xander1 hat geschrieben:Aber worauf ich eigentlich hinaus wollte:
Vieles das bei uns als sexuelles Selektionsmerkmal dient hat weniger oder keine Berechtigung mehr in der heutigen Zeit.
- breites Becken: habe ich schon oben erklärt.
[...]
Ja, ich glaube, dein Fehler ist, dass du meinst,
du würdest selektieren - teilweise ist es auch so, aber wenn man von Selektion allgemein spricht, meint man das Phänomen des Schwundes und der Herauskristallisierung bestimmter Merkmale und Eigenschaften. Es sind also nicht "deine sexuellen Selektionskriterien", sondern die sexuellen Selektionskriterien
für Menschen allgemein. Hast ja teilweise recht, wenn du meinst, es würde keine Rolle mehr spielen - aber biologisch ausgedrückt sagt man dann nicht, dass die Selektion nicht mehr funktioniert, sondern sie nicht mehr vorhanden ist (also die Tendenz der Umgebung, eine Eigenschaft zu filtern). Mit anderen Worten: Andere Fetische, die mit keinem Nutzen assoziiert sind, werden sich anhäufen, weil sie nicht mehr gefiltert werden. Der Begriff "Selektion" wird anders verwendet als im allgemeinen Sprachgebrauch (auch wenn du deine "Selektionskriterien" hast - diese sind nicht kongruent mit dem Begriff, der in der Biologie angewendet wird).
xander1 hat geschrieben: Mittlerweile denke ich, dass das falsch ist, wenn es mir wichtig ist ne Intelligente Frau zu haben. Seit kurzem denke ich, dass es aus evolutionärer Sicht besser ist ne nicht so intelligente zu haben.
Nein, deine Präferenzen sind "Relikte", aber das bedeutet nicht, dass sie "falsch" sind. Soetwas gibt es in der Evolution nicht - es gibt nur Eigenschaften und Präferenzen, die nützlich, schädlich oder nutzlos sind (also neutral). Selbst wenn deine Präferenz für intelligente Frauen deine Fitness eher senkt (weil sie vielleicht nicht so schnell ins Bett zu bekommen sind usw...), ist diese Präferenz nicht "falsch", sie ist nur weniger vorteilhaft (populationsbiologisch gesehen). Aber auch da kann man differenzieren: Es gibt verschiedene Strategien der Fortpflanzung - mehr bedeutet nicht unbedingt besser. Man unterscheidet in k- und r- Strategen. Sie unterscheiden sich in Lebensdauer der Individuen, Anzahl der Nachfahren und ihre Sterblichkeit. Während Bakterien sich schnell vermehren und kurz leben, haben sie zwar viele Nachkommen, aber der Schwund ist auch sehr groß. Bei Säugetieren (und besonders beim Menschen) gibt es längere Lebensspannen, eine Brutpflege und weniger Schwund (also die, die geboren werden, haben auch bessere Chancen geschlechtsreif zu werden und sich ihrerseits fortzupflanzen) - dementsprechend investieren sie weniger in die Anzahl. Aber ob sich eine Strategie auszahlt oder nicht, kann man immer nur rückblickend erkennen. Vielleicht stirbt der dekadente und dumme Teil einfach weg, weil sie nicht mehr überlebensfähig sind, wenn der Sozialstaat wegbricht - dann sind noch die mit vormals "veralteten" Präferenzen wieder diejenigen, die sich vermehren (weil sie nicht alles genagelt haben, was da war). Kann auch sein, dass der Teil mit veralteten Präferenzen irgendwann ganz verschwindet und es noch schafft, eine künstliche Intelligenz zurückzulassen, die automatisiert die nicht mehr autonom lebensfähigen paarungswütigen Individuen am Leben zu erhalten - es kann auch sein, dass sich irgendwann beide zu 2 Spezies entwickeln..... Die Möglichkeiten sind unbegrenzt und eines ist gewiss - es gibt keine "falschen" Präferenzen (aus biologischer Sicht). Die Selektion kann schnell ihre Richtung wechseln - die Evolution des Waals hat das auch gezeigt: Wie jedes Säugetier hat es sich aus Reptilien entwickelt, die ihrerseits aus Amphibien und die wiederum aus Fischen - und dann entwickeln sie sich wieder zu Lebewesen, die im Meer leben (womit "Relikte" wieder ausgeprägt und nützlich wurden wie rudimentäre Flossen zwischen den Zehen oder sowas...).
xander1 hat geschrieben:
Gesundheit - etwas das eher mit rationalem Denken, statt emotionalen Reizen zu tun hat, aber nicht immer. Gesundheit spielt in Ländern wie den USA und China eine Rolle, aber nicht so sehr in Ländern mit einer sozialen Marktwirtschaft, wie in Europa. Mit Rolle meine ich hier damit, wie sich Gesundheit auf die Selektion auswirkt.
Na, na - da musst du differenzierter schauen - Schönheit wird mit Gesundheit assoziiert (also Symmetrie, das Fehlen von Missbildungen, Vitalität, usw.). Zumindest so weit ist es auch in Sozialstaaten nicht, dass eine große Gruppe Krankheiten sexy findet. Abgesehen davon sehe ich eher eine gegenteilige Entwicklung, allerdings aus etwas anderen Gründen: Wir werden
gesünder, gerade weil wir dafür sorgen können, dass wir gesund sind (auch rückwirkend und nicht nur auf unsere Gene aufbauend). Hier ist die Präferenz zu einem Selbstläufer geworden, aber nicht nur die nach gesunden Partnern, sondern auch das Bedürfnis, selbst gesund zu sein. Ich denke also, dass zumindest das uns erhalten bleibt und sich weiter ausbaut (es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Gentherapien zum Standard werden und dann werden sich auch keine "nutzlosen" Präferenzen durchsetzen, die theoretisch aber auch überlebensfähig wären).
xander1 hat geschrieben:Oder mit anderen Worten: Wir können unsere sexuelle Selektion in die Tonne treten! Weil vieles, für das sie mal wichtig war, wegfällt.
Wie gesagt, das stimmt einfach nicht: Nur weil kein unmittelbarer Nutzen mehr für einige Kriterien besteht, bedeutet es nicht, dass andere nützlicher sind oder die alten schädlich. Es ist immer noch nicht nützlich, auf kranke Partner zu stehen, es ist nicht nützlich, auf schmale Hüften zu stehen, es ist nicht nützlich oder förderlich für die Anzahl des Nachwuchses auf arme Schweine zu stehen - das mit der Intelligenz kann (bis zu einem bestimmten Grad) sein, aber nicht mehr. Soetwas wird sich auch einpendeln, wenn die Paarung solche Ausmaße annimmt, dass sich schon kein Mann mehr sicher sein kann, der Vater zu sein. Es wird plötzlich nützlich, sich keine allzu freizügige Frau zu suchen, um auch sicher sein zu können, dass ihre Kinder auch die eigenen sind - diese Männer würden sich durchsetzen, ebenso wie die treuen Frauen, da sie durch diese Männer begehrt wären. Damit kommen wir wieder zu den Akademikern und Akademikerinnen, die quasi unter den Menschen die k-Strategen sind und mit größerer Wahrscheinlichkeit Nachwuchs haben, wärend die Dümmeren sich vielleicht öfter paaren, aber dafür nicht unbedingt sicher sein können, dass
sie den Nachwuchs zeugten. Es wird also eine Balance geben und bestimmte Kriterien bleiben bestehen.
xander1 hat geschrieben:Mir selbst ist schon wichtig, dass mir die Frau gefällt mit der ich zusammen bin, aber mitlerweile denke ich rein rational, dass ich auf meine sexuellen Selektionskriterien gar nicht mehr schauen sollte.
Warum nicht? Welchen Nutzen hätte es denn evolutionär betrachtet, auf dümmere und paarungswilligere zu stehen, wenn du bei ihnen wiederum nicht sicher sein kannst, dass auch du der Erzeuger des Nachwuchses wärst?
xander1 hat geschrieben:Mitlerweile finde ich den Weg den ich eingeschlagen habe verkehrt mit Abizeit und Studium.
Was war (und ist) denn dein Ziel? Möglichst viele Nachkommen zu haben, oder glücklich zu sein? Seiner Biologie zu folgen bedeutet auch, seinen Präferenzen zu folgen und in gewisser Weise auch das eigene Glück zu erstreben.
xander1 hat geschrieben: Ich wollte nur ausdrücken, dass sich in den letzten Jahrhunderten und Jahrzehnten sehr viel verändert hat, und das in unseren sexuellen Selektionskriterien sich bei weitem noch nicht genügend niedergeschlagen hat, wie das vor den Jahrhunderten war.
Ja, die Sache ist aber die, dass wir dafür auch eine längere Zeit benötigen: Nur wenn die Lebensbedingungen annähernd konstant sind, wird sich auch eine At Selektion herauskristallisieren - wenn die Bedingungen schnell und radikal wechseln, bleibt alles beim alten - oder wir sterben aus. 100, 200, 300 Jahre reichen nicht aus, um eine Veränderung herbeizuführen (besonders nicht, wenn diese Jahrhunderte kein bisschen miteinander vergleichbar sind und der Sozial- und Industriestaat nichtmal ein Konzept sein muss, welches für die Ewigkeit besteht).
xander1 hat geschrieben:Darth Nefarius hat geschrieben:Das ist der Witz daran: Kannst du nicht, brauchst du nicht, da nicht die Einzelperson über Evolution entscheidet, sondern die Entwicklung der Spezies insgesamt zeigt, was die Evolution ist.
Ja aber der Gedanke aus der Evolution auszuscheiden ist auch nicht schön. Kommt mir vor wie im Buddhismus die Wiedergeburt zu beenden, was da allerdings gewünscht ist. Seine Gene nicht weitergeben ist irgendwie doof. Aber das eigene Kind, sofern man eins bekommt, wird oft ein völlig anderer Mensch sein, als man selbst.
Klar; es kommt darauf an, was dir wichtiger ist: Mit einer Frau glücklich zu werden, oder Kinder zu bekommen - wenn du dich für eine sterile Frau entscheidest, sie aber liebst, wirst du zwar glücklich, aber diese Präferenz zum Glück nicht weitergeben - das ist aber dann nicht dein Problem mehr, sondern wäre nur einer, deines potentiellen Nachwuchses (der hätte aber seinerseits auch kein Problem, wenn er gar nicht existiert). Ich denke ja nicht, dass dies wirklich dein Problem ist - jeder, der vor die Wahl gestellt wird, sich für die Liebe seines Lebens oder "potentiellen"(!) Nachwuchs zu entscheiden, wird ersteres wählen. Danach wird es einige geben, die sich vielleicht für letzteres entschieden haben und wieder andere, die beides haben können - die dritte Gruppe hat dann den größten Vorteil. Die Präferenzen werden also bestehen, so oder so. Es würde also Gruppen geben, die (1) glücklich und kinderlos sind, die (2) glücklos und mit Kindern sind, die (3) glücklich und mit Kindern sind - willst du tatsächlich zur 2. Gruppe gehören? Nein - im Leben gibt es immer Situationen, wo man Kompromisse machen muss, aber nur wenn man seine Einbußen bereut, hat man falsch entschieden. Bereust du es denn mehr, dich für eine intelligente Frau entschieden zu haben, anstatt für viele Kinder? Ich selbst (sollte ich je in den Luxus kommen, mich zu entscheiden), würde mich auch für eine sterile Frau entscheiden, wenn sie mich glücklich macht (auch wenn ich mich immer mehr mit dem gedanken anfreunde, irgendwann selbst Kinder zu haben). Bis jetzt habe ich mich selbst zumindest immer gegen Beziehungen entschieden, bei denen ich auf jeden Fall eine Familie mit vielen Kindern hätte aufbauen können und bereue es nicht, auch wenn ich mich damit auch entschieden habe, lieber allein zu bleiben.
Die Evolution ist nur ein Prozess - man scheidet nicht "aus der Evolution aus", sondern stirbt höchstens aus - aber dein Tod ist durch eine größere Anzahl von Nachkommen nicht verhindert. Oder hast du etwa das Gefühl, du wärst dein eigener Vater/deine Mutter? Gewiss nicht, so wenig wie ich dieses gefühl habe, selbst wenn viele Eigenschaften geteilt werden (aber du hast ja auch selbst festgestellt, dass deine Kinder völlig anders wären als du). Umgekehrt fühle ich eine große geistige Nähe zu Menschen, mit denen ich wahrscheinlich kein bisschen verwandt bin und habe den Eindruck, wir haben ähnlich gelebt und entschieden. Der Schwund ist auch Teil der Evolution und auch Nachkommenschaft bedeutet nicht, dass du "wiederkehrst".
Vielleicht bist du ja jetzt in deiner Beziehung unglücklich, vielleicht wird dir aber deine Sterblichkeit bewusst und hast Angst um dein Vermächtnis - so oder so glaube ich aber nicht, dass dich gerade dieses Thema wirklich beschäftigt.