fopa hat geschrieben:@Dissidenkt
Wenn ich dich richtig verstehe, fasst du "die Natur" bzw. "das Universum" als eine Art Lebewesen auf, das selbständig Ziele festlegt und Pläne entwickelt und - in Form des Menschen und möglicherweise Außerirdischer - ein reflektierendes Bewusstsein entwickelt.
Nein, keinesfalls fasse ich das Universum als Lebewesen auf! Da hast du etwas falsch verstanden.
Ich sehe das Universum vollkommen rational als ein System mit einer Genese, die beim Urknall beginnt und dessen Ende - so es denn ein Ende gibt - für uns unbekannt ist. Ich nehme - so weit es mir als Teil des Systems möglich ist - den Standpunkt eines Betrachters von aussen an, beschreibe und interpretiere dann meine Beobachtungen.
Von aussen betrachtet erscheint das Universum nicht als Lebewesen, sondern als determiniertes System, dem das Konzept Leben und damit auch das reflektierende Bewusstsein innewohnt. Zur Grundannahme gehört, dass es sich um ein geschlossenes System handelt und das Konzept "Leben" deshalb nicht zu einem Zeitpunkt X von aussen injiziert worden sein kann.
Diese beiden Grundannahmen: abgeschlossenes System und harter Determinismus, führen zwangsläufig zu der Erkenntnis, dass das Konzept Leben (und auch das Bewusstsein) schon im Urknall angelegt gewesen sein müssen. Womit nicht gesagt ist, dass sich dahinter ein Plan verbirgt, vielmehr ist es plausibel, dass das Konzept "Sein", das am Beginn des Universums stand, zwangsläufig zur Existenz von Leben und Bewusstsein führt.
fopa hat geschrieben:Dann tauchen bei mir ein paar Fragen auf:
[1]Wie konnte das Universum vor der Genese eines Bewusstseins existieren, wenn dieses die Existenz überhaupt erst ermöglicht?
Sehr gute und inspirierende Frage!
Ich habe das hier irgendwo andernorts schonmal versucht zu erläutern, aber bin gerne gezwungen, meine Gedanken dazu noch einmal darzulegen:
Das Bewusstsein, wie wir es erleben, ist nicht die einzige Form von Bewusstsein auf diesem Planeten, sondern nur seine (aktuell) höchste Entwicklungsstufe.
Du wirst mir sicherlich zustimmen, wenn ich sage, dass auch das Bewusstsein einer Genese unterworfen ist. Wir wissen mittlerweile von vielen Tierarten, dass sie Formen von Bewusstsein haben, die zwar nicht so weit entwickelt sind, dass sie Leistungen, wie die des Menschen ermöglichen, die aber immerhin höhere kognitive Leistungen ermöglichen, wie das Planen der Zukunft, Erkennung im Spiegel, Antizipation des Verhaltens von Artgenossen, etc...
Bewusstsein hat also Genese und diese Erkenntnis ist nicht überraschend, weil alles in einem determinierten, abgeschlossenen Universum eine Genese haben muss.
Aber wann beginnt diese Genese? Mit dem Leben? Wann beginnt das Leben?
Wenn das Universum durch und durch determiniert ist und alle Ereignisse eine Ursache haben, dann ist sowohl das Leben, als auch das Bewusstsein bis an den Anfang aller Dinge zurückzuführen. Es ist schon am Beginn allen Seins angelegt.
Bewusstsein geht auf Wahrnehmung zurück und diese kann ich über die Tier- und Pflanzenwelt bis in den Mikrokosmos der subatomaren Teilchen zurückführen, denn schon das Elektron besitzt die ureigenste Form von Wahrnehmung, wenn es die Nähe eines Protons registriert und sich mit diesem beispielsweise zu einem Wasserstoff-Atom verbindet. Wahrnehmung findet also überall dort statt, wo Information ausgetauscht wird und Bewusstsein ist nur ein emergentes Phänomen hoch entwickleter Wahrnehmung.
Die Pflanze nimmt die Sonne wahr und richtet sich nach ihr aus. Der Stein nimmt die Schwerkraft wahr und fällt herab, bis er einen Untergrund wahrnimmt. Das Elektron nimmt das elektrische Feld wahr und lässt sich von diesem leiten.
Das ganze Universum besteht also aus Information und Wahrnehmung und die Genese des Bewusstseins ist bereits von Beginn an genauso determiniert, wie die Elementarkräfte und Naturgesetze.
fopa hat geschrieben:[2]Woher nimmst du die Gewissheit, das reflektierende Bewusstsein sei der "Höhepunkt der Genese des Lebens"? Welche Bewertungsmaßstäbe wendest du an? Man könnte doch auch hunderte Millionen Jahre alte Bakterien als Spitze der Evolution bezeichnen, denn sie haben offensichtlich unzählige andere Arten überlebt.
Der Bewertungsmaßstab ist für mich die Leistungsfähigkeit und Komplexität des Bewusstseins. Auch wenn Bakterien eine sehr rudimentäre Wahrnehmung der Realität besitzen, ist sie doch weit von Bewusstsein oder gar Reflexion über die eigene Existenz entfernt. Wenn Lebensformen sehr lange Zeit überleben, bedeutet das nicht, dass sie besonders leistungsfähig sind, sondern lediglich, dass sie an ihre Umwelt angepasst sind.
fopa hat geschrieben:[3]Wie konnte die Natur das reflektierende Bewusstsein als Ziel definieren, bevor sie überhaupt ein solches besaß? Denn zu jenem Zeitpunkt war das Universum ja "offensichtlich vollkommen sinnlos", wie du meinst.[/list]Grüße
Ich gehe nicht davon aus, dass das Leben oder Bewusstsein gezielt geplant sind, denn das würde einen Schöpfer voraussetzen, der dann wieder zu der Frage führen würde, wer hat denn den Schöpfer erschaffen? Ich gehe auch nicht davon aus, dass das Bewusstsein ein "Ziel" im Sinne eines Endpunktes ist.
Zum jetzigen Zeitpunkt können wir nicht mehr sagen, als dass das Universum ein expandierendes ist. Das bedeutet, dass wenn wir in der Zeit zurückgehen, das Universum zu einer Singularität zusammenschrumpft, aus der vor ca. 14 Milliarden Jahren alles entstanden ist.
Wenn wir einen harten Determinismus annehmen - und das tue ich bekanntlich - müssen die Grundlagen unseres Universums schon in der Singularität angelegt gewesen sein. Das bedeutet, das auch Leben und Bewusstsein schon in dieser "Keimzelle" des Universums prinzipiell angelegt waren.
Was, wenn dies nicht der Fall gewesen wäre?
Stellen wir uns eine Singularität vor, in der keine Grundlagen zum Leben vorhanden sind!
In diesem Universum würde kein Leben und deshalb auch kein Bewusstsein entstehen. Es würde nicht existieren, weil niemand da wäre, der seine Existenz bezeugen könnte. Wer behauptet, ein solches Universum würde existieren, der kann auch gleich behaupten, ein Gott würde existieren. Der hat den Pfad des Verstandes und der Rationalität verlassen.