„Atheistischer Fundamentalismus“

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Dr Fraggles » Mo 3. Feb 2014, 21:24

stine hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:Ich vermute. dass es das Zusammenkommen mehrerer Faktoren ist, welche Religionen potentiell/real gefährlich macht: ihr irrationaler Anspruch auf absolute Wahrheit. Der explizite Auftrag zur Mission. Das "Heil" (forciert im Kontrast zur Hölle) als einzige relevantes Gut zu proklamieren (welches auch Gewalt in der Mission legitimiert). Die Strenge Dichotomie von gut-böse. Die Ursache fehlender Einsichtigkeit als das Böse ausmachend (um nur ein paar zu nennen). Diese den Religionen oftmals inhärenten Aspekte werden, durch ungünstige soziale Bedingungen (und/oder psychische Veranlagungen) frustrierte Bedürfnisse, emotional aufgeladen.

Für Kriegbegeisterte sind Religionen in erster Linie kulturelle Rahmen für Bevölkerungsgruppen. Einige werden sich immer bekriegen, egal, unter welcher Flagge. Afrikanische oder nahöstliche Stammeskriege - wo ist da der Unterschied?
Ob sich christliche Gruppen untereinander oder muslimische Gruppen untereinander oder christliche und muslimische Gruppen gegeneinander bekriegen ist doch nur Formsache.

LG stine


Die Kriegsbegeisterungsfähigkeit also als anthropologische Konstante, oder als allzeit potentiell aktivierbare Disposition? Willst du sagen, dass Religionen überhaupt keine Quelle von Gewalt sind? Das scheint mir mit Sicherheit falsch zu sein. Dann verstehe ich aber auch deinen Einwand nicht.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Dr Fraggles » Mo 3. Feb 2014, 21:40

Vollbreit hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:Ist denn der Marxismus-Leninismus nicht an entscheidender Stelle strukturgleich mit Religionen (so zumindest J. Gray in "Politik der Apokalypse")?
Ja und nein.
Der Kommunismus ist in gewisser Weise eine mythische (aber atheistische) Heilslehre, deren Spektrum von organisierten Massentötungen der kommunistischen Terrorregime reicht, bis zu einem liberalen Eurokommunismus, bei dem allerdings zu fragen wäre, ob er nicht durch die festen demokratischen Strukturen Europas gezähmt wird.

Marxisten merken, nicht ganz ohne Grund, an, dass der Stalinterror nun in keiner Weise im Sinne des Marxismus oder Kommunismus gewesen sei, doch die Lesarten gehen eben auch hier fließend ineinander über und den Kommunismus da völlig frei zu sprechen ist ebenso schwer, wie dies bei anderen mythischen Glaubenssystemen der Fall ist.


John Gray fokussiert seine Parallelisierung auf den teleologischen Aspekt solcher Lehren (insofern auch "Apokalypse" im Titel). Dieser Aspekt alleine schon (die Schaffung eines neuen Menschen, einer neuen Gesellschaftsordnung und diese in ihrer sein-sollenden Form oder auch im dorthin führenden Weg als erkannt behauptend) trägt seiner Meinung nach das Potential zur Gewalt in sich.
Klar ist, dass wenn man solche Ideologien subtiler zu analysieren beginnt, die Unterschiede in den Vordergrund rücken.
Klar scheint mir aber auch, dass Marx z.B. jegliche Moral als Ideologie klassifizierte (wobei man fragen kann ob er hier nicht zirkulär argumentiert), dies alleine schon scheint mir z.B. hoch problematisch (dies könnte man mit der Vorstellung des Guten beim religiösen Fundamentalismus vergleichen: in beiden Fällen wird die Überschreitung einer intuitiv als richtig erkannter Minimalmoral zugunsten eines angenommen transzendenten und/oder künftigen "Gutes" legitimiert).
Falls solche Gedankengebäude überhaupt Quellen von Gewalt sind, dann bleibt nur übrig solche potentiell gefährlichen Aspekte solcher Doktrinen ausfindig zu machen und zu problematisieren (und das heisst dann wohl auch: in dubio contra reo).
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Mo 3. Feb 2014, 22:28

Dr Fraggles hat geschrieben:John Gray fokussiert seine Parallelisierung auf den teleologischen Aspekt solcher Lehren (insofern auch "Apokalypse" im Titel). Dieser Aspekt alleine schon (die Schaffung eines neuen Menschen, einer neuen Gesellschaftsordnung und diese in ihrer sein-sollenden Form oder auch den einzuschlagenden Weg dorthin als erkannt behauptend) trägt seiner Meinung nach das Potential zur Gewalt in sich.
Das mag sein, es gibt gewiss viele Systeme und Konstellationen, die zru Gewalt führen, da kann man zig Kronzeugen bennenen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Klar ist, dass wenn man solche Ideologien subtiler zu analysieren beginnt, die Unterschiede in den Vordergrund rücken.
Klar scheint mir aber auch, dass Marx z.B. jegliche Moral als Ideologie klassifizierte, dies alleine schon scheint mir z.B. hoch problematisch (dies könnte man mit der Vorstellung des Guten beim religiösen Fundamentalismus vergleichen: in beiden Fällen wird die Überschreitung einer intuitiv als richtig erkannter Minimalmoral zugunsten eines angenommen transzendenten und/oder künftigen "Gutes" legitimiert).
Bei Diskussionen mit Marxisten ist mir auch immer aufgefallen, dass sie gegen das Moralisieren polemisierten, um dann stets hochmoralisch zu argumentieren und gleichzeitig zu behaupten, diese Moral sei keine Moral, sondern reine Logik.
Das war immer recht verdreht und nicht wenige Marxisten waren übelste Fundamentalisten, habe aber auch hier entspannte, intelligente und vielschichtige Naturen kennengelernt, einer war mein ehemaliger Buchhändler, ein sehr skurriler Typ... andere Geschichte.

Dr Fraggles hat geschrieben:Falls solche Gedankengebäude überhaupt Quellen von Gewalt sind, dann bleibt nur übrig solche potentiell gefährlichen Aspekte solcher Doktrinen ausfindig zu machen und zu problematisieren (und das heisst dann wohl auch: in dubio contra reo).
Klar, wenn man auch Entlastungszeugen zur Vernehmung zulässt.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Dr Fraggles » Mo 3. Feb 2014, 23:55

Vollbreit hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:John Gray fokussiert seine Parallelisierung auf den teleologischen Aspekt solcher Lehren (insofern auch "Apokalypse" im Titel). Dieser Aspekt alleine schon (die Schaffung eines neuen Menschen, einer neuen Gesellschaftsordnung und diese in ihrer sein-sollenden Form oder auch den einzuschlagenden Weg dorthin als erkannt behauptend) trägt seiner Meinung nach das Potential zur Gewalt in sich.
Das mag sein, es gibt gewiss viele Systeme und Konstellationen, die zru Gewalt führen, da kann man zig Kronzeugen bennenen.

Gewiss. Aber es gebe eben auch zumindest das Bemühen auf solche Aspekte zu verzichten.

Dr Fraggles hat geschrieben:Klar ist, dass wenn man solche Ideologien subtiler zu analysieren beginnt, die Unterschiede in den Vordergrund rücken.
Klar scheint mir aber auch, dass Marx z.B. jegliche Moral als Ideologie klassifizierte, dies alleine schon scheint mir z.B. hoch problematisch (dies könnte man mit der Vorstellung des Guten beim religiösen Fundamentalismus vergleichen: in beiden Fällen wird die Überschreitung einer intuitiv als richtig erkannter Minimalmoral zugunsten eines angenommen transzendenten und/oder künftigen "Gutes" legitimiert).
Bei Diskussionen mit Marxisten ist mir auch immer aufgefallen, dass sie gegen das Moralisieren polemisierten, um dann stets hochmoralisch zu argumentieren und gleichzeitig zu behaupten, diese Moral sei keine Moral, sondern reine Logik.
Das war immer recht verdreht und nicht wenige Marxisten waren übelste Fundamentalisten, habe aber auch hier entspannte, intelligente und vielschichtige Naturen kennengelernt, einer war mein ehemaliger Buchhändler, ein sehr skurriler Typ... andere Geschichte.

Diesen Gesichtspunkt habe ich expliziert gefunden bei G.Knapp "Der antimetaphysische Mensch" und bei W. Schröder "Moralischer Nihilismus". Ja, das ist in etwa die Begründung: Einsicht in die geschichtliche Notwendigkeit. Wo findet man heute noch orthodoxe Marxisten?

Dr Fraggles hat geschrieben:Falls solche Gedankengebäude überhaupt Quellen von Gewalt sind, dann bleibt nur übrig solche potentiell gefährlichen Aspekte solcher Doktrinen ausfindig zu machen und zu problematisieren (und das heisst dann wohl auch: in dubio contra reo).
Klar, wenn man auch Entlastungszeugen zur Vernehmung zulässt.

Na ja, die Belastung wie auch Entlastung hinge wohl ab von der Bandbreite der als gültig erachteten Interpretationen relevanter Texte. Viele Text können mit dem entsprechenden bösen Blick zugunsten legitimierter Gewalt interpretiert werden. Aber es gibt eben auch Texte welche nur mit interpretativer Gewalt (Hinweis auf potentiell gewalttätige Gesinnung?) entsprechend eigener Interessen (=bewusste aber scheinheilige Verniedlichung von Texten) ausgelegt werden können. Wer z.B. negiert dass das AT frei von Aufrufen seitens Gottes zu Völkermord ist, der kann solches nur unter Verdrehung des offensichtlichen Sinnes des Wortlautes tun (wie war das noch mit der Verbalinspiration?).
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Nanna » Di 4. Feb 2014, 02:04

Dr Fraggles hat geschrieben:Ist denn der Marxismus-Leninismus nicht an entscheidender Stelle strukturgleich mit Religionen (so zumindest J. Gray in "Politik der Apokalypse")?

Die moderne politische Ideologie, abstrahiert und übergreifend, ist aus älteren religiösen Denkstrukturen entstanden, insofern sind Überschneidungen da erwartbar. Die Kurzform ist, dass die Aufklärung das Jenseits gekillt hat und die Erlösungssehnsüchte fortan von diesseitigen Heilslehren gestillt werden mussten, den Ideologien, zu welchen der Marxismus-Leninismus zählt. So gesehen sind Ideologien modernisierte Religionen, wobei das so ganz auch nicht stimmt, weil einige Innovationen hinzugekommen sind, die die klassischen voraufklärerischen religiösen Weltbilder so nicht kannten oder nur angedeutet vorweggenommen haben, etwa das radikale Gleichheitsstreben, das zwar bereits im Christentum angelegt war, aber erst im Jakobinismus so richtig konsequent durchformuliert und im Kommunismus dann radikal praktiziert wurde.

Ist ein weites Feld, die Nacht ist schon zu fortgeschritten dafür heute. Ich habe mal ein Vergleichsschema zwischen Religion und Ideologie für eine Seminararbeit angefertigt, vielleicht krame ich das bei Gelegenheit mal raus. Ohne Anmerkungen ist das nicht zu verstehen, von daher geht's nicht auf die Schnelle.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon ujmp » Di 4. Feb 2014, 08:38

Außerdem ist die Frage, was die "entscheidende Stelle" sein soll. Mann kann willkürlich alles in eine Schublade werfen und "Feind" drauf schreiben. Oder oft geht es bei solchen Gleichsetzungen auch darum, dass sich eine Seite auf die selbe Stufe mit der anderen stellen möchte. Marx -für sich genommen- war ein ziemlich rational denkender Mensch, er geniest auch heute noch, so weit ich sehe, eine Menge Respekt, auch unter seinen Gegnern. Da gibt es schon auch "entscheidende" Unterschiede z.B. zu den Mormonen oder dem frühen Christentum.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon stine » Di 4. Feb 2014, 09:18

Dr Fraggles hat geschrieben:Die Kriegsbegeisterungsfähigkeit also als anthropologische Konstante, oder als allzeit potentiell aktivierbare Disposition? Willst du sagen, dass Religionen überhaupt keine Quelle von Gewalt sind? Das scheint mir mit Sicherheit falsch zu sein. Dann verstehe ich aber auch deinen Einwand nicht.
Imgrunde geht es doch bei all diesen Kriegen immer nur um Abgrenzung und Machtausübung.
Der Glaube an einen Gott und die daraus resultierende Religion sind für mich zweierlei. Religionsgeschichte ist ein weites Feld, darüber zu resümieren würde hier den Rahmen sprengen, insbesondere meinen. Ich denke nicht, dass es in Religionskriegen jemals um Glaube oder Nichtglaube gegangen ist. Sämtliche Religionskriege hatten den Auftrag eine bestimmte Kultur nach vorne zu bringen. Im Namen Gottes... und das betrifft wohl immer das selbstgestrickte Gottesbild einer ganzen Kultur.
Was ein Gott so alles von uns wollen kann und welche Völker er liebt oder vernichten will, das sind doch alles menschliche Hirngespinste. Und genau deswegen denke ich auch, dass die meisten Atheisten in erster Linie nicht Atheisten geworden sind, weil sie sich keinen Gott denken können, sondern weil sie die religiösen Ergebnisse der Gottgläubigen ablehnen.

MMn kommt es immer auf die Menschen an, die sich eine Religion zu ihrem Glauben ausdenken. Es gibt Kulturen, die ihre Religion zum Mantra machen und damit niemandem schaden, sondern im Gegenteil damit ihre Kräfte bündeln und dem Leben Sinn geben. Vielleicht wäre es deswegen auch mal angebracht "die Religionen" nicht ständig zu pauschalisieren, sondern das Kind auf das man böse ist auch mal beim Namen zu nennen.

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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Di 4. Feb 2014, 12:58

Dr Fraggles hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Das mag sein, es gibt gewiss viele Systeme und Konstellationen, die zur Gewalt führen, da kann man zig Kronzeugen benennen.
Gewiss. Aber es gebe eben auch zumindest das Bemühen auf solche Aspekte zu verzichten.
Klar, das sehe ich genauso.
Es ist in meine Augen einfach eine Kosten-Nutzen-Frage. Was bringt etwas und was schadet es? Die Antwort der atheistischen Fundamentalisten, dass Religion einfach überhaupt nichts bringt und nur schadet ist einfach nicht wahnsinnig überzeugend, weil es die Frage aufwirft, warum dann auch Menschen ohne Not religiös sind.
A priori eine pathologische Störung, Verblendung oder Verschlagenheit zu diagnostizieren ist empirisch falsch und logisch eine petitio principii, also auch falsch.

Aber das deckt sich mit meinen Punkten 1) und 2) soweit ich das sehe:
1) Religion wird a priori und ausschließlich als Problem, Krankheit, Störung... interpretiert und sämtliche positiven Aspekte der Religion werden ausgeblendet oder es wird von Fundamentalisten geleugnet, dass es überhaupt welche gibt.

2) In Fällen in denen Religion (oder deren Interpretation) tatsächlich als problematisch, aggressiv, intolerant oder destruktiv angesehen wird, wird nicht ausreichend geforscht, ob Religion die Ursache oder Teil einer anderen Ursache ist. Ferner wird nicht differenziert, wo Religion die Quelle ist und wo sie instrumentalisiert wird.


Zu 1) könnte man kritisch fragen, was das denn für positive Aspekte der Religion sind und ich glaube, dass man da fündig wird.
Fundamentalistische Atheisten, finden da regelmäßig nichts (und wissen auch vorher schon, dass sie nichts finden – und ihre Kritiker wissen es auch, da sie wissen, dass sie nichts finden wollen) und wehren sich mit Zähnen und Klauen gegen alles, was moderate und diskursfähige Atheisten, wie Nanna, spielend finden und wittern sofort die Intrige.

Zu 2) könnte man fragen, wo Religion Ursache von Missständen ist (sozusagen am Anfang der Kausalkette steht), wo Religion instrumentalisiert wird (als Begründung für andere Ursache herhalten muss) und wo sich einfach zwei Phänomene überlappen oder korrelieren. Das kann man klären und fundamentalistische Atheisten haben kein Interesse daran hier zu differenzieren, denn für sie ist klar: Wo Religion drauf steht ist auch immer Blut und Sperma drin.

Dr Fraggles hat geschrieben:Diesen Gesichtspunkt habe ich expliziert gefunden bei G.Knapp "Der antimetaphysische Mensch" und bei W. Schröder "Moralischer Nihilismus". Ja, das ist in etwa die Begründung: Einsicht in die geschichtliche Notwendigkeit. Wo findet man heute noch orthodoxe Marxisten?
In Internetforen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Na ja, die Belastung wie auch Entlastung hinge wohl ab von der Bandbreite der als gültig erachteten Interpretationen relevanter Texte.
Richtig, stinknormaler Diskurs. Da gibt es einmal die akademische Variante und dann die Abstimmung mit den Füßen, in den Varianten deutsch, europäisch, weltweit oder außereuropäisch.

Dr Fraggles hat geschrieben:Viele Text können mit dem entsprechenden bösen Blick zugunsten legitimierter Gewalt interpretiert werden.
Natürlich. Viele Akademiker, die sich tatsächlich mit den Thema Religion beschäftigen (so wie Akademiker das gewöhnlich tun sollten, ausgewogen) sehen die Probleme klar vor Augen, oder hast Du einen anderen Eindruck?

Dr Fraggles hat geschrieben:Aber es gibt eben auch Texte welche nur mit interpretativer Gewalt (Hinweis auf potentiell gewalttätige Gesinnung?) entsprechend eigener Interessen (=bewusste aber scheinheilige Verniedlichung von Texten) ausgelegt werden können.
Ja. Ein Problem des Islam ist, dass er vollkommen inhomogen ist und das dort niemand „das letzte Wort“ hat. Der hetzende Imam in Hinterhof hat im Zweifel dasselbe Gewicht, wie ein weiser Gelehrter. Das ist bei den Katholiken anders, selbst wenn die sich großenteils auch von der Obrigkeit abwenden.

Es gibt mehrere Trends. Der deutsche:
Die Südddeutsche Zeitung hat geschrieben:„Kein Sex vor der Ehe, Verhütungsmittel sind tabu, Enthaltsamkeit für Priester: Sind die Positionen der katholischen Kirche zu Sexualität und Familie noch zeitgemäß? ...
Explizit wurden die weltweit mehr als 4700 Bischöfe aufgefordert, eine entsprechende Umfrage, die im Oktober 2013 verschickt wurde, auch mit den Gemeindemitgliedern zu besprechen.
...
Bislang haben nur einige Diözesen und Verbände die Ergebnisse der Umfrage veröffentlicht. Dabei war deutlich geworden, dass die Kluft zwischen Lehramt und persönlicher Meinung der Katholiken groß ist. So hatte der Familienbund der Katholiken in Bayern im Dezember mitgeteilt, dass rund 80 Prozent von 1142 Befragten in Verhütung mit Pille und Kondom keine Sünde sehen. Beim Erzbistum Köln hieß es: "Insgesamt wird die Lehre der Kirche als welt- und beziehungsfremd angesehen."“
http://www.sueddeutsche.de/panorama/umf ... -1.1874338


Ein anderer: Es gibt immer mehr Christen auf der Welt, ihre Zahl nimmt täglich zu, die Austritte in Deutschland sind da eher Margianalien.

Ein dritter: Während bei uns die 08/15 Strömungen reihenweise Mitglieder verlieren, gibt es eine bemerkenswerte Ausnahme: Das Opus Dei, eine härtere und geheimere Variante, läuft gegen diesen Trend. Man kann versuchen zu verstehen, warum das so ist.
In dem lesenswerten Buch Die Vermessung des Glaubens, von Ulrich Schnabel, steht die Antwort. Hohe Hürden und Anforderungen werden als attraktiv wahrgenommen, ein Club wo anstrengungslos jeder Mitglied werden kann, wirkt unattraktiv. (Wenn der dann auch noch ständig skandalumwittert ist, macht ihn das nicht attraktiver, das merkt sogar der ADAC gerade.) Menschen wollen was Besonderes sein, es muss sich schon lohnen mitzumachen, man will eben ein bisschen besser sein, Opus Dei eben oder ein Bright, die mit diesem Bessersein spielen ohne sich letztlich wirklich dazu zu bekennen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Wer z.B. negiert dass das AT frei von Aufrufen seitens Gottes zu Völkermord ist, der kann solches nur unter Verdrehung des offensichtlichen Sinnes des Wortlautes tun (wie war das noch mit der Verbalinspiration?).
Die Frage nach dem Gründungsmythos ist immer schwierig, das stimmt.
An die Jungfrauengeburt und das geteilte Meer, kann man im Grunde als Mensch des 21.Jahrhunderts auch nicht mehr ernsthaft glauben, weshalb es auch die wenigsten (bei uns, woanders sieht das anders aus) tun.
Die Frage ist, in welchem Maße sind die praktizierenden Christen tatsächlich mit allen Facetten mit ihrer heiligen Schrift identifiziert und müssen sie es sein. Kennst Du jemanden, der in die Wüste geht um einen Widder zu schlachten? Das macht noch nicht mal ein Kardinal und niemand nimmt es ihm krumm, steht aber in der Bibel.
Mit anderen Worten, ein Großteil der Kritik der atheistischen Fundamentalisten beschwört Szenarien und Zustände, die keiner anstrebt, auch Kardinäle schlachten keine Widder.
Aber Scheiterhaufen würden alle Christen dieser Welt sofort wieder errichten, wenn man sie nur ließe und nur der unermüdliche Widerstand der Kämpfer für die gute und gerechte Sache des Atheismus, hält sie davon ab, davon sind atheistische Fundamentalisten überzeugt.
Und wenn jemand daher kommt und sagt: „Aber ich will, gar keine Scheiterhaufen bauen und auch die Inquisition nicht wieder einführen“, dann weiß der atheistische Fundamentalist, dass dies nur eine Verschleierungstaktik sein kann, was sonst?
Denn das weiß er auch: Wer etwas behauptet, meint das Gegenteil davon, jedenfalls wenn er religiös ist.
Was er nicht weiß, ist, dass er in einer Projektion (genauer: eine projektiven Identifikation – siehe auch: http://www.psyheu.de/6484/projektion-ps ... chanismus/) gefangen ist. Aber das will er auch nicht wissen und jeder Deutung seines Fundamentalismus ist natürlich nur ein erneuter, perfider Trick der Gegenseite, die mit allen Mitteln kämpft. Darum sind die Harmlosesten auf die Schlimmsten und die Daumenschrauben der Paranoia werden immer ein wenig enger gezogen.
Die psychische Paranoia korrespondiert hier mit dem logischen Fehlschluss der petitio principii, m.E. ist es einfach die kognitive Komponente des Gesamtphänomens, das aber, wie so oft, ein gleitendes Kontinuum darstellt, das um Gesunden beginnt und im Hochpathologsichen endet.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Fr 7. Feb 2014, 15:50

Vollbreit hat geschrieben:Klar, das sehe ich genauso. Es ist in meine Augen einfach eine Kosten-Nutzen-Frage. Was bringt etwas und was schadet es? Die Antwort der atheistischen Fundamentalisten, dass Religion einfach überhaupt nichts bringt und nur schadet ist einfach nicht wahnsinnig überzeugend, weil es die Frage aufwirft, warum dann auch Menschen ohne Not religiös sind. A priori eine pathologische Störung, Verblendung oder Verschlagenheit zu diagnostizieren ist empirisch falsch und logisch eine petitio principii, also auch falsch.


Religion hat nun viele Definitionen. Worauf es aber ankommt und was oft gemeint ist, ist „systematischer Glaube an Falsches“. Deine Haltung ist demnach die, dass „systematischer Glaube an Falsches“ auch gutes bewirken könne. Es mag zwar stimmen, dass „systematischer Glaube an Falsches“ auch zufällig zu richtigen oder guten Ergebnissen kommen kann, es ist aber ein sehr schlechter Weg dahin. Zudem stellen wir fest, dass Gläubige auch richtiges oder gutes tun, dabei aber bisweilen um ihren „systematischen Glauben an Falsches“ herum müssen, der ihnen eigentlich etwas anders vorschreibt. Beispielsweise war Martin Luther King bekanntlich ein Pastor und wird manchmal als leuchtendes Beispiel genannt. Aber die Bibel befürwortet sogar Sklaverei, sodass er nicht mit seinem „systematischen Glaube an Falsches“ sondern dagegen gehandelt hat. Er hat mit gesundem Menschenverstand gehandelt und war seiner Zeit noch ein Stückchen voraus, wohingegen seine heilige Schrift um Jahrhunderte hinterherhumpelt.

    With or without religion, you would have good people doing good things and evil people doing evil things. But for good people to do evil things, that takes religion — Steven Weinberg


Menschen sind nicht ohne Not religiös. Es gibt Veranlagunge und Heuristiken, die sich durch entsprechend gestaltete Glaubensysteme ausnutzen lassen. Die meisten Menschen werden auch nicht einfach spontan religiös. Die meisten Gläubigen werden in eine Glaubensgemeinschaft hineingeboren und ihr Glaube dürfte ungefähr auf einer ähnlichen Stufe sein, mit Ausnahmen in die eine oder andere Richtung. Religionen sorgen dafür das Ausscheren in den Nichtglaube mit hohen sozialen Kosten verbunden ist und es gibt auch viele Abwehrmaßnahmen im Glaubensgebäude selbst, z.B. die buchstäbliche Verteufelung des Zweifels in manchen Glaubenssystemen. Erhöhte Frömmigkeit hingegen wird belohnt und wurde oft mit hohem Ansehen bedacht. Auch nutzen Glaubensgemeinschaften die kindliche Aufnahmefähigkeit und Kritiklosigkeit aus, es entsprechend zu formen. Wohlwollend ausgedrückt. Es ist aber mehr eine geistige Verkrüppelung, wo das behütete Kindsein in infantilen Glaubensystemen aufbewart wird. Jesus ist immer da, und hilft, wie Pappa. Fühlt man sich einmal allein, weiß man Gott immer bei sich.

Es gibt viele Gründe, warum Menschen religiös sind, auch ganz profane wie „noch nicht drüber nachgedacht, mir nicht wichtig zur Zeit“, die dann eher weit im Hinterkopf einen Glauben haben, und mehr aus Gewohnheit die Christen-Box bei Umfragen ankreuzen. Nur sind solche Leute nicht das Problem. Manch andere wurden schwer geistig Verkrüppelt und schaffen es erst im Erwachsenenalter, davon loszukommen. Sie wollen, aber können nicht, weil alle psychologischen Register gezogen werden, bis hin zu Angehörigen die androhen, dass sie komplett den Kontakt abbrechen werden. Dann ist jemand, der sein Leben lang eine Familie hatte und sich einen imaginären Freund vorstellte davor gestellt, plötzlich zum ersten Mal wirklich allein zu sein. Es wird alles auf eine Karte gesetzt, denn dem Betroffene wird auch mit Höllenqualen gedroht, sollte er sich abwenden. Das ist wie ein Sprung von einer Klippe in das Unbekannte. Solch starker Glaube, der erst (wenn überhaupt) unter erheblichen Widerstand abgeschüttelt werden kann, ist relativ häufig in den USA. Es gibt auch mehrere namhafte Beispiele dafür.

Wieder andere sind tatsächlich zu doof. Zu doof für Schule, zu doof für Bildung, zu doof um einfachste Überlegungen anzustellen, und die aus der Unmündigkeit der eigenen Doofheit zumindest schlau genug sind, sich an das zu halten, was sich bewährt hat und was sie in ihrer Umgebung als tragfähig empfinden. Ganz viele Menschen haben in den USA kaum soziale Sicherung. Die einzige Struktur, die es gibt, wird von den Kirchen organisiert (erwiesenermaßen mehr schlecht als recht, mit großen Gewinnmargen). Da ist dann entweder zweitrangig, was der Glaube jetzt buchstabengetreu sagt, oder es gibt ein starkes Identitätsgefühl zur Gemeinde. Wir wissen auch, dass sehr schwierige Glaubensysteme, mit sehr vielen, sehr komplizierten Regeln die Vertrautheit innerhalb der Gruppe fördert. Das ist bei Orthodoxen Juden beispielsweise der Fall. Es ist sehr, sehr schwer für Trittbrettfahrer und Betrüger, mitzuhalten und deshalb können orthodoxe Juden einander relativ gut vertrauen, zumindest historisch gesehen (wichtig für Handelsgeschäfte und Vertragsgeschäfte und dergleichen).

Da gibt es noch viel mehr. Nur die Krux ist: ich kenne keinen Atheisten, der sich dessen nicht mehr oder weniger bewusst ist. Dawkins weiß diese Dinge mit Sicherheit, die anderen in der Liga tun es ebenfalls. Das es auch bei Atheisten problematische Leute gibt (oder geben kann), daran gibt es keinen Zweifel. Aber ist der Begriff „fundamentalistischer Atheist“ dafür angebracht, oder ist das nicht mehr sowas wie „die gelbe Gefahr“ vor der angeblich gewarnt werden muss?

Ich halte es eher für Propaganda. Von anfang an wurde Dawkins beispielsweise persönlich attackiert, auch von Progressiven die an den Glauben glauben, also „systematischern Glaube an Falsches“ gutheißen, wie Nanna und Vollbreit es tun. Wenn Argumente fehlen, wird eben rhetorischer Ersatz gesucht.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Sa 8. Feb 2014, 10:48

Lumen hat geschrieben:Religion hat nun viele Definitionen. Worauf es aber ankommt und was oft gemeint ist, ist „systematischer Glaube an Falsches“. Deine Haltung ist demnach die, dass „systematischer Glaube an Falsches“ auch gutes bewirken könne.
Gut, da ich Dich ja tatsächlich für einen Fundamentalisten halte, wundert es mich nicht, dass Du nicht merkst, was Du da eigentlich abziehst.

Isst Du Fleisch? Falls ja, gut, falls nein, wirst Du Dich vermutlich an früher erinnern könnten, wo Du es noch tatest.
Wenn ich nun der fundamentalistische Veganer Blumen wäre, würde ich so „argumentieren“.

Fleichfresserei hat nun viele Definitionen. Worauf es aber ankommt und was oft gemeint ist, ist „systematischer Tiermord und die Unterstützung von Hühner-KZs“. Deine Haltung ist demnach die, dass „systematischer Tiermord und die Unterstützung von Hühner-KZs“ auch Gutes bewirken könne.


Ansonsten mal Dein immer gleicher Beitrag, wenn es um Religionen geht, auf den emotionalen Kern reduziert:

... es ist aber ein sehr schlechter Weg dahin.
...die Bibel befürwortet sogar Sklaverei
...die buchstäbliche Verteufelung des Zweifels in manchen Glaubenssystemen.
...die kindliche Aufnahmefähigkeit und Kritiklosigkeit
...eine geistige Verkrüppelung,
...in infantilen Glaubensystemen
...schwer geistig Verkrüppelt
...dem Betroffene wird auch mit Höllenqualen gedroht
...andere sind tatsächlich zu doof. Zu doof für Schule, zu doof für Bildung, zu doof um einfachste Überlegungen anzustellen, und die aus der Unmündigkeit der eigenen Doofheit zumindest schlau genug sind, sich an das zu halten, was sich bewährt hat und was sie in ihrer Umgebung als tragfähig empfinden.
...für Trittbrettfahrer und Betrüger,
...Ich halte es eher für Propaganda.
...wurde Dawkins beispielsweise persönlich attackiert

Fazit Lumen:
„Wenn Argumente fehlen, wird eben rhetorischer Ersatz gesucht.“
Stimmt. :^^:

Merkste was, Lumen?
Nein, ist schon klar, außer der Perfidie der religiösen Apologeten, denen wie immer jedes Mittel recht ist... usw.

Aber es reicht, manchmal Öffentlichkeit herzustellen.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Nanna » Sa 8. Feb 2014, 16:17

Lumen hat geschrieben:Religion hat nun viele Definitionen. Worauf es aber ankommt und was oft gemeint ist, ist „systematischer Glaube an Falsches“.

Mal davon abgesehen, dass ich für so eine Phrasendrescherei in jedem Proseminar ausgelacht worden wäre, ist diese Definition nicht "oft gemeint", sondern du meinst das. Nicht immer von dir auf Andere schließen.

Übrigens kommt es in einer Diskussion nie gut, Anderen zu erklären, was sie mit ihren Definitionen eigentlich meinen.

Lumen hat geschrieben:With or without religion, you would have good people doing good things and evil people doing evil things. But for good people to do evil things, that takes religion — Steven Weinberg

Was eine Assertion ist, hab ich ja schon erklärt.

Lumen hat geschrieben:Erhöhte Frömmigkeit hingegen wird belohnt und wurde oft mit hohem Ansehen bedacht.

Ich musste gerade grinsen, weil ich mir dachte: Das ist doch genau das, womit du mit deinem missionarischen Reinheitseifer strebst. Atheistische Frömmigkeit ist wirklich was Kurioses... :headstand:

Lumen hat geschrieben:Es gibt viele Gründe, warum Menschen religiös sind, auch ganz profane wie „noch nicht drüber nachgedacht, mir nicht wichtig zur Zeit“, die dann eher weit im Hinterkopf einen Glauben haben, und mehr aus Gewohnheit die Christen-Box bei Umfragen ankreuzen. Nur sind solche Leute nicht das Problem.

Wenn du dir noch ein bisschen Mühe gibst, könnte da ein Aha-Effekt draus werden.

Lumen hat geschrieben:Da gibt es noch viel mehr.

Schon deine Finger, ich hab schon das andere nicht besonders aufmerksam gelesen, ich kannte es schon auswendig.

Lumen hat geschrieben:ich kenne keinen Atheisten, der sich dessen nicht mehr oder weniger bewusst ist. Dawkins weiß diese Dinge mit Sicherheit, die anderen in der Liga tun es ebenfalls. Das es auch bei Atheisten problematische Leute gibt (oder geben kann), daran gibt es keinen Zweifel. Aber ist der Begriff „fundamentalistischer Atheist“ dafür angebracht, oder ist das nicht mehr sowas wie „die gelbe Gefahr“ vor der angeblich gewarnt werden muss?

Ich weiß nicht. Bist du hier nicht derjenige, der mit einem Finger so dick wie mein Oberschenkel auf Andere zeigt und "gelbe Gefahren" beschwört? Um's mal biblisch zu sagen: Mit einem Balken im Auge kann man schwer kucken, auch nicht in den Spiegel. Wär aber für dich dringend nötig und heilsam.

Lumen hat geschrieben:Ich halte es eher für Propaganda.

Das macht es schön leicht, weil man sich dann nicht mehr mit dem beschäftigen muss, was das Gegenüber sagt, nicht wahr?

Lumen hat geschrieben:Wenn Argumente fehlen, wird eben rhetorischer Ersatz gesucht.

Wie wahr, wie wahr...
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Sa 8. Feb 2014, 20:17

Das findest du überzeugend?

Vollbreit hat geschrieben:Isst Du Fleisch? Falls ja, gut, falls nein, wirst Du Dich vermutlich an früher erinnern könnten, wo Du es noch tatest.
Wenn ich nun der fundamentalistische Veganer Blumen wäre, würde ich so „argumentieren“. Fleichfresserei hat nun viele Definitionen. Worauf es aber ankommt und was oft gemeint ist, ist „systematischer Tiermord und die Unterstützung von Hühner-KZs“. Deine Haltung ist demnach die, dass „systematischer Tiermord und die Unterstützung von Hühner-KZs“ auch Gutes bewirken könne.


  • Für die Herstellung von Fleisch werden Tiere getötet, das ist ein Fakt. So wie Religion der systematische Glaube an Falsches ein Fakt ist.
  • Fleisch essen ist in der Regel nicht dasselbe wie Tiere töten. Jemand der Fleisch isst, tötet die Tiere in der Regel nicht.
  • Mord hat eine genaue Definition und ein Delikt einen Mord zu nennen wäre in dem Fall eine subjektive Beurteilung.
  • KZ ist mindestens eine reißerische Analogie.

Ziemlich schwach, denn im wesentlich wurde aus einem Fakt die Gewichtung auf eine Bewertung gelegt. Vielleicht kommen wir da zu Pudels Kern. Ihr könntet ja zugegeben, dass ihr findet, der Wahrheitswert von Religion sei verhandelbar und alles andere als klar. Davon abgesehen, würde ich durchaus sehen, dass Fleischkonsum das Töten von Tieren in großer Zahl erfordert und dann könnte darüber diskutiert werden, ob und in welchem Zusammenhang es gerechtfertigt ist. Ihr hingegen weigert euch die Fakten anzunehmen.

Vollbreit, Links und Kommentar von mir in [eckigen Klammern] hat geschrieben:Ansonsten mal Dein immer gleicher Beitrag, wenn es um Religionen geht, auf den emotionalen Kern reduziert

... es ist aber ein sehr schlechter Weg dahin. [Kontext: Glaube an Falsches]
...die Bibel befürwortet sogar Sklaverei
...die buchstäbliche Verteufelung des Zweifels in manchen Glaubenssystemen.
...die kindliche Aufnahmefähigkeit und Kritiklosigkeit
...eine geistige Verkrüppelung, [s. u.]
...in infantilen Glaubensystemen [Kontext war ein Glaube mit einem unsichtbaren Pappa, der immer da ist]
...schwer geistig Verkrüppelt [Kontext war, dass Glaube lehrt, entgegen Fakten etwas anderes anzunehmen, siehe Anhang unten]
...dem Betroffene wird auch mit Höllenqualen gedroht [s. u.]
...andere sind tatsächlich zu doof. Zu doof für Schule, zu doof für Bildung, zu doof um einfachste Überlegungen anzustellen, und die aus der Unmündigkeit der eigenen Doofheit zumindest schlau genug sind, sich an das zu halten, was sich bewährt hat und was sie in ihrer Umgebung als tragfähig empfinden. [Kontext nannte verschiedene Glaubensgruppierungen, dies ist eine davon]
...für Trittbrettfahrer und Betrüger, [Kontext war vollkommen entgegengesetzt, als hier dargestellt: nämlich, dass Glaube eine Gemeinschaft befördert, die sich vertrauen kann]
...Ich halte es eher für Propaganda. [Einschätzung der Wirkung des Begriffs 'Fundamentalismus' als völlig überzogen]
...wurde Dawkins beispielsweise persönlich attackiert [entspricht den Tatsachen, siehe shrill, strident usw.]


Übrigens auch eine Taktik von Gläubigen, die sich Quote-Mining nennt. :D

Bis auf meine Einschätzung, dass ich das Eintrichtern von Glauben für eine Verkrüppelung halte, sind das allesamt Fakten. Jeder dieser Fakten stand in einem Kontext, der einen bestimmten Zusammenhang illustrierte. Zum Beispiel, dass vermeintlich Gutes tun im Namen der Religion es bisweilen erfordert, eigentlich dagegen zu handeln (wie am Beispiel Martin Luther King veranschaulicht), dadurch wird dem Argument, religiöse Leute täten Gutes wegen ihrer Religion der Wind genommen.

Vollbreit hat geschrieben:Fazit Lumen:
„Wenn Argumente fehlen, wird eben rhetorischer Ersatz gesucht.“
Stimmt. :^^:


Das hast du und Nanna wundervoll demonstriert. Danke dafür. Ich diskutiere nicht für euch, sondern für Dritte, die euer irrationales, argumentfreies Schauspiel sich hier angucken können. Dein Argument besteht darin, bestenfalls, dass es lediglich emotionale (und übertriebene) Zuschreibungen sind. Das ist aber erwiesermaßen Blödsinn. Nehmen wir Glaube an Falsches: 46% der Amerikaner glauben an Kreationismus. Das ist die Sichtweise, dass Mensch und Erde im wesentlichen so enstanden ist, wie es in der Bibel steht. Richard Dawkins ist ein Zoologe und ein Autor, der sich der Aufklärung einer breiten Öffentlichkeit verschrieben hat, und aus diesem Grund entsprechend Gegenwind bekam. Das hat wahrscheinlich dazu beigetragen, dass er sich dann, 30 Jahre nach The Selfish Gene (1976), für Atheismus stark gemacht hat. Oder nehmen wir die andere, bereits genannte Studie von europäischen Muslimen „Religiöser Fundamentalismus unter Muslimen ist in Westeuropa kein Randphänomen“, was bestimmte Sichtweisen hinsichtlich der Wirklichkeit impliziert, insbesondere wenn „[d]rei Viertel von ihnen finden, es gebe nur eine mögliche Auslegung des Korans.“ 46% der Amerikaner, oder 75% der Muslime sind nicht gerade wenige Menschen, die aufgrund religiöser Überzeugungen keinen Zugang zur Wirklichkeit haben.

Vollbreit hat geschrieben:Merkste was, Lumen?


Ich merke, dass du ein Gläubiger (an die Religion) bist, der sich mutig gegen die Fakten stellt und der mangels Argumentation (wenn, wo?) lieber auf Ad Hominems und faktenfreie Meinungsmache setzt, indem du andere als Fundamentalisten bezeichnest, die deine (und Nannas) postmodern verklebte Ideologie nicht übernehmen wollen. Ein Beispiel wie Sklaverei im Zusammenhang mit Martin Luther King ist deutlich und anschaulich, es ist nicht dadurch 'emotional' weil die meisten Menschen Sklaverei abscheulich finden. Der Grund ist übrigens, warum ich darauf komme, weil neulich MLK Day war und besagte Argumente dann zu lesen waren. Aber 'Emotionalität' ist ja dein Standardeinwand, denn so kannst du klare und anschauliche Fakten diskreditieren und die weniger anschaulichen werden von dir, erwartbar, für deinen Obkurantismus genutzt. Zusammengenommen ist das deine und Nannas Immunisierung gegenüber einer eindeutigen Faktenlage. Erkennbar habt ihr auch keine Ahnung von Glaubensystemen, wie sie überall vorkommen. Wie manche Progressive und Theologen ist für euch der Glaube auch an die Hölle angeblich passé, da glaubt ja seit dem Mittelalter angeblich keiner mehr dran. Auch falsch, daran glauben 70% der Amerikaner.

Vollbreit hat geschrieben:Aber es reicht, manchmal Öffentlichkeit herzustellen.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Sa 8. Feb 2014, 21:42

Nanna hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Religion hat nun viele Definitionen. Worauf es aber ankommt und was oft gemeint ist, ist „systematischer Glaube an Falsches“.

Mal davon abgesehen, dass ich für so eine Phrasendrescherei in jedem Proseminar ausgelacht worden wäre, ist diese Definition nicht "oft gemeint", sondern du meinst das. Nicht immer von dir auf Andere schließen. Übrigens kommt es in einer Diskussion nie gut, Anderen zu erklären, was sie mit ihren Definitionen eigentlich meinen.


Hier ist die Standarddefinition von Glauben.

    „Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“
    – Hebr 11,1 EU

Da wir wissen, dass religiöse Überzeugungen falsch sind, wird daraus ergo „Überzeugtsein von Dingen, die nicht stimmen“. Da Religionen Glaubensysteme sind, wird daraus der systematische Glaube an Dinge, die nicht stimmen, ergo an Falsches. Ich hielt das für offensichtlich. Wenn du hier Einwände hast, dann bring sie doch vor, anstatt auf dein tolles Proseminar zu pochen, oder andere Nebensächlichkeiten.

Nanna hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Erhöhte Frömmigkeit hingegen wird belohnt und wurde oft mit hohem Ansehen bedacht.

Ich musste gerade grinsen, weil ich mir dachte: Das ist doch genau das, womit du mit deinem missionarischen Reinheitseifer strebst. Atheistische Frömmigkeit ist wirklich was Kurioses... :headstand:


Man muss nur auflösen, was du hier eigentlich sagst. Im alltäglichen Leben nutzen wir alle eine Methode um etwas über die Welt herauszufinden. Wir stellen eine Vermutung auf, und lenken unsere Aufmerksamkeit dann darauf, diese Vermutung entweder zu bestätigen, oder zu verwerfen. Wissenschaftler machen auch nichts anderes. Aber es gibt vor allem von Religiösen das Bestreben, das anders darzustellen. Und da kommen dann solche Denkfeinde wie du ins Spiel, die sich ihr Gehirn mutmaßlich mit Postmodernismus zerschossen haben. Da ist dann alles relativ, und von Kontexten abhängig. Jeder kann glauben, was sie will. Es gibt keinen Maßstab; alles ist immer Interpretation und so weiter.

Wenn es aber etwas gibt, was momentan 'wahrer' ist, als andere Wahrheitskandidaten, dann ist dieser 'missionarische Reinheitseifer' die Haltung, dem Besten Wahrheitskandidaten den Vorzug zu geben und nicht aus anderen (insbesondere religiösen) Gründen einem anderen den Vorzug zu geben. Dabei habe ich mehrmals deutlich gemacht, dass es durchaus viel 'Ermessensfreiräume' gibt. Doch religiöse Ansichten sind weitab von Ermessensfreiräumen. Kurzum, du entlarvst dich hier als antiintellektuell.

Nanna hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Es gibt viele Gründe, warum Menschen religiös sind, auch ganz profane wie „noch nicht drüber nachgedacht, mir nicht wichtig zur Zeit“, die dann eher weit im Hinterkopf einen Glauben haben, und mehr aus Gewohnheit die Christen-Box bei Umfragen ankreuzen. Nur sind solche Leute nicht das Problem.

Wenn du dir noch ein bisschen Mühe gibst, könnte da ein Aha-Effekt draus werden.


Unterstreicht einmal mehr die Unfähigkeit von dir, das Argument zu erfassen. Nehme ich jetzt einfach mal so hin.

Nanna hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Ich halte es eher für Propaganda.

Das macht es schön leicht, weil man sich dann nicht mehr mit dem beschäftigen muss, was das Gegenüber sagt, nicht wahr?


Wenn du der Auffassung bist, dass das Bestreben, dem besten Wahrheitskandidaten den Vorzug zu geben (mit etwas Ermessenspielraum) direkt Fundamentalismus ist, dann ist das vielmehr ein Beispiel für deine antiintellektuelle Haltung. Die will ich dir garnicht nehmen.

Die sogenannten Fundamentalisten haben den Wert, dass Menschen Wahrheit zumindest zur Kenntnis nehmen sollen. Aus einem Ist-Zustand wird aber nicht zwangsläufig ein Sollen. Aber der Fleischkonsument, z.B. soll grundsätzlich Zugang zu dem verfügbaren Wissen haben, was es bedeutet, nicht getäuscht, oder in die Irre geleitet werden, und soll damit in die Lage versetzt werden, seine eigenen Entscheidungen mündig zu treffen.

Nanna hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Wenn Argumente fehlen, wird eben rhetorischer Ersatz gesucht.

Wie wahr, wie wahr...


Das hast du sauber demonstriert, auch wenn es dir nicht einleuchten will und auch dann, wenn andere meine Ansichten nervig finden (was an meinem Irrtum lag, dass du und Vollbreit für Argumente zugänglich sind, was nicht der Fall ist). Siehe auch hier.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Nanna » So 9. Feb 2014, 01:36

Lumen hat geschrieben:Übrigens auch eine Taktik von Gläubigen, die sich Quote-Mining nennt. :D

Und dein kleinstschrittiges Zerpflücken von Vollbreits Beitrag ist was Anderes, hm? ;-)

Lumen hat geschrieben:Zum Beispiel, dass vermeintlich Gutes tun im Namen der Religion es bisweilen erfordert, eigentlich dagegen zu handeln (wie am Beispiel Martin Luther King veranschaulicht), dadurch wird dem Argument, religiöse Leute täten Gutes wegen ihrer Religion der Wind genommen.

Wenn du einen schwarzen Schwan siehst, heißt das, dass alle Schwäne schwarz sind?

Lumen hat geschrieben:Ich diskutiere nicht für euch, sondern für Dritte, die euer irrationales, argumentfreies Schauspiel sich hier angucken können.

Also ich diskutiere tatsächlich auch für dich. Ich muss dich nicht überzeugen, aber vielleicht profitierst du ja doch davon, und da du ja grundsätzlich nicht auf den Kopf gefallen bist, ist es doch den Versuch zumindest wert, dir was zu zeigen, was außerhalb deiner bisherigen Komfortzone liegt.

Lumen hat geschrieben:Oder nehmen wir die andere, bereits genannte Studie von europäischen Muslimen „Religiöser Fundamentalismus unter Muslimen ist in Westeuropa kein Randphänomen“, was bestimmte Sichtweisen hinsichtlich der Wirklichkeit impliziert, insbesondere wenn „[d]rei Viertel von ihnen finden, es gebe nur eine mögliche Auslegung des Korans.“ 46% der Amerikaner, oder 75% der Muslime sind nicht gerade wenige Menschen, die aufgrund religiöser Überzeugungen keinen Zugang zur Wirklichkeit haben.

Mal davon abgesehen, dass wir alle diese Studien zur Kenntnis genommen und ihnen nicht widersprochen haben: Kannst du rein hypothetisch für einen Augenblick den Gedanken zulassen, dass du vielleicht genausowenig einen privilegierten Zugang zur Wirklichkeit hast, wie Andere?

Lumen hat geschrieben:Ein Beispiel wie Sklaverei im Zusammenhang mit Martin Luther King ist deutlich und anschaulich, es ist nicht dadurch 'emotional' weil die meisten Menschen Sklaverei abscheulich finden.

Vielleicht habe ich ja das falsche Geschichtsbuch gehabt in der Schule, aber wo in Martin Luther Kings Religion wurde die Sklaverei befürwortet? Und ich bitte dich, dich an der Stelle mal von dem Label "Christentum" zu lösen. Es gibt kein essentielles Christentum, sondern "nur" die jeweiligen Deutungen von Menschen in bestimmten historischen Kontexten. Der geteilte Name ist da oberflächliche Gemeinsamkeit.

Lumen hat geschrieben:Zusammengenommen ist das deine und Nannas Immunisierung gegenüber einer eindeutigen Faktenlage. Erkennbar habt ihr auch keine Ahnung von Glaubensystemen, wie sie überall vorkommen.

Nein, ich schreibe nur gerade meine Masterarbeit zum Fundamentalismus in Ägypten. Ist also offensichtlich, dass ich weder die einschlägige Literatur kenne, noch mich auch nur oberflächlich mit dem Thema auseinander gesetzt habe. Was Immunisierungstaktiten sind, weiß ich nicht, ich habe dazu nie etwas gemacht, wie z.B. benotete Referate dazu zu halten. Erkenntnistheorie und der Begriff des "Fakts" und was als solcher gelten kann, hat mich an der Uni nie berührt, ich kenn das Wort auch nur aus der Focus-Werbung. Ich habe auch keine umfassende universitäre Vorbildung in diskursanalytischen Ansätzen, Ideengeschichte und ich habe auch nie ein Primärquellenseminar besucht, in dem religiöse Texte vorkamen. Ich habe also offensichtlich überhaupt keine Ahnung, und du Wikipediagelehrter bist mir da einfach Lichtjahre voraus. Also verzeih mir mein Unwissen und meine Anmaßung, es ist natürlich ganz offensichtlich, dass ich hier derjenige bin, der sich überschätzt.

Lumen hat geschrieben:Wie manche Progressive und Theologen ist für euch der Glaube auch an die Hölle angeblich passé, da glaubt ja seit dem Mittelalter angeblich keiner mehr dran. Auch falsch, daran glauben 70% der Amerikaner.

Hat keiner gesagt. Wenn du mal einen Augenblick Luft holst, merkst du vielleicht, dass deine Zahlenkolonnen niemanden interessieren, weil sie an der Fragestellung vorbei gehen.

Lumen hat geschrieben:Hier ist die Standarddefinition von Glauben.

    „Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“
    – Hebr 11,1 EU

Das ist keine schlechte Definition, nur solltest du nicht immer vorschnell Begriffe wie "Standarddefinition" in den Mund nehmen. Du nimmst viel zu gewohnheitsmäßig einfach Deutungen vorweg.

Lumen hat geschrieben:Da wir wissen, dass religiöse Überzeugungen falsch sind, ...

Nein, das wissen wir nicht. Wir haben gute Gründe, davon auszugehen und mithin vor allem keine guten Gründe, vom Gegenteil auszugehen, aber letztlich sind die Argumente gegen religiöse Überzeugungen in erster Linie denkökonomisch (Ockhams Rasiermesser) und nicht epistemologisch ultimativ. Auch hier überdehnst du mal wieder den Gültigkeitsbereich deiner Argumentation und hoffst, dass es keiner merkt (oder schlimmer noch, merkst es selbst nicht einmal). Du gehst immer so husch-husch über Zwischenschritte drüber, das ist echt kein sauberes Argumentieren.

Lumen hat geschrieben:Da Religionen Glaubensysteme sind, wird daraus der systematische Glaube an Dinge, die nicht stimmen, ergo an Falsches. Ich hielt das für offensichtlich.

Ja, und genau das ist das Problem. Du legst Argumentationen vor, die in keinem Proseminar Bestand hätten, einfach weil Lücken, Rekursionen und haufenweise ungeklärte implizite Annahmen drin sind (Assertionen), und regst dich dann auf, dass Andere die "offensichtliche Wahrheit" nicht übernehmen wollen - kommst aber ums Verrecken nicht auf die Idee, dass deine ganze spezifische Weltsicht vielleicht weit weniger eingängig ist, als es dir von deinem Oberstübchen aus erscheint.

Und egal, was du über meine Art zu Argumentieren behauptest: Da habe ich dir klar etwas voraus, weil für mich die Vorläufigkeit meines Wissens und die Subjektivität meiner Perspektive nicht nur Phrasen sind, die ich um des Anscheins wissenschaftlicher Redlichkeit von mir gebe, sondern tatsächlich eine Lebenshaltung. Insofern habe ich auch kein Problem, die Studien anzuerkennen, die du zitierst und die Problemlage in und mit religiösen Communities anzuerkennen, ich trete halt nur am Ende nicht in die selbstgestellte Falle, erst einen Haufen Empirie anzuhäufen und dann simplifizierende Schlussfolgerungen zu ziehen.

Lumen hat geschrieben:Wenn du hier Einwände hast, dann bring sie doch vor, anstatt auf dein tolles Proseminar zu pochen, oder andere Nebensächlichkeiten.

Ich habe bereits jede Menge Einwände gebracht, nur komischerweise zitierst du die nie und nimmst dazu Stellung. Cherry-picking halt.

Und was meine universitäre Bildung und solche Nebensächlichkeiten angeht: Halbbildung ist gefährlich, vor allem, weil man sich überschätzt, wie ein junger Autofahrer, der mit 19 meint, dass er die Karre schon im Griff hat. Die meisten Koryphäen auf bestimmten Gebieten sind überraschend bescheiden. In Bildungsfragen taugt das fast überall zur Nachahmung, weshalb ich auch nie mehr sagen werde, als dass ich Ahnung habe, aber nicht dass ich über ein Gebiet alles weiß, so wie du es dir mit der Religion einbildest.

Lumen hat geschrieben:Man muss nur auflösen, was du hier eigentlich sagst. Im alltäglichen Leben nutzen wir alle eine Methode um etwas über die Welt herauszufinden. Wir stellen eine Vermutung auf, und lenken unsere Aufmerksamkeit dann darauf, diese Vermutung entweder zu bestätigen, oder zu verwerfen. Wissenschaftler machen auch nichts anderes. Aber es gibt vor allem von Religiösen das Bestreben, das anders darzustellen. Und da kommen dann solche Denkfeinde wie du ins Spiel, die sich ihr Gehirn mutmaßlich mit Postmodernismus zerschossen haben. Da ist dann alles relativ, und von Kontexten abhängig. Jeder kann glauben, was sie will. Es gibt keinen Maßstab; alles ist immer Interpretation und so weiter.

Wenn du so etwas sagst, lässt das schwerlich einen anderen Schluss zu, als dass du die Implikationen des linguistic turn nicht verstanden hast. Du weißt anscheinend schlichtweg nicht, was in den Geistes- und Sozialwissenschaften Stand der Forschung und herrschende Lehrmeinung ist. Wüsstest du, wovon du hier sprichst, würdest du nicht unbedingt weniger Kritik üben, aber andere. Und damit befindest du dich auf der Stufe mit jemanden, der mit seinem Wissen aus dem Leistungskurs Physik die Relativitätstheorie widerlegen will.

Ich werde dir das nicht erklären, dazu wäre Zeit und deine Aufnahmebereitschaft notwendig, und das zweite scheint so knapp zu bemessen zu sein, wie das erste. Aber lern mal etwas Bescheidenheit. Erst bist du gegen die Religion, dann gegen die Religion plus diejenigen, die keine Panik beim Gedanken an sie bekommen, nun bist du schon gegen die Religion, die gelassenen Nichtgläubigen plus den Großteil der zeitgenössischen Geistes- und Sozialwissenschaftler und den Großteil der Philosophen, also auch gegen einen Großteil des gebildeten westlichen Rationalismus.

Lumen hat geschrieben:Wenn es aber etwas gibt, was momentan 'wahrer' ist, als andere Wahrheitskandidaten, dann ist dieser 'missionarische Reinheitseifer' die Haltung, dem Besten Wahrheitskandidaten den Vorzug zu geben und nicht aus anderen (insbesondere religiösen) Gründen einem anderen den Vorzug zu geben.

Du verwechselst hier eine wissenschaftliche Agenda mit einer politischen. Es hat niemand (nicht hier und auch fast sonst nirgendwo außerhalb von Außenseiterzirkeln) für die Einführung von Religionsdogmatik als Erkenntnismethode in die Wissenschaft plädiert. Worum es geht, zumindest Vollbreit und mir, ist eine gesellschaftliche Haltung, Achtung vor anderen Menschen zu haben und ihre Überzeugungen nicht ohne Not zu attackieren, denn ein christlicher Mitbürger und ein atheistischer Mitbürger unterscheiden sich in ihrer Integrationsfähigkeit in die Gesellschaft erst mal nicht durch ihre jeweilige kosmologische Position. Entscheidend ist in einer pluralistischen Gesellschaft, eine Vielfalt von Meinungen, Praktiken, Stilen, Widersprüchen und Mehrdeutigkeiten aushalten zu können und da tun "normale" Religiöse sich nicht automatisch schwerer als "normale" Atheisten. Anders sieht es aus, wenn Weltbilder sich verhärten und in die fundamentalistische Richtung tendieren, wo Leute dann ihre eigene, persönliche Wahrheit mit aller Macht durchsetzen zu müssen meinen.

Lumen hat geschrieben:Dabei habe ich mehrmals deutlich gemacht, dass es durchaus viel 'Ermessensfreiräume' gibt. Doch religiöse Ansichten sind weitab von Ermessensfreiräumen. Kurzum, du entlarvst dich hier als antiintellektuell.

Du bist der erste, der mir das sagt, aber du wirst du schon recht haben.

Lumen hat geschrieben:Unterstreicht einmal mehr die Unfähigkeit von dir, das Argument zu erfassen. Nehme ich jetzt einfach mal so hin.

Ich werfe dir ja auch vor, Argumente nicht zu erfassen, aber ich mache mir wenigstens die Mühe, den Fehlschluss dann auch zu erläutern. Kriegst du das hin?

Lumen hat geschrieben:Wenn du der Auffassung bist, dass das Bestreben, dem besten Wahrheitskandidaten den Vorzug zu geben (mit etwas Ermessenspielraum) direkt Fundamentalismus ist, dann ist das vielmehr ein Beispiel für deine antiintellektuelle Haltung. Die will ich dir garnicht nehmen.

Lügner. ;-)
Du kannst im übrigens deinem besten Wahrheitskandidaten den Vorzug geben, wann und wie und wieviel du willst. Darüber will ich gar nicht streiten. Es geht viel mehr um eine Frage des Sozialverhaltens, nämlich die, dass du deinem Nachbarn dann auch die Freiheit lässt, einem anderen Wahrheitskandidaten den Vorzug zu geben und ihn nicht öffentlich als Vorstufe zum blutsaufenden Tyrannen darstestellst, der nachts deine Kinder indoktriniert.

Lumen hat geschrieben:Die sogenannten Fundamentalisten haben den Wert, dass Menschen Wahrheit zumindest zur Kenntnis nehmen sollen. Aus einem Ist-Zustand wird aber nicht zwangsläufig ein Sollen. Aber der Fleischkonsument, z.B. soll grundsätzlich Zugang zu dem verfügbaren Wissen haben, was es bedeutet, nicht getäuscht, oder in die Irre geleitet werden, und soll damit in die Lage versetzt werden, seine eigenen Entscheidungen mündig zu treffen.

Ja, aber was du machst, ist nicht mal mit heftigem Euphemisieren als uneigennütziges Verfügbarmachen von sachlichen Informationen für Gläubige zu bezeichnen. Es ist einfach nur hemmungsloses Ablästern und Dämonisieren von Leuten, die die Dreistigkeit besitzen, sich für deine Weltsicht nicht so wirklich zu interessieren. Wer einfach nur informieren will, kann damit leben, dass Leute sein Angebot ablehnen, und muss es nicht in immer bluttriefenderen Bildern beschreiben und den Leuten ins Ohr brüllen.

Lumen hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Wenn Argumente fehlen, wird eben rhetorischer Ersatz gesucht.

Wie wahr, wie wahr...


Das hast du sauber demonstriert, auch wenn es dir nicht einleuchten will und auch dann, wenn andere meine Ansichten nervig finden (was an meinem Irrtum lag, dass du und Vollbreit für Argumente zugänglich sind, was nicht der Fall ist).

Schon gut. Darf ich dich zum Abschluss noch segnen und dir die neueste Ausgabe des Wachturms mitgeben, mal zum unverbindlichen Reinschauen? :grandpa:
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » So 9. Feb 2014, 19:47

Nanna möchte offenbar, dass Religionen toleriert, also nicht verboten werden. Hier sind wir uns einig. Auch die sogenannten „atheistischen Fundamentalisten“, haben kein Interesse daran, Menschen zu verbieten, oder vorzuschreiben, was sie tun und lassen sollen.

    „I respect you too much to respect your ridiculous beliefs“ – Johann Hari (oft von Dawkins zitiert)

Stattdessen geht es um eine andere Einschätzung von Religionen, insbesondere gegen traditionellen Respekt, der dem Glauben entgegen gebracht wird. Zunächst einmal wird unterschieden zwischen Glaubensystem und Gläubigen. Eine Idee, oder ein Glaubensystem verdient keinen Respekt. Ideen oder Glaubensysteme sind keine Menschen und bedürfen keiner Schonung. Selbst wenn Religionen kompliziert sind, ist das kein Grund, die sonst gültige Unterscheidung aufzuheben. Wir haben auch Ansichten zu verschiedenen politischen Ideologien und sind der Meinung, dass manche objektiv besser (oder schlechter) sind als andere.

Religionen auszunehmen, weil sie eine wie auch immer geartete magische Substanz hätten, ist „Special Pleading“. Ob und inwiefern Religionen „gesonderte“ Phänomene sind, spielt auch keine Rolle, denn sie müssen sich so oder so mit anderen Weltanschaungen messen, ob diese nun Religion genannt werden, oder nicht. Atheismus ist keine Religion und belegt trotzdem denselben Platz als „weltanschauliches System“, dass natürlich objektiv besser ist.

Jetzt haben manche Menschen erkennbar Probleme zu verstehen, was Atheismus eigentlich ist, über den heute diskutiert wird. Dazu muss man wissen, dass der Neue Atheismus keine Blanko-Weltsicht ist, die nichts enthält, auch keine Götter und wo dann von Stalin bis Hitler alles offen ist (wobei in Wahrheit einer Katholik war und beide sich den Glauben zunutze machten). Sondern sie enthält selbst verschiedene Werte, die man vielleicht als „Neue Aufklärung“ bezeichnen könnte. Die einflussreichen Leute sind oft Wissenschaftler, und die Leute die da mitmachen vertreten Werte wie gesunden Skeptizismus, kritisches Denken, Belege/Beweise für Behauptungen und so weiter. Man könnte auch sagen: „Gesunder Menschenverstand“. Es gibt also einen Unterschied zwischen Atheismus als generische Kategorie von Weltanschaungen und der, die im Zusammenhang von Dawkins relevant ist.

Die Haltung von mir und vielen anderen „Neuen Atheisten“, ist die, dass es objektiv bessere und schlechtere Wege gibt, um an Wissen zu gelangen. Der beste bekannte Weg ist Wissenschaft, wobei unter Wissenschaft kein arkaner, undurchsichtiger Prozess verstanden wird, sondern die alltägliche Herangehensweise an alle möglichen Probleme. Die professionelle Wissenschaft hat diesen Prozess lediglich verfeinert.

Das Schlagwort, für die entgegengesetzte Haltung nennt sich „other ways of knowing“, die sich bei Theologen und Gläubigen großer Beliebtheit erfreut. Nanna ist ein Anhänger dieser Sichtweise, wenn er im Zusammenhang mit Muslimen meint:

Nanna hat geschrieben:Kannst du rein hypothetisch für einen Augenblick den Gedanken zulassen, dass du vielleicht genausowenig einen privilegierten Zugang zur Wirklichkeit hast, wie Andere?


Nanna hat es hier geschafft, das Argument gegen religiösen Glauben vollkommen umzudrehen und noch zu beladen, denn nicht ich reklamiere „priviligierten Zugang“ sondern Gläubige tun es. Die Erkenntnisse die zum Beispiel von Wissenschaftlern zutage gefördert werden, sind im Prinzip für jeden einsehbar und nachvollziehbar. Religiöse „Einsichten“ hingegen nicht, die werden und wurden „speziellen Individuen“ offenbart und müssen dann von der Gemeinschaft geglaubt werden (das ist die Krux, die Nanna offenkundig nicht versteht – Belege von Nanna bitte, wie es denn sonst ist!).

Nanna hat geschrieben:Wenn du einen schwarzen Schwan siehst, heißt das, dass alle Schwäne schwarz sind?


Zum einen ist Nanna die Nennung jedes schwarzen Schwans, von denen es in der Religionsgeschichte reichlich gibt, ein Dorn im Auge. Zum anderen ist sein Einwand wieder mal Blödsinn. Denn Religionen haben keine Methode, für „mehr weiße Schwäne“ zu sorgen. Und damit wieder zurück zu der von ihm geflissentlich ignorierten Kernbehauptung und da ging es um Epistemologie, was kann man Wissen, wie gelangt man besser oder zuverlässiger an Wissen, und Religion als „systematischer Glaube an Falsches“.

Nanna hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Ein Beispiel wie Sklaverei im Zusammenhang mit Martin Luther King ist deutlich und anschaulich, es ist nicht dadurch 'emotional' weil die meisten Menschen Sklaverei abscheulich finden.


Vielleicht habe ich ja das falsche Geschichtsbuch gehabt in der Schule, aber wo in Martin Luther Kings Religion wurde die Sklaverei befürwortet? Und ich bitte dich, dich an der Stelle mal von dem Label "Christentum" zu lösen. Es gibt kein essentielles Christentum, sondern "nur" die jeweiligen Deutungen von Menschen in bestimmten historischen Kontexten. Der geteilte Name ist da oberflächliche Gemeinsamkeit.


Erstens ist das wieder Bullshit. Eine Religion (hier Christentum) kann nicht zugleich bestimmte Vorschreibungen machen und höchstwichtig sein, wie es für Gläubige ist, und dann wieder selektiv nicht, weil es Nanna nicht in den Kram passt. Sklaverei wird in der Bibel gutgeheißen. Dazu das witzige (und mit Bibelstellen belegte) Video von Nonstampcollector:



Zweitens war Martin Luther King ein Baptist. Baptisten haben, als sie im Süden zur Zeit der Sklaverei Fuß fassen wollten, die Bibel so ausgelegt, dass sie Sklaverei (hier im Sinne der vorherrschenden Verhältnisse) unterstützt und waren dann auch gegen die Freilassung von Sklaven – anders als etwa Methodisten oder Quäker. Sie konnten so Sklavenhalter auf den großen Plantagen für sich gewinnen und damit wurden auch sehr viele Sklaven zu Baptisten (und dann deren Nachfahren, wie das bei Religion so ist).

Mit Religion geht eben alles. Mal kann man Sklaverei befürworten und es dient dann als Rationalisierung, auch wenn es manchen Leuten vielleicht unbehagen bereitete, und dann kann man irgendwann das Gegenteil behaupten, auch wieder wie man möchte. Es gibt aber nichts, worauf sich das stützt, Stichwort Epistemologie. Und deswegen ist dein Einwand kein Gegenbeweis, im Gegenteil.

Nanna hat geschrieben:Wenn du mal einen Augenblick Luft holst, merkst du vielleicht, dass deine Zahlenkolonnen niemanden interessieren, weil sie an der Fragestellung vorbei gehen.


Mal wieder ein Ad Hominem. Aber lassen wir das mal. Wie oben etabliert, geht es nicht darum Religion zu verbieten, sondern zu kritisieren, und den Respekt, der ihnen entgegen gebracht wird zu kassieren. Dabei zeigen die Zahlen warum es nötig ist: Sie zeigen, dass problematische religiöse Ansichten weit verbreitet sind und dadurch geschützt werden, weil „Glaube an Bullshit“ gesellschaftlich anerkannt ist. Nanna pocht auf Kontexte, wo sie belanglos sind. Zum Beispiel beim Glauben, im Sinne von „Faith“. Es ist hierbei nicht wichtig, worin jemand „Faith“ hat, sondern es geht hier um die Struktur von „Faith“ (auch insbesondere zu Wissen). Dann ignoriert Nanna Kontexte, wo sie wichtig sind. Warum Dawkins unter Beschuss von Kreationisten gekommen ist und wie das wohl mit seinem „atheistischen Fundamentalismus“ zusammenhängen könnte.

Schließlich ist der Autor des Artikels selbst heftig persönlich motiviert, und wie Nanna „gläubig in Glauben“. Der Autor hat immerhin eine „Ausbildung in Reinkarnationstherapie“. Ich finde, falls Vollbreit der Autor selbst ist, könnte er das auch direkt sagen, statt dem Autor nur zuzustimmen. Ich komme drauf, weil Carsten Börger – wie Vollbreit – laut seiner Website einen Hang zu „Spiritualität“ hat, und wie dieser eine „intensive Beschäftigung“ mit Ken Wilber vorweisen kann. Außerdem ist er „integraler Berater” was auch immer das ist, und ich wunderte mich noch, was Vollbreit mit „integraler Ansatz“ meinte, den er „favorisiert“.

Ein bisschen mehr Ehrlichkeit könnte euch nicht schaden. Ich muss zwar schon ein bisschen grinsen, es am Ende mit einem PoMo/Poststrukturalismus Studenten und einem Reinkarnationsgläubigen zu tun zu haben, aber so ist es eben (siehe auch die Sokal Affäre)

Ich würde trotzdem den besseren Argumenten den Vorzug geben, und die habt ihr nicht gebracht. Und vergessen wir hierbei nicht, wie die Stoßrichtung ist: Woo-Meister möchte gern seine „other ways of knowing“ akzeptiert wissen, und bezeichnet dann Neue Atheisten als „fundamentalistisch“. Das Schlusswort gebe ich Noam Chomsky:

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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Nanna » Mo 10. Feb 2014, 03:50

Lumen hat geschrieben:Nanna möchte offenbar,

Nanna ist anwesend und erwartet, in einer Diskussion direkt adressiert zu werden. Wenn du diesen Grundrespekt nicht aufbringen kannst, dann geh und komm nicht wieder, denn für so ein Verhalten ist in einem Forum, das Nanna leitet, kein Platz. Klar soweit?

Lumen hat geschrieben: dass Religionen toleriert, also nicht verboten werden. Hier sind wir uns einig. Auch die sogenannten „atheistischen Fundamentalisten“, haben kein Interesse daran, Menschen zu verbieten, oder vorzuschreiben, was sie tun und lassen sollen.

Merkt man nix davon und halte ich für eine reine Schutzbehauptung. Den religiösen Fundamentalisten nehmen die atheistischen Fundamentalisten solche Lippenbekenntnisse ja auch nicht ab. Es hat schon seine Gründe, dass der klassische Liberalismus sich nie nur gegen juristische Einschränkungen der persönlichen Freiheit, sondern auch gegen die der "öffentlichen Moral" gewandt und ironischerweise in diesem Kontext oft - und zu Recht - die Religion attackiert hat. Stellt sich heraus, dass die Religion damit nicht alleine ist.

Lumen hat geschrieben:
    „I respect you too much to respect your ridiculous beliefs“ – Johann Hari (oft von Dawkins zitiert)

Performativer Selbstwiderspruch, wenn Religiöse pauschal abgewertet werden.

Lumen hat geschrieben:Eine Idee, oder ein Glaubensystem verdient keinen Respekt. Ideen oder Glaubensysteme sind keine Menschen und bedürfen keiner Schonung. Selbst wenn Religionen kompliziert sind, ist das kein Grund, die sonst gültige Unterscheidung aufzuheben. Wir haben auch Ansichten zu verschiedenen politischen Ideologien und sind der Meinung, dass manche objektiv besser (oder schlechter) sind als andere.

Als ob eine Weltanschauung kein integraler Bestandteil einer Persönlichkeit wäre. Wenn ich einem bekennenden Christen gegenüber "Das Christentum ist scheiße" sage, greife ich selbstverständlich auch die vor mir stehende Person an.

Meines Erachtens ist der Aspekt, der hier entscheidend ist, der Ton. Wer ohne einen Funken Taktgefühl brachialste Botschaften über anderer Menschen Überzeugungen in die Welt setzt und sich dann wundert, dass er dafür ausgegrenzt wird, braucht sich nicht zu wundern. Es ist ein Unterschied, ob ich zum Ausdruck bringe, dass Religion mich nicht überzeugt, oder eine Äußerung auf dem Niveau eines Nazivergleichs bringe. Meine Erfahrung, auch aus dem Nahen Osten, ist, dass die Aussage "ich bin nicht gläubig, mich überzeugt das nicht" auch von strikt Religiösen meist ohne Diskussion akzeptiert wird, sofern sie nicht mit einer Abwertung anderer Weltanschauungen verbunden ist.

Lumen hat geschrieben:Religionen auszunehmen, weil sie eine wie auch immer geartete magische Substanz hätten, ist „Special Pleading“.

Ähm, ja... wer genau hat das hier irgendwo behauptet? Macht das Schattenboxen Spaß?

Lumen hat geschrieben:Jetzt haben manche Menschen erkennbar Probleme zu verstehen, was Atheismus eigentlich ist, über den heute diskutiert wird. [...] Die einflussreichen Leute sind oft Wissenschaftler, und die Leute die da mitmachen vertreten Werte wie gesunden Skeptizismus, kritisches Denken, Belege/Beweise für Behauptungen und so weiter. Man könnte auch sagen: „Gesunder Menschenverstand“. Es gibt also einen Unterschied zwischen Atheismus als generische Kategorie von Weltanschaungen und der, die im Zusammenhang von Dawkins relevant ist.

Du weißt schon, dass "gesunder Menschenverstand" im universitären Betrieb kurz über der Schimpfwort-Kategorie rangiert, weil sich dahinter meist populärwissenschaftliche Simplifizierungen verbergen? Aber das nur so nebenbei. Mir ist übrigens nicht ganz klar, inwiefern ich für mein ethisches Argument, dass im Rahmen einer pluralistischen Gesellschaft auch unsinnig erscheinende Weltanschauungen akzeptiert werden müssen, sofern ihre Protagonisten keine Bedrohung für Andere darstellen, in irgendeiner Weise Argumente schuldig geblieben bin.

Lumen hat geschrieben:Die Haltung von mir und vielen anderen „Neuen Atheisten“, ist die, dass es objektiv bessere und schlechtere Wege gibt, um an Wissen zu gelangen. Der beste bekannte Weg ist Wissenschaft, wobei unter Wissenschaft kein arkaner, undurchsichtiger Prozess verstanden wird, sondern die alltägliche Herangehensweise an alle möglichen Probleme. Die professionelle Wissenschaft hat diesen Prozess lediglich verfeinert.

Wir reden hier aber nicht darüber, ob man besser mit der Bibel oder dem Pschyrembel Medizin lehrt, sondern um die private Lebensgestaltung von Menschen, deren Privatsphäre dich schlicht einen Sch**ßdreck angeht.

Lumen hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Kannst du rein hypothetisch für einen Augenblick den Gedanken zulassen, dass du vielleicht genausowenig einen privilegierten Zugang zur Wirklichkeit hast, wie Andere?

Nanna hat es hier geschafft, das Argument gegen religiösen Glauben vollkommen umzudrehen und noch zu beladen, denn nicht ich reklamiere „priviligierten Zugang“ sondern Gläubige tun es. Die Erkenntnisse die zum Beispiel von Wissenschaftlern zutage gefördert werden, sind im Prinzip für jeden einsehbar und nachvollziehbar. Religiöse „Einsichten“ hingegen nicht, die werden und wurden „speziellen Individuen“ offenbart und müssen dann von der Gemeinschaft geglaubt werden (das ist die Krux, die Nanna offenkundig nicht versteht – Belege von Nanna bitte, wie es denn sonst ist!).

Deine persönliche Agenda geht über das, was Wissenschaftler gemeinhin tun, deutlich hinaus und als derzeit praktizierender Wissenschaftler verwahre ich mich dagegen, mit deiner Hassrhetorik in einem Satz genannt zu werden. Mir ist kein einziges Mal bewusst, wo du für einen Augenblick den Gedanken hast an dich ranlassen können, dass in deiner Argumentation möglicherweise Lücken sind, und das ist alles, aber nicht der "gesunde Skeptizismus", den du hier vorgeblich predigst. Überhaupt ist das, was du vertrittst, ganz klar eine politische und keine wissenschaftliche Agenda, denn du machst keine empirischen Aussagen, sondern normative.

Genauso ist meine Position in dieser Debatte übrigens auch eine politische und keine wissenschaftliche, da wir keine Diskussion über wissenschaftliche Methodik führen (also ich zumindest nicht), sondern über den Umgang mit gesellschaftlichem Pluralismus und der Frage, welche Art von "kritischer" (ich würde für deine Äußerungen sagen: "feindlicher") Rhetorik in der Öffentlichkeit angemessen und zielführend ist.

Lumen hat geschrieben:Zum einen ist Nanna die Nennung jedes schwarzen Schwans, von denen es in der Religionsgeschichte reichlich gibt, ein Dorn im Auge. Zum anderen ist sein Einwand wieder mal Blödsinn. Denn Religionen haben keine Methode, für „mehr weiße Schwäne“ zu sorgen.

Ich habe kein Problem mit der Nennung schwarzer Schwäne, sonst hätte ich hier in der Paralleldiskussion nicht selbst welche genannt. Den letzten Satz halte ich für falsch, weil es genug historische Beispiele gibt, wo religiöse Sittenvorstellungen zu konkreten Verbesserungen geführt haben. Ein Beispiel, das mir jüngst über den Weg gelaufen ist, ist die Herausbildung des Spitalwesens in Europa.

Lumen hat geschrieben:Erstens ist das wieder Bullshit. Eine Religion (hier Christentum) kann nicht zugleich bestimmte Vorschreibungen machen und höchstwichtig sein, wie es für Gläubige ist, und dann wieder selektiv nicht, weil es Nanna nicht in den Kram passt. Sklaverei wird in der Bibel gutgeheißen. Dazu das witzige (und mit Bibelstellen belegte) Video von Nonstampcollector:

Ich habe nicht widersprochen, dass Sklaverei in der Bibel gutgeheißen wird. Trotzdem kann und wird das in Martin Luther Kings persönlicher Religionsinterpretation keinerlei Rolle gespielt haben. Ich hätte ihn vermutlich auch gern gefragt, wie das für ihn zusammen geht, aber wo nehme ich das Recht her, ihn hier zu einer Antwort zu zwingen? Entscheidend für mich als Mensch und Bürger ist, ob Martin Luther King die Sklaverei gutgeheißen hat und nicht, ob sie in einem Buch gutgeheißen wurde, das er mal gelesen hatte. Ich kann nur ansehen, welche Praxis ein konkreter Mensch verfolgt und daran muss ich ihn messen. Wer bist du, dass du King vorschreiben willst, dass er "falsch geglaubt" hat? Lass ihn doch gefälligst selbst entscheiden, wie seine Religion auszusehen hatte. Musst ihm ja nicht folgen.

Lumen hat geschrieben:Zweitens war Martin Luther King ein Baptist. Baptisten haben, als sie im Süden zur Zeit der Sklaverei Fuß fassen wollten, die Bibel so ausgelegt, dass sie Sklaverei (hier im Sinne der vorherrschenden Verhältnisse) unterstützt und waren dann auch gegen die Freilassung von Sklaven – anders als etwa Methodisten oder Quäker. Sie konnten so Sklavenhalter auf den großen Plantagen für sich gewinnen und damit wurden auch sehr viele Sklaven zu Baptisten (und dann deren Nachfahren, wie das bei Religion so ist).

Und ich würde sagen, dass es Sache der Baptisten ist, das aufzuarbeiten. Ich mache hier keine Werbung für den Baptismus, aber es geht mich schlichtweg nichts an, solange heutige Baptisten nicht die Wiedereinführung der Sklaverei fordern. Und wenn sie das täten, würde ich sie für genau das angreifen und nicht dafür, dass sie die Bibel lesen.

Lumen hat geschrieben:Mal kann man Sklaverei befürworten und es dient dann als Rationalisierung, auch wenn es manchen Leuten vielleicht unbehagen bereitete, und dann kann man irgendwann das Gegenteil behaupten, auch wieder wie man möchte. Es gibt aber nichts, worauf sich das stützt, Stichwort Epistemologie. Und deswegen ist dein Einwand kein Gegenbeweis, im Gegenteil.

Du hast so offensichtlich nicht verstanden, was ich geschrieben habe, dass es körperlich weh tut. Wenn ich weniger Fachbegriffe verwenden soll, dann sag halt was.

Lumen hat geschrieben:Wie oben etabliert, geht es nicht darum Religion zu verbieten, sondern zu kritisieren, und den Respekt, der ihnen entgegen gebracht wird zu kassieren. Dabei zeigen die Zahlen warum es nötig ist: Sie zeigen, dass problematische religiöse Ansichten weit verbreitet sind und dadurch geschützt werden, weil „Glaube an Bullshit“ gesellschaftlich anerkannt ist.

Ja, es gibt eine weite Verbreitung problematischer religiöser Ansichten. So stimmt die Formulierung. Die Formulierung "alle religiösen Ansichten sind problematisch" stimmt dagegen nicht. Würdest du die spezifischen Inhalte, die problematisch sind, kritisieren und vor allem überlegen, wie man wirksame Gegenstrategien, die über panisches Herumplärren hinausgehen, entwickeln könnte, würde ich in eine sehr angeregte Diskussion mit dir einsteigen. Aber so müssen wir halt erst mal darüber reden, warum übermäßiges Polarisieren einer demokratischen Öffentlichkeit mehr schadet als nutzt. Schade, die Zeit könnte produktiver investiert werden.

Lumen hat geschrieben:Zum Beispiel beim Glauben, im Sinne von „Faith“. Es ist hierbei nicht wichtig, worin jemand „Faith“ hat, sondern es geht hier um die Struktur von „Faith“ (auch insbesondere zu Wissen). Dann ignoriert Nanna Kontexte, wo sie wichtig sind. Warum Dawkins unter Beschuss von Kreationisten gekommen ist und wie das wohl mit seinem „atheistischen Fundamentalismus“ zusammenhängen könnte.

Ich ignoriere das nicht, ich glaube nur nicht, dass Dawkins meine persönliche Hilfe braucht, der kann sich ganz gut selbst wehren. Bei den Kreationisten, die ihre Dogmen in den Schulunterricht einführen wollen, sind wir ohnehin alle auf einer Seite.

Lumen hat geschrieben:Schließlich ist der Autor des Artikels selbst heftig persönlich motiviert, und wie Nanna „gläubig in Glauben“.

Ich bin nicht gläubig an den Glauben. Ich habe nur nicht so viel Angst vor ihm wie du, bin von Vielfalt generell fasziniert und außerdem der festen Überzeugung, dass mich die persönliche Kosmologie meiner Mitbürger nur dann etwas angeht, wenn sie daraus ableiten, mir schaden zu dürfen, was ich eher selten erlebe.

Lumen hat geschrieben:Ein bisschen mehr Ehrlichkeit könnte euch nicht schaden. Ich muss zwar schon ein bisschen grinsen, es am Ende mit einem PoMo/Poststrukturalismus Studenten und einem Reinkarnationsgläubigen zu tun zu haben, aber so ist es eben (siehe auch die Sokal Affäre)

Ich bin recht ehrlich, glaube ich. Ich glaube auch, dass du ehrlich bist, was auch ein bisschen traurig ist, weil das heißt, dass du das, was du da von dir gibst, tatsächlich so siehst.
Ich könnte dir auch auf Grundlage des Poststrukturalismus sehr viel über Ein- und Ausschlüsse erzählen, die du vornimmst und darüber, wie Feindbilder entstehen und Reihen gegen äußere Feinde geschlossen werden, so wie du es hier permanent zu veranlassen versuchst.
Übrigens kann ich mit meinem Astralkörper in die Zukunft sehen: Ich war mir sicher, dass innerhalb von drei Beiträgen die Sokal-Affäre genannt würde, so viel wie du den Postmodernismus erwähnt hattest. Aber Sokal ist so 90er. Die Fehlentwicklungen, die es damals gab und die sich einem radikalen Kontextualismus äußerten (was aber auch kein schlechtes Experiment war, das mal auf die Spitze zu treiben), sind u.a. im sich mittlerweile durchsetzenden practical turn längst kassiert worden.

Lumen hat geschrieben:Ich würde trotzdem den besseren Argumenten den Vorzug geben, und die habt ihr nicht gebracht. Und vergessen wir hierbei nicht, wie die Stoßrichtung ist: Woo-Meister möchte gern seine „other ways of knowing“ akzeptiert wissen, und bezeichnet dann Neue Atheisten als „fundamentalistisch“.

Ich habe nie von "other ways of knowing" gesprochen. Ich habe auch nie gesagt, dass ich Religionen für besonders wahr und überzeugend halte und bin auch kein Kulturrelativist (aus theoretischen und praktischen Erwägungen heraus, die ich notfalls auch noch erläutere, wenns nötig ist). Ich bin einfach nur der Meinung, dass in einer freien Gesellschaft erst mal jeder das Recht hat, so viel Bullshit zu glauben, wie er will und verträgt. Das nimmt dir nicht das Recht, öffentlich zu widersprechen und Ansichten zu kritisieren, aber das ist nicht das, was du tust. Du dämonisierst Gläubige und verhältst dich damit strukturell (da du das Wort ja so liebst) nicht besser als ein stockkatholischer Exorzist. Ich glaube dir auch nicht, dass du besonders viel Lust hättest, wirklich konkret bestimmte Ansichten zu untersuchen und fundiert zu kritisieren, dafür sind deine Ekelgefühle viel zu stark und dein Desinteresse an Religionswissenschaft viel zu ausgeprägt. Ich glaube, du stehst einfach nur auf diese Endzeitkampfstimmung.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Mo 10. Feb 2014, 19:19

Bei deinem Text oben lavierst du erneut, indem du die Kriterien einfach verschiebst und Bewertungen beliebig änderst. Darauf gehe ich vielleicht danach nochmal ein.

Da deine Ansichten für mich überhaupt keinen Sinn ergeben, möchte ich einen Test mit dir machen. Danach sind wir wahrscheinlich alle schlauer. Angenommen wir wechselten das Thema und es ginge um Nationalsozialismus. Reflexe bitte für einem Moment unterdrücken. Der Grund für das Beispiel liegt daran, dass manche Variablen damit wohl eindeutig sind und dann vielleicht klar wird, wo die eigentliche Meinungsverschiedenheit liegt. Nehmen wir weiter an, wir hätten es mit verschiedenen Strömungen von Nationalisozialisten in Europa zu tun. Im Zweifelsfall setzen wir das einfach mal fest. Behaupten wir auch, um die Analogie zu haben, es gäbe ein breites Spektrum an Ansichten. Die Zahlen seien gleichgültig. Manche Gruppen (oder Personen) akzeptieren die gängige Geschichtschreibung, finden aber gut, was die Nationalsozialisten getan haben. Andere sind Revisionisten und zimmern sich ein faschistisches Idealbild zusammen, wo Holocaust und Kriegsverbrechen nicht vorkamen. Wieder andere halten nichts vom deutschen Nationalsozialismus, sind aber große Fans des italienischen Originals. Wieder andere hängen einer eigenen osteuropäische Variante an. Neben den verschiedenen Spielarten gibt es auch die gesamte Spannbreite an Überzeugungen. An einem Ende des Spektrums gibt es Nazi Ideologen quasi nach 1943 Lehrbuch, mit Rassentheorie und allem Drum und Dran. Am anderen Ende hätten wir Fans von Nazi Mode und Architektur mit wenigen, bis keinen einschlägigen Überzeugungen, die sich dennoch vom Etikett her dazuzählen. Das sei einfach mal gesetzt.

Der Grund für dieses kleine Experiment liegt nun daran, dass ich sehen will, wie du deine Argumentation auf dieses Beispiel anwendest. Sie sieht für mich so aus:

  1. Anschauungen sollen nicht abfällig behandelt werden. Sie sollen respektiert werden.
  2. Gesinnungen und Gesinnte sind praktisch identisch. Die Kritik einer Gesinnung ist pauschal eine Kritik am Individuum mit der Gesinnung.
  3. Die verschiedenen Anschauungen sind individuell. Das Oberthema kann nicht verwendet werden, um Aussagen zu machen. Jede der Strömungen und Richtungen, und womöglich Personen müssen individuell betrachtet werden.
  4. Straftaten und dergleichen sind gleichgültig, niemand interessiere sich dafür, denn die meisten halten sich an Gesetze.
  5. Auch Ansichten, die in manchen Strömungen mehrheitsfähig sind und sich gegen unsere Grundordnung richten, können nicht addressiert werden. Da diese Ansichten querbeet verlaufen, und nicht direkt in eine Box passen. Denn es sind immer nur Teile einer Gruppierung, und Teile der nächsten Gruppierung usw. Also sind Aussagen wie "Alle X" oder es ist "typisch für X" sind nicht zulässig, da der Gegenstand ja nicht wirklich existiere. Die Feststellung dass zweidrittel aller beschriebenen Personen die Gesetze von 1943 wieder herstellen würden (fiktives Beispiel) ist kein Grund zur Beunruhigung.
  6. Es spielt keine Rolle, dass die Gesinnung -- je nach Ausprägung -- bestimmte problematische Ansichten nahelegt. Da das nicht wirklich systematisch passiert, ist es kein Grund, etwas gegen den -- eigentlch nichtexistenten Gegenstand (hier Nationaloszialismus) -- zu sagen.

    Beispiele der bisherigen Diskussion
    Lumen: Nationalsozialismus ist eine Ideologie, die keinen Respekt verdient.
    Nanna: Das ist eine Dämonisierung. Das geht garnicht!

    Lumen: Die Nationalsozialismus als politisches System ist nicht gut.
    Nanna: Andere Systeme sind auch nicht automatisch besser.

    Lumen: Nationalsozialismus ist immer schlecht, da die Ansichten auf falschen und problematischen Annahmen beruhen.
    Nanna: Kann man so nicht sagen. Da muss man immer im Einzelfall genau hinschauen.

    Lumen: Dreiviertel aller Neo-Nazi finden, die Rassenlehre soll wieder in den Bio Unterricht.
    Nanna: Solche Zahlen interessieren keinen. Ich habe Nazi getroffen, die sind dem etablierten Bio Unterricht aufgeschlossen.

    Lumen: Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Bildung usw sollten allgemein anerkannt werden.
    Nanna: Das sind populistische Simplifizierungen, wo dich jeder an der Jura-Fakultät auslachen würde.

    Lumen: Major Luther König hat gegen seine Nazi-Ansichten gehandelt, daher kein Beispiel für gute Nazi.
    Nanna: Woher weißt du das? Vielleicht ist das in seiner Strömung anders.
    Lumen: Naja, es gibt Nazi-Ansichten laut Lehrbuch, auch die seiner Strömung.
    Nanna: Sollten das nicht die Anhänger seiner Strömung aushandeln, was dort gilt und was nicht?

    Lumen: Die Nazi-Ideologie motiviert bestimmte Handlungen (und Straftaten), wie Angriffe auf Asylanten.
    Nanna: Stimmt nicht, komplexer: Fremdenfeindlichkeit, Perspektivlosigkeit usw. Das hat doch mit Nazi-Gesinnung nichts zu tun!

Das sind mitunter deine direkten Aussagen zu bestimmten Sachverhalten. Jetzt wird's kritisch. Nun haben wir anfangs mit dieser Übertragung einige variablen wortwörtlich festgestellt. Falls deine Antworten bei diesem Beipiel nun radikal anders ausfallen, und das gilt es festzustellen, kann ich daraus schließen, dass es an diesen Variablen liegen muss. Darin liegt der eigentliche Erkenntnisgewinn.

Ich bin sehr gespannt wie du darauf antwortest.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon stine » Mo 10. Feb 2014, 20:09

Lustig. Mal schnell Religion mit Nationalsozialismus austauschen und schon muss der Andere seine Antworten überdenken!
Na sowas!

:wink: stine
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Mo 10. Feb 2014, 21:01

stine hat geschrieben:Lustig. Mal schnell Religion mit Nationalsozialismus austauschen und schon muss der Andere seine Antworten überdenken!
Na sowas!

:wink: stine


Das ist ja der Witz. Wenn seine Methode in einem Fall gültig ist, dann ist die Frage ob sie in dem anderen Fall auch gültig ist, und wenn nicht, warum nicht. Und da wird es spannend. Das will ich herausfinden.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Nanna » Mo 10. Feb 2014, 22:56

Lumen hat geschrieben:Nehmen wir weiter an, wir hätten es mit verschiedenen Strömungen von Nationalisozialisten in Europa zu tun.

Ernsthaft...? *seufz*

Lumen hat geschrieben:1. Anschauungen sollen nicht abfällig behandelt werden. Sie sollen respektiert werden.

Ich weiß nicht, wie das möglich sein sollte. Ich sehe Respekt als eine rein interpersonale Haltung an, die auf nichtpersonale Abstraktionen schlichtweg nicht angewandt werden kann.

Lumen hat geschrieben:2. Gesinnungen und Gesinnte sind praktisch identisch. Die Kritik einer Gesinnung ist pauschal eine Kritik am Individuum mit der Gesinnung.

Nein, aber es besteht ein Zusammenhang. Zudem ist die Art, wie die Kritik geäußert wird, von besonderer Bedeutung, insbesondere dann, wenn man hofft, dass die Kritik von den jeweils so Gesinnten positiv rezipiert wird. Eine sachliche, unemotionale Herangehensweise, eine distanzierte Haltung zum kritisierten Gegenstand und eine generell gewaltfreie Kommunikation sind meines Erachtens elementar, alles eben, was man gemeinhin unter dem Begriff "konstruktiv" subsummiert.

Lumen hat geschrieben:3. Die verschiedenen Anschauungen sind individuell. Das Oberthema kann nicht verwendet werden, um Aussagen zu machen. Jede der Strömungen und Richtungen, und womöglich Personen müssen individuell betrachtet werden.

Es gehört zur Kunst der Differenzierung, zu ermitteln und sauber begründen zu können, wo man sinnvoll Personen und Anschauungen zu Klassen und Kategorien akkumulieren kann und wo nicht. Bei einer zweitausend Jahre alten globalen Religion wie dem Christentum mit dutzenden nennenswerten Unterströmungen und zehntausenden von kleineren Einheiten mit eigener Auslegung eine binäre Unterscheidung in religiös und nicht-religiös zu treffen und daraufhin gesamtgesellschaftliche Empfehlungen auszusprechen, ist bestenfalls grotesk.

Lumen hat geschrieben:4. Straftaten und dergleichen sind gleichgültig, niemand interessiere sich dafür, denn die meisten halten sich an Gesetze.

Das habe ich so oder ähnlich nirgendwo zum Ausdruck gebracht. Du betreibst hier (und nicht nur hier) gerade eine reine Strohmannargumentation.

Lumen hat geschrieben:5. Auch Ansichten, die in manchen Strömungen mehrheitsfähig sind und sich gegen unsere Grundordnung richten, können nicht addressiert werden. Da diese Ansichten querbeet verlaufen, und nicht direkt in eine Box passen. Denn es sind immer nur Teile einer Gruppierung, und Teile der nächsten Gruppierung usw. Also sind Aussagen wie "Alle X" oder es ist "typisch für X" sind nicht zulässig, da der Gegenstand ja nicht wirklich existiere. Die Feststellung dass zweidrittel aller beschriebenen Personen die Gesetze von 1943 wieder herstellen würden (fiktives Beispiel) ist kein Grund zur Beunruhigung.

Auch das habe ich nirgendwo gesagt, sondern ausdrücklich und mehrfach klar gemacht, dass es Strömungen und Gruppierungen gibt, die für die Gesellschaft hochproblematisch sind und mit denen ein Umgang gefunden werden muss - diskursiv, politisch, strafrechtlich, nötigenfalls militärisch.

Lumen hat geschrieben:6. Es spielt keine Rolle, dass die Gesinnung -- je nach Ausprägung -- bestimmte problematische Ansichten nahelegt. Da das nicht wirklich systematisch passiert, ist es kein Grund, etwas gegen den -- eigentlch nichtexistenten Gegenstand (hier Nationaloszialismus) -- zu sagen.

Ich habe nirgendwo die Religion pauschal vor Kritik in Schutz genommen. Du führst hier Selbstgespräche mit deinem innig geliebten Feindbild.

Lumen hat geschrieben:Beispiele der bisherigen Diskussion
Lumen: Nationalsozialismus ist eine Ideologie, die keinen Respekt verdient.
Nanna: Das ist eine Dämonisierung. Das geht garnicht!

Abgesehen davon, dass ich bereits erklärt habe, wie es sich mit der Möglichkeit, eine Ideologie zu respektieren, verhält: Religion und Nationalsozialismus sind eben nicht identisch und alles, was sich hier feststellen lässt, ist, dass Godwin's Law mal wieder unerbittlich zugeschlagen hat. Ich habe keine Lust, die analytischen Unterschiede zwischen einer modernen Ideologie und einer klassischen Religion aufzuführen, weil ich so etwas in der Richtung weiter oben bereits versucht habe, und wir auf dieser Detailebene ganz offensichtlich noch lange nicht angekommen sind.

Was ich trotzdem ansprechen muss, ist der Kategorienfehler, den du begehst: Der Nationalsozialismus ist ein Element in Kategorie "Ideologie", die Religion ist selbst eine Kategorie mit verschiedenen Elementen. Du vergleichst also ein Element aus einer Kategorie direkt mit einer Kategorie, was natürlich ein logischer Kardinalfehler ist. Du müsstest entweder Ideologie und Religion oder bestimmte Elemente, z.B. Christentum und Nationalsozialismus oder Islam und Jakobinismus oder Buddhismus und Kommunismus miteinander vergleichen, um auf der jeweils selben Ebene der Vergleichsobjekte zu sein.

Lumen hat geschrieben:Lumen: Die Nationalsozialismus als politisches System ist nicht gut.
Nanna: Andere Systeme sind auch nicht automatisch besser.

Rein logisch ist das sogar korrekt. Aber der Punkt ist der, dass wir nicht über Religionen als politische Systeme gesprochen haben (was sie nicht sind, und aus Sicht aller mir bekannten politischen Systemlehren auch im eigentlich Sinne nicht sein können, es kann allenfalls hybridisierte Systeme geben wie etwa im Iran).

Lumen hat geschrieben:Lumen: Nationalsozialismus ist immer schlecht, da die Ansichten auf falschen und problematischen Annahmen beruhen.
Nanna: Kann man so nicht sagen. Da muss man immer im Einzelfall genau hinschauen.

Auch hier verhindert der himmelweite strukturelle Unterschied (gesellschaftlicher Umgang mit privaten religiösen Überzeugungen vs. Bewertung eines politischen System im Rang eines Verfassungsstaates) irgendeinen Analogieschluss.

Lumen hat geschrieben:Lumen: Dreiviertel aller Neo-Nazi finden, die Rassenlehre soll wieder in den Bio Unterricht.
Nanna: Solche Zahlen interessieren keinen. Ich habe Nazi getroffen, die sind dem etablierten Bio Unterricht aufgeschlossen.

Woraus in der Tat folgen würde, dass eine nationalsozialistische Überzeugung keine Ablehnung des konventionellen Biologieunterrichts determiniert. Und genau die von dir behauptete Unvereinbarkeit wäre damit vom Tisch. Dass es immer noch ein gewaltiges Problem mit den restlichen drei Vierteln gäbe, wäre davon unberührt und müsste in einem zweiten Schritt adressiert werden. Man könnte etwa analysieren, welche spezifischen Gründe die aufgeschlossenen Personen den Unterricht akzeptieren lässt und inwiefern Möglichkeiten bestünden, deren Anteil an den Neonazis auszuweiten (das ist aber auch ein lächerlicher Vergleich...).

Lumen hat geschrieben:Lumen: Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Bildung usw sollten allgemein anerkannt werden.
Nanna: Das sind populistische Simplifizierungen, wo dich jeder an der Jura-Fakultät auslachen würde.

Mal davon abgesehen, dass deine Eristik wirklich keine Schamgrenzen zu kennen scheint, merkst du vor lauter Begeisterung über den dicken Brummer, den du da abgeschossen haben willst, gar nicht, dass du nicht nur etwas behauptest, was ich nirgendwo in irgendeiner Form so oder auch nur in entfernster Ähnlichkeit behauptet habe, sondern dass du auch noch eine in sich unlogische Aussage formulierst, die ich folgerichtig auch nie äußern würde:

Populistische Simplifizierungen betreffen immer Deskriptionen, also Beschreibungen von Modellen oder empirischen Befunden. Dass die Menschenrechte anerkannt werden sollten, ist aber keine Deskription, sondern ein normativer Appell. Ein normativer Appell kann mehr oder weniger komplex sein und man kann einen einmal geäußerten normativen Appell simplifiziert darstellen, wobei dann die Simplifizierung aber eine Deskription des ursprünglichen Appells ist und an und für sich dann eben kein normativer Appell mehr ist. Man kann im Rahmen einer normativen Äußerung Unsinniges fordern, aber das ist etwas anderes.

Im Übrigen unterstütze ich den Appell, dass diese Rechte, Freiheiten und Möglichkeiten allgemein anerkannt und zugänglich sein sollten, weshalb ich ja hier für die Religionsfreiheit eintrete.

Lumen hat geschrieben:Lumen: Major Luther König hat gegen seine Nazi-Ansichten gehandelt, daher kein Beispiel für gute Nazi.
Nanna: Woher weißt du das? Vielleicht ist das in seiner Strömung anders.
Lumen: Naja, es gibt Nazi-Ansichten laut Lehrbuch, auch die seiner Strömung.
Nanna: Sollten das nicht die Anhänger seiner Strömung aushandeln, was dort gilt und was nicht?

Ich hatte ja oben schon auf die Unmöglichkeit des Vergleichs hingewiesen. Würde man einen äußerst schiefen Vergleich akzeptieren und den Nationalsozialismus als Form des Nationalismus ansehen, dann könnte man Leute wie Graf Stauffenberg ins Feld führen, die in der Tat als Beispiel für den Versuch einer verantwortungsvollen und potentiell vielleicht gar pluralismuskompatiblen nationalen Gesinnung durchgehen würden. Aber im Grunde reden wir hier wirklich über etwas Anderes.

Lumen hat geschrieben:Lumen: Die Nazi-Ideologie motiviert bestimmte Handlungen (und Straftaten), wie Angriffe auf Asylanten.
Nanna: Stimmt nicht, komplexer: Fremdenfeindlichkeit, Perspektivlosigkeit usw. Das hat doch mit Nazi-Gesinnung nichts zu tun!

Ich hatte weiter oben oder in der Paralleldiskussion angeführt, dass Religion ein prima Durchlauferhitzer für fundamentalistisches Denken sein kann und häufig genug auch ist. Es ist aber am Ende doch die Mischung, die es macht, wobei das für die Religion stärker zutrifft als für den Nationalsozialismus. Den kann man schlecht vergleichen, das habe ich jetzt schon mehrfach gesagt, weil er eine politische Ideologie darstellt und Ideologien (zur Erinnerung: Fundamentalismus = ideologisierte Religion) generell etwas näher am Fundamentalismus entlangschrammen als Religionen. Nazi-Gesinnung ist insofern selbstverständlich ein Faktor, nur sicher nicht der alleinige und wahrscheinlich nicht mal einer der untersten Ebene, sondern eher eine Strukturierung tiefer liegender Affekte, für die eine Projektionsfläche gebraucht wird.

Lumen hat geschrieben:Das sind mitunter deine direkten Aussagen zu bestimmten Sachverhalten. Jetzt wird's kritisch. Nun haben wir anfangs mit dieser Übertragung einige variablen wortwörtlich festgestellt. Falls deine Antworten bei diesem Beipiel nun radikal anders ausfallen, und das gilt es festzustellen, kann ich daraus schließen, dass es an diesen Variablen liegen muss. Darin liegt der eigentliche Erkenntnisgewinn.

"Wir" haben gar nichts gemacht und schon gar nicht haben wir uns vorab auf dieses "Test-Setting" geeinigt, dessen Validität ich als nicht vorhanden bezeichnen würde.
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