Nanna hat geschrieben:Das Problem hinter dem Veggieday ist halt nur, dass eben gerade nicht eine oberflächliche Geschmacksfrage dahinter steht, sondern das sehr ernste Problem des extremen Ressourcenverbrauchs und der Umweltverschmutzung durch Fleischproduktion.
Ja, ja ja. Damit macht man trotzdem keinen Wahlkampf - es geht jetzt nicht darum, ob es sinnvoll wäre (das ist es nebenbei wohl auch nicht, da ich in allen Kantinen, in denen ich gegessen habe, immer (täglich!) eine vegetarische Alternative angeboten wurde. Aber einen Tag lang NUR das Grünzeug anzubieten wäre Bevormundung; es gäbe da weitaus sinnvollere Ansätze wie Alkohol- und Rauchverbot. Und sogar dann laufen die Leute sturm, wie man bei der Prohibition gesehen hat.). Nichtmal die Grünen verteidigen jetzt noch diesen Unsinn, Kretschmann und Co. haben ihren Fehler erkannt und heute auf dem Parteitag hat fast jeder die "Bevormundung" der eigenen Partei kritisiert, also sehe ich nicht, wieso man diese Position noch verteidigen sollte, wenn doch die Initiatoren selbst nicht mehr dahinter stehen.
Nanna hat geschrieben:Über die Energieineffizienz, die der Umweg über Fleischproduktion verursacht muss ich dir als Biologen nichts erzählen, das kannst du dir selber zehnmal präziser ausrechnen. Die ethischen Fragen des Vegetariertums, die ich persönlich auch für relevant halte, können wir da ja sogar noch komplett außen vor lassen.
Was ich aber auch bin, ist ein Liebhaber der guten Küche. Ich würde jedem an die Gurgel springen, der mir versucht zu verbieten, Serrano, Carpaccio oder Iberico zu essen. Ganz zu schweigen von anderen europäischen Gerichten wie wiener Schnitzel, Cordon Bleau, Schaschlick......
Abgesehen davon ist in Fleisch Vitamin B12 enthalten, welches man so in Pflanzen nicht findet. Dabei geht es mir nicht darum, dass mein Essen geatmet haben muss, damit ich es genieße - ich würde den Grünen eher vorschlagen, den Fleischersatz zu fördern, damit man das auch mal genießen könnte (bei der Energiepolitik versuchen sie doch auch nicht nur Kohle- und Atomkraftwerke abzuschaffen, sondern die regenerativen zu begünstigen und zu entwickeln - warum also nicht dasselbe beim Fleisch?). Aber momentan schmeckt das Zeug verglichen mit genannten Fleischgerichten wie unter der Achsel geleckt.
Nanna hat geschrieben:Wir müssen uns halt klar sein, dass der Planet bei unserem jetzigen Umgang mit ihm noch innerhalb unserer Lebenszeit seine Natur für uns so spürbar ändern wird, dass wir möglicherweise mit weit radikaleren Maßnahmen und Vorschriften darauf anworten werden (müssen), als ein Veggieday. Vielleicht wundern wir uns eines Tages, dass wir es nicht mal hingekriegt haben, allen im Raum ein nasses Handtuch vor den Mund zu binden, als der Dachstuhl bereits in Flammen stand. Und in dem Punkt werden die Grünen dann eben schmerzlich recht behalten haben, dass wir die Freiheit verfrühstücken, wenn wir nicht dafür sorgen, ihre Bedingungen zu erhalten, wozu meines Erachtens gehört, dass wir bewohnbares Land und Ressourcen nicht auch noch künstlich verknappen, wenn wir eh schon jetzt das Gefühl haben, es sei nicht genug für alle da.
Alles schön gepredigt, nur kann man das Schicksal der Menschheit nicht vom Veggieday abhängig machen. Damit haben sie ihre (falls je vorhandene) Seriösität verloren. Stattdessen hätten sie den weit wichtigeren Problemherd der Energiewende angehen sollen. Jetzt merken sie, dass sie für den Versuch eine zweite (oder eigentlich auch dritte, wenn man die Linke zuzählt, vierte wenn noch die Union) SPD zu sein, abgestraft wurden. Man hat ihnen eine Kernkompetenz zugesprochen und als sie mit Vegetarismus kamen, hatten diejenigen, die die Energiewende vorantreiben wollten, keine politische Rückendeckung mehr. Der Bürger hat sich dann gedacht, dass die Regierung dann auch alles richtig machen muss in diesem Bereich, wenn nichtmal die Grünen sich ordentlich beschweren.
Nanna hat geschrieben:Dass du von einem strategischen Standpunkt absolut recht hast und die Grünen wissen hätten müssen, dass man in unserem momentanen gesellschaftlichen Zustand mit so einer Aktion keine Wahlen gewinnt, gestehe ich aber freimütig ein.
Das ist es nunmal, worauf es ankommt. Damit macht man einfach keinen Wahlkampf und setzt es höchstens nebenbei und erstmal nur auf Landesebene irgendwo lokal durch und achtet auf die Reaktionen. Bei einer langfristigen Politik muss man ohnehin darauf achten, dass man nicht wie ein Apokalyptiker daherkommt - und wenn es nicht klappt, dann muss man Vergleiche mit Savonarola nunmal ertragen. Nicht mit Verboten und Geboten, sondern mit Visionen und Erfindungen kann man eine Gesellschaft voranbringen. Das bedeutet, dass man die Alternativen entwickelt und den Menschen dabei nicht so viel wegnimmt. Dass die Menschheit aber bis jetzt eher mehr Glück als Verstand hatte, sehe ich auch. Deswegen mache ich mir ehrlich gesagt auch nicht die Mühe, die Menschheit zu retten - ich will nur meinen eigenen Hintern retten.