Harter atheistischer Determinismus

Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 15:47

Lumen hat geschrieben:Dennett meint, Harris hätte einen Cartesianischen Beobachter eingeschmuggelt, der sich das Geschehen passiv anschaue, aber selbst machtlos sei. ... Kurzum, Dennetts Einwand kann sich nur gegen Harris Formulierung, nicht aber gegen die von ihm vertretene Weltsicht richten.

Ich habe immernoch nicht alles gelesen (wieso bin ich immer so faul?) aber ich vermute stark, dass Dennett und Harris sich überhaupt nicht im Konflikt befinden, ob die Welt deterministisch ist. Sie stimmen ja beide überein, dass ein Mensch in exakt der gleichen Situation immer wieder exakt gleich handelt. Sie ziehen daraus nur unterschiedliche Schlussfolgerungen. Harris meint, dann gibt es keinen freien Willen und keine wirkliche Verantwortung. Dennett meint, der freie Wille ist nicht die Fähigkeit, in der gleichen Situation anders zu handeln, sondern in ähnlichen Situation anders zu handeln (weil man zum Beispiel sein eigenes Bewusstsein geändert hat). Damit bleibt es für ihn beim landläufigen Verantwortungsbegriff. So verstehe ich das zumindest, wobei das jetzt weitgehend geraten ist. Ich bin mir nur recht sicher, dass das die Positionen zwischen mir und AgentProvocateur sind.

Lumen hat geschrieben:Anders ausgedrückt, man könnte Dennetts eigene Ansichten vollständig kopieren, aber Harris'che Prämissen zugrunde legen, ohne in Konflikt zu geraten. Stimmt das, oder nicht?

Ich finde, es stimmt nicht. Laut Harris gibt es keine wirkliche Verantwortung. Laut Dennett gibt es sie. Das ist ein Konflikt.

Lumen hat geschrieben:Vielleicht kann das jemand erklären. Vereinfacht gesagt, entweder habe ich eine Welt, die, wenn ich sie zurückspulen könnte, sich wieder genau so abspielen müsste: dann wäre Freier Wille hinfällig, weil an keiner Stelle “Freiheit” ensteht, es also keine “Rampe” gibt

Ich glaube, Dennett argumentiert etwas anders. Er stimmt zu, dass wenn man die Welt zurückspulen könnte, sie sich wieder genau so abspielen müsste. Freier Wille ist aber für ihn deshalb nicht hinfällig. Jetzt wird es schwierig, weil ich aus seiner Sicht argumentieren müsste. Ich verstehe ihn so: da man ja nunmal nicht zurückspulen kann, ist das Zurückspulen irrelevant und Freiheit entsteht nicht an irgendeiner Rampe, sondern genau zwischen den Situationen. Mal ist man so drauf, zum Zeitpunkt t2 ist man aber wieder weiser, das Bewusstsein hat das Potential, sich zu ändern, zu reflektieren, dazu zu lernen und das macht die Freiheit aus. Oder irgendwie so. Ich selber würde ja sofort dagegen halten, dass man aber nicht frei entscheiden kann, ob und was man dazu lernt, oder ob und wie sich das Bewusstsein verändert. Aber was weiß ich schon.


Lumen hat geschrieben:Wenn dem so ist, inwiefern spielen Dennetts und auch Harris Beispiele auf Golfplätzen, oder hier Basketballwürfe eine Rolle? Denn hintereinander ausgeführte Würfe, oder Versuche können ohne Probleme jedes mal anders ausgehen, da sich die Welt fortwährend verändert selbst wenn es unmerklich scheint, die Prozesse im Gehirn und aktivierten Neuronen bei Wurf zwei und drei, selbst wenn alles gleich wäre, haben sich geändert.

Verkürzt würde ich sagen:
Harris meint: Situation ändern gilt nicht. Freiheit wäre, wenn man in exakt der gleichen Situation anders handeln könnte.
Dennett meint: Freiheit entsteht durch Änderung der Situation, zumindest durch Änderung der eigenen Hirnsituation. Freiheit ist die Möglichkeit, anderes Wissen, anderes Bewusstsein zu haben oder zu erlangen und damit eine andere Situation und andere Entscheidungen herbei zu führen.

Eigentlich mal ganz lustig, auch nur einen Satz aus Sicht eines Kompatibilisten schreiben zu wollen. AgentProvocateur oder Vollbreit können das sicher viel besser.


Lumen hat geschrieben:Schließlich ist es auch vorstellbar, dass die Welt nicht determiniert ist, beispielsweise durch Zufall (Anfang der Diskussion). Die Annahme, dass Zufall keine Eigenschaft des Universums sei, halte ich für ziemlich gewagt. Es gibt kaum gute Gründe für die Ansicht. Es könnten Bedingungen in der Welt der Elementarteilchen geben, die wir vernünftigerweise “zufällig” nennen müssten. Sie könnten sich aufheben, oder auch nicht. Ich glaube nicht, dass der derzeitige Stand dessen Wissens dafür ausreicht, eine Aussage zu machen.

Das wäre auch mein Stand der Dinge. Gut möglich, dass die Welt nicht deterministisch ist. Ich kann es mir zwar intuitiv nicht vorstellen, aber das wäre dann eine Stelle, wo mein Geist eben die Wirklichkeit vielleicht einfach nicht begreifen kann. So richtig kapiere ich nicht, was ich bisher über die Quantentheorie im Einzelnen versuchte zu lesen.


Lumen hat geschrieben:Das heißt, eine leicht unterschiedliche Welt wäre dann eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den freien Willen, oder?

Ich habe das, wie erwähnt, anders verstanden. Auch für Dennett ist eine leicht unterschiedliche Welt nicht notwendig. Auch in einer deterministischen Welt würde er bei seinem Freiheitsbegriff bleiben.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 16:07

Vollbreit hat geschrieben:Damit wären ziehende Kometen, sich nach der Sonne ausrichtende Pflanzen, instinktgesteuerte Tiere, religiöse Selbstmordattentäter und Daniel Dennett alle im absolut gleichen Maße unfrei und es wäre vollkommen egal, wenn Du Dein Kind in einen katholischen Kindergarten steckst, weil es ohnehin die Erfahrungen machen wird, die es macht und Du oder sonst wer daran überhaupt nichts ändern könntest.
All Dein engagiertes Wirken in der Welt wäre zutiefst sinnlos, weil ein Kind seine Bahn zieht wie ein toter Meteor – nach dieser Definition.

Es ist ja für mich schon eine Weile her, dass wir mal über das Thema gesprochen haben. Hm, für dich auch, wenn ichs recht bedenke. Jedenfalls erinnere ich mich, dass dieser Punkt bei dir schonmal anklang und ich das schonmal versucht habe, als Missverständnis zu deuten. Ich glaube, du schüttest hier das Kind mit dem Bade aus. Lumen meint (zumindest ich meine), wenn alles determiniert ist, hat man keinen freien Willen. Die Entscheidungen, die man trifft, sind nicht frei sondern kausal determiniert. Also egal was man entscheidet, man tut es nur wegen der Gründe und würde sich in der gleichen Situation immer gleich entscheiden.
Du machst aus irgend einem Grund daraus, dass man sich gar nicht mehr entscheiden kann. Beziehungsweise sogar, dass jede Entscheidung wirkungslos wäre, weil ja doch alles anders käme, als man entschiede.

Es stimmt, ich bin so unfrei wie ein Meteorit. Aber ich kann trillionenmal mehr entscheiden als er. Frei entscheiden (also mit teilweiser Unabhängigkeit von kausalen Faktoren) und unfrei entscheiden (also ohne teilweise Unabhängigkeit von kausalen Faktoren), es bleibt in beiden Fällen eine Entscheidung, welche wiederum kausale Folgen hat. Für das Kind im Kindergarten ändert sich also erstmal gar nichts.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Di 28. Jan 2014, 16:32

ganimed hat geschrieben:Es ist ja für mich schon eine Weile her, dass wir mal über das Thema gesprochen haben. Hm, für dich auch, wenn ichs recht bedenke. Jedenfalls erinnere ich mich, dass dieser Punkt bei dir schonmal anklang und ich das schonmal versucht habe, als Missverständnis zu deuten.
Ja, das hat mich damals schon nicht überzeugt. ;-)

ganimed hat geschrieben:Ich glaube, du schüttest hier das Kind mit dem Bade aus. Lumen meint (zumindest ich meine), wenn alles determiniert ist, hat man keinen freien Willen.
Er erweckt den Eindruck, ja.
Irritierend daran ist nur, dass er sich selbst als Kompatibilist bezeichnet, und die meinen eiegntlich etwas anderes.

ganimed hat geschrieben:Die Entscheidungen, die man trifft, sind nicht frei sondern kausal determiniert.
Nein, das würde ja bedeuten, dass sich beide Positioneen auschließen und das tun sie nach Ansicht der Kompatibilsten nicht.

ganimed hat geschrieben:Also egal was man entscheidet, man tut es nur wegen der Gründe und würde sich in der gleichen Situation immer gleich entscheiden.
Ja, aber wenn man das tut, ist man aus Sicht der Kompatibilsten ja frei.
Was meinst Du, was zur Freiheit noch fehlt?

ganimed hat geschrieben:Du machst aus irgend einem Grund daraus, dass man sich gar nicht mehr entscheiden kann.
Nein, ich mache das m.E. nicht daraus, den ich bin Kompatibilst und meine, dass man determiniert und frei sein kann. Das Ereignis ist determiniert, d.h. wie ich mich entscheide, doch welchen Gründen ich folge, darin bin ich frei.

ganimed hat geschrieben:Beziehungsweise sogar, dass jede Entscheidung wirkungslos wäre, weil ja doch alles anders käme, als man entschiede.
Nein, eigentlich nicht, wieso meinst Du das, begründe das bitte mal.

ganimed hat geschrieben:Es stimmt, ich bin so unfrei wie ein Meteorit. Aber ich kann trillionenmal mehr entscheiden als er. Frei entscheiden (also mit teilweiser Unabhängigkeit von kausalen Faktoren)...
Nein, glaube ich nicht. Wenn es kausale Faktoren gibt (was sonst könnte determinieren?), wie kann man sich davon frei machen?

ganimed hat geschrieben:... und unfrei entscheiden (also ohne teilweise Unabhängigkeit von kausalen Faktoren), es bleibt in beiden Fällen eine Entscheidung, welche wiederum kausale Folgen hat.
Ja, eine Einscheidung hat wiedrum kausale Folgen, das sehe ich auch so.

ganimed hat geschrieben:Für das Kind im Kindergarten ändert sich also erstmal gar nichts.
Im Bezug auf was?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 17:52

Vollbreit hat geschrieben:Irritierend daran ist nur, dass er sich selbst als Kompatibilist bezeichnet, und die meinen eiegntlich etwas anderes.

Das habe ich nicht mitbekommen. Das wäre in der Tat aufklärungswürdig. Was ich gelesen habe passt viel besser zu einem Inkompatibilisten. Aber da kann man mal sehen, eigentlich ist der Unterschied gar nicht sooo groß.

Vollbreit hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Aber, könnte ich von Außen in ein solches Uhrwerk, sei es durch Zurückspulen oder sonstwie hineinschauen, “Freiheit” hat keinen Platz.

Stimmt!
Diesen Blick hast Du aber nicht zur Verfügung.
Damit hast Du nun die Möglichkeit zu sagen, dass Freiheit für Dich unmittelbar damit zusammenhängt den absoluten Einblick in das Räderwerk der Natur zu haben.
Damit wären ziehende Kometen, sich nach der Sonne ausrichtende Pflanzen, instinktgesteuerte Tiere, religiöse Selbstmordattentäter und Daniel Dennett alle im absolut gleichen Maße unfrei und es wäre vollkommen egal, wenn Du Dein Kind in einen katholischen Kindergarten steckst, weil es ohnehin die Erfahrungen machen wird, die es macht und Du oder sonst wer daran überhaupt nichts ändern könntest.
All Dein engagiertes Wirken in der Welt wäre zutiefst sinnlos, weil ein Kind seine Bahn zieht wie ein toter Meteor – nach dieser Definition.

Diese Stelle meinte ich hauptsächlich, als ich vom Kinde und Bade ausschütten sprach. Du sagst doch hier, wenn es keinen freien Willen gibt (oder wie Lumen es formuliert, Freiheit keinen Platz hat), dann wären Kometen so unfrei wie Daniel Dennett. Und meine Entscheidung, in welchen Kindergarten ich mein Kind stecke, wäre irrelevant, also ohne Auswirkung.

Diese Passage meinte ich auch, als ich schrieb: "Du machst aus irgend einem Grund daraus, dass man sich gar nicht mehr entscheiden kann".
Wo ich wohl besser formuliert hätte: Du machst aus irgend einem Grund daraus, dass die Entscheidungen keine Entscheidungen mehr sind, weil sie keinerlei Auswirkungen mehr haben.

Na jedenfalls verstehe ich, wie gesagt, nicht, wie du darauf kommst.
Wenn ich mich entscheide, mein Kind in den katholischen Kindergarten zu stecken, dann bekommt es vermutlich ein paar katholische Weltbilder vermittelt. Wenn ich es in einen neutralen Kindergarten schicke, vermutlich ein paar weniger dieser Weltbilder. Meine Entscheidung, auch wenn sie ohne Freiheit und in einem deterministischen Universum gefällt wurde, hat also Auswirkungen. Das Kind macht zwar, wie du schreibst, die Erfahrungen die es macht, aber welche das sind, hängt unter anderem auch von meiner Entscheidung ab. Wieso soll also mein Wirken in der Welt zutiefst sinnlos sein?


Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Also egal was man entscheidet, man tut es nur wegen der Gründe und würde sich in der gleichen Situation immer gleich entscheiden.

Ja, aber wenn man das tut, ist man aus Sicht der Kompatibilsten ja frei. Was meinst Du, was zur Freiheit noch fehlt?

Ein Roboter entscheidet sich in der gleichen Situation auch immer gleich, nämlich genau so, wie sein Algorithmus es ihm vorgibt. Ist der aus Sicht der Kompatibilisten auch frei?
Für mich bedeutet der Begriff Freiheit unter anderem Unabhängigkeit. Wenn ich immer genau das entscheide, was die Situation mir vorgibt, dann bin ich abhängig von der Situation. Abhängigkeit = Unfreiheit. Soweit ich mich erinnere konnte mir auch AgentProvocateur nie so recht klar machen, wieso bei ihm (und wohl auch bei dir) Abhängigkeit plötzlich Freiheit bedeutet.
Oder um direkt auf deine Frage zu antworten: zur Freiheit fehlt mir noch Unabhängigkeit.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ice » Di 28. Jan 2014, 20:10

ganimed hat geschrieben:Für mich bedeutet der Begriff Freiheit unter anderem Unabhängigkeit. Wenn ich immer genau das entscheide, was die Situation mir vorgibt, dann bin ich abhängig von der Situation. Abhängigkeit = Unfreiheit. (...) zur Freiheit fehlt mir noch Unabhängigkeit.


Ich habe mich als harter Determinist weiter oben im Thread in der Diskussion mit AgentProvocateur auf den Begriff bedingte Freiheit geeinigt, weil wir niemals unabhängig von Einflussfaktoren denken, entscheiden und handeln können. D.h. Unabhängigkeit kann es in einer kausal determinierten Welt mE nicht geben. Aber - soweit ich es verstanden habe - verlangen Kompatibilisten diese Art von Unabhängigkeit auch gar nicht.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ujmp » Di 28. Jan 2014, 20:15

Vollbreit hat geschrieben:Nun gibt es Tiere, die a) als sehr intelligent gelten und b) in der Lage sind menschliche Laute zu bilden, Beos, Kakadus, Papageien und dergleichen.
Tiere mit einem Ichbewusstseins (wenigstens einige davon), Tiere, die im Verdacht stehen bestimmte logische Klassen bilden zu können (wenigstens einzelne Tiere der Art) und doch könen sie nicht sprechen, obwohl sie sprechen könnten.

Was ist Deine Idee, warum das so ist? Warum sprechen die Vögel nicht (mit uns)?

Affen und Delphinen hat man Symbolsprachen beigebracht, was auch immer wieder ganz gut funktioniert, aber eben immer wieder auch nur bis zu bestimmten Grenzen.
Was meinst Du, warum das so ist?

Ich bestreite nicht, dass Sprache das Alleinstellungmerkmal des Menschen ist, das uns eigentlich zu Menschen macht. Dennoch können Tiere urteilen. Für mich sieht es sogar so aus, dass sie das genau so gut können, wie wir. Man darf das eben nicht mit Diskurs verwechseln. Letztlich ist jedes Urteil ein Ja-oder-Nein-Urteil, und da kommt es -prinzipiell zumindest- nicht darauf an, ob es um die Gleichheit von zwei Farben geht oder um die Übereinstimmung von komplexen Hypothesen mit der Wirklichkeit. Die Harten Wissenschaften bevorzugen sogar einfache Parameter, sie stellen am liebsten Ja-oder-Nein-Fragen an die Natur. Im Diskurs vergleichst du Gesagtes mit Gesagtem und die Qualität deines Denkens hängt wesentlich von dieser Beurteilung ab, weniger vom Gesagten selbst.

Tiere können nicht wirklich Sprechen, weil Sprache mehr als ihre Laute ist. Denkfähigkeit beruht vermutlich a) auf Symbolik (Begriffe stehen für Vorstellungen) b) auf freier, willkürlicher Rekombination dieser Symbole zu neuen Symbolen, c) auf der Fähigkeit aus diesen neuen Symbolen neue Vorstellungen zu entwickeln, d) auf der Fähigkeit diese neuen Vorstellungen zu beurteilen, d.h. sie mit Beobachtungen zu vergleichen.

Der Mensch kann das nicht nur mit Sprache sondern auch mit Bildern. Die Sprache ist allerdings viel flexibler, viel produktiver im Erfinden von Neuem - meistens Unsinn, gelegentlich Lösungen.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 20:54

ice hat geschrieben:Ich habe mich als harter Determinist weiter oben im Thread in der Diskussion mit AgentProvocateur auf den Begriff bedingte Freiheit geeinigt

Hallo ice!
Vielleicht sollte man diesen Kompromiss als einen Erfolg feiern und sich um Frieden bemühen. Aber ich habe einen schlechten Charakter und bin immer noch nicht so ganz zufrieden mit dem Begriff "bedingte Freiheit". Im Determinismus, wenn wir ihn mal unterstellen, sind unsere Entscheidungen vollständig kausal bedingt. Insofern kann ich das "bedingt" von bedingte Freiheit verstehen. Woher kommt die Freiheit? Freiheit von was? Vermutlich sollte ich die Frage auch AgentProvocateur stellen.

ice hat geschrieben:D.h. Unabhängigkeit kann es in einer kausal determinierten Welt mE nicht geben. Aber - soweit ich es verstanden habe - verlangen Kompatibilisten diese Art von Unabhängigkeit auch gar nicht.

Ich fürchte auch. Sie verlangen genau das nicht, was nicht da ist. Denn sie machen den ganzen Zinnober, das unterstelle ich zumindest immer, ja nur deshalb, um ihr Ergebnis herauszubekommen. Biege die Argumente und Begriffe solange zurecht, bis man sagen kann: der Mensch hat einen freien Willen. Das bedeutet in diesem Fall, dass Abhängigkeit plötzlich zu Freiheit umgemodelt wird. Ganz erstaunlich.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ujmp » Di 28. Jan 2014, 21:13

ganimed hat geschrieben:
ice hat geschrieben:D.h. Unabhängigkeit kann es in einer kausal determinierten Welt mE nicht geben. Aber - soweit ich es verstanden habe - verlangen Kompatibilisten diese Art von Unabhängigkeit auch gar nicht.

Ich fürchte auch. Sie verlangen genau das nicht, was nicht da ist. Denn sie machen den ganzen Zinnober, das unterstelle ich zumindest immer, ja nur deshalb, um ihr Ergebnis herauszubekommen. Biege die Argumente und Begriffe solange zurecht, bis man sagen kann: der Mensch hat einen freien Willen. Das bedeutet in diesem Fall, dass Abhängigkeit plötzlich zu Freiheit umgemodelt wird. Ganz erstaunlich.

Das stimmt nicht. Es ist alles eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Eine naive Vorstellung von Determinismus stellt sich die Welt als Billardkugeln vor, die in Kausalketten aneinanderstoßen und ein Mensch ist in dieser Vorstellung nur eine dieser Kugeln. Das stimmt so natürlich nicht. Der Mensch ist nicht vollkommen frei, er hängt von seinem Verstand ab. Er kann mit diesem Verstand aber praktisch jedes physikalische Gesetz umgehen, in dem er es gegen ein anderes physikalisches Gesetz ausspielt. Ein Stein kann sich nicht wehren, nach unten zu fallen, weil ihn die Gravitation zwingt, aber ein Mensch lässt sich nicht so einfach zwingen, er kann zum Mond fliegen. Er ist frei gegenüber diesen Naturgesetzen, insofern sein Wille bestimmt, was er tut und nicht diese Naturgesetze. Wenn du nach Freiheit fragst, musst du fragen: Frei wovon? und Frei wozu? -Welche Freiheit möchtsest du denn noch haben, außer die, deinen Willen zu tun?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 21:34

ujmp hat geschrieben:Der Mensch ist nicht vollkommen frei, er hängt von seinem Verstand ab.

Das verstehe ich nicht. Ich hänge von meinem Verstand ab. Mein Verstand besteht aus Hirnmasse, wo neuronale Muster öh irgendwie, in einer deterministischen Welt, deterministisch verarbeitet werden. Meine Frage also, von was sonst als kausalen Faktoren soll mein Verstand abhängen? Und wenn mein Verstand von diesen Faktoren abhängt, dann hänge ich indirekt von diesen Faktoren ab. Ich und meine Entscheidung hängen also vollständig von kausalen Faktoren ab.

ujmp hat geschrieben:Eine naive Vorstellung von Determinismus stellt sich die Welt als Billardkugeln vor, die in Kausalketten aneinanderstoßen und einer Mensch ist in dieser Vorstellung nur eine dieser Kugeln. Das stimmt so natürlich nicht.

Ach nee? Stimmt gar nicht? Was unterscheidet den Menschen von der Kugel? Alles was er tut oder denkt ist die kausale Folge von Eingangsimpulsen. Oder was übersehe ich da?

ujmp hat geschrieben:Er ist frei gegenüber diesen Naturgesetzen, insofern sein Wille bestimmt, was er tut und nicht diese Naturgesetze.

Aber wer bestimmt, was sein Wille ist? Welche Ursachen sind dafür verantwortlich, dass seine Neuronen dies und das tun. Hm. Ach ja, Naturgesetze.

ujmp hat geschrieben:Wenn du nach Freiheit fragst, musst du fragen: Frei wovon? und Frei wozu? -Welche Freiheit möchtsest du denn noch haben, außer die, deinen Willen zu tun?

Ich möchte keinen freien Willen haben. Wüsste auch gar nicht, wie der aussehen sollte. Ich kann mir ja noch nichtmal Indeterminismus vorstellen. Die Freiheit, meinen Willen zu tun, würde ich Handlungsfreiheit nennen. Schön, dass wir sie haben. Unter einem freien Willen verstehe ich, dass bei der Willensbildung Freiheitsgrade bestehen, wenigstens teilweise so etwas wie eine Unabhängigkeit. Aber nein. Zumindest im Determinismus ist meine Willensbildung vollständig abhängig von kausalen Vorzuständen. Nix Freiheit. Aber kein Problem für mich. Ein Problem wird es erst, wenn Kompatibilisten, weil sie den Satz "der Mensch hat keinen freien Willen" nicht mögen, die Freiheit sprachlich auf den Kopf stellen und dreisterweise gerade die totale kausale Abhängigkeit als Freiheit verkaufen wollen. Bei aller Liebe, aber das geht zu weit. Das ist Wortverdrehung.

ujmp hat geschrieben:Er kann mit diesem Verstand aber praktisch jedes physikalische Gesetz umgehen, in dem er es gegen ein anderes physikalisches Gesetz ausspielt.

Ist das irgendwie ironisch gemeint? Oder metaphorisch? Oder einfach nur peotisch? Die Sprache verstehe ich nicht so recht.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Di 28. Jan 2014, 21:50

ganimed hat geschrieben:Das habe ich nicht mitbekommen. Das wäre in der Tat aufklärungswürdig. Was ich gelesen habe passt viel besser zu einem Inkompatibilisten. Aber da kann man mal sehen, eigentlich ist der Unterschied gar nicht sooo groß.
Nö, nur völlig entgegen gesetzt. ;-)

ganimed hat geschrieben:Diese Passage meinte ich auch, als ich schrieb: "Du machst aus irgend einem Grund daraus, dass man sich gar nicht mehr entscheiden kann".
Wo ich wohl besser formuliert hätte: Du machst aus irgend einem Grund daraus, dass die Entscheidungen keine Entscheidungen mehr sind, weil sie keinerlei Auswirkungen mehr haben.
Doch, sie haben Auswirkungen, selbstverständlich.

ganimed hat geschrieben:Na jedenfalls verstehe ich, wie gesagt, nicht, wie du darauf kommst.
Wenn ich mich entscheide, mein Kind in den katholischen Kindergarten zu stecken, dann bekommt es vermutlich ein paar katholische Weltbilder vermittelt.

Entscheidest Du das denn? Aus Deiner Sicht word das doch eher entschieden, oder wie war das?

ganimed hat geschrieben:Wenn ich es in einen neutralen Kindergarten schicke, vermutlich ein paar weniger dieser Weltbilder. Meine Entscheidung, auch wenn sie ohne Freiheit und in einem deterministischen Universum gefällt wurde, hat also Auswirkungen.
Wenn Du keine Freiheit hast, hast Du auch nicht entschieden.
Das müsstest Du genauer erklären.

ganimed hat geschrieben:Das Kind macht zwar, wie du schreibst, die Erfahrungen die es macht, aber welche das sind, hängt unter anderem auch von meiner Entscheidung ab. Wieso soll also mein Wirken in der Welt zutiefst sinnlos sein?
Ich bin ja gar nicht der Auffassung, dass Dein oder irgendein Wirken in der Welt sinnlos ist.
Wonach triffst Du Deine Entscheidungen?
Bspw. sagst Du: Mein Kind soll nicht in einen katholischen Kindergarten, weil es nicht mit dem und dem konfriotiert werden soll.
Dafür hast Du ja Grunde, nehme ich an. Die kommen ja aus bestimmten Überlegungen. M.E. sind wir dort frei wo wir anhand dieser Überlegungen begründet entscheiden und die Möglichkeit besitzen uns umstimmen zu lassen. Du würdest das aber nicht als Freiheit ansehen, oder?

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Also egal was man entscheidet, man tut es nur wegen der Gründe und würde sich in der gleichen Situation immer gleich entscheiden.

Ja, aber wenn man das tut, ist man aus Sicht der Kompatibilsten ja frei. Was meinst Du, was zur Freiheit noch fehlt?

Ein Roboter entscheidet sich in der gleichen Situation auch immer gleich, nämlich genau so, wie sein Algorithmus es ihm vorgibt. Ist der aus Sicht der Kompatibilisten auch frei?
Nein, denn er kann ja gerade nicht begründen – verstehend begründen = wissen, was man sagt – was er tut. Er tut es einfach, gemäß einem Algortihmus. Der Mensch kann auch anders. Er kann, bspw. in Konfliktfällen, neue, kreative Lösungen finden und aus den bisherigen Mustern aussteigen.

ganimed hat geschrieben:Für mich bedeutet der Begriff Freiheit unter anderem Unabhängigkeit.
Von was? Der Schwerkraft, der Vernunft, den eigene Vorlieben?

ganimed hat geschrieben:Wenn ich immer genau das entscheide, was die Situation mir vorgibt, dann bin ich abhängig von der Situation.
Ja, aber das tust Du ja nicht. Du hast ja durchaus in einigen Fällen 10 Möglichkeiten etwas zu machen oder zu lassen.

ganimed hat geschrieben:Abhängigkeit = Unfreiheit. Soweit ich mich erinnere konnte mir auch AgentProvocateur nie so recht klar machen, wieso bei ihm (und wohl auch bei dir) Abhängigkeit plötzlich Freiheit bedeutet.
Die Abhängigkeit von den eigenen Prämissen bedeutet mit andere Worte, das tun zu können, was man will.
Ich mag Vanilleeis sehr gerne und bin hochallergisch auf Walnüsse, die ich obendrei nicht mag. In dem Café hier gibt es Vanilleeis. Ich hätte gerade Lust auf ein Eis.
Bin ich abhängig, wenn ich nun das bestelle, was ich sehr gerne mag? In meinen Augen nicht.
Bin ich so richtig schön frei, wenn ich Walnusseis bestelle und dann die Notfallaufnahme von innen sehe? In meiner Welt nicht, wenn ich weiß, dass mir das blüht, ist da sogar ausgesprochen dämlich.

ganimed hat geschrieben:Oder um direkt auf deine Frage zu antworten: zur Freiheit fehlt mir noch Unabhängigkeit.

Tun zu können, was man will, sehe ich als weitgehend unabhängig an.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ujmp » Di 28. Jan 2014, 21:53

ganimed hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Eine naive Vorstellung von Determinismus stellt sich die Welt als Billardkugeln vor, die in Kausalketten aneinanderstoßen und einer Mensch ist in dieser Vorstellung nur eine dieser Kugeln. Das stimmt so natürlich nicht.

Ach nee? Stimmt gar nicht? Was unterscheidet den Menschen von der Kugel? Alles was er tut oder denkt ist die kausale Folge von Eingangsimpulsen. Oder was übersehe ich da?

Dass die Kugel fallen muss, du aber nicht. Du kannst das Gesetz des Rückstoßes gegen das Gesetz der Gravitation ausspielen und zum Mond fliegen.

Fragen wir mal anders herum: Wozu fühlst du dich den gezwungen?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Di 28. Jan 2014, 22:12

ujmp hat geschrieben:Ich bestreite nicht, dass Sprache das Alleinstellungmerkmal des Menschen ist, das uns eigentlich zu Menschen macht. Dennoch können Tiere urteilen. Für mich sieht es sogar so aus, dass sie das genau so gut können, wie wir. Man darf das eben nicht mit Diskurs verwechseln.

Also siehst Du zwischen dem Urteil der Tiere und der Menschen doch einen Unterschied. Worin besteht der für Dich?

ujmp hat geschrieben:Letztlich ist jedes Urteil ein Ja-oder-Nein-Urteil, und da kommt es -prinzipiell zumindest- nicht darauf an, ob es um die Gleichheit von zwei Farben geht oder um die Übereinstimmung von komplexen Hypothesen mit der Wirklichkeit.
In diesem Sinne urteilen auch Topfpflanzen und Lichtschranknen.

ujmp hat geschrieben:Die Harten Wissenschaften bevorzugen sogar einfache Parameter, sie stellen am liebsten Ja-oder-Nein-Fragen an die Natur. Im Diskurs vergleichst du Gesagtes mit Gesagtem und die Qualität deines Denkens hängt wesentlich von dieser Beurteilung ab, weniger vom Gesagten selbst.
Den Unterschied habe ich nicht verstanden. Wenn die Beurteilung vom Gesagten abhängt, dann hängt es so oder so vom Gesagten ab. Was willst Du jetzt damit sagen?

ujmp hat geschrieben:Tiere können nicht wirklich Sprechen, weil Sprache mehr als ihre Laute ist.
Ja.

ujmp hat geschrieben:Denkfähigkeit beruht vermutlich a) auf Symbolik (Begriffe stehen für Vorstellungen)
Kommt drauf an. Man kann auch bildhaft denken, Bilder und Symbole sind gewöhnlich nicht identisch.

ujmp hat geschrieben:b) auf freier, willkürlicher Rekombination dieser Symbole zu neuen Symbolen,
Willkürlich eigentlich nicht.
Symbole die niemand versteht, sind ja weitgehend wirkungslos.

ujmp hat geschrieben:c) auf der Fähigkeit aus diesen neuen Symbolen neue Vorstellungen zu entwickeln,
Naja Symbole sind in gewisser Weise verpacke Vorstellungen.

ujmp hat geschrieben:d) auf der Fähigkeit diese neuen Vorstellungen zu beurteilen, d.h. sie mit Beobachtungen zu vergleichen.
Nur bedingt.

ujmp hat geschrieben:Der Mensch kann das nicht nur mit Sprache sondern auch mit Bildern.
Ja.

ujmp hat geschrieben:Die Sprache ist allerdings viel flexibler, viel produktiver im Erfinden von Neuem - meistens Unsinn, gelegentlich Lösungen.

Also bleibt, dass Sprache das Alleinstellungsmerkmal des Menschen ist und das zwischen nur intentionalen, aber nicht diskursiven Wesen (Tiere) und intentionalen und diskursiven Wesen (Menschen) ein Unterschied besteht. Ist das nicht ebenso pfui, wie das, was Dich an Brandom so erregte? Oder wo ist jetzt der erregungsdämpfende Unterscheid, ich kann ihn nämlich nicht erkennen.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 22:14

Vollbreit hat geschrieben:Entscheidest Du das denn?

Ja, ich entscheide das, weil es meine Neuronen in meinem Kopf machen. Weil sie dabei meine Erfahrungen, Erinnerungen, Verschaltungsstrukturen, sensorischen Inputs benutzen, kann man das wohl mit Fug und Recht als meine Entscheidung bezeichnen. Nur taucht bei diesem neuronalen Prozess nirgendwo ein Freiheitsgrad auf, nirgendwo ein "ich könnte auch anders". Jedes Klick stößt ein Klack an und das Ergebnis ist deterministisch und aus meiner Sicht daher unfrei, aber meins.

Vollbreit hat geschrieben:Bspw. sagst Du: Mein Kind soll nicht in einen katholischen Kindergarten, weil es nicht mit dem und dem konfriotiert werden soll.
Dafür hast Du ja Grunde, nehme ich an. Die kommen ja aus bestimmten Überlegungen. M.E. sind wir dort frei wo wir anhand dieser Überlegungen begründet entscheiden und die Möglichkeit besitzen uns umstimmen zu lassen.

Meine Gründe mögen aus bestimmten Überlegungen kommen oder aus anderen neuronalen Mechanismen (das meiste wird wohl unbewusst verhandelt, habe ich mal gelesen). Jede Überlegung und jede Beurteilung durch meinen Mandelkern, jede emotionale Verknüpfung und Assoziation, jedes Verarbeiten eines Inputs, all das spielt sich aber streng kausal ab. Bei gleichem Zustand und gleichem Input kommt jedesmal das genau gleiche heraus. Auch das Umstimmen passiert streng kausal. Ist der Umstimmgrund da, dann stimme ich um, immer genau auf die gleiche Weise, wenn die gleichen Ausgangsbedingungen da sind. Ich kann nicht erkennen, wieso ich das als frei bezeichnen sollte, wo es doch total kausal abhängig ist.

Vollbreit hat geschrieben:hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Also egal was man entscheidet, man tut es nur wegen der Gründe und würde sich in der gleichen Situation immer gleich entscheiden.

Ja, aber wenn man das tut, ist man aus Sicht der Kompatibilsten ja frei.

Das hatte mich dazu verleitet, nach dem Roboter zu fragen. Der entscheidet auch total abhängig von kausalen Faktoren. Wenn das beim Menschen Freiheit bedeutet, wieso nicht für den Roboter?

Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Ein Roboter entscheidet sich in der gleichen Situation auch immer gleich, nämlich genau so, wie sein Algorithmus es ihm vorgibt. Ist der aus Sicht der Kompatibilisten auch frei?

Nein, denn er kann ja gerade nicht begründen – verstehend begründen = wissen, was man sagt – was er tut.

Und dann fügst du schnell ein paar Forderungen an, die dafür sorgen, dass wirklich nur der Mensch in den Genuss deiner Definition von freiem Willen kommt. Vielleicht bin ich ja paranoid, aber mir kommt das jetzt wieder etwas verdächtig vor. Kann es sein, dass ihr Kompatibilisten alles so dreht und wendet und verbiegt, dass am Ende der Mensch seine angebliche Ausnahmestellung unter allen Wesen behält, dass er alleine einen freien Willen sein eigen nennen darf, dass er alleine souverän ist, mit Würde ausgestattet, ein freier, stolzer Agent genannt werden kann? Geht es euch am Ende um solche romantischen Vorstellungen, die ihr euch in der kalten, deterministischen Welt bewahren wollt?

Oder wieso um alles in der Welt, ist "Begründung", wie du es forderst, eine notwendige Bedingung für eine freie Entscheidung? Erklär das mal dem Roboter. Eine begründete Entscheidung würde ich "begründete Entscheidung" nennen, und nicht wie du "freie Entscheidung". Hast du denn gar kein Sprachgefühl?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 22:22

ujmp hat geschrieben:Dass die Kugel fallen muss, du aber nicht. Du kannst das Gesetz des Rückstoßes gegen das Gesetz der Gravitation ausspielen und zum Mond fliegen.

zum Mond fliegen kann ich nur, wenn ich mich dafür entscheide (und unglaubliche Ressourcen an Macht, Geld, Technik, Zeit und Energie habe). Ich kann mich aber nur dafür entscheiden, wenn meine Neuronen von irgendwas gemäß den Naturgesetzen angestubst werden. Genau wie die Kugel, die nur fallen kann, wenn sie von irgendwas gemäß den Naturgesetzen angestubst wird. Sie kann sogar auf den Mond fallen, wenn ich sie dorthin schieße, das käme mich billiger. Ich kann nicht erkennen, wo ich Gesetze überwinden könnte. Ich bin ein Spielball derselben, genau wie die Kugel, nur etwas anders geformt und vielleicht sogar etwas komplexer im Aufbau.

ujmp hat geschrieben:Fragen wir mal anders herum: Wozu fühlst du dich den gezwungen?

Ich werde zu allen Entscheidungsvorgängen in meinem Kopf gezwungen. Oder weißt du einen Weg, die Arbeit deiner Neuronen zu unterbinden oder die Arbeitsmechanismen zu verändern? Das rattert da oben nach immer den gleichen, festen Regeln. Und ich mache dann genau das, wozu ich mich nach diesen kausalen Regeln entschieden habe.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Di 28. Jan 2014, 22:45

ganimed hat geschrieben:
Wenn man durch Methode X eine Fähigkeit F nicht prüfen kann, dann ist X wohl offensichtlich die falsche Methode, um F zu prüfen.

Wer sagt, dass man durch die Methode F nicht prüfen kann?

Nach kompatibilistischer Ansicht ist Willensfreiheit eine Fähigkeit, und zwar die Fähigkeit, reflektierte Entscheidungen treffen zu können, (zusätzlich: hinreichend frei von inneren und äußeren Zwängen).

ganimed hat geschrieben:Man kann durch die Methode X eine Fähigkeit F prüfen.

Durch mehrfaches Zurückspulen der Zeit, dem wiederholten Abspielen ein- und derselben Situation kann man z.B. welche Fähigkeit inwiefern prüfen?

ganimed hat geschrieben:Nochmal zu dem Mörder und deiner Behauptung, dass man die "Replay the tape" Methode nicht anwenden sollte, um seine Schuldfähigkeit zu überprüfen. Es ist doch so, dass wir vereinfachend sagen könnten: wenn der Mörder anders hätte handeln können, also in diesem Sinne frei war, dann ist er schuldig. Sonst nicht. Die Frage ist nun, welche Situation meinen wir, bzw. was meinen wir mit "anders hätte handeln können"?

Ja, das ist die Gretchenfrage hier. Der Kompatibilist meint mit "hätte anders handeln können" eine grundsätzliche Fähigkeit, die als solche jedoch nicht in jeder Situation realisiert werden muss, um vorhanden zu sein. Was meinst Du nun mit "hätte anders handeln können"?

ganimed hat geschrieben:
Das Auto hat keine Freiheit, weil es das tut, was ihm sozusagen befohlen wird, es kann nicht denken, nicht abwägen, nicht reflektieren. Menschen sind da jedoch oft anders...

Dennett sieht eine Analogie, sonst hätte er das Beispiel mit dem Auto sicherlich unterlassen.

Es ging dabei darum, den Fähigkeitsbegriff zu erläutern. Daraus, dass ein Auto jetzt 60 Mph fährt, folgt nicht, dass es nicht auch schneller oder langsamer fahren kann.

ganimed hat geschrieben:Tatsächlich suchen wir ja eigentlich nach einer Analogie zu der Frage, ob der Mörder in Situation A eine freie Entscheidung getroffen hat (und deshalb schuldig ist).

Die Frage ist dabei die, ob die Entscheidung unter seiner Kontrolle lag oder nicht, ob er den Mord wegen solcher Umstände, die nicht seiner Kontrolle unterlagen, begangen hat.

ganimed hat geschrieben:Aber nun gut, auch an diesem Punkt waren wir schon des öfteren. Freiheit ist für mich Entkoppelung und bei dir Koppelung.

Ja: wenn eine Entscheidung hinreichend an die eigenen Ansichten, Überlegungen, Reflexionen etc. gekoppelt ist, dann sehe ich sie als hinreichend frei an. Wäre sie das nicht, wäre sie von allem völlig entkoppelt, dann sähe ich sie nicht als frei an, das wäre dann noch nicht mal eine Entscheidung im üblichen Sinne, das wäre dann lediglich etwas, was demjenigen nur zustieße.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Di 28. Jan 2014, 22:54

Lumen hat geschrieben:Der Zufall macht aber noch keinen freien Willen. Es ist auch vorstellbar, dass Menschen und alle anderen Wesenheiten und Objekte wie in einem determinisischen Uhrwerk ihr Ding machen, gemäß der Gesetze der Physik, gleichzeitig ab und zu aber, z.B. durch kosmische Einflüsse (um es plakativ zu machen), Strahlung usw. das “Zurückspulen Experiment” jedes mal anders ausgeht. Das heißt, eine leicht unterschiedliche Welt wäre dann eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den freien Willen, oder?

Du bist also Inkompatibilist, d.h. Du meinst, dass Determinismus und Freiheit unvereinbar seien.

Die Fragen wären wohl nun die, ob Du 1. die von Dir als notwendig angesehen Bedingung für einen freien Willen (-> es muss bei einer Entscheidung irgendwo Indeterminismus geben) auch begründen kannst und 2. ob Du auch die hinreichenden Bedingungen für einen freien Willen in Deinem Sinne nennen kannst.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Di 28. Jan 2014, 23:03

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Entscheidest Du das denn?

Ja, ich entscheide das, weil es meine Neuronen in meinem Kopf machen. Weil sie dabei meine Erfahrungen, Erinnerungen, Verschaltungsstrukturen, sensorischen Inputs benutzen, kann man das wohl mit Fug und Recht als meine Entscheidung bezeichnen. Nur taucht bei diesem neuronalen Prozess nirgendwo ein Freiheitsgrad auf, nirgendwo ein "ich könnte auch anders". Jedes Klick stößt ein Klack an und das Ergebnis ist deterministisch und aus meiner Sicht daher unfrei, aber meins.

Dennoch hast Du die Freiheit selbst zu entscheiden, denn Deine Neuronen und Deine Erfahrungen und Deine Gründe, das bist ja Du.
Du führt ja nicht nur passiv ein Programm aus.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Bspw. sagst Du: Mein Kind soll nicht in einen katholischen Kindergarten, weil es nicht mit dem und dem konfriotiert werden soll.
Dafür hast Du ja Grunde, nehme ich an. Die kommen ja aus bestimmten Überlegungen. M.E. sind wir dort frei wo wir anhand dieser Überlegungen begründet entscheiden und die Möglichkeit besitzen uns umstimmen zu lassen.

Meine Gründe mögen aus bestimmten Überlegungen kommen oder aus anderen neuronalen Mechanismen (das meiste wird wohl unbewusst verhandelt, habe ich mal gelesen).
Man liest so einges, wenn der Tag lang ist. Was unbewusst verhandelt wird bekommt man ja nicht mit. Würden Entscheidungen nur so getroffen, könnten wir uns das Denken sparen, was obendrein sehr energieeffizient wäre.

ganimed hat geschrieben:Jede Überlegung und jede Beurteilung durch meinen Mandelkern,
Der überlegt und beurteilt nicht.

ganimed hat geschrieben:jede emotionale Verknüpfung und Assoziation, jedes Verarbeiten eines Inputs, all das spielt sich aber streng kausal ab.
Ja und?

ganimed hat geschrieben:Bei gleichem Zustand und gleichem Input kommt jedesmal das genau gleiche heraus.
Klar, in einem determinierten Szenario muss das so sein.

ganimed hat geschrieben:Auch das Umstimmen passiert streng kausal.
Klar, wie auch sonst?

ganimed hat geschrieben:Ist der Umstimmgrund da, dann stimme ich um, immer genau auf die gleiche Weise, wenn die gleichen Ausgangsbedingungen da sind. Ich kann nicht erkennen, wieso ich das als frei bezeichnen sollte, wo es doch total kausal abhängig ist.
Weil Du einen aktiven Vorgang in einen passiven umdefinierst.
Sich umstimmen zu lassen, heißt nicht hochgenommen und weggetragen zu werden, sondern andere Überzeugungen zu haben, worüber auch immer.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Also egal was man entscheidet, man tut es nur wegen der Gründe und würde sich in der gleichen Situation immer gleich entscheiden.

Ja, aber wenn man das tut, ist man aus Sicht der Kompatibilsten ja frei.

Das hatte mich dazu verleitet, nach dem Roboter zu fragen. Der entscheidet auch total abhängig von kausalen Faktoren. Wenn das beim Menschen Freiheit bedeutet, wieso nicht für den Roboter?
Weil der Roboter nicht versteht, was er tut.
Du kannst aber sagen: Früher dachte ich x, dann habe ich mich mehrer Abende mit meinem guten Freund, einem Experten für das Thema unterhalten und der hat mich überzeugt, so dass ich jetzt y denke. Meistens ist man auch in der Lage anzugeben, was genau einen überzeugt hat.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Ein Roboter entscheidet sich in der gleichen Situation auch immer gleich, nämlich genau so, wie sein Algorithmus es ihm vorgibt. Ist der aus Sicht der Kompatibilisten auch frei?

Nein, denn er kann ja gerade nicht begründen – verstehend begründen = wissen, was man sagt – was er tut.

Und dann fügst du schnell ein paar Forderungen an, die dafür sorgen, dass wirklich nur der Mensch in den Genuss deiner Definition von freiem Willen kommt.

Nein, verstehen ist der Punkt, seit eh und je. Etwas begründen zu können, heißt es zu verstehen. Das unterscheidet das Verstehen vom Zufallstreffer.

ganimed hat geschrieben:Vielleicht bin ich ja paranoid, aber mir kommt das jetzt wieder etwas verdächtig vor. Kann es sein, dass ihr Kompatibilisten alles so dreht und wendet und verbiegt, dass am Ende der Mensch seine angebliche Ausnahmestellung unter allen Wesen behält, dass er alleine einen freien Willen sein eigen nennen darf, dass er alleine souverän ist, mit Würde ausgestattet, ein freier, stolzer Agent genannt werden kann?
Wenn das Dein letzter Ausweg ist, zu unterstellen, die anderen würden mit Tricks arbeiten, wenn Dir die Argumente ausgehen, ist das mit der Paranoia nicht ganz falsch.

ganimed hat geschrieben:Geht es euch am Ende um solche romantischen Vorstellungen, die ihr euch in der kalten, deterministischen Welt bewahren wollt?
Diese Frage zeigt, dass Du den Kompatibilismus nicht verstanden hast, denn sie impliziert, dass Kompatibilisten annähmen, dass die Welt nicht determiniert sei. Das kompatibilistische Szenario spielt aber in einer ganz und gar, absoluten, 100%igen, einzigartig harten und durch und durch determinierten Welt.
Der Kompatibilist IST ein Determinist und kein Indeterminist. Du aber glaubst, er sei ein Indeterminist und irrst Dich ganz einfach.
Er ist ein Determinist, aber kein Inkompatibislist. Der Inkompatibilist glaubt, dass freier Wille und Deteminismus einander ausschlössen.
Der Kompatibilist glaubt das nicht, sondern, dass die beiden einander nicht ausschließen.

ganimed hat geschrieben:Oder wieso um alles in der Welt, ist "Begründung", wie du es forderst, eine notwendige Bedingung für eine freie Entscheidung?
Weil sie eine der Zutaten für die Definition der Freihet ist, die die Kompatibilisten vertreten.
Etwas nicht begünden zu können, heißt, jemanden zu treffen, der nicht will dass sein Kind in den katholischen Kindergarten geht und gefragt waruzm sagt: „Keine Ahnung, einfach nur so, vielleicht schicke ich es auch doch dahin.“ und der auf jede weitere Frage so eine Antwort geben würde.

ganimed hat geschrieben:Erklär das mal dem Roboter.
In meiner Vorstellung kann man einem Roboter nicht erklären, weil er nichts versteht. Man kann ihn programmieren, mehr aber auch nicht.

ganimed hat geschrieben:Eine begründete Entscheidung würde ich "begründete Entscheidung" nennen, und nicht wie du "freie Entscheidung". Hast du denn gar kein Sprachgefühl?
Mein Sprachgefühl ist nicht verletzt, wenn man Definitonen vorlegt, die nicht tautologisch sind.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Di 28. Jan 2014, 23:34

ganimed hat geschrieben:Die Entscheidungen, die man trifft, sind nicht frei sondern kausal determiniert. Also egal was man entscheidet, man tut es nur wegen der Gründe und würde sich in der gleichen Situation immer gleich entscheiden.

Hier liegt wohl der Grunddissens zwischen uns. Ein Mensch, der sich aufgrund (von ihm als gut angesehenen) Gründe für X entscheidet, (und er hinreichende Reflexionsfähigkeit hat), ist meiner Ansicht nach genau deswegen frei. Spulten wir die Situation nun tausendmal zurück und er entschiede sich (da er dann ja voraussetzungsgemäß dieselben, identisch bewerteten Gründe hat und auch sonst alles identisch ist) immer wieder für dasselbe, dann sehe ich keinen guten Grund, ihn deswegen "unfrei" nennen so sollen. (Irritierend wäre viel mehr, wenn er sich jedes Mal anders entscheiden würde.)

Dein Freiheitsbegriff ist nun wohl genau entgegengesetzt dazu: weil dieser Mensch von seinen Ansichten, Überlegungen, Gewichtungen, Reflexionen abhängig ist, weil seine Entscheidung großteils davon abhängt, ist er deswegen unfrei. Woraus weiter folgte, dass z.b. jemand mit Tourette-Syndrom, der unwillkürlich ab und zu zuckte und/oder zufällig Beleidigungen ausstieße, nach Deinem Freiheitsbegriff frei sein müsste. (Wobei es dabei absolut keine Rolle spielte, ob diese Zuckungen und unwillkürlichen Äußerungen determiniert oder indeterminiert erfolgten, stimmt's? Wenn aber doch: wieso? Machte für den ja wohl keinerlei Unterschied.)

Zusammengefasst: Dein Freiheitsbegriff beinhaltet nichts außer "Unabhängigkeit von allem". Aber das ist absurd, weil viel zu wenig, um nachvollziehbar sein zu können; siehe mein Tourette-Beispiel, niemand würde diesen Tourette-Menschen als frei ansehen, ganz egal, ob seine Zuckungen determiniert oder indeterminiert erfolgten. Dein Freiheitsbegriff ist daher defizitär.
Zuletzt geändert von AgentProvocateur am Di 28. Jan 2014, 23:40, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ganimed » Di 28. Jan 2014, 23:38

AgentProvocateur hat geschrieben:Nach kompatibilistischer Ansicht ist Willensfreiheit eine Fähigkeit, und zwar die Fähigkeit, reflektierte Entscheidungen treffen zu können

Das erscheint mir jetzt mehrdeutig. Das letzt Wort ist "können". Bezieht sich die Freiheit darauf? Man kann eine reflektierte Entscheidung treffen, muss es aber nicht?
Ich glaube, im Determinismus muss man nämlich. Wäre das dann immer noch Willensfreiheit bei euch, wenn du als letztes Wort "müssen" einsetzt? Wenn man in einer bestimmten Situation eine bestimmte Reflektion durchführen muss und dann die entsprechende Entscheidung (und niemals eine andere) trifft? Ich verstehe immer noch nicht, woher da die Assoziation mit Freiheit kommt? Ich würde es "reflektierte Entscheidung" nennen, aber nicht "freie Entscheidung", das ist doch nur irreführend.

Und ob die Entscheidung reflektiert ist oder einfach nur rot getüncht, was bitte spielt das für eine Rolle? Was ist mit invertierten Entscheidungen, also wo man nach einigen Überlegungen zu A tendiert und dann vielleicht im Gehirn eine weitere Schaltstelle abschließend sagt, Moment, das mache ich aus Trotz jetzt mal genau anders. Ich will darauf hinaus, im Gehirn passieren sicher noch andere komplexe Vorgänge, nicht nur Reflexion. Sind die auch mit in der Definition von Willensfreiheit und nur nicht explizit erwähnt? Oder was ist das Kriterium, welche Vorgänge im Gehirn in eure Definition einfließen?

AgentProvocateur hat geschrieben:Der Kompatibilist meint mit "hätte anders handeln können" eine grundsätzliche Fähigkeit, die als solche jedoch nicht in jeder Situation realisiert werden muss, um vorhanden zu sein.

Wenn also der Mörder in Situation A morden musste und in Situation D Doppelkopf spielen musste, dann sagst du: ja, der Mörder hätte anders handeln können. Er besitzt die grundsätzliche Fähigkeit, anders zu handeln (allerdings nur in jeweils anderen Situationen). Diese Fähigkeit ist aber höchst trivial. Sogar eine Billardkugel kann dann anders handeln. Wenn sie von links angestoßen wird, handelt sie anders, als in einer anderen Situation, wo der Stoß von rechts kommt. Das kann es doch nicht sein, oder?

AgentProvocateur hat geschrieben:Was meinst Du nun mit "hätte anders handeln können"?

Ich meine selbstverständlich, anders handeln können in exakt der gleichen Situation! Nur das würde wirklich ein Stück Freiheit von der Abhängigkeit zu den Situationsvorgaben bedeuten. Und so habe ich ja nunmal meine Willensfreiheit definiert, unabhängig sein von kausalen Vorgaben.

AgentProvocateur hat geschrieben:Durch mehrfaches Zurückspulen der Zeit, dem wiederholten Abspielen ein- und derselben Situation kann man z.B. welche Fähigkeit inwiefern prüfen?

Man kann damit die Fähigkeit prüfen, ob jemand in exakt derselben Situation auch mal anders handeln kann.

AgentProvocateur hat geschrieben:Ja: wenn eine Entscheidung hinreichend an die eigenen Ansichten, Überlegungen, Reflexionen etc. gekoppelt ist, dann sehe ich sie als hinreichend frei an.

Wieso ist eine Koppelung eine Freiheit? Eine Koppelung ist eine Bindung, eine Abhängigmachung, eine Aufgabe von Autonomie, eine Ankettung an kausale Vorgänge. Nach allem was ich über Sprache weiß, ist hier der Begriff "frei" falsch. Warum sprecht ihr nicht lieber und sprachlich viel genauer von Willenskopplung? Wieso ist ein Willen, der an etwas gekoppelt ist, bei euch plötzlich ein freier Wille, obwohl er eben nicht entkoppelt ist?


AgentProvocateur hat geschrieben:Wäre sie das nicht, wäre sie von allem völlig entkoppelt, dann sähe ich sie nicht als frei an, das wäre dann noch nicht mal eine Entscheidung im üblichen Sinne, das wäre dann lediglich etwas, was demjenigen nur zustieße.

Selbst wenn es demjenigen nur zustößt. Es stößt ihm in seinem Kopf zu, es ist der Ausgangspunkt seiner Handlungen und ist somit sehr wohl eine Entscheidung, nämlich ein Vorgang in seinem Gehirn, der festlegt, wie die Handlung dann aussehen soll. Du nennst etwas freies, entkoppeltes nun also genau "unfrei", weil dir eine Eigenschaft nicht passt (wohlgemerkt nicht die, dass sie frei ist). Du störst dich daran, dass eine freie Entscheidung nicht vernünftig und nachvollziehbar wäre. Aber sprachlich ist eine entkoppelte Entscheidung eine freie Entscheidung. Und wenn diese freie Entscheidung außerdem noch unvernünftig und nicht nachvollziebar ist, dann ist es eine "freie, unvernünftige, nicht nachvollziehbare Entscheidung". Weißt du, wie du das nennst? "Unfreie Entscheidung". Weißt du, was du da machst? Einen Fehler! Eine Begriffsverdrehung.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 29. Jan 2014, 00:19

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Nach kompatibilistischer Ansicht ist Willensfreiheit eine Fähigkeit, und zwar die Fähigkeit, reflektierte Entscheidungen treffen zu können

Das erscheint mir jetzt mehrdeutig. Das letzt Wort ist "können". Bezieht sich die Freiheit darauf? Man kann eine reflektierte Entscheidung treffen, muss es aber nicht?

Nein, es bezieht sich auf die grundlegende Fähigkeit, das tun zu können.

ganimed hat geschrieben:Ich glaube, im Determinismus muss man nämlich.

Zu müssen, für was man sich selber entschieden hat, wird wohl kaum jemand als wesentliche Freiheitseinschränkung ansehen.

ganimed hat geschrieben:Ich würde es "reflektierte Entscheidung" nennen, aber nicht "freie Entscheidung", das ist doch nur irreführend.

Was verstehst Du denn - im Gegensatz dazu - unter einer freien Entscheidung?

ganimed hat geschrieben:Oder was ist das Kriterium, welche Vorgänge im Gehirn in eure Definition einfließen?

Letztlich alle Vorgänge, mit denen man sich einverstanden erklärt.

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Der Kompatibilist meint mit "hätte anders handeln können" eine grundsätzliche Fähigkeit, die als solche jedoch nicht in jeder Situation realisiert werden muss, um vorhanden zu sein.

Wenn also der Mörder in Situation A morden musste und in Situation D Doppelkopf spielen musste, dann sagst du: ja, der Mörder hätte anders handeln können. Er besitzt die grundsätzliche Fähigkeit, anders zu handeln (allerdings nur in jeweils anderen Situationen). Diese Fähigkeit ist aber höchst trivial.

Nein, die ist nicht trivial. Z.B. Suchtkranke oder stark triebgesteuerte Menschen haben wenig Kontrolle über ihr Verhalten, es ist letztlich ziemlich egal, was die wollen.

ganimed hat geschrieben:Sogar eine Billardkugel kann dann anders handeln. Wenn sie von links angestoßen wird, handelt sie anders, als in einer anderen Situation, wo der Stoß von rechts kommt. Das kann es doch nicht sein, oder?

Eine Billardkugel, die in irgend einer Weise handelt, ist mir bisher nich nicht untergekommen.

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Was meinst Du nun mit "hätte anders handeln können"?

Ich meine selbstverständlich, anders handeln können in exakt der gleichen Situation!

Beispiel für ein "anders-handeln-können-in-derselben-Situation"?

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Durch mehrfaches Zurückspulen der Zeit, dem wiederholten Abspielen ein- und derselben Situation kann man z.B. welche Fähigkeit inwiefern prüfen?

Man kann damit die Fähigkeit prüfen, ob jemand in exakt derselben Situation auch mal anders handeln kann.

Wie unterschiedest Du in dem Falle die Fähigkeit zu einem "anders-handeln-können-in-ein-und-derselben-Situation" von einem "es-kam-zufällig-anders-als-zuvor"?


ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Ja: wenn eine Entscheidung hinreichend an die eigenen Ansichten, Überlegungen, Reflexionen etc. gekoppelt ist, dann sehe ich sie als hinreichend frei an.

Wieso ist eine Koppelung eine Freiheit? Eine Koppelung ist eine Bindung, eine Abhängigmachung, eine Aufgabe von Autonomie, eine Ankettung an kausale Vorgänge. Nach allem was ich über Sprache weiß, ist hier der Begriff "frei" falsch.

Hier kommt es wohl darauf an, was man wie als gekoppelt ansieht. Wenn ich an mich gekoppelt bin, wenn meine Ansichten, Überlegungen, Reflexionen Teil von mir sind, dann wäre es absurd, das als Freiheitseinschränkung zu betrachten. Wenn Du Dich aber als Homunkulus betrachtest, als grundsätzlich getrennt von Deinen Ansichten, Überlegungen, Reflexionen und Deinem Körper und Gehirn, dann mag das anders aussehen.

ganimed hat geschrieben:Warum sprecht ihr nicht lieber und sprachlich viel genauer von Willenskopplung? Wieso ist ein Willen, der an etwas gekoppelt ist, bei euch plötzlich ein freier Wille, obwohl er eben nicht entkoppelt ist?

Weil wir die Idee eines Homunkulus im Kopf, der irgendwie von allem entkoppelt sei und handeln könne, für eine veraltete und völlig absurde Idee halten.

Außerdem ist auch die Idee, ein Wille sei ein eigenständiges Ding, das als solches von allem entkoppelt sein könnte, eine per se absurde Idee. "Wille" ist eine Substantivierung, eine Wille kann immer nur das sein, was jemand will. Es geht daher von Vorneherein gar nicht, einen Willen vom Wollenden zu entkoppeln. Ebensowenig, wie es möglich ist, eine Handlung vom Handelnden zu entkoppeln, es gibt weder im Raum frei schwebende Wille, noch gibt es im Raum frei schwebende Handlungen. Habe ich in dieser Diskussion noch nie verstanden, wieso meist Letzeres gleich eingesehen wird, aber dennoch auf Ersterem beharrt wird, denn das ist ja wohl analog. Nun wird nie so argumentiert: "Handlungsfreiheit ist, wenn eine Handlung von allem entkoppelt ist." Aber merkwürdigerweise oft so: "Willensfreiheit ist, wenn der Wille von allem entkoppelt ist". Wieso?

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Wäre sie das nicht, wäre sie von allem völlig entkoppelt, dann sähe ich sie nicht als frei an, das wäre dann noch nicht mal eine Entscheidung im üblichen Sinne, das wäre dann lediglich etwas, was demjenigen nur zustieße.

Selbst wenn es demjenigen nur zustößt. Es stößt ihm in seinem Kopf zu, es ist der Ausgangspunkt seiner Handlungen und ist somit sehr wohl eine Entscheidung, nämlich ein Vorgang in seinem Gehirn, der festlegt, wie die Handlung dann aussehen soll.

-> Tourette-Syndrom

ganimed hat geschrieben:Du nennst etwas freies, entkoppeltes nun also genau "unfrei", weil dir eine Eigenschaft nicht passt (wohlgemerkt nicht die, dass sie frei ist). Du störst dich daran, dass eine freie Entscheidung nicht vernünftig und nachvollziehbar wäre. Aber sprachlich ist eine entkoppelte Entscheidung eine freie Entscheidung.

Wäre dem so, dann würde man den mit dem Tourette-Syndrom als frei ansehen,

ganimed hat geschrieben:Und wenn diese freie Entscheidung außerdem noch unvernünftig und nicht nachvollziebar ist, dann ist es eine "freie, unvernünftige, nicht nachvollziehbare Entscheidung". Weißt du, wie du das nennst? "Unfreie Entscheidung". Weißt du, was du da machst? Einen Fehler! Eine Begriffsverdrehung.

Nach Deinem Freiheitsbegriff könnte man Menschen zu einer Willensfreiheit verhelfen, in dem man bei ihnen eine Lobotomie durchführte und gleichzeitig einen Quanten-Zufallsgenerator in ihr Gehirn verpflanzte, der echt zufälliges Verhalten hervorriefe.
Zuletzt geändert von AgentProvocateur am Mi 29. Jan 2014, 01:08, insgesamt 2-mal geändert.
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