provinzler hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Nein, er schreibt Dir nur vor, aus welchen Gründen Du Mieter oder Mitarbeiten nicht ablehnen darfst. Ansonsten bist Du da frei.
Das ist aufgrund der dann gepflegten Beweislastumkehr letztlich das Gleiche, weil ich gezwungen werde zu dokumentieren, nach welchen Kriterien ich entschieden habe. Passen diese dem Staat nicht, hab ich die Arschkarte.
Nein, wo denn? Wenn Du Dich nicht sklavisch und starr jeder noch so kleinen Regelung unterwirfst und damit das übererfüllst, was Du anderen vorwirfst, dann gibt es immer noch einen zweiten und meistens dritten und vierten Weg.
Das sieht man schon daran, dass viele der Regelungen nur überschaubaren Erfolg haben.
In Deutschland ist die soziale Durchlässigkeit gering, was einerseits heißt, wenn Deine Eltern anerkannte Leute sind, wirst Du es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch werden, wenn Du der begabte Spross einer Bauernfamilie bist, wirst Du es deutlich schwerer haben.
Entscheidend sind die Kontakte.
Aber das ist gar nicht der Punkt. Bei dem Text geht es um Gleichheitssucht und die hast Du auf den ersten Blick nicht, aber eben auch um Freiheitsangst und da erweckst Du den Eindruck, als würdest Du nicht augenzwinkernd die sozialen Regeln zu Deine Gunsten auslegen, das heißt immer noch nicht, dass man ein Asi oder Straftäter sein muss.
Wenn Du den Sonderling gibst – nebenbei eine „Rolle“ (eigentlich ist es eben keine), die mir hochsympathisch ist – dann darfst Du Dich nicht wundern, als Sonderling gesehen zu werden.
Wenn das reine Provokation ist, dann bist Du nicht frei, weil Du dann nicht Deinen Weg gehst, sondern Dich negativ über die andren definierst.
Wer aber seinen Weg geht, der ist tendenziell um Vieles glücklicher, weil dem wirklich die Normen egal sind. Gar nicht bösartig, das sind einfach Menschen, die ihr Leben leben, oft erfüllt und wenig neidisch.
Und in puncto Selbstzufriedenheit sieht es bei den gar nicht schlecht aus:
http://www.psyheu.de/4220/exzentriker/provinzler hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Man kann also Anweisungen auch flexibel interpretieren.
Das möchte ich sehen, wie flexibel du bleibst wenn die Polizei dich abholt.
Darum bin ich doch hingegangen, bestimmt nicht, weil ich die Schule so mochte. Aber der Tausch von sechs Mal pro Woche einen Vormittag lang zu einmal pro Woche für zwei Stunden, der war für mich akzeptabel. Gegen die Willkür bestimmter Regeln anzugehen ist oft das Thema junger Erwachsener, da schleppe ich dann auch meinem Beutel Anekdoten aus meinem Leben mit mir herum, aber was ich die ganze Zeit sagen will, ist, dass es neben offener (und manchmal präkonventioneller) Opposition und windelweicher Anpassung noch einen dritten Weg gibt, der abgesehen davon, dass er der reifste ist, auch der ist, der oft zum persönlichen Glück führt, nämlich ins Postkonventionelle zu gehen.
Das kannst Du moralpsychologisch untersuchen, aber auch philosophisch:
Karl-Otto Apel hat geschrieben:"„Am Letztbegründungsanspruch der Ethik brauchen wir auch nicht mit Rücksicht auf deren präsumptive Relevanz für die Lebenswelt festzuhalten. Die moralischen Alltagssituationen bedürfen der Aufklärung der Philosophen nicht. In diesem Falle scheint mir ein therapeutisches Selbstverständnis der Philosophie, wie es von Wittgenstein inauguriert worden ist, ausnahmsweise am Platz zu sein. Die philosophische Ethik hat eine aufklärende Funktion allenfalls gegenüber den Verwirrungen, die sie im Bewusstsein der Gebildeten angerichtet hat – also nur insoweit wie der Werteskeptizismus und der Rechtspositivismus sich als Professionsideologien festgesetzt haben und über das Bildungssystem ins Alltagsbewusstsein eingedrungen sind. Beide haben die im Sozialisationsprozess naturwüchsig erworbenen Intuitionen mit falschen Deutungen neurtralisiert; unter extremen Umständen können sie dazu beitragen, die von Bildungsskeptizismus erfassten Akademikerschichten moralisch zu entwaffnen." (Habermas)
An dieser Passage, die außer mir auch viele andere Habermaskenner schockiert bzw. ratlos gemacht hat, möchte ich nicht etwa die These kritisieren, dass die Philosophie durch die angegebenen Positionen ... Verwirrungen im Bewusstsein der Gebildeten angerichtet hat. Diese Tatsache, die in der Tat seit der philosophischen Aufklärung zu beobachten ist, lässt sich m.E. relativ leicht als Verwirrung des postkonventionellen Denkens auf der Kohlbergschen Krisenstufe 4 ½ (des noch nicht bewältigten Übergangs von der konventionellen zu einer rational begründeten postkonventionellen Moral) verständlich machen – und dies ganz auf der Linie von Habermas selbst im Sinne der „rekonstruktiven Wissenschaft“ (also der Kritischen Theorie) rezipierten und tentativ auf die Phylogenese angewandten Entwicklungslogik im Sinne von Piaget und Kohlberg. Wie aber soll gerade mit diesem rekonstruktiven Verständnis die Vorstellung zu vereinbaren sein, die „unbefangene substanzielle Sittlichkeit“ (Hegel) der Lebenswelt vor der philosophischen Aufklärung – also im Sinne Kohlbergs: die konventionelle Binnenmoral der Stufen 3 und 4 (grob gesprochen: die der Stammesgesellschaften und der frühen staatlich organisierten Gesellschaften) - sei gewissermaßen eine moralisch problemlose heile Welt gewesen; oder, in aktueller Version: die nach Kohlberg heute noch für ca. 80% der westlichen Industriegesellschaft maßgebende Orientierung an der konventionellen Moral repräsentiere die Basis der „moralischen Alltagssituationen“, die der philosophischen Aufklärung (nach Kohlberg also: der universalistischen Orientierungen im Sinn der utilitaristisch begründeten Vertragstheorie und, darüber hinausgehend, das Prinzip der „vollständig reversiblen Reziprozität des role taking“ bzw, der Gerechtigkeit als Fairness) prinzipiell nicht bedürften. Hat denn nicht die philosophische Aufklärung ... die Metainstitution des argumentativen Diskurses überhaupt erst geschaffen, ohne die doch eine radikale oder rationale Einlösung oder Verwerfung von Geltungsansprüchen jenseits aller offenen und verdeckten Gewaltlösungen (also auch jenseits von Ritualen und Verhandlungen) gar nicht als möglich gedacht werden kann? Und hat nicht andererseits die Infragestellung, ja Ridikülisierung universalisitisch-humanitärer Rechts- und Moralvorstellungen im Nationalsozialismus (z.B. die Parole „Recht ist, was dem Volke nutzt“) mir großem Erfolg an die vorphilosophischen, also konventionelle Solidaritätsgefühle einer völkischen Binnenmoral appellieren können?“
(K.-O. Apel, Auseinandersetzungen, Suhrkamp 1998, S. 661f)
provinzler hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:War das nicht Malta mit den Enteignungen oberhalb einer bestimmten Summe? Egal.
Nein, das war Zypern. Und es war keine Enteignung, sondern ein Forderungscut für alle Gläubiger, außer denen unter 100.000€. In einem Insolvenzprozess ist sowas durchaus normal.
Stimmt, langsam dämmert es mir auch wieder, war Zypern. Und wo ist jetzt Dein Problem mit dieser Geschichte?
Du hast mit der Grundformel, dass Gemeinnutz vor Eigennutz geht vermutlich ein Problem, ich würde das auch nicht klaglos hinnehmen, aber bei uns hat man eben auch die Möglichkeit es nicht hinnehmen zu müssen. Mir ist aber Deine Vision vom Zusammenleben noch nicht klar und ich habe Zweifel, dass sie Dir selbst klar ist.
Ist der ideale Staat der, in dem sich jeder um sich kümmert? Was, wenn Du dann doch mal ne sündhaft teure Operation brauchst? Oder Dein Haus brennt? Oder Deine Stromversorgung nicht funktioniert oder einfach Deine Toilette nicht abzieht oder Dein Müll nicht abgeholt wird, im Sommer, so acht Wochen lang, bis die Ratten kommen.
Ich nehme an, dass auch Du nicht böse wärst, wenn die staatlichen Zwangssyteme, in die Du ungefragt reingeboren wurdest, greifen.
provinzler hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Das kann ich sogar noch nachvollziehen, ob man um seine Rente bangen muss, oder sich den 8.Sportwagen nicht mehr kaufen kann, da sehe ich auch einen Unterschied.
Das ist aber deine inviduelle moralische Wertung, kein stichhaltiger Sachgrund.
Auf normativen Ebenen gibt es prinzipiell kein Sachgründe und warum Dein Vorurteil besser sein soll, müsstest Du dann auch erst noch erläutern.
provinzler hat geschrieben:Wieviele dieser Diskussionen wären überflüssig, wenn die Diskutanten nicht die Möglichkeit hätten die Finanzierung auf andre abzuladen?
Da müsstest Du schon konkret werden. Ich weiß ja nicht, ob bei Dir mit der generellen Krankenversicherung schon der Kommunismus beginnt und ich habe selbst keine große Sympathie für Opferinszenierungen - aber eben auch nicht aus dem konservativen Lager – und ich gehe mit Gunnar Heinsohn sehr viel weiter mit, als Nanna das vermutlich tut und ich denke, vieles hier kannst Du postwendend unterschrieben?
http://www.zeit.de/feuilleton/kursbuch_ ... ettansichtNur, bei aller trockenen Zuspitzung die Heinsohn drauf hat, das ist auch nicht alles, sondern eine Perspektive. Ein gewichtiger, lange Zeit unterschätzer und verdrängter Baustein und ich bin da auch deshalb etwas anfällig für, weil ich eine leicht perverse Lust an der Düsternis und Endzeitstimmungen habe, aber das ist eben meine persönliche Marotte, von der man ja zurücktreten kann, wenn es darum geht, sich zu überlegen, wie der Laden laufen soll.
provinzler hat geschrieben:Im Grund besteht Staat im Wettbewerb, die Mitmenschen mit Gewaltmitteln zu eigenen Gunsten maximal auszuplündern. Vielleicht sollte ich das wirklich zynischer sehen, und die entsprechende Abgreifmentalität entwickeln, und beispielsweise an Subventionen abgreifen was geht.
Das ist halt eine Frage, wie man sich selbst sehen möchte. Der eine lebt demonstrativ herausfordernd von der Stütze und erzählt denen, die arbeiten gehen noch, was sie für Knalltüten sind, für andere, unverschuldet Arbeitslose, ist das Thema so schambesetzt, dass sie über lange Monate so tun, als würden sie weiter zur Arbeit gehen.
Dass die Mehrheit der Hartz 4 Bezieher, nicht arbeiten will, wie die Made im Speck lebt und damit total glücklich ist, darfst Du als Mythos betrachten, auch wenn der Sozialschmatotzer (den es gibt!) und die ihn erhaltenden Strukturen das etwas zu oft bemühte Feindbild von Konservativen ist.
Nebenbei hätte ich für das Thema auch eher Lösungen aus dem konservativen Spektrum anzubieten, aber mich interessiert hier, was Du denkst.
provinzler hat geschrieben:Damit sind ein paar Immobilienhaie nachm Krieg richtig reich geworden. Vielleicht sollte ih mir daran ein Beispiel nehmen. Anscheinend will die Menschheit betrogen werden, dann wäre es ja nicht unlogisch, sich auf die Seite der Abzocker zu begeben.
Jetzt sind wir aber bei den Kalendersprüchen angekommen, das finde ich nun nicht sehr überzeugend. Willst Du denn betrogen werden? Bist Du nicht ein Teil der Menschheit? Kannst ja mal ne Umfrage hier machen, wer alles betrogen werden will. Über den Ansatz, unterschiedliche Menschen setzen unterschiedliche Prioritäten kommst Du vermutlich weiter.
provinzler hat geschrieben:Verdammt ich will ne Banklizenz, dann kann ich den Trotteln da draußen endlcih Nikkei-Zertis andrehen, und mir damit ne goldene Nase verdienen. Am Besten im Franchise-Strukturvertrieb, dann haben die rechtliche Kacke für "Falschberatung" auch noch andre am Hals...
... und das einzige was Dich daran hindert, ist, dass Du nicht nur zu klug sondern auch zu ehrlich bist, schon klar.
Dann starte doch durch, werde Multimillionär und lass Dich anschließend für gute Werke feiern, dann hättest Du doppelt profitiert. Vermutlich wirst Du dann immernoch in einer Gesellschaft leben, in der „ehrliche Arbeit“ höher geschätzt wird, als Kohle über Spekulationen zu machen, was mir an Deiner Stelle allerdings am Arsch vorbeigehen würde. Für den Winter könntest Du Dir ein Häuschen in der Toskana kaufen, es gibt mögliche Lebensentwürfe, die sich grausamer anhören.
Ich sehe wirklich nicht wo Dein Hauptproblem ist. Wenn Du den monetären Stein der Weise in den Händen hältst, meinen Segen hast Du. Ich neide das keinem und mein Ansatz ist immer, dass jeder für sich prüfen soll, wie er leben möchte und was er dann an Kohle, Freizeit, Gesellschaft, Rückzug und so weiter braucht, da ist das Leben herrlich bunt, wie wir alle wissen. Alle werden Dich auch dann nicht mögen, aber der Hartz 4 Empfänger leidet in den meisten Fällen auch an sozialer Ausgrenzung und Entwertung.