to buy a newspaper; others, rather more consequential, such as to buy a home, or to get married, or to go to university, etc. – but these choices are not forced upon us by the laws of nature. Indeed, it is the other way round. Laws of nature are (a subclass of the) true descriptions of the world.
Das könnte von einem semantischen Wahrheitstheoretiker stammen, der nur statt „wahrer Beschreibungen“ „wahre Aussagen“ sagen würde.
In ein semantisches Konzept von Behauptungen sind verschiedene Wahrmacher (truth-maker) eingebaut, die teils logischer, teils empirisch-experimenteller Natur und teils Handlungen des Alltags sind. Die Rolle von Deskriptionen, darüber, wie die Dinge sind, sind logisch aber immer nachgeordnet, da sie Beherrschung diverser nichtemprischer Fähigkeiten implizit voraussetzen. Das Vergleichen von Dingen oder die Fähigkeit logische Einzeldinge zu erkennen, mag uns angeboren sein oder nicht, sie erkennen zu können, die die logische Fähigkeit, über die man (gleich wie man sie erworben hat) verfügen muss, will man in das Spiel des Empirismus überhaupt hineinkommen.
Ich finde, dass allgemein zuweilen mehr und tiefere Gräben beschworen werden, als eigentlich da sind.