Harter atheistischer Determinismus

Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Lumen » Mo 27. Jan 2014, 16:07

Frisch auf den Tisch: Daniel Dennett, Reflections on Free Will (english, PDF) (24. Januar, 2014). Hier befasst er sich mit Harris et al “hartem Determinismus”. Hier ein Auszug aus der Einleitung, Hervorhebung von mir.

Daniel Dennett hat geschrieben:I am not being disingenuous when I say this museum of mistakes is valuable; I am grateful to Harris for saying, so boldly and clearly, what less outgoing scientists are thinking but keeping to themselves. I have always suspected that many who hold this hard determinist view are making these mistakes, but we mustn’t put words in people’s mouths, and now Harris has done us a great service by articulating the points explicitly, and the chorus of approval he has received from scientists goes a long way to confirming that they have been making these mistakes all along. Wolfgang Pauli’s famous dismissal of another physicist’s work as “not even wrong” reminds us of the value of crystallizing an ambient cloud of hunches into something that can be shown to be wrong. Correcting widespread misunderstanding is usually the work of many hands, and Harris has made a significant contribution
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 27. Jan 2014, 18:16

Lumen hat geschrieben:Frisch auf den Tisch: Daniel Dennett, Reflections on Free Will (english, PDF) (24. Januar, 2014). Hier befasst er sich mit Harris et al “hartem Determinismus”.

Vielen Dank für den Link, ein lesenswerter Text.

Viele Punkte daraus haben wir schon hier in diesem Thread behandelt, aber die nochmal auf Dennetts stringente Art vorgelegt zu bekommen, ist fein. Z.B.:

Like many before him, Harris shrinks the me to a dimensionless point, "the witness" who is stuck in the Cartesian Theater awaiting the decisions made elsewhere. That is simply a bad theory of consciousness.

[Zitat Harris:] "I, as the conscious witness of my experience, no more initiate events in my prefrontal cortex than I cause my heart to beat."

If this isn’t pure Cartesianism, I don’t know what it is. His prefrontal cortex is part of the I in question. Notice that if we replace the "conscious witness" with "my brain" we turn an apparent truth into an obvious falsehood: "My brain can no more initiate events in my prefrontal cortex than ist can cause my heart to beat."
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ujmp » Mo 27. Jan 2014, 20:33

Vollbreit hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Du brauchst nicht rot zu sehen, um rot zu denken.

Das hat ja auch niemand behauptet. Das Rot aus der Erinnerung oder das Rot der Sprache der Poesie oder welches Rot auch immer, sind unterschiedliche Vorstellungen, die im Gehirn irgendwo abgespeichert sind bzw. "gepflegt" werden. Es sind {ROT1,ROT2,...}, wobei z.B. ROT1 und ROT2 eine gemeinsame Schnittmenge haben können, vermutlich auch haben, aber nicht haben müssen. Wirklich ganz einfach!
Du kannst aber auch richtig mit „Rot“ umgehen, wenn Du farbenblind bist, indem Du Dir anhand anderer Zuschreibungen über Dinge merkst, dass sie dass man von ihnen sagen, sie seien rot, wie z.B. das obere Ampellicht.
Das klappt im Alltag prima, versagt aber in Laborsituationen, soweit der Befund.

Der Blinde hat eben sein ROT3, schnallst du das wirklich nicht?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Mo 27. Jan 2014, 21:25

Nein, das schnall ich nicht, weil die einfache Hinzufügung einer Ziffer mir nichts sagt.
Vielleicht erklärst Du, was mit mit ROT3 meinst, dann habe ich größere Verständnischancen.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ujmp » Mo 27. Jan 2014, 21:35

Vollbreit hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Er urteilt auch nicht nur sprachlich - wenn überhaupt.
Das ist eher falsch.
Robert Brandom hat geschrieben:„Für die vorkantische Tradition war ausgemacht, dass die semantische Erklärung mit einer Lehre von den Begriffen oder Termini (eingeteilt in singuläre und generelle) anzufangen sei. Auf dieser Grundlage erklärt dann eine Lehre von den Urteilen die Kombination von Begriffen zu Urteilen und wie die Richtigkeit der entstandenen Urteile davon abhängt, was wie kombiniert wurde. Schließlich erklärt eine Lehre von den Konsequenzen die Kombination von Urteilen zu Folgerungen und wie die Richtigkeit der Inferenzen davon abhängt, was wie kombiniert wurde.
Kant lehnt das ab. Eine seiner tiefgreifendsten Neuerungen ist die Behauptung, dass der Gegenstand des Bewusstseins oder der Erkenntnis, das kleinste Begreifbare, das Urteil sei. „Wir können aber alle Handlungen des Verstandes auf Urteile zurückführen, so dass der Verstand überhaupt als ein Vermögen zu urteilen vorgestellt werden kann.“ Etwas als Klassifiziertes oder Klassifizierendes aufzufassen ist für ihn nur als Bemerkung zu dessen Rolle im Urteil sinnvoll. Ein Begriff ist nichts anderes als ein Prädikat eines möglichen Urteils, und deshalb gilt: „Von diesen Begriffen kann nun der Verstand keinen anderen Gebrauch machen, als dass er dadurch urteilt.“ Für Kant muss also die Diskussion des Gehalts bei den Gehalten von Urteilen anfangen, denn alles andere hat nur insofern Gehalt, als es zu den Gehalten von Urteilen beträgt. Deshalb kann seine transzendentale Logik die Voraussetzungen des Gehaltverfügens anhand der Kategorien untersuchen, d.h. der „Funktion[en] der Einheit in den Urteilen.““
(Brandom, Expressive Vernunft, 1994, dt. 2000, Suhrkamp, S.139)

Quatsch. Tiere urteilen auch.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Mo 27. Jan 2014, 21:56

ujmp hat geschrieben:Quatsch. Tiere urteilen auch.


Einspruch, wieder mit Brandom:
Robert Brandom hat geschrieben:„Wir sind empfindende Wesen, genau wie wir verstehende sind, aber unsere Entscheidungsfähigkeit ist anders als die jener Wesen, die keine Gründe geben, oder nach Gründen verlangen können. Unter einer physiologischen Beschreibung ist unser Empfinden vielleicht kaum von dem nichtdiskursiver Wesen unterscheidbar. Doch wir empfinden nicht nur, wir nehmen auch wahr. Das heißt, unsere unterscheidende Reaktion auf sensorische Reizung schließt die nichtinferentielle Anerkennung propositional gehaltvoller doxastischer Festlegungen ein. Durch die Wahrnehmung und wenn entsprechend geschult und situiert, finden wir uns selbst als Wesen vor, die auf passive Weise bestimmte Positionen im Raum der Gründe einnehmen. Wir sind praktische Wesen, genau wie wir sprachliche sind, aber unser zielgerichtetes Tun ist anders als das der Wesen, die keine Gründe geben oder nach Gründen verlangen können. Unter einer physiologischen Beschreibung mag sich unsere motorische Aktivität kaum von der nichtdiskursiver Wesen unterscheiden. Aber wir bringen nicht nur Performanzen hervor, sondern wir vollziehen Handlungen. Unsere Performanzen schließen nichtinferentielle Reaktionen auf Anerkennungen propositional gehaltvoller praktischer Festlegungen ein. Durch das Handeln und wenn entsprechend geschult und situiert, sind wir in der Lage auf die besonderen Positionen, die wir im Raum der Gründe einnehmen, aktiv zu reagieren, indem wir die nichtdiskursive Umgebung verändern. Unsere Verwandten im Tierreich, die Vorfahren-Primaten und ihre heutigen Abkömmlinge – durchaus empfindende und zielgerichtete, aber keine diskursiven Wesen -, sind als Wahrnehmende und Handelnde nur in einem abgeleiteten Sinn interpretierbar. Ein Interpret kann ihrem Verhalten einen Sinn geben, indem er ihnen propositional gehaltvolle intentionale Zustände unterstellt, doch sein Verständnis dieser Zustände und ihrer Signifikanz leitet sich aus seiner Beherrschung der reicheren Praktik des Gebens und Verlangens von Gründen für solche doxastischen und praktischen diskursiven Festlegungen ab, die diesen weniger komplexen Wesen nicht zuerkannt werden. Die Tätigkeiten, an denen sie gemäß der Interpretation teilhaben, reichen nicht hin, ihren Zuständen, Einstellungen und Performanzen irgend etwas zu verleihen, was als propositionaler Gehalt erkennbar wäre. Unsere diskursiven Praktiken machen uns semantisch autonom in einem Sinn, der auf jene nichtdiskursiven Praktiken nicht zutrifft.“
(Brandom, Expressive Vernunft, 1994, dt. 2000, Suhrkamp, S.400f)
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ujmp » Mo 27. Jan 2014, 22:11

Als ob es Schopenhauers Kritik an unseriöser Philosophie nie gegeben hätte! So ein Gesülze ist unter meiner Würde.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Nanna » Mo 27. Jan 2014, 23:26

ujmp hat geschrieben:Als ob es Schopenhauers Kritik an unseriöser Philosophie nie gegeben hätte! So ein Gesülze ist unter meiner Würde.

Was ist denn daran Gesülze? Ich finde Brandoms Einwand sehr schlüssig. Wenn er Inkonsistenzen oder unhaltbare Prämissen enthält, bist du doch sicher nicht damit überfordert, die zu enthüllen. Oder? :veg:
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ganimed » Mo 27. Jan 2014, 23:40

AgentProvocateur hat geschrieben:Viele Punkte daraus haben wir schon hier in diesem Thread behandelt, aber die nochmal auf Dennetts stringente Art vorgelegt zu bekommen, ist fein.

Hallo alter Freund. Ich war lange nicht hier, es kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Und während ich eben Dennetts Artikel zu großen Teilen las, musste ich an "unsere" Diskussionen zu genau diesen Punkten denken. Ich war Harris, du warst Dennett. Es liegt daher wohl in der Natur der Sache, dass ich Dennetts Ausführungen an genau den neuralgischen Punkten eben nicht stringent finde, sondern shockingly falsch. Obschon er an der einen Stelle ja recht hat: es ist unwahrscheinlich, dass er und die Mehrheit der Philosophen alle dämlich sind und unrecht haben, und ausgerechnet Harris hätte recht. Ich kann es mir so richtig halt auch immer noch nicht erklären, in welche psychologische Falle ihr Kompatibilisten geraten seid. Na jedenfalls ist es eine Falle, denn ihr alle liegt falsch (behaupte ich, jetzt mit Harris zusammen).

Nicht dass ich auf Biegen und Brechen eine neue Diskussion entfachen oder eine alte Diskussion wiederholen wollte. Ich fand es nur gerade so nett, meine Erinnerungen an wunderschöne Diskussionen mit dir (und teilweise auch anderen) zum Thema Kompatibilismus hier so zufällig mal über diesen von mir ansonsten sehr geschätzten Herrn Dennett aufgefrischt zu bekommen.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 27. Jan 2014, 23:53

ganimed hat geschrieben:Hallo alter Freund.

Hallo, ganimed. Schön, mal wieder von Dir zu lesen.

ganimed hat geschrieben:Ich war Harris, du warst Dennett.

Ja. :-)

ganimed hat geschrieben:Ich kann es mir so richtig halt auch immer noch nicht erklären, in welche psychologische Falle ihr Kompatibilisten geraten seid.

Wohingegen jedoch - zumindest anscheinend - Dennett die meisten der psychologischen Fallen der Inkompatibilisten gut erklären kann.

ganimed hat geschrieben:Na jedenfalls ist es eine Falle, denn ihr alle liegt falsch (behaupte ich, jetzt mit Harris zusammen).

Sieht mir nun nicht wie ein Patt aus, wenn die eine Seite was erklären kann, die andere aber nicht. ;-)

ganimed hat geschrieben:Nicht dass ich auf Biegen und Brechen eine neue Diskussion entfachen oder eine alte Diskussion wiederholen wollte.

Müssen wir auch nicht. ;-)

So oder so: ich fand den Austausch mit Dir auch angenehm. Du warst immer ein fairer Diskussionspartner, es wäre schön, wenn das meist so wäre. Und dass wir meist unterschiedlicher Meinung waren, sind und bestimmt auch bleiben werden, ist kein Problem, wäre ja auch langweilig, wenn alle immer derselben Meinung wären.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 00:44

Und dass wir meist unterschiedlicher Meinung waren, sind und bestimmt auch bleiben werden, ist kein Problem, wäre ja auch langweilig, wenn alle immer derselben Meinung wären.

Sehr richtig. Ich wäre ziemlich verdattert und sehr enttäuscht, wenn du mir etwa auf folgende, na nennen wir es großspurig Argumente, einfach nur antworten würdest: sehe ich auch so. :)

Einer deiner Sätze animierte mich, wie es schon oft der Fall war, zu einem Einspruch.
AgentProvocateur hat geschrieben:Wohingegen jedoch - zumindest anscheinend - Dennett die meisten der psychologischen Fallen der Inkompatibilisten gut erklären kann.


Wenn du magst, nenne bitte mal eine Inkompatibilisten-Falle, die er erklärt. Ich würde mir einbilden, dann argumentieren zu können, dass er sich irrt und es eben keine Falle ist.

Ich habe eine Stelle, die ich beispielsweise fehlerhaft finde, die möglicherweise eine Falle für Kompatibilisten darstellt, ohne dass ich eine Erklärung hätte, wieso die darauf reinfallen.
    Dennett schreibt: "If we are interested in whether somebody has free will, it is some kind of ability that we want to assess, and you can’t assess any ability by “replaying the tape.”
(Er ist da bei dem Argument mit dem Golfplatz und dem Einlochen).
Das scheint mir symtomatisch: Inkompatibilisten sagen: "replay the tape und dann werden wir sehen, dass freier Wille nicht existiert. In derselben Situation MUSS der Akteur immer gleich handeln."
Und dann sagt Dennett praktisch im geistigen Blindflug: "Wir wollen ja eine Methode, die überprüft, ob freier Wille vorliegt. Und freier Wille ist eine Fähigkeit. Diese Fähigkeit kann man durch Wiederholung unter exakt gleichen Bedingungen aber nicht nachweisen". (Bis dahin stimme ich zu. Ich wette, Harris auch). Aber der merkwürdige Schluss von Dennett ist dann: "ALSO, da man mit 'replaying the tape' die Fähigkeit nicht nachweisen kann, ist es die falsche Methode"!! So nach dem Motto: alles was meiner These widerspricht, ist der falsche Ansatz. Was sonst als lächerlich ist dieser billige Versuch der Immunisierung gegen den Tatsachenbeweis Tape-Replay?

    Dennett schreibt: "So if you want to know whether some rapist/murderer was “free not to rape and murder,” don’t distract yourself with fantasies about determinism and rewinding the tape; rely on the sorts of observations
    and tests that everyday folk use to confirm and disconfirm their verdicts about who could have done otherwise and who couldn’t."
Auch hier ein beängstigender logischer Fehler bei ihm. Wenn jemand gemordet hat und vor Gericht steht und man sich fragt, ob der Typ im landläufigen Sinne schuldig ist oder ob er vielleicht gar nicht anders konnte. Wird man dann den "Versuch" wiederholen mit immer mal wieder kleinen Änderungen im Versuchsaufbau? Natürlich nicht. Man wird sich einzig und allein fragen, was auf dem Tape ist. Gab es in diesem einen Mord, der nun in der Vergangenheit liegt, für den Mörder eine Alternative? Nicht in irgendwelchen "ähnlichen" Situationen, sondern in genau der fraglichen, denn nur diese steht zur Debatte. Und die Antwort ist: "Replay the tape" und siehe da, die "Fähigkeit" des freien Willens ist tatsächlich nicht da. Ich möchte dem Dennett zurufen: eat it! Akzeptier das doch einfach mal und mogel dich nicht damit heraus, dass du andere "Methoden" forderst.

Auch das an dieser Stelle gebrachte Beispiel von Dennett ist merkwürdig unlogisch:
    "This is as true of the abilities of automobiles as of people. Suppose I am driving along at 60 MPH and am asked if my car can also go 80 MPH. Yes, I reply, but not in precisely the same conditions; I have to press harder on the accelerator. In fact, I add, it can also go 40 MPH, but not with conditions precisely as they are"
Die Frage "kann das Auto auch 80MPH?" soll doch der Frage nach dem freien Willen entsprechen. Kann der Mörder auch das Morden sein lassen? Hat er einen freien Willen?
Die lächerliche Antwort von Dennett: nur, wenn man die Bedingungen ändert. Wenn ich also dem Auto per Gaspedal einen anderen Willen aufzwinge, dann fährt es auch mal 40MPH. FALSCH das Beispiel, Herr Dennett. Hier wird ja geradezu bewiesen, dass das Auto eben keine Freiheit hat, sondern von außen über das Gaspedal kontrolliert wird. Oder im Mörder-Fall: wenn ich dem Mörder kurz vor der Tat die Pistole wegnehme, dann schießt er nicht. Und das soll einen freien Willen darstellen? Sowohl Auto als auch Mörder können selber nichts ändern, sondern nur durch Änderungen der Conditions zu einer Änderung gezwungen werden.

Mein Fazit: Dennett sitzt überraschend ahnungslos in der überraschend simplen Falle: er geht davon aus, dass es einen freien Willen gibt. Und er definiert Freiheit mit "kann anders reagieren, WENN die Bedingungen anders sind" nur deshalb, weil seine Annahme sonst nicht bestätigt wird. Das ist logisch unredlich. Er biegt sich die Freiheitsdefinition zurecht, bis sie eine nicht leere Menge ist.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Di 28. Jan 2014, 02:34

ganimed hat geschrieben:Wenn du magst, nenne bitte mal eine Inkompatibilisten-Falle, die er erklärt. Ich würde mir einbilden, dann argumentieren zu können, dass er sich irrt und es eben keine Falle ist.

Oh, das sind sehr, sehr viele. Wir können die alle nochmal im Einzelnen durchgehen, wenn Du magst. ;-)

ganimed hat geschrieben:Und dann sagt Dennett praktisch im geistigen Blindflug: "Wir wollen ja eine Methode, die überprüft, ob freier Wille vorliegt. Und freier Wille ist eine Fähigkeit. Diese Fähigkeit kann man durch Wiederholung unter exakt gleichen Bedingungen aber nicht nachweisen". (Bis dahin stimme ich zu. Ich wette, Harris auch). Aber der merkwürdige Schluss von Dennett ist dann: "ALSO, da man mit 'replaying the tape' die Fähigkeit nicht nachweisen kann, ist es die falsche Methode"!!

Wenn man durch Methode X eine Fähigkeit F nicht prüfen kann, dann ist X wohl offensichtlich die falsche Methode, um F zu prüfen.

Nehmen wir mal ein Beispiel. Franz ist ein Basketball-Trainer. Er sucht immer neue Talente, Verstärkung für sein Team. Nun sei da Tina, die sich als gute Baskettballspielerin bei dem Verein von Franz bewirbt. Franz will sie testen und fordert sie auf, einen Ball aus großem Abstand in den Korb zu werfen. Tina trifft in den Korb. Franz hat das auf Video aufgenommen. Was weiter, was würdest Du an Franz' Stelle tun? Das Videoband noch hundertmal abspielen und sagen: "boah, Tina hat 100 Mal einen Korb geworfen"? Oder würdest Du an Franz' Stelle Tina noch ein paar Mal werfen lassen, um zu prüfen, ob der erste Treffer an Tinas Fähigkeit lag und nicht nur ein zufälliger Treffer war?

ganimed hat geschrieben:So nach dem Motto: alles was meiner These widerspricht, ist der falsche Ansatz. Was sonst als lächerlich ist dieser billige Versuch der Immunisierung gegen den Tatsachenbeweis Tape-Replay?

Siehe mein Beispiel.

ganimed hat geschrieben:
    Dennett schreibt: "So if you want to know whether some rapist/murderer was “free not to rape and murder,” don’t distract yourself with fantasies about determinism and rewinding the tape; rely on the sorts of observations and tests that everyday folk use to confirm and disconfirm their verdicts about who could have done otherwise and who couldn’t."
Auch hier ein beängstigender logischer Fehler bei ihm. Wenn jemand gemordet hat und vor Gericht steht und man sich fragt, ob der Typ im landläufigen Sinne schuldig ist oder ob er vielleicht gar nicht anders konnte. Wird man dann den "Versuch" wiederholen mit immer mal wieder kleinen Änderungen im Versuchsaufbau? Natürlich nicht.

Natürlich nicht. Man wird hier wohl einen Psychologen zu Rate ziehen, der im besten Falle richtige Auskunft über die Selbstkontrollfähigkeit des Angeklagten geben kann.

ganimed hat geschrieben:Man wird sich einzig und allein fragen, was auf dem Tape ist.

Nein, natürlich nicht, siehe oben. Es kommt dabei darauf an, ob derjenige schuldfähig ist oder nicht. Was man zwar nicht mit 100%-iger Sicherheit wird sagen können, aber dennoch spielt es eine wesentliche Rolle hier.

ganimed hat geschrieben:Gab es in diesem einen Mord, der nun in der Vergangenheit liegt, für den Mörder eine Alternative? Nicht in irgendwelchen "ähnlichen" Situationen, sondern in genau der fraglichen, denn nur diese steht zur Debatte. Und die Antwort ist: "Replay the tape" und siehe da, die "Fähigkeit" des freien Willens ist tatsächlich nicht da. Ich möchte dem Dennett zurufen: eat it! Akzeptier das doch einfach mal und mogel dich nicht damit heraus, dass du andere "Methoden" forderst.

Siehe oben.

ganimed hat geschrieben:Auch das an dieser Stelle gebrachte Beispiel von Dennett ist merkwürdig unlogisch:
    "This is as true of the abilities of automobiles as of people. Suppose I am driving along at 60 MPH and am asked if my car can also go 80 MPH. Yes, I reply, but not in precisely the same conditions; I have to press harder on the accelerator. In fact, I add, it can also go 40 MPH, but not with conditions precisely as they are"
Die Frage "kann das Auto auch 80MPH?" soll doch der Frage nach dem freien Willen entsprechen. Kann der Mörder auch das Morden sein lassen? Hat er einen freien Willen?

Ja, das ist die Frage hier. Jemandem mit Tourette-Syndrom, der keine Kontrolle über sein Verhalten hat, kann man wohl kaum sein Verhalten vorwerfen. Die Frage: "kann dieser Mörder das Morden sein lassen?" ist so sinnvoll wie die Frage: "kann dieser Mensch seine Beleidigungen sein lassen", (was ein normaler Mensch kann, jemand mit Tourette-Syndrom aber nicht).

ganimed hat geschrieben:Die lächerliche Antwort von Dennett: nur, wenn man die Bedingungen ändert. Wenn ich also dem Auto per Gaspedal einen anderen Willen aufzwinge, dann fährt es auch mal 40MPH. FALSCH das Beispiel, Herr Dennett. Hier wird ja geradezu bewiesen, dass das Auto eben keine Freiheit hat, sondern von außen über das Gaspedal kontrolliert wird.

Das Auto hat keine Freiheit, weil es das tut, was ihm sozusagen befohlen wird, es kann nicht denken, nicht abwägen, nicht reflektieren. Menschen sind da jedoch oft anders, Menschen sind keine Autos. Wann immer ein Inkompatibilist damit argumentiert, dass Menschen wie Autos, Billardbälle, eine Marionette, Blätter am Baum oder dergleichen seien, dann hat er schon verloren, dann ist er nicht über den hier unstrittig ungültigen Appell an die Intuition hinausgekommen. (Siehe dazu auch dort.) Menschen können denken, überlegen, entscheiden, Autos, Billardbälle, Marionetten, Blätter am Baum nicht. Das ist ein für Freiheit wesentlicher Unterschied, wenn das nicht berücksichtigt wird, dann ist was grundsätzlich faul. (Es sei denn, Du könntest solche nachvollziehbaren notwendigen und hinreichenden Bedingungen für Freiheit nennen, bei denen das keine Rolle spielt.)

ganimed hat geschrieben:Oder im Mörder-Fall: wenn ich dem Mörder kurz vor der Tat die Pistole wegnehme, dann schießt er nicht.

Ja.

ganimed hat geschrieben:Und das soll einen freien Willen darstellen?

Nein, das lag dann ja nicht in seiner Entscheidung, nicht an ihm, darauf hatte er keinen Einfluss, keine Kontrolle.

ganimed hat geschrieben:Sowohl Auto als auch Mörder können selber nichts ändern, sondern nur durch Änderungen der Conditions zu einer Änderung gezwungen werden.

Nein, ein Mörder in spe könnte von seinem Vorhaben aus eigener Überlegung abrücken. Das Auto nicht.

ganimed hat geschrieben:Mein Fazit: Dennett sitzt überraschend ahnungslos in der überraschend simplen Falle: er geht davon aus, dass es einen freien Willen gibt. Und er definiert Freiheit mit "kann anders reagieren, WENN die Bedingungen anders sind" nur deshalb, weil seine Annahme sonst nicht bestätigt wird. Das ist logisch unredlich. Er biegt sich die Freiheitsdefinition zurecht, bis sie eine nicht leere Menge ist.

Nein, es ist hier vielmehr so, dass Du mal eben willkürlich eine unplausible und nicht nachvollziehbare Freiheitsdefiniton als petitio principii hinklatschst: "P ist genau dann frei, wenn P machen kann, dass Situation S != S". Niemand kann aber so etwas machen und ich behaupte jetzt mal ganz dreist, dass niemand, der seine sieben Zwetschgen noch im Schrank hat, so etwas ernsthaft behauptet und auch niemand außer Harten Deterministen das als Voraussetzung für Freiheit ansieht - und mit Determinismus hat das übrigens nichts, aber auch nicht mal im Allergeringsten zu tun, Determinismus ist dabei ein red herring, denn zu machen, dass gilt: S != S ist schlicht und einfach logisch unmöglich, in jeder logisch möglichen Welt.

Eine Argumentation, die zuviel zeigt, hat wohl ein kleines Problem. Das andere Problem ist: wie kommst Du auf dieses Verständnis, wie entweichst Du dem Vorwurf, das sei eine Setzung, die von Dir nur deswegen getroffen wurde, damit Dein gewünschtes Ergebnis herauskommt? Und: natürlich und selbstverständlich gibt es keine Freiheit in Deinem Sinne, niemand (noch nicht mal Gott) kann machen, dass eine Situation anders ist, als sie ist, denn das ist logisch unmöglich. Aber: who cares? Wofür sollte das auch nur im Ansatz interessant sein?

Ist so wenig interessant wie andere Tautologien auch. Niemand ist frei in Deinem Sinne, das erzeugt aber vielleicht ein müdes Schulterzucken, aber sicher nicht mehr, daraus folgt nichts weiter.

Du musst begründen, warum Du diese Freiheitsdefinition zugrunde legst. Warum sie wünschenswert sei oder wofür sie gut sein soll. Und was daraus folgt, wenn sie nicht zutrifft. Und wenn Du meinst, dass Determinismus Freiheit widerspricht, dann musst Du auch das begründen.

Aber eigentlich hatten wir das hier alles schon.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ujmp » Di 28. Jan 2014, 08:08

Nanna hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Als ob es Schopenhauers Kritik an unseriöser Philosophie nie gegeben hätte! So ein Gesülze ist unter meiner Würde.

Was ist denn daran Gesülze? Ich finde Brandoms Einwand sehr schlüssig. Wenn er Inkonsistenzen oder unhaltbare Prämissen enthält, bist du doch sicher nicht damit überfordert, die zu enthüllen. Oder? :veg:

Vollbreit ist zumindest überfordert, das aufgeblasene Gesülze überhaupt zu verstehen, er versteht ja nicht mal mich. Er spekuliert nur darauf, dass ihm dieses Kasperletheater aus der Verlegenheit hilft. Ich weigere mich überhaupt, meine Zeit mit so etwas zu verschwenden. Jeder weiß heut zu tage, dass jemand, der etwas wichtiges zu sagen hat, das auch einfach tun kann und dass so ein Wortnebel meistens dazu gedacht ist, die Trivialität des gesagten zu verschleiern. Schopenhauer hat sich ausführlich genug zu solchen Textganoven ausgelassen.

Es ist ganz klar, dass Tiere Entscheidungen treffen und Urteile fällen, auch ohne Sprache. Ein Hund benötigt keine Worte um sein Herrchen wieder zu erkennen, es ist ein einfaches Urteil, und zwar das Urteil der Gleichheit, zu dem alle höheren Organismen fähig sind. Auf diesem vorsprachlichen Urteilsvermögen baut die Sprache dann auf, sie ist darauf angewiesen - und nicht umgedreht.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ujmp » Di 28. Jan 2014, 08:27

Robert Brandom hat geschrieben:„Ein Interpret kann ihrem Verhalten einen Sinn geben, indem er ihnen propositional gehaltvolle intentionale Zustände unterstellt, doch sein Verständnis dieser Zustände und ihrer Signifikanz leitet sich aus seiner Beherrschung der reicheren Praktik des Gebens und Verlangens von Gründen für solche doxastischen und praktischen diskursiven Festlegungen ab, die diesen weniger komplexen Wesen nicht zuerkannt werden.“
(Brandom, Expressive Vernunft, 1994, dt. 2000, Suhrkamp, S.400f)

Pfui! Er meint einfach nur, dass nur der Mensch über seine Gründe redet, weil er eine Sprache hat.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Di 28. Jan 2014, 09:45

@ ujmp:

Brandom behauptet ganz einfach, dass der Mensch a) weiß, was er tut und b) sagen kann, warum er es tut.
Zentral geht es bei ihm um dieses Verstehen.

Unseren Verwandten im Tierreich spricht er zu durchaus empfindend und zielgerichtet zu sein, aber er spricht ihnen ab, diskursiv zu sein (und damit verstehend darstellen zu können, warum sie tun, was sie tun).

Nun kann man in der Tat nicht mehr tun, als einen Indizienprozess zu führen, um herauszufinden, ob Tiere nicht anders können oder eventuell nicht anders wollen.
Auch von unserem eineigen Zwillingsbruder können wir nicht wirklich wissen, ob er ein bewusstes Wesen ist, aber wir nehmen (aus gutem Grund) an, dass er bewusst ist.
Wissen(!) können wir es nur von uns (jeder nur für sich), dass wir bewusste, rationale und selbstbestimmte Wesen sind.

Aber wenn wir einen anderen Menschen sehen und erkennen, dass wir im Grunde auch so handlen könnten wie er, wenn seine Prämissen die unseren wären, dann berechtigt uns das, ihm zu unterstellen, dass er ein rationales Wesen ist (da wir von uns wissen, eines zu sein).
Bsp.: Wir sehen, wir ein Mann im Anzug jeden Mittag aus einer Sparkasse kommt und ab und zu ins Fischrestaurant nebenan geht.
Wenn wir selbst Fisch eklig finden und ein Fischrestaurant nur mit vorgehaltener Waffe betreten würden, so können wir uns doch vorstellen, dass dieser andere Mensch (mit dem Anzug) ein rationaler Mensch ist und das was er tut (vermutlich Fisch essen), freiwillig und gerne tut.

Wir können Menschen obendrein fragen (sofern wir glauben, dass sie sagen, was sie denken und denken, was sie sagen) und die Auskunft des Mannes könnte unsere Hypothese widerlegen oder bestätigen.

Tiere können wir nicht fragen, aber wir können mutmaßen, warum die tun, was sie tun.
Ethologen tun das wissenschaftlich, aber auch wir sind dazu in der Lage.
Nun gibt es Tiere, die a) als sehr intelligent gelten und b) in der Lage sind menschliche Laute zu bilden, Beos, Kakadus, Papageien und dergleichen.
Tiere mit einem Ichbewusstseins (wenigstens einige davon), Tiere, die im Verdacht stehen bestimmte logische Klassen bilden zu können (wenigstens einzelne Tiere der Art) und doch könen sie nicht sprechen, obwohl sie sprechen könnten.

Was ist Deine Idee, warum das so ist? Warum sprechen die Vögel nicht (mit uns)?

Affen und Delphinen hat man Symbolsprachen beigebracht, was auch immer wieder ganz gut funktioniert, aber eben immer wieder auch nur bis zu bestimmten Grenzen.
Was meinst Du, warum das so ist?
Zuletzt geändert von Vollbreit am Di 28. Jan 2014, 10:26, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 10:23

Aber eigentlich hatten wir das hier alles schon.

Ja leider. Es macht mir zwar schon jetzt wieder Spaß. Aber ich dachte schon gestern Abend immer wieder: Moment mal, das hast du doch genau so schon 10 mal geschrieben :) Neu ist jetzt vielleicht, dass wir diesen Dennett-Text haben. Meine Hoffnung wäre, dass wir, wenn wir uns darauf beziehen, vielleicht den altbekannten Fronten doch noch etwas neues abgewinnen können. Oder hälst du das für aussichtslos? Ich bin mir nicht sicher.

Wenn man durch Methode X eine Fähigkeit F nicht prüfen kann, dann ist X wohl offensichtlich die falsche Methode, um F zu prüfen.

Wer sagt, dass man durch die Methode F nicht prüfen kann? Die Methode ist sehr trivial, zugegeben. Wenn man sie ausführt, kann gar kein anderes Ergebnis rauskommen als "der Wille ist nicht frei". Aber egal wie trivial und kanonisch und simpel und allgemeingültig diese Methode ist, sie ist eine Methode, man kann sie anwenden und sie prüft und es kommt dabei was raus. Dein Satz stimmt also so nicht. Man kann durch die Methode X eine Fähigkeit F prüfen. Dennett und du müssten also kurz noch einmal darlegen, wieso X die falsche Methode sein soll. Ich unterstelle Dennett ja nun, dass er als Grund sozusagen implizit meint, dass die Methode deshalb falsch ist, weil sie das aus seiner Sicht unerwünschte Ergebnisse liefert. Dieser Grund wäre natürlich nicht akzeptabel.



Nochmal zu dem Mörder und deiner Behauptung, dass man die "Replay the tape" Methode nicht anwenden sollte, um seine Schuldfähigkeit zu überprüfen. Es ist doch so, dass wir vereinfachend sagen könnten: wenn der Mörder anders hätte handeln können, also in diesem Sinne frei war, dann ist er schuldig. Sonst nicht. Die Frage ist nun, welche Situation meinen wir, bzw. was meinen wir mit "anders hätte handeln können"?
Das Verbrechen geschah in Situation A: es war dunkel, es war Mittwoch, es war auf offener Straße beim Blumenladen und der Erschossene war Mr. X.
Nun sagst du offenbar: dich interessiert gar nicht, ob der Angeklagte in Situation A hätte anders handeln können. Du untersuchst, ob er auch in Situation B und C mordet. Aber wer legt fest, wie weit B und C von A abweichen dürfen?

Sei Situation B: es ist hell, es ist Dienstag, der Angeklagte befindet sich in Kairo und Mr. X ist gar nicht da. Bingo! In Situation B kann (ich würde sagen muss) sich der Angeklagte anders verhalten. Er erschießt X diesmal nicht. Soll das jetzt ein Beweis dafür sein, dass der Angeklagte freie Entscheidungen treffen kann und deshalb für seine Tat am Mittwoch schuldig ist?

Wie ähnlich muss Situation B zu A sein, damit "man" ein unterschiedliches Verhalten vom Angeklagten als Beweis für Freiheit ansieht? Ich behaupte, dass wegen des angenommenen Determinismus jeder klitzekleine Unterschied zwischen Situation A und B schon zuviel ist, weil es ja genau diese Unterschiede sind, per Definition, die das möglicherweise andere Verhalten verursachen. Der Angeklagte entscheidet sich nicht anders, sondern die Situation ist nur anders. Daher ist genau diese Beweisführungsmethode tautologisch (und nicht etwa, wie du behauptest, die Replay the tape Methode).


Das Auto hat keine Freiheit, weil es das tut, was ihm sozusagen befohlen wird, es kann nicht denken, nicht abwägen, nicht reflektieren. Menschen sind da jedoch oft anders...

Dennett sieht eine Analogie, sonst hätte er das Beispiel mit dem Auto sicherlich unterlassen. Die Analogie ist, soweit ich sie verstehe: kein Mensch kann in der exakt gleichen Situation etwas anderes tun, genau wie das Auto bei exakt gleicher Gaspedaleinstellung nicht eine andere Geschwindigkeit fahren kann. Und wenn jemand fragt, ist der Mensch frei, dann meint er nicht, ob der Mensch in der gleichen Situation anders handeln kann. Weil analog dazu niemand beim Auto und der Frage "kann das Auto auch ein anderes Tempo fahren" implizit meint, "bei gleicher Gaspedaleinstellung".
Aber genau hier irrt meiner Meinung nach Dennett. Die Analogie zu "kann das Auto auch 80 fahren?" ist nämlich "kann der Mörder auch Doppelkopf spielen?". Passt also gar nicht.

Mit der gleichen Gaspedaleinstellung (in der gleichen Situation A mit dem Revolver auf Mr. X zielend) ist die Antwort selbstverständlich "nein!" (der Mörder kann mit dem Revolver in der Hand nicht Doppelkopf spielen). Deshalb ist es absurd, bei der Frage, ob der Mörder auch Doppelkopf spielen kann, die replay-tape-Methode anzuwenden. Das stimmt.

Aber die Doppelkopffrage ist leider Unsinn. Tatsächlich suchen wir ja eigentlich nach einer Analogie zu der Frage, ob der Mörder in Situation A eine freie Entscheidung getroffen hat (und deshalb schuldig ist). Da wäre die analoge Frage beim Auto: "ist das Tempo des Autos entkoppelt und frei vom Gaspedal?" Darin liegt der offensichtliche Fehler von Dennett, dass sein Beispiel also gar keine treffende Analogie aufwies!

Das Auto erlangt keine Freiheit dadurch, dass es bei unterschiedlichen Gaspedaleinstellungen mal langsam und mal schnell fährt. Genau wie der Mörder nicht dadurch frei ist, dass er in Situation A mordet und in Situation D (an einem Sonntag bei seiner Tante Trude) Doppelkopf spielt.


Nehmen wir mal ein Beispiel. Franz ist ein Basketball-Trainer. Er sucht immer neue Talente, Verstärkung für sein Team. Nun sei da Tina, die sich als gute Baskettballspielerin bei dem Verein von Franz bewirbt. Franz will sie testen und fordert sie auf, einen Ball aus großem Abstand in den Korb zu werfen. Tina trifft in den Korb. Franz hat das auf Video aufgenommen. Was weiter, was würdest Du an Franz' Stelle tun? Das Videoband noch hundertmal abspielen und sagen: "boah, Tina hat 100 Mal einen Korb geworfen"? Oder würdest Du an Franz' Stelle Tina noch ein paar Mal werfen lassen, um zu prüfen, ob der erste Treffer an Tinas Fähigkeit lag und nicht nur ein zufälliger Treffer war?

Dein Beispiel hinkt aus ähnlichen Gründen wie das Beispiel mit Dennetts Auto hinkte. Die Fähigkeit, um die es hier geht, ist nicht das Fahren verschiedener Geschwindigkeiten (das Treffen des Basketballkorbes, das Doppelkopf spielen). Sondern die Fähigkeit, um die es hier geht, ist das entkoppelt, unabhängig und frei sein von etwas:
a) Tinas Treffer hängen nicht von der Uhrzeit ab. Bei exakt gleicher Uhrzeit trifft sie einmal und ein anderes mal eben nicht.
b) Das Tempo des Autos hängt nicht vom Gaspedal ab. Bei exakt gleicher Gaspedaleinstellung fährt es mal 40, mal 80.
c) Die Mordentscheidung des Mörders war irgendwie frei und hing nicht vollständig von der Situation ab. Bei exakt gleicher Situation mordet er mal, und mal nicht.


Nein, es ist hier vielmehr so, dass Du mal eben willkürlich eine unplausible und nicht nachvollziehbare Freiheitsdefiniton als petitio principii hinklatschst

Hier verlassen wir, glaube ich, den Dennett-Text. Soweit ich las (habe noch nicht alles gelesen) hat Dennett Harris nicht vorgeworfen, dass dessen Freiheitsbegriff willkürlich und unplausibel sei. Aber ich vermute, genau das wirft er ihm im Grunde vor, genau das wirft im Grunde jeder Kompatibilist dem Inkompatibilisten vor.

Aus meiner Sicht ist es SEHR plausibel, unter einer Tempofreiheit von Autos zu verstehen, dass das Tempo nicht nicht zu hundert Prozent von dem Fuss eines anderen abhängen sollte. Aber der Kompatibilist scheint hier zu sagen: "wenn ich dem zustimmen würde, dann wäre ja kein Auto der Welt tempofrei. Also finde ich die Definition völlig absurd und unplausibel, weil ich aus irgendeinem Grund davon ausgehe, dass es freie Autos gibt und geben muss. Ich suche also weniger plausible Definitionen von Freiheit heraus. Zum Beispiel: frei = das Auto kann bei unterschiedlichen Gaspedaleinstellungen unterschiedlich schnell fahren". Und er behauptet nun dreisterweise sogar, dass dies jetzt plötzlich die plausiblere Definition ist. Als wäre "plausibel" ein anderes Wort für "definiert nicht die leere Menge".

Aber nun gut, auch an diesem Punkt waren wir schon des öfteren. Freiheit ist für mich Entkoppelung und bei dir Koppelung. Ich verstehe zwar immer noch nicht so ganz, wie man so dreist sein kann ohne rot zu werden. Aber offenbar gelingt das auch Dennett.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Lumen » Di 28. Jan 2014, 12:26

Ich hänge an folgendem Problem fest:

Dennett meint, Harris hätte einen Cartesianischen Beobachter eingeschmuggelt, der sich das Geschehen passiv anschaue, aber selbst machtlos sei. Nun, wenn Dennett aber seinerseits akzeptiert, dass es eine sanfte “Rampe” (ein an Komplexität ansteigenes Konitinuum) von der Physik über Chemie, in die Biologie, und Psychologie gibt, auf dessen höherer Ebene graduell Bewusstsein erscheint, inwiefern fällt diese Sichtweise zusammen wenn die Welt vollständig, also hart determiniert wäre? Es ist nicht einmal notwendig sich mit Bewusstsein zu plagen, Dennett selbst argumentiert, dass an keiner Stelle eine magische Substanz “Lebendigkeit” plötzlich erscheint. Nun kann es auch in einer vollständig determinierten Welt Leben in diesem Sinne geben. Kurzum, Dennetts Einwand kann sich nur gegen Harris Formulierung, nicht aber gegen die von ihm vertretene Weltsicht richten. Anders ausgedrückt, man könnte Dennetts eigene Ansichten vollständig kopieren, aber Harris'che Prämissen zugrunde legen, ohne in Konflikt zu geraten. Stimmt das, oder nicht?

Weiterhin scheinen mir viele Beispiele Dennetts, Golfplatz und Gaspedal, als auch Harris nicht sehr produktiv und ich bin auch nicht sicher, was sie bezwecken sollen. Vielleicht kann das jemand erklären. Vereinfacht gesagt, entweder habe ich eine Welt, die, wenn ich sie zurückspulen könnte, sich wieder genau so abspielen müsste: dann wäre Freier Wille hinfällig, weil an keiner Stelle “Freiheit” ensteht, es also keine “Rampe” gibt, die von fest ablaufenden Prozessen zu Autonomie führt. Eine solche Ansicht wäre in etwa vergleichbar mit Solipsismus, nicht überprüfbar und Konsequenzlos. Warum dann Moral zerfallen sollte ist mir nicht klar, denn jeder Purzelbaum, moralisch oder anderweitig wäre immer Teil des festgelegten Programmes. Man würde Gesetze ändern “als ob” es eine Rolle spielte, Gewalttäter würden entweder sofort freigelassen oder eingesperrt, “als ob” es eine Rolle spielte. Es wäre wie ein Film. Was auch immer die Charaktere veranstalten ist immer vollständig festgelegt. Wir Protagonisten wären gleichzeitig Teil als auch festes Kettenglied der Kausalkette, und jede Regung ob nun gegen diese Einsicht oder als Konsequenz daraus wäre ihrerseits vollständig Teil des Systems, dass wir nie verlassen können. Damit nicht unähnlich dem Gehirn im Glas. Dem entgegen steht dazu die kombabilitistische Ansicht, dass auf der “Rampe” Freiheitsgrade entstehen, die zumindest in menschlichen Gehirn ausreichend groß sind, Entscheidungen abwägen zu können und sich anders entscheiden zu können. Was ich hier nicht nachvollziehen kann: Da meint Dennett ein paar mal zu Recht “so what?”, fügt dann aber seinerseits “so whats” hinzu.

Wenn dem so ist, inwiefern spielen Dennetts und auch Harris Beispiele auf Golfplätzen, oder hier Basketballwürfe eine Rolle? Denn hintereinander ausgeführte Würfe, oder Versuche können ohne Probleme jedes mal anders ausgehen, da sich die Welt fortwährend verändert selbst wenn es unmerklich scheint, die Prozesse im Gehirn und aktivierten Neuronen bei Wurf zwei und drei, selbst wenn alles gleich wäre, haben sich geändert. Wir würden das geänderte Motivation, Ablenkung, was auch immer nennen, alles wäre — in der determinierten Sichweise — Teil des Uhrwerks.

Schließlich ist es auch vorstellbar, dass die Welt nicht determiniert ist, beispielsweise durch Zufall (Anfang der Diskussion). Die Annahme, dass Zufall keine Eigenschaft des Universums sei, halte ich für ziemlich gewagt. Es gibt kaum gute Gründe für die Ansicht. Es könnten Bedingungen in der Welt der Elementarteilchen geben, die wir vernünftigerweise “zufällig” nennen müssten. Sie könnten sich aufheben, oder auch nicht. Ich glaube nicht, dass der derzeitige Stand dessen Wissens dafür ausreicht, eine Aussage zu machen. Da wir das “Zurückspulen Experiment” nicht durchführen können, aktuell jedenfalls nicht, ist es auch hinfällig ob bestimmte Abläufe wirklich zufällig sind, oder nur so erscheinen, weil es keinerlei Methode gibt (vielleicht nie geben kann) das mit Bestimmtheit zu sagen. Dass die Prozesse wirklich egal sind, ist auch eine steile These. Selbst wenn hier alles ordentlich abläuft, es könnte eine Auswirkung auf den Urknall gehabt haben, und andere kosmische Ereignisse, die durchaus eine Rolle spielen, da die Erde kein abgeschlossenes System ist. Der Zufall macht aber noch keinen freien Willen. Es ist auch vorstellbar, dass Menschen und alle anderen Wesenheiten und Objekte wie in einem determinisischen Uhrwerk ihr Ding machen, gemäß der Gesetze der Physik, gleichzeitig ab und zu aber, z.B. durch kosmische Einflüsse (um es plakativ zu machen), Strahlung usw. das “Zurückspulen Experiment” jedes mal anders ausgeht. Das heißt, eine leicht unterschiedliche Welt wäre dann eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den freien Willen, oder?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Di 28. Jan 2014, 12:40

Lumen hat geschrieben:Vereinfacht gesagt, entweder habe ich eine Welt, die, wenn ich sie zurückspulen könnte sich wieder genau so abspielen müsste: dann wäre Freier Wille hinfällig, weil an keiner Stelle “Freiheit” ensteht, es also keine “Rampe” gibt, die von fest ablaufenden Prozessen zu Autonomie führt.

1) Warum glaubst Du, dass in einer determinierten Welt Freiheit nicht möglich sei?
2) Was ist/bedeutet Freiheit für Dich?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Lumen » Di 28. Jan 2014, 13:25

Vollbreit hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Vereinfacht gesagt, entweder habe ich eine Welt, die, wenn ich sie zurückspulen könnte sich wieder genau so abspielen müsste: dann wäre Freier Wille hinfällig, weil an keiner Stelle “Freiheit” ensteht, es also keine “Rampe” gibt, die von fest ablaufenden Prozessen zu Autonomie führt.

1) Warum glaubst Du, dass in einer determinierten Welt Freiheit nicht möglich sei?
2) Was ist/bedeutet Freiheit für Dich?


Wie oben ausgeführt. Wenn harter Determinismus wahr wäre, ist die Sichtweise einerseits gewissermaßen solipsistisch und konsequenzlos, daher wäre es unsinig den Freiheitsbegriff oder das Konzept fallen zu lassen: wir machen das was wir machen, so oder so. Kriminelle sind kriminell, Richter sperren sie ein, eine Gesellschaft entscheidet aufgrund einer (falsch verstandenen) hart deterministischen Sichtweise Gesetze abzuschaffen, was zu Plünderungen und Auschreitungen führt usw. das alles sind Teile derselben Kausalketten, die selbstverständlich alle “Ebenen” durchdringen müssen, inklusive “Meinungen” von Menschen. Damit ist Freiheit, als Konzept oder als Begriff von dieser Warte aus (! das ist hier wichtig wegen des “Solipsismusproblems”) hinfällig (alles andere eben auch). Aber, könnte ich von Außen in ein solches Uhrwerk, sei es durch Zurückspulen oder sonstwie hineinschauen, “Freiheit” hat keinen Platz. Aber das ist eben, mein Eindruck und die Frage dazu, die “so what” Stelle bei Dennett, wir können das ja nicht. Oben etwas genauer ausgeführt.

Noch gefunden, zu Minute 27 gehen, ich habe den Teil noch nicht gesehen und (falls etwas neues) noch nicht berücksichtig.

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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Di 28. Jan 2014, 14:34

Lumen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:1) Warum glaubst Du, dass in einer determinierten Welt Freiheit nicht möglich sei?
2) Was ist/bedeutet Freiheit für Dich?


Wie oben ausgeführt. Wenn harter Determinismus wahr wäre, ist die Sichtweise einerseits gewissermaßen solipsistisch und konsequenzlos, daher wäre es unsinig den Freiheitsbegriff oder das Konzept fallen zu lassen: wir machen das was wir machen, so oder so. Kriminelle sind kriminell, Richter sperren sie ein, eine Gesellschaft entscheidet aufgrund einer (falsch verstandenen) hart deterministischen Sichtweise Gesetze abzuschaffen, was zu Plünderungen und Auschreitungen führt usw. das alles sind Teile derselben Kausalketten, die selbstverständlich alle “Ebenen” durchdringen müssen, inklusive “Meinungen” von Menschen.

Ja.
Das würde zu der Situation führen, dass der Straftäter argumentiert: „Tut mir leid, aber ich musste so handeln, ich konnte nicht anders“, und der Richter würde entgegnen: „Und ich kann nicht anders, als sie dafür zu verurteilen.“ Was würde sich ändern, wenn man den metaphysischen oder meinetwegen semantischen Ballast der allem ein „ich konnte nicht anders“ hinzufügt, einfach streicht?
Und kann man wirklich nicht anders? Würdest Du wiklich zu jedem Arzt gehen, jedem Deine Wohnungsschlüssel geben?
Wenn Du hier auswählst, nach welchen Kriterien?

Lumen hat geschrieben:Aber, könnte ich von Außen in ein solches Uhrwerk, sei es durch Zurückspulen oder sonstwie hineinschauen, “Freiheit” hat keinen Platz.
Stimmt!
Diesen Blick hast Du aber nicht zur Verfügung.
Damit hast Du nun die Möglichkeit zu sagen, dass Freiheit für Dich unmittelbar damit zusammenhängt den absoluten Einblick in das Räderwerk der Natur zu haben.
Damit wären ziehende Kometen, sich nach der Sonne ausrichtende Pflanzen, instinktgesteuerte Tiere, religiöse Selbstmordattentäter und Daniel Dennett alle im absolut gleichen Maße unfrei und es wäre vollkommen egal, wenn Du Dein Kind in einen katholischen Kindergarten steckst, weil es ohnehin die Erfahrungen machen wird, die es macht und Du oder sonst wer daran überhaupt nichts ändern könntest.
All Dein engagiertes Wirken in der Welt wäre zutiefst sinnlos, weil ein Kind seine Bahn zieht wie ein toter Meteor – nach dieser Definition.

Ich finde diese Defintion daher unzulänglich, weil sie nichts von dem abbildet, was wir im Leben tun und wovon wir überzeugt sind. Wir erziehen unsere Kinder, weil wir denken, dass es etwas bringt, wir klären einander auf, weil wir meinen, dass Argumente überzeugen, wir wählen sehr wohl aus, wem wir was anvertrauen: Infos, Hausschlüssel, Geld.

Was uns bleibt, wäre gemäß unserer aktuell besten Erkenntnisse zu entscheiden. Die Argumente prüfen, abwägen und dann begründet entscheiden. „Ich gehe zu dem Arzt, weil...“ „Ich trete aus der Kirche aus, weil...“ „Ich lese dieses Buch, weil ...“
Die Entscheidung verändert Dich und damit Deine Prämissen. Jemand hat Dir ein Buch empfohlen, von dem Du glaubtest, er habe in etwa Deinen Geschmack und sei auf Deiner Wellenlänge, aber Du findest das Buch scheußlich. Auf den nächsten Buchtipp dieses Menschen, dessen Urteil Dir beim letzten mal hinreichend erschien, um das Buch zu lesen, wirst Du nun anders reagieren.

Wir tun einfach unser aktuell Bestes und können begründen, warum wir genau das für das Beste halten. Es kann zu 100% feststehen, dass wir uns so entscheiden, aber wir wissen ja nicht dass und in welcher Weise es feststeht.
Unsere Freiheit gründet also auf unserer teilweisen Unwissenheit, aber eben auch darauf, dass wir eben nicht total unwissend sind. Wir haben ja schon Erfahrungen gemacht und können diese verarbeiten. Wir können lernen und sind nicht gezwungen immer wieder auf dieselben Schlüsselreize zu reagieren.

Der Determinismus der Kompatibilisten, ist der, den Du skizzierst.
Die Freiheit der Kompatibilsten heißt, innehalten, abwägen und begründet (gemäß der eigenen Prämissen) entscheiden zu können.
Wenn Du diesen Freiheitsbegriff unzureichend findest, kannst Du ihn ergänzen und wir können diskutieren ob und warum diese Komponente ergänzt werden muss.
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