„Atheistischer Fundamentalismus“

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Nanna » Mo 24. Feb 2014, 12:31

Lumen hat geschrieben:Mit andern Worten, du findest, religionskritische Bücher zu schreiben, oder eine solche Sichtweise zu verbreiten würde den „Kern der demokratischen Freiheitsrechte“ missachten und sei gar „Atheistischer Fundamentalismus“.

Nein, das tue ich nicht. Bist du fertig damit, mir deine Worte in den Mund zu legen?
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Mo 24. Feb 2014, 13:07

Wie meinen? Das sind deine Worte gewesen, in Bezug gesetzt zum tatsächlichen Sachverhalt. Dawkins habt ihr gerade so noch umschifft, und auch der Rest verschwand im gewohnt dichten Nebel. Selbst wenn ich deine/Vollbreits Bezeichnung der Kritik als boulevardesk annehme, ist mir schleierhaft, wo deine Verfassungskeule herkommt. Auch sich über lächerliche Glaubensinhalte lustig zu machen ist meines Wissens nach noch nicht verboten worden. Es drängt sich doch stark der Eindruck auf, dass ihr beide herumstochert und euch an jeden Halm klammert. Hat sich eure These („Atheistischer Fundamentalismus“) damit also in Luft aufgelöst und es war viel Lärm um Nichts? Dann könnten wir das hier abschließen.

Wo man auch hinschaut:
http://www.slate.com/articles/health_an ... alism.html

Slate hat geschrieben:Creationism, the documentary reveals, isn’t a harmless, compartmentalized fantasy. It’s a suffocating, oppressive worldview through which believers must interpret reality—and its primary target is children. For creationists, intellectual inquiry is a sin, and anyone who dares to doubt the wisdom of their doctrine invites eternal damnation. That’s the perverse brilliance of creationism, the key to its self-perpetuation: First it locks kids in the dungeon of ignorance and dogmatic fundamentalism. Then it throws away the key. And that dungeon is much darker than most Americans realize.


Aber das ist ja alles nur Hetze, nicht wahr?
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon laie » Mo 24. Feb 2014, 16:04

Hallo zusammen!

ist Richard Dawkins, dieser, wie er hier genannt wurde, "höfliche Brite", ein Fundamentalist? Es stimmt doch, was er sagt und schreibt. Ja, es gibt das, wogegen er anschreibt. Wer wollte das leugnen? Wer bezweifelt, dass es Ehrenmorde, Unterdrückung von Frauen, überhaupt alle erdenklichen Bösartigkeiten im Namen der Religion gibt? Ist man schon ein Fundamentalist, wenn man die Wahrheit sagt?

Viele fallen m.E. genau darauf herein. Der Atheismus macht sich nicht die Mühe, Gewalt, die etwa von Christen, Moslems, Juden oder Hindus verübt wird, soziologisch zu deuten, sondern er behauptet einfach, dass es diese "religiös motivierte" Gewalt überhaupt nicht gebe, wenn es die sie hervorbringende Religion nicht gebe. Weniger Religion heisst für manche Atheisten automatisch weniger Gewalt. Sind alle Religionen verschwunden, weil alle begriffen haben, dass es so etwas wie Wissenschaft gibt, dann gibt es viel weniger Gewalt, weil eine ihrer Hauptquellen versiegt ist. Was dann noch übrig bleibt, ist dann der biologistisch ausdeutbare, rationalisierbare Rest, mit dem man leben kann.

Diese Ausschließlichkeit macht es in meinen Augen notwendig, das Wort Fundamentalist auch auf manche Atheisten auszudehnen.

Mir will scheinen, dass selbst fundamentalistische Gläubige hier realistischer sind. Gewalt und Unrecht sind Grundkategorien des Lebens, sie verschwinden nicht einfach und werden auch nicht weniger und auch nicht praktikabler (im Sinne von "leichter zu handhaben"), wenn es Religion nicht mehr gibt. Im Grunde ist das, was man oft als Atheismus angeboten bekommt, "naive Aufklärung".
Zuletzt geändert von laie am Mo 24. Feb 2014, 16:15, insgesamt 1-mal geändert.
laie
 
Beiträge: 615
Registriert: Di 13. Apr 2010, 16:33

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Nanna » Mo 24. Feb 2014, 16:14

Lumen hat geschrieben:Wie meinen? Das sind deine Worte gewesen, in Bezug gesetzt zum tatsächlichen Sachverhalt. Dawkins habt ihr gerade so noch umschifft, und auch der Rest verschwand im gewohnt dichten Nebel.

Nein, das waren ganz sicher nicht meine Worte. Und Dawkins' Probleme hatten wir zumindest mal angerissen.

Lumen hat geschrieben:Selbst wenn ich deine/Vollbreits Bezeichnung der Kritik als boulevardesk annehme, ist mir schleierhaft, wo deine Verfassungskeule herkommt.

Welche Verfassungskeule?

Lumen hat geschrieben:Auch sich über lächerliche Glaubensinhalte lustig zu machen ist meines Wissens nach noch nicht verboten worden.

Wie oft habe ich das jetzt schon selber gesagt? Dreimal? Fünfmal?

Lumen hat geschrieben:Hat sich eure These („Atheistischer Fundamentalismus“) damit also in Luft aufgelöst und es war viel Lärm um Nichts? Dann könnten wir das hier abschließen.

Wir sind ja nicht mal an den Punkt gekommen, wo wir das Thema ernsthaft hätten besprechen können.

Und nein, die These hat sich nicht in Luft aufgelöst, weil Vollbreits Fundamentalismusdefinition, derzufolge sich jeder beliebige Inhalt ins dichotome Gut-Böse-Denken übersteigern lässt, also auch der Atheismus oder Szientismus, nach wie vor unwidersprochen steht. Halte ich auch nach wie vor für eine substantielle Aussage, auch wenn ich es gewohnt bin, mit einem engeren Fundamentalismusbegriff zu operieren.

Lumen hat geschrieben:
Slate hat geschrieben:Creationism, the documentary reveals, isn’t a harmless, compartmentalized fantasy. It’s a suffocating, oppressive worldview through which believers must interpret reality—and its primary target is children. For creationists, intellectual inquiry is a sin, and anyone who dares to doubt the wisdom of their doctrine invites eternal damnation. That’s the perverse brilliance of creationism, the key to its self-perpetuation: First it locks kids in the dungeon of ignorance and dogmatic fundamentalism. Then it throws away the key. And that dungeon is much darker than most Americans realize.

Aber das ist ja alles nur Hetze, nicht wahr?

Ich finde es besorgniserregend, wenn Kindern das selbstständige Denken verwehrt wird und bin der Meinung, dass Staat und Gesellschaft dagegen angehen müssen. Aber das konfligiert ja nicht mit dem, was ich bisher gesagt habe.

@laie:
Schön, dass du mal wieder vorbeischaust!
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon laie » Mo 24. Feb 2014, 16:19

@nanna,

schönen Dank auch...möchte mich aber mehr als Beobachter verstanden wissen, so wissenschaftlich halt. Nein im Ernst: zu mehr als ein sporadisches Hier und Da was schreiben wird es wohl nicht reichen. Wahnsinn, was ihr hier für Texte zusammenschreibt. Hut vor euch allen! Macht Spass, die Diskussion zu verfolgen.
laie
 
Beiträge: 615
Registriert: Di 13. Apr 2010, 16:33

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Mo 24. Feb 2014, 16:22

laie hat geschrieben:Hallo zusammen!

ist Richard Dawkins, dieser, wie er hier genannt wurde, "höfliche Brite", ein Fundamentalist? [...] Viele fallen m.E. genau darauf herein. Der Atheismus macht sich nicht die Mühe, Gewalt, die etwa von Christen, Moslems, Juden oder Hindus verübt wird, soziologisch zu deuten, sondern er behauptet einfach, dass es diese "religiös motivierte" Gewalt überhaupt nicht gebe, wenn es die sie hervorbringende Religion nicht gebe. [...] Diese Ausschließlichkeit macht es in meinen Augen notwendig, das Wort Fundamentalist auch auf manche Atheisten auszudehnen.


Hallo laie, lange nicht gelesen! Ich glaube nicht das Dawkins das denkt. Ich kann es jedenfalls nicht unterschreiben. Es geht weder um Auschließlichkeit noch um eine einzige Ursache. Es ist ein bisschen so wie mit Hygiene bei einer Operation. Hände waschen würde helfen, aber es kann trotzdem was schief gehen und es zu Infektionen kommen. Ein Anschnallgurt bewart einem nicht vor jeden Schaden, aber darauf zu verzichten ist mit Sicherheit in den meisten Fällen schlimmer. Man muss vom Rauchen keinen Krebs bekommen, und kann auch so Krebs bekommen. Aber die Wahrscheinlichkeiten steigen erheblich, wenn man raucht. Solche Fragestellungen fallen unter das Bayestheorem.
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Nanna » Mo 24. Feb 2014, 16:28

Und nichtsdestotrotz erlauben wir unseren Mitbürgern, öffentlich zu rauchen, und feinden sie nicht permanent dafür an.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon laie » Mo 24. Feb 2014, 16:36

lumen hat geschrieben:Ich glaube nicht das Dawkins das denkt. Ich kann es jedenfalls nicht unterschreiben. Es geht weder um Auschließlichkeit noch um eine einzige Ursache.


Dann verstehe ich den "Gotteswahn" nicht. Dort wird Religion nur im Kontext von Allsätzen behandelt. Und Allsätze kennen kein "es gibt auch etwas anderes". Du selbst schreibst weiter oben, dass alle Gläubigen intolerant gegenüber dem Glauben von Andersgläubigen seien. Das kann ich zumindest bei mir nicht bestätigen. Zen-Buddhismus wurde zu einem erheblichen Teil von Jesuiten nach Deutschland gebracht, nur mal so als Beispiel. Ist der Dalai Lama im dawkinschen SInn intolerant? Ich möchte deine Behauptung nicht völlig bestreiten, aber doch zumindest in der Weise abschwächen, dass ich sagen würde, dass die ernsthafte Zugehörigkeit zu einer Religion Voraussetzung für religiöse Toleranz ist. Nein, nicht Toleranz, besser: Verständnis für andere. Die Welt braucht nämlich nicht Toleranz, sondern Verständnis.
laie
 
Beiträge: 615
Registriert: Di 13. Apr 2010, 16:33

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Mo 24. Feb 2014, 16:52

Alter Foren-Ninja...

Nanna hat geschrieben:Ich finde es besorgniserregend, wenn Kindern das selbstständige Denken verwehrt wird und bin der Meinung, dass Staat und Gesellschaft dagegen angehen müssen. Aber das konfligiert ja nicht mit dem, was ich bisher gesagt habe.


Nur ist nun völlig unklar auf welcher Grundlage du dagegegen vorgehen willst. Solche Kinder unterscheiden sich von ihren Nachbaren nur im Glauben, und da der Glaube nach deiner Haltung in Ruhe gelassen werden soll, bleibt dir nur das herumdoktern an Symptomen. Dein Maßnahmenkatalog ist wirkungslos, denn Informationen sind überall leicht erhältlich. Wenn du da noch einen Stand aufmachst, wo du den Leuten z.B. Evolution nahebringen willst, wird das niemanden groß jucken. Nur etwa 3% der Amerikaner werden zuhause unterrichtet (homeschooling), die Mehrheit besuchte eine öffentliche Schule und doch liegt kreationistischer Glaube um die 40%. Es ist also etwas putzig, dass du etwas dagegen machen würdest, dann aber so, dass der Glaube in Ruhe gelassen wird. Das war schließlich der Tenor.
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Mo 24. Feb 2014, 17:09

laie hat geschrieben:
lumen hat geschrieben:Ich glaube nicht das Dawkins das denkt. Ich kann es jedenfalls nicht unterschreiben. Es geht weder um Auschließlichkeit noch um eine einzige Ursache.


Dann verstehe ich den "Gotteswahn" nicht. Dort wird Religion nur im Kontext von Allsätzen behandelt. Und Allsätze kennen kein "es gibt auch etwas anderes". Du selbst schreibst weiter oben, dass alle Gläubigen intolerant gegenüber dem Glauben von Andersgläubigen seien. Das kann ich zumindest bei mir nicht bestätigen. Zen-Buddhismus wurde zu einem erheblichen Teil von Jesuiten nach Deutschland gebracht, nur mal so als Beispiel. Ist der Dalai Lama im dawkinschen SInn intolerant? Ich möchte deine Behauptung nicht völlig bestreiten, aber doch zumindest in der Weise abschwächen, dass ich sagen würde, dass die ernsthafte Zugehörigkeit zu einer Religion Voraussetzung für religiöse Toleranz ist. Nein, nicht Toleranz, besser: Verständnis für andere. Die Welt braucht nämlich nicht Toleranz, sondern Verständnis.


Es kann immer einzelne Auffassung geben, die z.B. Glaubensysteme und Informationen hierarchisieren. Zum Beispiel gab es ein Zeitfenster, wo Wissenschaften als Verstehen von Gott und seiner Wirkungsweise gedeutet wurde. Der Vater der Genetik, Gregor Mendel, war ein katholischer Priester und sah Gott in der Ordnung, die er vorfand. Bis Darwin war die Naturkunde noch in Ordnung. Auch ökumenische Auffassungen kann es geben, wonach jemand glaubt, er sei auf dem richtigen Dampfer, aber andere Christen (z.B.) und danach andere Monotheisten glaubten auch an denselben Gott und lägen zumindest nicht total falsch. Aber das ist schon relativ selten. Ich weiß nicht was der Stand ist, aber ich glaube Katholiken und Protestanten können offiziell nichtmal heiraten, inoffiziell wohl schon, wenn das Paar einen guten Pfarrer hat. Es gibt auch zahlreiche Synkretismen. Die unterscheiden sich dann nur darin, dass für sie mehrere Glaubensrichtungen in einer neuen aufgehen. Dennoch bleiben die übrigen falsch. Ich halte es aber für sehr fragwürdig, ob ein gläubiger Christ (z.B.) wirklich denkt, sein Glaube sei wahr, oder ein anderer, oder noch ein anderer. Das widerspricht doch erheblich sowohl den Dogmen, als auch der Wirklichkeit. Oder um es klar zu machen: sowohl Christentum als auch Islam sind sich einig allgemein darüber, dass die jeweils andere falsch liegt.

Schau mal hier, wie das von Gläubigen diskutiert wird
http://pius.info/archiv-news/892-kirche ... den-himmel
http://www.katholisches.info/2013/09/12 ... -scalfari/

Das sind offiziell aussehende Seiten. Die eine von der bekannt traditionalistischen (und umstrittenen) Piusbruderschaft, die andere lässt sich nicht genau einordnen, hat aber offiziellen Charakter.
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon laie » Mo 24. Feb 2014, 18:16

Stimmt vermutlich alles, hat aber mit atheistischem Fundamentalismus, um den es hier gehen sollte, nichts zu tun.

Lumen hat geschrieben:Ich halte es aber für sehr fragwürdig, ob ein gläubiger Christ (z.B.) wirklich denkt, sein Glaube sei wahr, oder ein anderer, oder noch ein anderer. Das widerspricht doch erheblich sowohl den Dogmen, als auch der Wirklichkeit.


Dogmen bestimmen nicht den Glauben, sondern drücken ihn aus. Sie stehen damit nicht über dem Glauben, so dass man etwa Hierarchien von Dogmen annehmen müsste, von denen eine "besser" als die andere ist. Es ist also nicht so, dass zuerst ein Dogma festgelegt wird und dann müssen sich alle dran halten. Als Dogma (Glaubenssatz) kommt ohnehin nur in Frage, was schon geglaubt wird.

Wenn es im Glauben darum geht, auf was man hoffen kann, wer man als Mensch ist, an was man überhaupt sein Herz hängen kann - dann behaupte ich, dass diese Fragen universell sind. Und dann wird Glaube lediglich unterschiedlich instantiiert. Es ist also nicht die Frage ob der eine Glaube wahr ist oder der andere, sie sind nämlich alle zugleich wahr, weil sie alle von einer Grundannahme auszugehen scheinen: an die vergängliche Welt, an den Materialismus usw. lohnt es sich nicht, sein Herz zu hängen. Und dann ist die Frage, was dann bleibt, wenn der Mensch "nackt" ist. Natürlich gibt es dort den einen oder anderen Rigorismus.

Dass beim Atheismus keiner auf die Idee kommt, diesen als fundamentalistisch einzustufen, liegt m.E. daran, dass der Atheismus im Grunde, fundamental für die wirklich interessanten Fragen des Lebens nichts beizutragen hat. Bisschen Wissenschaft halt. Na gut. Ok. Ansonsten Materialismus. Ist eh der Mehrheitsglaube. Ansonsten: keine wirklich weitergehenden Fragen. Nur Begründungen, warum man weitergehende Fragen nicht stellen sollte, wenn man nicht durchs Raster der Aufklärung fallen möchte. Grade weil er fundamental darin scheitert, eine echte Alternative zu den Religionen zu sein, ist er fundamentalistisch (na also, geht doch!). Wer Atheist ist, sagt im Grunde, dass er nichts sagt.
laie
 
Beiträge: 615
Registriert: Di 13. Apr 2010, 16:33

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Mo 24. Feb 2014, 18:24

Hi laie,

da schaffst Du es ja glatt, mich zu reaktivieren:

laie hat geschrieben:Der Atheismus macht sich nicht die Mühe, Gewalt, die etwa von Christen, Moslems, Juden oder Hindus verübt wird, soziologisch zu deuten, sondern er behauptet einfach, dass es diese "religiös motivierte" Gewalt überhaupt nicht gebe, wenn es die sie hervorbringende Religion nicht gebe.


Mein Punkt 2, wenn ich das richtig sehe, oder?

1) Religion wird a priori und ausschließlich als Problem, Krankheit, Störung... interpretiert und sämtliche positiven Aspekte der Religion werden ausgeblendet oder es wird von Fundamentalisten geleugnet, dass es überhaupt welche gibt.

2) In Fällen in denen Religion (oder deren Interpretation) tatsächlich als problematisch, aggressiv, intolerant oder destruktiv angesehen wird, wird nicht ausreichend geforscht, ob Religion die Ursache oder Teil einer anderen Ursache ist. Ferner wird nicht differenziert, wo Religion die Quelle ist und wo sie instrumentalisiert wird.

3) Es wird nicht versucht Lösungen zu finden, Dialoge zu ermöglichen und Brücken zu bauen, mit der überwiegenden Zahl der gemäßigten religiösen Menschen, sondern es werden Mauern errichtet und es wird gerne vorverurteilt (grob: Wer heute in die Moschee geht, sprengt sich morgen in die Luft) was Dialoge erschwert.

4) Es wird unterlassen zu differenzieren, wo Religionen oder religiöse Einstellungen bei der Verrichtung des täglichen Miteinanders überhaupt zum Problem werden und wo das nicht der Fall ist.

5) Es besteht keinerlei Lernbereitschaft bei den Dialogen mit religiösen Menschen, aus dem vermeintlichen Wissen, von diesen können man ohnehin nichts lernen.

Allgemein zum Fundamentalismus und damit dann auch speziell zum atheistischen:

6) Wenn man nach und nach zur der Überzeugung gelangt, die eigene Sichtweise sei die einzige richtige, dann geht man auf die Grenze zum Fundamentalismus zu.
(Jeder Mensch der vernünftig ist, muss zu der Auffassung gelangen, zu der auch ich gelange, sonst ist er einfach nicht rational.)

7) Wenn man vorgibt, wie und nach welchen Regeln etwas zu verstehen und zu betrachten ist, oder wie etwas zu verstehen ist (Diskurshoheit), dann geht das in Richtung Funfamentalismus.

8) Wenn man nicht versucht den anderen und dessen Sichtweise zu verstehen, sondern eine Symmetrie der Beziehung von vorn herein nicht das Ziel ist und dem anderen von vorn herein abgesprochen wird, gute Gründe zu haben, dann ist das ein hartes Indiz für Fundamentalismus.

9) Oft ist auch die Monothematik und die obesessive Betrachtung genau eines Themas, auf das dann alles hinausläuft oder von dem alles ausgeht ein Kennzeichen des Fundamentalismus: Alles dreht sich demnach (positiv oder negativ konnotiert) um Geld, Sex, Macht, Schutz der Umwelt, Biologie, Psychologie, Medien, Politik … jedes Thema kann dort in den Fokus rücken.


Die würde ich wirklich ganz gerne getestet, kommentiert, kritisiert, durchgewunken oder verbessert wissen.

Ansonsten, nein Atheisten tun das nicht durchweg. Mein Kumpel Nanna nicht, etliche andere Atheisten auch nicht und nach den meisten Definitionen von Religion bin ich wohl auch Atheist und ich tue das auch nicht. Ich finde so eine Sichtweise, wie die skizzierte schon recht fundamntalistisch, vor allem aber falsch.

laie hat geschrieben:Stimmt vermutlich alles, hat aber mit atheistischem Fundamentalismus, um den es hier gehen sollte, nichts zu tun.

Ich hatte auch den Eindruck, dasss Lumen auch auf Dich nicht eingeht.
Vermutlich merkt er es nicht mal.
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Mo 24. Feb 2014, 18:37

Vollbreit hat geschrieben:
laie hat geschrieben:Stimmt vermutlich alles, hat aber mit atheistischem Fundamentalismus, um den es hier gehen sollte, nichts zu tun.

Ich hatte auch den Eindruck, dasss Lumen auch auf Dich nicht eingeht.
Vermutlich merkt er es nicht mal.


Tue ich in der Tat nicht. Ich ging davon aus, das laie von Religion-Zu-Toleranz schrieb und dazu Beispiele von Jesuiten bis Dalai Lama anführte. Ich meinte dazu, dass es Toleranz in einem gewissen Rahmen gibt, den ich dann beschrieben habe, habe aber in Zweifel gezogen ob das allgemein anwendbar ist. Ich habe beim Schweifen durch Nachrichten und über die Welt eher nicht den Eindruck, dass Religionsgemeinschaft sich sonderlich tolerieren. Davon abgesehen meint eine Hierarchie ein Ordnungsystem, von allgemein zu spezifisch zum Beispiel, wobei der eigene Glaube als spezifischer und richtigiger für den Gläubigen gesehen wird. Ein Katholik kann beispielsweise erkennen, dass die Protestanten immerhin noch Christen sind. Und dann erkennen, dass Muslime und Juden immerhin noch (möglicherweise) an den selben Gott glauben und darüber eine Toleranz entwickeln (genauso kann man auch Wissenschaften usw. einbauen, siehe Mendel).
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Mo 24. Feb 2014, 20:41

Lumen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
laie hat geschrieben:Stimmt vermutlich alles, hat aber mit atheistischem Fundamentalismus, um den es hier gehen sollte, nichts zu tun.

Ich hatte auch den Eindruck, dasss Lumen auch auf Dich nicht eingeht.
Vermutlich merkt er es nicht mal.


Tue ich in der Tat nicht. Ich ging davon aus, das laie von Religion-Zu-Toleranz schrieb und dazu Beispiele von Jesuiten bis Dalai Lama anführte.


Ich hatte da eher die Passage mit den Allsätzen im Sinn, ich vermute, ein paar Zeilen dazu hätten laie auch mehr intetessiert, die wären auch die brisanteren, wenn es um atheistischen Fundamentalismus, jetzt mit Dawkins, gehen sollte.
Warum ist Dir nicht klar, dass das die wichtige Passage war? Das kapiere ich wirklich nicht.

Lumen hat geschrieben:Ich meinte dazu, dass es Toleranz in einem gewissen Rahmen gibt, den ich dann beschrieben habe, habe aber in Zweifel gezogen ob das allgemein anwendbar ist. Ich habe beim Schweifen durch Nachrichten und über die Welt eher nicht den Eindruck, dass Religionsgemeinschaft sich sonderlich tolerieren.
Das hat wohl kaum einer, wobei es eigenartige Koalitionen gibt, wie bei der Beschneidungsdebatte.

Lumen hat geschrieben:Davon abgesehen meint eine Hierarchie ein Ordnungsystem, von allgemein zu spezifisch zum Beispiel, wobei der eigene Glaube als spezifischer und richtigiger für den Gläubigen gesehen wird. Ein Katholik kann beispielsweise erkennen, dass die Protestanten immerhin noch Christen sind. Und dann erkennen, dass Muslime und Juden immerhin noch (möglicherweise) an den selben Gott glauben und darüber eine Toleranz entwickeln (genauso kann man auch Wissenschaften usw. einbauen, siehe Mendel).
Es ist aber nicht so.
Im Grunde ist es harmloser und schlimmer zugleich. In Glaubensgemeinschaften reagiert man auf Abweichler in den eigenen Reihen hochallergisch. Da wird, gerade bei Fundamentalisten, nicht die geringste Abweichung geduldet. Der etwas moderate Interpret ist ein Verräter siehe, Dein Umgang mit Nanna. Meine ich nicht als Provokation, sondern wirklich rein typisch. Ich, als integraler Reinkarnationsexperte bin sowieso schon in der Hölle und lebe recht unbeschwert, bin wahrscheintlich sogar noch respektierter von Dir, weil ich ja ohnehin ein Vertreter der dunklen Seite bin, insofern konsistent, wie Du diagnostizierst.

So wie Du denken religiöse Fundamentalisten auch, für die wirklich harten Katholiken – glaub mir, ich kenn' die mindestens so gut wie Du – ist schon der Papst ein kommunistischer Verschwörer. Als Evangele ist man nicht wenigstens Christ, sondern in der großen Gruppe derer bei denen ohnehin nichts zu retten ist, da lebt sich's unbeschwert. Insofern sind echte Fundamentalisten da schlimmer als selbst Du Dir vorstellen kannst.

Und gleichzeitig ist die Überzahl nicht fundamentalistisch, sondern unbeschwert und locker und steht mitten im Leben. Hier ist der normale Katholik noch mal deutlich linientreuer als der normale Evangele, die Evangelikalen in Amerika sind dorthingegen die richtig Durchgeknallten. Aber das kennst Du ja selbst alles aus Deinen Anti-Reli-Pornos.
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Mo 24. Feb 2014, 21:11

Den Text fand ich gelungen :lachtot:

Nur mit den Allsätzen, damit kann ich nichts anfangen. Dawkins sei so und so, heißt es dann. Der, wie überhaupt alle Neuen Atheisten finden dies und jenes. Einwände werden abgetan. Ihr habt das anders gelesen (oder garnicht) und basta. Belegen wollt ihr nichts. Wird's mal argumentativ etwas zu dünn, wird eben unterstellt. Dann kommt das Katz-und-Maus Spiel wie eindrucksvoll zu sehen war. Nur irgendwo ist das wie Pudding an die Wand Nageln. Wenn deine "Definition" rein subjektiv ist und sich an nichts misst, kann man sie getrost ignorieren. Zumal der Eiertanz ja noch weiter geht. Vergleicht man es mit irgendeinem anderen Thema um zu zeigen, dass ihr da maßlos übertreibt, dann wird schnell aufgebläht. Dann wird aus dem Bienenschüzer ein Guerilla-Krieger. Man sieht ihn förmlich dem MG durch die Büsche hechten, und Pesitizid-Sprüher aus dem Hinterhalt anzufallen. Fragt man dann, ob ihr denn so Dawkins und Co. seht wird wieder schnell Thema gewechselt und sei ja alles ganz anders. Bait-And-Switch Rhetorik, wie ihr sie verwendet ist auch keine neue Erfindung von euch, sei dazu noch angemerkt.
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Mo 24. Feb 2014, 21:29

Doch ich hab Dawkins gelesen und finde ihn einfach recht unspektakulär.
Zugespitzt, aber philosophisch belanglos, mit dem spielt einfach keiner.

Da finden sich überhaupt nur Kreationisten, die den Quatsch noch mitmachen.
Sloterdijk hat's im Halbsatz auf den Punkt gebracht "zwei der oberflächlichsten Pamphlete" gemeint waren Dawkins und Harris war glaube ich der andere. Das soll seine Biologenverdienste nicht schmälern, aber man muss die Kirche schon im Dorf lassen.
Wer geht auf den Stuss denn überhaupt noch ein?

Egal, da kannst Du meietwegen eintauchen, vielleicht wird Dir das auch mal langweilig.
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Mo 24. Feb 2014, 22:19

Indem du jetzt über Langweile oder Oberflächlichkeit lästerst, wird dein Punkt kein Stück plausibler. Im Gegenteil, du erweckst den Eindruck als wolltest du dir deinen Frust von der Seele schreiben. Woran liegt's, Vollbreit? So ganz kalt lässt dich das offensichtlich nicht. Ich weiß schon, wenn ich nicht weiter sticheln sollte, und werde ich auch nicht machen. Aber warum geht dir das offenbar nahe?
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Nanna » Di 25. Feb 2014, 01:06

Lumen hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Ich finde es besorgniserregend, wenn Kindern das selbstständige Denken verwehrt wird und bin der Meinung, dass Staat und Gesellschaft dagegen angehen müssen. Aber das konfligiert ja nicht mit dem, was ich bisher gesagt habe.

Nur ist nun völlig unklar auf welcher Grundlage du dagegegen vorgehen willst. Solche Kinder unterscheiden sich von ihren Nachbaren nur im Glauben, und da der Glaube nach deiner Haltung in Ruhe gelassen werden soll, bleibt dir nur das herumdoktern an Symptomen.

Ich glaube nicht, dass das der einzige Unterschied ist. Aber egal, da werden wir uns eh nicht leicht einig. Der entscheidendere Punkt ist doch ohnehin der, dass selbstständiges Denken eben die Selbstständigkeit erfordert. Nehmen wir mal für einen Augenblick an, es mit einer evangelikalen Bible-Belt-Gemeinde zu tun zu haben, die wirklich in allen Punkten den schlimmsten Ausführungen folgt, die du in Bezug auf die Schädlichkeit von Religion gegeben hast: Was sollen wir denn tun? Die Kinder in Internaten zwangsbeschulen? Die Eltern in Umerziehungskurse schicken? Die beschaulichen Kleinstädte des Mittleren Westens mit massenmedialen Dauerkampagnen gegen den Glauben beschießen? Was soll das bringen?

Es ist nicht möglich, jemanden zur Selbstständigkeit zu zwingen. Und wo die Eltern den Wert von Selbstständigkeit nicht erfahren und verstanden haben, geben sie ihn auch mit geringerer Wahrscheinlichkeit an ihre Kinder weiter. Deine Attacken gegen "die Religion" ändern daran kein Jota, weil es aus der Innenperspektive einer dogmatisch verschanzten Kreationistengemeinde immer nach einer Bedrohung durch das Böse aussehen wird.

Man kann den Leuten nur einen Weg zeigen und ihnen die Entscheidung überlassen, ob sie ihn beschreiten wollen. Insofern bleibe ich dabei, dass Bildungsangebote und die konstruktive Konfrontation mit anderern Weltbildern der einzige Weg sind, dogmatisch verhärtete Strukturen aufzubrechen. Ich sehe das nicht nur als Symptomdokterei an, sondern als Angebot an die Betroffenen, sich in der Werkzeugkiste der Aufklärung zu bedienen. Die Entscheidung muss aber dann in letzter Konsequenz immer von der jeweiligen Person selber kommen.

Weiterhin möchte ich nochmal betonen, dass die meisten Religiösen, insbesondere in Europa, von diesen Problemen gar nicht betroffen sind.

Lumen hat geschrieben:Dein Maßnahmenkatalog ist wirkungslos, denn Informationen sind überall leicht erhältlich. Wenn du da noch einen Stand aufmachst, wo du den Leuten z.B. Evolution nahebringen willst, wird das niemanden groß jucken.

Dann ist das halt so. Und wenn du einen Stand mit "Die 50 größten Bibelirrtümer" auf machst, habe ich für meinen Teil übrigens auch nichts dagegen. Ich habe nur etwas dagegen, wenn du einen Stand mit dem Motto "Die Religiösen sind infantile Irre, die nicht selber denken können, und eine Gefahr für die Gesellschaft" aufmachst.

Lumen hat geschrieben:Nur etwa 3% der Amerikaner werden zuhause unterrichtet (homeschooling), die Mehrheit besuchte eine öffentliche Schule und doch liegt kreationistischer Glaube um die 40%. Es ist also etwas putzig, dass du etwas dagegen machen würdest, dann aber so, dass der Glaube in Ruhe gelassen wird. Das war schließlich der Tenor.

Dann sind halt 40% Kreationisten. Schade, aber eigentlich nur dann ein Problem, wenn a) die medizinisch-biologische Forschung dadurch eingeschränkt wird und b) Andersdenkende diskriminiert werden. Das können angrenzende Baustellen sein, müssen es aber nicht.

Im Economist war neulich ein ganz interessanter Artikel, der sich mit der Religionssoziologie von Wissenschaftlern in den USA beschäftigt hat (Faith and Reason - Scientists are not as secular as people think). Darin werden empirische Befunde angesprochen, dass der Atheismus unter Wissenschaftlern v.a. die liberalen Elitehochschulen an der Ostküste betrifft, wohingegen das wissenschaftliche Fußvolk nur marginal weniger religiös ist als die Durchschnittsbevölkerung. Ich deute das als Zeichen dafür, dass der wissenschaftlich-technische Fortschritt nicht primär davon abhängt, dass die Wissenschaftler besonders atheistisch sind.

Zuguterletzt muss ich nochmal auf meine Grundannahmen für den ganzen Themenkomplex hinweisen: Ich sehe die universalen politischen Freiheitsrechte den Vorstellungen davon, was ein gutes Leben ausmacht, als weit vorausgehend an. Insofern ist mir die Freiheit der Menschen in der Gesellschaft, religiös oder eben nicht religiös sein zu dürfen und dabei die Wahl zu haben, wesentlich wichtiger, als in einer Gesellschaft mit besonders vielen Gleichgesinnten zu leben.

Wenn es darum geht, welches Verhalten die Gesellschaft dem Einzelnen vorschreiben/abverlangen darf, dann funktioniert es meines Erachtens in etwa so :
  1. Die Basis bildet das Strafrecht, das ganz klar vorschreibt, was man unterlassen muss. Dem Strafrecht liegen wiederum allgemeine Vorstellungen der Menschenrechte zugrunde.
    Meine Verteidigung der Religionsfreiheit ist also schon hier in dieser absolut grundlegendsten Stufe der Regelnd es Zusammenlebens angesiedelt.
  2. Das Strafrecht ist seinerseits Teilmenge der moralischen Grundsätze eines Gesellschaft, die festlegen, wie man sich über die Gesetzestreue hinaus noch verhalten sollte (d.h. wer moralisch handelt, handelt nie gegen das Strafrecht [lassen wir Spezialfragen wie den Tyrannenmord mal außen vor], wohl aber kann jemand unmoralisch handeln, ohne das Strafrecht zu verletzen).
    Hier gehört mein Aufruf hin, das Andersdenken eines anderen Menschen nicht nur gesetzlich zu dulden, sondern auch soziale Einmischungsgrenzen zu achten.
  3. Die Moral wiederum ist Teilmenge von einer noch größeren Sammlung kultureller Vorstellungen über das "gute Leben" (Habermas würde das als Ethik bezeichnen).
    Meines Erachtens gehören erst hier, auf diese relativ weiche und (dem Sinn nach) zwangslose Ebene, Fragen nach kosmologischen Anschauungen (Wie ist die Welt entstanden?), Forderungen nach einem selbstständigen, intellektuell anspruchsvollen Denken, nach Forschritt, nach höherer Bildung etc. Intellektuelle Streitgespräche über Fragen einer guten, rationalen, aufgeklärten Weltanschauung sind meiner Meinung nach auf dieser Ebene angesiedelt, sofern sie nicht Auswüche betreffen, die relevant für grundlegende Moralfragen und/oder das Strafrecht sind (etwa Kindesmisshandlung durch Priester), und sie erfordern, dass man sich über die anderen Ebenen bereits einig ist.
Mein Vorwurf an dich ist, kurz gesagt, dass du Fragen der dritten Ebene regelmäßig auf die zweite (moralische) oder sogar erste (juristische) Ebene hinunter ziehst. Ich bin aber der Meinung, dass diese Fragen so unabhängig behandelt werden müssen, wie es irgendwie geht; sonst ist man schnell dabei, Fragen der allgemeinen weltanschaulichen Gesinnung zu Fragen des Strafrechts zu machen oder wenigstens als moralisch verwerflich hinzustellen, selbst wenn die betroffene Person Frieden mit konkreten anderen Personen und der Gesellschaft allgemein hält.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Di 25. Feb 2014, 08:05

@ Lumen:

Nein, inhaltlich geht mir das wirklich nicht nahe, weil ich keine Agenda habe, auch wenn Du Dir das nicht vorstellen kannst.

Was nervt, ist, dass wir konstant aneinander vorbeischreiben. Du hast eine Position, ich eine andere, soweit kein Problem.
Nun habe ich bestimmte Probleme mit Deiner Position, ich finde sie sehr fundamentalistisch und ich glaube, das erweist Deinem Projekt, eher einen Bärendienst. Du kommst da als Wüterich rüber und das finden eigentlich nur andere Wüteriche spannend.

Mein Standpunkt ist am ehesten der, dass man miteinander trotz aller Differenzen reden können sollte. Nicht nur wir beide, die Leute im Allgemeinen. Dazu würde ich die Fundamentalisten ausgrenzen und dann bleibt ein Rest von Diskurswilligen aller Lager (egal welches Thema), die sich gut verständigen können und für die die Fragen des Privaten keine größere Rolle spielen.

Nun hast Du ganz offensichtlich auch Probleme mit meiner Position und durch all Deine Andeutungn was ich wohl insgeheim denke und plane, vernebeln und verschleiern will und Phantasien von geheimen Koalitionen von Theologen mit Philosophen und Geisteswissenschaftlern und da steige ich einfach nicht durch.

Darum, wenn Du schon auf den Inhalt nicht eingehst, das hast Du konstant verweigert, keine Ahnung warum, interessiert dann irgendwann auch nicht mehr, würde mich interessieren, wie Dein Problem mit mir in Klarschrift, positiv formuliert, in einfachen deutschen Sätzen, ohne bedeutungsschwangere Andeutungen eigentlich aussieht. Ich bin bis jetzt noch nicht dahintergestigen. Nun hängt mein Glück nicht an Deinen Phantasien, insofern erlischt mein Interesse das zu klären dann auch irgendwann, aber neugieirg bin ich noch immer. Das ist eigentlich alles.
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Di 25. Feb 2014, 13:57

Nanna hat geschrieben:Mein Vorwurf an dich ist, kurz gesagt, dass du Fragen der dritten Ebene regelmäßig auf die zweite (moralische) oder sogar erste (juristische) Ebene hinunter ziehst.


oder, um es mit deinen Worten zu schreiben:

Nanna hat geschrieben:Nein, das tue ich nicht. Bist du fertig damit, mir deine Worte in den Mund zu legen?


Ansonsten, die Regelmäßigkeit macht es bestimmt sehr leicht deine Behauptung zu belegen.

Nanna hat geschrieben:Im Economist war neulich ein ganz interessanter Artikel, der sich mit der Religionssoziologie von Wissenschaftlern in den USA beschäftigt hat (Faith and Reason - Scientists are not as secular as people think). Darin werden empirische Befunde angesprochen, dass der Atheismus unter Wissenschaftlern v.a. die liberalen Elitehochschulen an der Ostküste betrifft, wohingegen das wissenschaftliche Fußvolk nur marginal weniger religiös ist als die Durchschnittsbevölkerung. Ich deute das als Zeichen dafür, dass der wissenschaftlich-technische Fortschritt nicht primär davon abhängt, dass die Wissenschaftler besonders atheistisch sind.


Das passt mal wieder wie Arsch auf Eimer. Elaine Howard Ecklund aus deinem Artikel ist eine altbekannte Vertreterin der Akkommodationisten, also erwartungsgemäß dein Lager. Sie wird von der pro-religiösen Templeton Foundation finanziert und ist bekannt dafür, ihre Daten zu frisieren. Kafkatrap, die Dritte, hat sich Coyne damit beschäftigt, zuletzt mitte Februar. Dabei geht es um NOMA, Non-Overlapping-Magisteria oder die Vereinbarkeit oder das “nicht in die Quere kommen” von Religion und Wissenschaften. Dort werden auch ihre Daten verrissen. Aber allgemein halte ich von soziologischen Themen wenig, denn zu oft habe ich Diskussionen beobachtet, wo jede Seite widersprechende Datensätze zu Felde führte.

Ironischerweise wurde NOMA von jenem Fundamentalisten vorgeschlagen, der (laut Nanna) ein Focus-Werbung Verständnis von Wissenschaften hat, jener Steven Jay Gould, den ich zuvor zu „Evolution is Fact and Theory“ zitiert hatte. Die typischen „Fundamentalisten“ Dawkins, Coyne et al halten natürlich dagegen dass Religion und Wissenschaften selbstverständlich nicht zusammenpassen. Das ist übrigens die einzige Verbindung zu den sonstigen Fundamentalisten, die Religion auch als unvereinbar ansehen und das zugeben.

Die Moderaten in der Mitte sehen das natürlich nicht so, denn sie verstehen weder das eine, noch das andere, und haben sich trefflich in ihrer inkonsistenten Sicht eingerichtet. Die nennt sich Compartmentalization. Das ist auch der Grund, warum weitere Informationsveranstaltungen keinen Effekt haben. Anders als hier behauptet, aktualisieren Menschen ihr Weltbild nicht mit neuen Informationen sondern kommen gut damit klar, wenn Widersprüche ein wenig voneinander getrennt nebeneinander abgelegt werden. Erst der Konflikt, über kognitive Dissonanz und ähnliches sorgt dafür, dass sich Einstellungen ändern. Compartmentalization wird von euch glorifiziert als „Widersprüche aushalten“, was nicht etwa im Feynmanschen Sinne meint, etwas nicht zu wissen und verschiedene Optionen für möglich zu halten.
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

VorherigeNächste

Zurück zu Religion & Spiritualität

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste

cron