Im "Namen der Wahrheit"

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Im "Namen der Wahrheit"

Beitragvon Manfred Bibiza » Mo 6. Aug 2007, 21:23

Im turbulenten Thread "Antworten ..." hatte ich aus Zeitgründen einen Kommentar von "Pip" nicht mehr beantworten können und ihm versprochen, das später nachzuholen. Da der Thread inzwischen geschlossen wurde, kann ich dort leider nicht mehr antworten, weshalb ich mit meiner Antwort diesen neuen Thread aufmache.

"Pip" hatte ua kommentiert:

Auch ich halte Religiösität für heilbar. Das wir da den betroffenen helfen wollen ...


Darauf ich
Also, da muß ich entschieden protestieren. Das haben immer schon alle, egal welcher Coleurs geglaubt, die Anderen ihre "Wahrheit" aufdrängen wollten.

Darauf er
Mal darüber nachgedacht dass grenzenlose Toleranz und Verständnis letztendlich immer dazu führen, dass man von den Spinnern zu denen man nett war, und ihnen alle Freiheiten gelassen hat unterdrückt wird?

Ich werde auch weiterhin der Überzeugung sein, dass Religion eine Mischung aus Geisteskrankheit und Gehirnwäsche ist. Und ja, unzählige Menschen in ungezählten Generationen waren und sind daran erkrankt.

Nur weil eine Mehrheit etwas glaubt oder tut, ist es nicht unbedingt richtig.

Für fundamentalistisch Religiöse gilt bei mir die gleiuche Maxime wie bei den Rechtsradikalen:

Wehret den Anfängen, und "schlagt" sie wo immer ihr sie trefft. Wobei ich klarstellen möchte, dass dies KEIN Aufruf zur Gewalt ist. Die Religiösen schlägt man am besten, indem man sie spüren lässt, wie wenig ernst man sie nimmt.


Und das ist jetzt die ihm versprochene Antwort:


Mein Protest richtete sich gegen deine Formulierung "Daß wir da den Betroffenen helfen wollen ..."

Von dem indischen Philosophen Jiddu Krishnamurti (laß dich durch den guruhaft anmutenden Namen nicht irritieren, der ist in Indien ein so verbreiteter Vorname wie bei uns Gottfried, - und anscheinend stehen bei den Indern die "Vornamen" hinter dem Familiennamen) stammt der Aphorismus:

"Die Würde eines Menschen liegt darin, daß er nicht gerettet werden kann."

Das ist eine Ansicht, die in meiner Weltanschauung große Bedeutung hat. Jeder ist zunächst einmal für sich selbst verantwortlich, und zwar sowohl für die Befriedigung seiner körperlichen, als auch seiner geistigen Bedürfnisse, und zu den elementarsten geistigen Bedürfnissen gehört das nach einem Glauben, dh eine in der Regel schwer zu begründende Form der Gewißheit dessen, was wahr ist. Ob es wirklich wahr ist, was einer glaubt, oder nur angeblich, sei einmal dahingestellt. Wichtig ist jedoch zu bedenken, daß ein Glaube nur sehr schwer, wenn überhaupt, für Argumente zugänglich ist. Dem Gläubigen ist es völlig gleichgültig, wie andere, aus seiner Sicht "Nichtgläubige", über seinen Glauben denken, ob sie ihn nun als Schwachsinn, Geisteskrankheit, Irrtum oder werweißwie diffamieren: er will ja seinen Glauben und er will nicht davon abgebracht, nicht "gerettet" werden, im Gegenteil macht es ihn fuchsteufelswild, wenn da einer daherkommt und versucht, ihm "zu helfen". Es ist auch würdelos, jemandem die Selbstverantwortung für seinen Glauben absprechen zu wollen, indem man ihn "im Namen der Wahrheit" von seinem Irrweg abzubringen versucht. Selbst wenn ein (religiöser) Glaube tatsächlich eine Geisteskrankheit wäre, (was nicht einfach zu zeigen ist, da schon der pathologische Begriff von Geisteskrankheit größte Schwierigkeiten macht), wäre es eine, von der ihr Inhaber nichts wüßte und nichts wissen wollte. Nun ist "Hilfe", wenn überhaupt, nur dort angebracht, wo der "Betroffene" das wünscht (oder wo man offensichtlich annehmen darf, daß er es wünschen würde - zB jemand wird auf der Straße bewußtlos). Erst wenn der Betroffene in die Hilfeleistung einwilligt, ist Hilfe gerechtfertigt. Andernfalls ist es würdevoller, jemanden in seiner Krankheit, seinem Unglück, seinem Leiden zu belassen! (Jeder ist seines Unglückes Schmied, wie ich manchmal zu sagen pflege.)

Das heißt nun aber nicht, daß man "grenzenlose Toleranz" üben sollte, wie du mich, so fürchte ich, mißverstanden hast. Es kommt eben darauf an, wie einer an mich herantritt. Das oben geschilderte ethische Prinzip wende ich ja nicht nur auf die Anderen an, sondern auch auf mich. Auch ich habe meinen Glauben und den halte ich für richtig und wahr. In meinem Fall ist es die Vorstellung, daß alles, was geschieht, auf natürliche Weise geschieht, ohne Eingriffe und Anstöße von "außen". Ich bin kein Agnostiker, der sagt "Ich kann es nicht wissen", nein ich bin mir sicher und gewiß, daß ich recht habe, was allerdings, wenn ich gründlich reflektiere, eben das hauptsächlichste Kennzeichen eines Glaubens ist. Ein anderes Merkmal meines Glaubens ist, daß es mir überhaupt nicht paßt, wenn einer daherkommt und mich davon überzeugen will, daß nicht ich an "die Wahrheit" glaube, sondern er und dann versucht, mich zu "bekehren". Dann kriege ich einen "dicken Hals", wie die Wiener sagen, dh ich werde ziemlich schnell wütend und sage dem "Angreifer" ordentlich meine Meinung. Und wenn das auf einer höheren Ebene passiert, zB auf einer politischen, auf der ich alleine nichts ausrichten kann, dann schließe ich mich gerne einer Gegenbewegung an, die vielleicht etwas gegen die religiöse Überrumpelung durch die G.W.Buschs ua ausrichten kann. Auf dieser Ebene habe ich absolut nichts gegen Aufklärung, absolut nichts dagegen, sich gegen den Vormarsch der Religion, insbesondere der fundamentalistischen Varianten, zu wehren. Aber im persönlichen Verkehr mit Einzelnen stört mich der Glaube des Anderen überhaupt nicht, solange er ihn nur auf sich selbst anwendet und mich damit in Ruhe läßt, so wie ich selbst in meinem Glauben an die natürliche Entstehung und Vergänglichkeit aller Dinge ruhe, der von einem religiös Angehauchten nicht erschüttert werden kann.

Aber nun überlaß ich wieder Anderen das Wort.

Übrigens noch Eines. Wenn du glaubst, daß du die Religiösen am besten schlägst, indem du sie spüren läßt, daß du sie nicht ernst nimmst, dann solltest du das beherzigen und überhaupt nicht auf sie reagieren, wenn sie an dich, zB in Form eines Postings, herantreten. Andernfalls nährst du nur ihr "Bekehrungsfeuer".
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Beitragvon HF******* » Mo 6. Aug 2007, 21:46

Hallo!

Das ist doch mal eine interessante Einstellung. Das hört sich alles so vernünftig an, dass man sich fragen muss, weshalb wir gelegentlich überhaupt so plump die Gläubign angreifen - und das tun wir…

Ich denke, das teils aggressive Vorgehen hat auch etwas damit zu tun, dass in einem Forum mehr Leute mitlesen, als die jeweils sprechenden Personen. Es wird also eine Fernwirkung erzeugt, wenn man etwa einenen Satz oder ein Argument einfach stehen lässt. Das ist also etwas anders, als beim Gespräch am Kamin.
(Wobei natürlich richtig ist, dass man den missionarischen Eifer dann auch noch anfacht).

Anders herum denke ich mir immer: Die Leute müssen wenigstens hier merken, dass sie Unfug erzählen. Wenn nicht hier, fällt vielleicht viel später beim Nachdenken der Groschen.

Und es ist auch so, dass die Religionen ansich nicht zulassen können, dass jemand ankommt und einfach sagt: Das gibt es nicht, das glaube ich nicht! Das hat mit vielerlei Strukturen des Christentums zu tun, dass es eine kritisch-rationale Sichtweise nicht verträgt, auch mit den Unterwerfungsmechanismen und dem Identitätsgefühl.

Die Religiösen sehen es auch als normal an, dass die Atheisten die Klappe halten und die Religiösen ihre „Weisheiten“ in die Welt hinaustragen. Und genau an diesem Punkt müssen die Religiösen lernen, dass die Atheisten mindestens den selben Anspruch haben, ihre Meinung kund zu tun und nicht diffamiert zu werden a la „Atheisten sind böse“ - Taktik hin oder her.

Bezüglich der Kindeserziehung ist es dann auch so, dass den Kindern Religion durchaus beigebracht werden kann. Das geht aber zwangsläufig mit einer Suggestion einher, die die Kinder meistens ein Leben lang nicht mehr loswerden, teilweise sicherlich auch in Form von Gehirnwäsche. Die Grenzen zu psychischem Missbrauch sind fließend.
(war jetzt vielleicht etwas neben der Sache…)
Zuletzt geändert von HF******* am Mo 6. Aug 2007, 21:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Andreas Müller » Mo 6. Aug 2007, 21:47

zu den elementarsten geistigen Bedürfnissen gehört das nach einem Glauben, dh eine in der Regel schwer zu begründende Form der Gewißheit dessen, was wahr ist


Das behauptest du einfach so. Wie kommst du auf diese Idee? Kannst du das belegen?

Andernfalls ist es würdevoller, jemanden in seiner Krankheit, seinem Unglück, seinem Leiden zu belassen!


Es sei denn, er schadet anderen. Religiöse schaden anderen in der Regel - sie indoktrinieren ihre Kinder mit diesem Unsinn und nehmen Einfluss auf die Politik; siehe Homosexuellenehe, Stammzellenforschung, Abtreitung, Sterbehilfe etc.

Die Demokratie basiert auf der Grundvoraussetzung eines aufgeklärten Bürgertums und die Religionen stehen diesem diametral entgehen.

stört mich der Glaube des Anderen überhaupt nicht, solange er ihn nur auf sich selbst anwendet und mich damit in Ruhe läßt


Das ist eine Illusion. Wenn jemand glaubt, dass Sterbehilfe gegen Gottes Gesetze verstößt, wird er das nicht nur privat glauben und politisch etwas anderes vertreten. Außerdem hat die evangelische Kirche erst neulich wieder betont, dass sich die Religion in die Politik einmischen soll (in diesem Fall ging es um die Bekämpfung von Armut - aber warum hier anhalten?). Beckstein sagte explizit, dass es keine Trennung von Kirche und Staat gibt und dass die christliche Religion Grundvorraussetzung der Demokratie ist.
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Beitragvon musikdusche » Di 7. Aug 2007, 09:50

Andreas Müller hat geschrieben:Beckstein sagte explizit, dass es keine Trennung von Kirche und Staat gibt und dass die christliche Religion Grundvorraussetzung der Demokratie ist.
Oh! Wo denn?
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Beitragvon Klaus » Di 7. Aug 2007, 10:55

Wie grääääääääääääßlich :explodieren:
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Re: Im "Namen der Wahrheit"

Beitragvon schoramyr » Di 7. Aug 2007, 10:58

Wau - was für eine tolle Rede - danke Manfred.

Nur kurz was zu dem einen Punkt:

Manfred Bibiza hat geschrieben: im Gegenteil macht es ihn fuchsteufelswild, wenn da einer daherkommt und versucht, ihm "zu helfen"


Ich nehme von allen alles an, was mich glücklicher macht..
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Beitragvon HF******* » Di 7. Aug 2007, 11:37

Manfred Bibiza schrieb:
Ein anderes Merkmal meines Glaubens ist, daß es mir überhaupt nicht paßt, wenn einer daherkommt und mich davon überzeugen will, daß nicht ich an "die Wahrheit" glaube, sondern er und dann versucht, mich zu "bekehren". Dann kriege ich einen "dicken Hals", wie die Wiener sagen, dh ich werde ziemlich schnell wütend und sage dem "Angreifer" ordentlich meine Meinung.


Warum eigentlich? Warum kannst Du nicht darüber lachen, wenn jemand seinen religiösen Glauben für wahr hält?
Der religiöse Glauben zeugt doch davon, dass entweder sich die Person bewusst der Rationalität verschließt oder einfach nicht anders kann, weil es der Person fremd und selbstsuggeriert wurde. Dass der andere dann versucht, diese Meinungsverschiedenheit aufzuklären, Dich also zu missionieren, ist ansich nur eine logische Schlussfolgerung.

Überzeugen Dich denn selbst die rationalen Argumente für den Naturalismus nicht, dass Du nur daran glaubst?
Zuletzt geändert von HF******* am Di 7. Aug 2007, 11:57, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Klaus » Di 7. Aug 2007, 11:42

Diese Schweinerei von dem Beckstein habe ich auf dem Blog gebracht, danke für den Link Andreas.
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Beitragvon schoramyr » Di 7. Aug 2007, 12:17

HFRudolph hat geschrieben: Warum kannst Du nicht darüber lachen, wenn jemand seinen religiösen Glauben für wahr hält?


Wir Menschen haben immer irgendwelche Vorbilder denen wir ihre
neue Erkenntnis abnehmen - für wahr halten - ihren Worten glauben schenken.

Jede neue Bewegung hat einen Kopf und der Mensch der sie gut findet, redet so wie
der Begründer der neuen Denkweise.

Er hält das was er hört oder liest für die Wahrheit.

Ich z.B. lache nicht wenn Mensch glauben das sie vom Affen abstammen. Zu glauben das alles
aus Zufall entstanden ist - ist auch eine Art von Glauben. Dieser Glaube hat auch einen
Gründer und seine Anhänger.

Ich versuche mich in den "Glauben"/ "in das für wahr halten" meiner Mitmenschen einzufühlen und zu verstehen,
woher sie ihren "Glauben" haben.
schoramyr
 

Beitragvon musikdusche » Di 7. Aug 2007, 13:28

Danke ebenfalls für den Link, Andreas. Wie so oft weiß ich jetzt nicht, ob ich lachen oder weinen soll...
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Beitragvon Manfred Bibiza » Di 7. Aug 2007, 15:08

Hallo Holger!
Danke für dein ausführliches und wohlgeneigtes Feedback.
Ich denke auch, daß die manchmal aufgeheizte Stimmung im Forum damit zusammenhängt, daß viele verschiedene Geister (ich meine damit Leute mit unterschiedlichen Geisteszuständen) hereinkommen, ein zufälliges Wort aufschnappen und ohne lange Nachzudenken ihre Replik abgeben. Grundsätzlich ist solche Spontaneität auch gut, aber manchmal sollte man doch erst ein wenig nachdenken, bevor man was sagt. Außerdem passiert hier Vieles in Halbanonymität, (denn selbst Leute wie du und ich, die Bild und Namen "outen", sitzen in Wirklichkeit immer noch weit entfernt hinter dem schützenden Monitor) was es leichter macht, ein unbedachtes Wort auszusprechen, als wenn man jemandem real gegenübersteht.
Das ändert freilich nichts an der Notwendigkeit, seine Meinungen auszutauschen, um sie (die eigene Meinung!) immer wieder überprüfen und gegebenenfalls modifizieren zu können. Besonders wichtig ist mir dein Hinweis auf die "Gleichberechtigung" auch atheistischer oder naturalistischer Weltanschauungen im gesellschaftlichen Kontext. Zwar gewinnt unsere Art von Weltanschauungen seit Ockham (Vereinzelte hat es auch vorher schon gegeben) langsam und immer schneller an Boden, aber magische Weltanschauung diktieren nach wie vor das Gesamtgeschehen und es wird noch eine Weile dauern (wir werden es, fürchte ich, nicht mehr erleben), bis der Naturalismus die Oberhand gewinnt. Wir aber leben jetzt und können dementsprechend nur jetzt Einfluß nehmen.
Bei deinem zweiten Posting fragst du mich, warum ich nicht lachen kann ...etc.
O das kann ich sehr wohl, es kommt eben nur darauf an, was er von mir will! Mein Lachen hört aber auf, wenn er anfängt, mich wegen meines "Unglaubens" zu belästigen. Übrigens habe ich oben polemisiert, in Wirklichkeit lasse ich mich mit Religiösen schon lange nicht mehr auf Debatten über meinen Glauben ein, obwohl ich mit jedermann, auch mit Religiösen, gut über das Glauben im Allgemeinen reden kann. Und mein Glaube steht prinzipiell fest, prinzipiell: dh so, wie ich es in der Vorrede gesagt habe, was aber nicht heißt, das ich nicht an den Details ständig am Feilen bin. Was die rationellen Argumente betrifft: zuerst einmal stellt sich die Frage, was das überhaupt heißen soll? Da sich das aber nicht in zwei Sätzen sagen läßt, lasse ich die Frage einmal offen, und ich stelle sie hier nur her als Hinweis darauf, daß große Begriffe immer fragwürdig sind, dh sie sind es wert, immer wieder mal hinterfragt zu werden. Darüber hinaus kann ich dir versichern, daß ich gerade über die Auseinandersetzung mit rationellen Argumenten zu meinem naturalistischen Glauben gekommen bin. Es gab Zeiten (als ich noch Teenager war und sogar später noch), als ich für religiöse Wunschphantasien durchaus empfänglich gewesen war, aber zu meinem großen Glück habe ich schon mit 18 oder 19 eins mit dem großen Nietzsche-Hammer auf den Schädel bekommen und das hat mich für immer geprägt. ... Aber ich mache hier viel zu viel Biographie. Jedenfalls überzeugen mich rationelle Argumente heute nicht mehr, weil ich ja schon überzeugt bin. Da interessieren mich die Unterschiede zwischen rationellen Argumenten schon mehr: auch Rationalisten sind sich ja nicht immer einig, wie du weißt.... Was die zu sagen haben, interessiert mich, nicht, was die Religiösen von sich geben. Die sollen glauben, was sie wollen: solange man mit ihnen als "Menschen" gut auskommt, ist es ok, und als Vertreter einer Weltanschauung nehme ich sie kaum zur Kenntnis.
Zuletzt geändert von Manfred Bibiza am Di 7. Aug 2007, 15:17, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitragvon Manfred Bibiza » Di 7. Aug 2007, 15:11

Andreas Müller hat geschrieben:Das behauptest du einfach so. Wie kommst du auf diese Idee? Kannst du das belegen?


Verzeih mir, aber du drückst dich unklar aus. Worauf beziehen sich deine Fragen: darauf, daß ein Glaube ein elementares Bedürfnis sei, oder daß ein Glaube eine schwer zu begründende Form der Gewißheit sei, oder daß ein Glaube sich auf die Gewißheit, die Wahrheit zu kennen, beziehe?
Nun, wie dem auch sei. Natürlich ist das eine Behauptung. Alle sprachlichen Äußerungen sind implizite Behauptungen. Das "so" aber irritiert mich. Was meinst du mit "so": daß ich mir einen Jux mache?, daß es mir gerade mal so spontan eingefallen sei, daß es "nur so" ins Blaue hineingesprochen sei?
Auf die Idee komme ich, weil ich seit Jahren die unterschiedlichsten Bücher zu solchen Themen lese, und zwischendurch auch mal darüber nachdenke, inwieweit ich mit dem Gelesenen einverstanden sein kann oder nicht. Ich könnte dir jetzt aber ad hoc keine Zitate aus diesen Büchern nennen, die du vielleicht als Beleg gelten lassen würdest. Wenn du willst, kann ich dir aber eine Bücherliste zusammenstellen. Apropos belegen: der beste Beleg, den ich dir liefern kann, den könntest du dir selber liefern, indem du dir zwischendurch mal einen Moment der Ruhe im Kopf gönnst und beobachtest, was du wie tust und denkst.
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Beitragvon Manfred Bibiza » Di 7. Aug 2007, 15:13

schoramyr hat geschrieben:Zu glauben das alles
aus Zufall entstanden ist - ist auch eine Art von Glauben. Dieser Glaube hat auch einen
Gründer und seine Anhänger.


Ja, es ist auch, wie du es nennt, eine Art von Glauben, der seine Anhänger hat. Aber diese Art von Glauben beruht auf strenger wissenschaftlicher Forschung und bezieht sich auf Daten, die Jeder, der sich die Mühe eines gründlichen Studiums macht, selbst nachvollziehen kann. Dieser Umstand macht wissenschaftliche Arbeit auch prinzipiell widerlegbar (es kann immer einer kommen und neue Daten entdecken, die der jeweils gängigen Theorie widersprechen und somit zur Revision zwingen.) Das ist der große Unterschied zu religiösen Glaubensformen, die prinzipiell nicht widerlegbar und daher auch nicht revidierbar sind. Das ist auch der Grund, warum Leute wie wir hier nicht religiös sind.

Übrigens ist die Bezeichnung "Gründer" im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Theorien nicht ganz passend. Besser wäre schon "Begründer". (Ich hoffe aber, du denkst über den feinen Unterschied im Präfix erst selber nach, ehe du uns damit allzusehr auf die Nerven gehst.)
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Beitragvon Pip » Mi 8. Aug 2007, 10:17

Hallo Manfred,

erstmal vielen Dank für deine ausführliche Antwort.

Wir sind uns einig darüber, dass Religion Privatsache sein sollte.

Leider wirst du ja zugeben müssen, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der das nicht der Fall ist. Die Vertreter aller in Deutschland vertretenen Religionen nehmen jeden Tag massiven Einfluss auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Angefangen bei der Indoktrination unserer Kinder, meine Nichte und Neffen werden schon im Kindergarten mit Heiligengeschichten gefüttert, durch religiöse Erziehung in staatlichen Einrichtungen, dem Einfluss der Kirchen auf Wissenschaft und Politik (selbst die Grünen schreiben die christlichen Grundwerte in ihr aktuelles Grundsatzprogramm), die Mitgliedschaft in einer Kirche als zwingende (!) Voraussetzung für den Erhalt des Arbeitsplatzes bei einem Großteil derer, die in Pflegeberufen arbeiten, bis hin zu den Verwirrten, die in Fußgängerzonen predigen und mir Gemeindebriefe in den Briefkasten werfen. All dies in einem angeblich säkularen Staat, finanziert durch die Steuergelder einer nicht religiösen Mehrheit.

Ich glaube nicht, dass die Situation im beschaulichen Wien da eine grundlegend Andere ist.
Du siehst also, dass dich die Religiösen mit ihrer Meinung keineswegs in Ruhe lassen.
Die Augen davor einfach zu verschließen, und so zu tun als ginge dich das alles nichts an, setzt Ignoranz voraus. Dein Begriff von Toleranz deckt sich mit meinem von Gleichgültigkeit.
Tatenlosigkeit ist die denkbar schlechteste, Verleugnung der politischen Realität keine Option.

Deine Auffassung von Würde find ich mehr als fragwürdig. Jemanden wider besseren Wissens in einer Notlage, und was ist Religion Anderes als eine psychische Notlage, zu belassen hat mit Menschenwürde nichts gemein. Deine Aussage „Erst wenn der Betroffene in die Hilfeleistung einwilligt, ist Hilfe gerechtfertigt. Andernfalls ist es würdevoller, jemanden in seiner Krankheit, seinem Unglück, seinem Leiden zu belassen!“ ist an Zynismus nicht zu überbieten, und zeugt erneut von deiner Gleichgültigkeit der Menschheit gegenüber. Ich fühle mich geradezu verpflichtet gegen Intoleranz und Denkverbote, das ist der Kern so ziemlich jeder Religion, als Mittel zur Machtgewinnung und des Machterhaltes (auch ich habe meinen Nietzsche früh gelesen) lautstark zu protestieren. Und natürlich möchte ich überzeugen, weil ich tatsächlich denke, dass diese Welt eine gerechtere und freiere wäre, wenn Religion ausschließlich Privatsache wäre. Dabei lege ich es nicht mal darauf an zu diskutieren. Ich treffe jeden Tag Christen, Moslems, Zeugen Jehovas und eine ganze Reihe esoterischer Spinner die in Missionstätigkeit unterwegs sind. Diesen stillschweigend das Gefühl zu geben das wäre in Ordnung trägt nur zur Verschärfung des Problems bei. Ein schweigender Humanist arbeitet für die Unterdrücker. Daher ist deine abschließende Empfehlung an mich auch gänzlich unbrauchbar. Mal abgesehen davon, dass eine solche Empfehlung in einem Forum einer Bewegung deren erklärtes Ziel es ist:

„Die Gesellschaft dazu zu bewegen, dass sie die vollständige und gleichberechtigte Teilhabe solcher Individuen (gemeint sind Naturalisten) an der Gesellschaft akzeptiert.“
– Startseite der Brights Deutschland
geradezu absurd ist. Wir sind ja hier, weil wir weniger Religion wollen, und nicht nur noch mehr Verständnis für die Vertreter von Intoleranz. Religiöse Diskussionen sind notwendig, Spott über Religionen überall da angebracht, wo versucht wird die Meinungs- und Religionsfreiheit, die auch die Freiheit des Nichtglaubens umfasst, einzuschränken. Das ist in Deutschland, wo z.B. Herr Stoiber nicht müde wird, eine Verschärfung des „Gotteslästerungsparagraphen“ im StGB zu fordern, eigentlich überall der Fall.
Ich hoffe dir ist ein wenig klarer, warum pure Friedfertigkeit nicht angesagt ist. Jeder muss handeln, damit wir auch in Zukunft frei bleiben. Oder, um mit Jiddu Krishnamurti zu sprechen:

„Es wird immer klarer, dass nicht Umweltprobleme, Hungertod und Armut oder die allgemeine Ungerechtigkeit das eigentliche Anliegen sind, sondern die Tatsache, dass die Menschen selber mehr und mehr zum Terror dieser Welt werden. Es sind Menschen, die einander zerstören. Sie spalten sich durch zerstörerische trennende Vorgänge in Klassen und Nationalitäten. […] Wir sind zu einer gegenseitigen Gefahr geworden; denn uns trennen die organisierten Religionen, die Glaubensbekenntnisse und Dogmen mit ihren Ritualen, dieser ganze Unsinn. Kriege, Kriegsvorbereitungen und Atombomben – Sie alle kennen den Schrecken dieser Welt. […] Warum sind wir nach Jahrmillionen der Evolution, in denen wir enormes Wissen und Erfahrung gesammelt haben, immer noch dieselben? Warum leiden wir immer noch, hassen einander immer noch, leben in persönlichen Illusionen? Warum sind wir stammesgebunden, setzen uns für Nationalitäten ein? Wo liegt die Ursache hierfür?“ (Krishnamurti o. J., S. 7–9) Zitat aus Wikipedia

Abschließend möchte ich auch dir eine Empfehlung mit auf den Weg geben:
Wenn du tatsächlich glaubst, dass es würdevoll ist, Menschen in ihrer Unmündigkeit zu belassen, und dass sich die Welt um dich herum nicht ändert nur weil du deine Einstellungen beibehältst solltest du dich an Diskussionen überhaupt nicht beteiligen. Passivität zu predigen ist kontraproduktiv.
Pip
 

Beitragvon HF******* » Mi 8. Aug 2007, 10:37

@Manfred Bibiza:
rational = verstandsbedingt, vernunftbedingt

hat nichts zu tun mit:

rationell= wirtschaftlich
HF*******
 
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Beitragvon Manfred Bibiza » Mi 8. Aug 2007, 18:32

O Gott, welch ein Fauxpas! Da hab' ich wohl die ganze Zeit die falsche Wörterkiste offen gehabt. Zum Glück hast du als aufmerksamer Leser den richtigen Ausdruck eingesetzt!
Zuletzt geändert von Manfred Bibiza am Mi 8. Aug 2007, 19:01, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Manfred Bibiza » Mi 8. Aug 2007, 19:00

Hallo Pip,
deine erregte Replik hat mich sehr berührt, und ich fühle mich aufgefordert, meine Position ein wenig zu präzisieren.

In meinem Freundeskreis gibt es einen praktizierenden Katholiken, der es sich nicht nehmen läßt, am Sonntag in die Abendmesse zu gehen. Wenn wir also Sonntags zu viert oder fünft zusammensitzen, verschwindet er klammheimlich und kommt eine gute Stunde später wieder und setzt sich dazu, als wäre er nur mal eben am Klo gewesen. Er spricht nie über seinen Glauben und würde niemals mit jemand anderem eine Glaubensdebatte anfangen, geschweige denn versuchen zu missionieren, und er mag es nicht einmal, auf seine religiösen Gepflogenheiten angesprochen zu werden.
Auf der anderen Seite gab es in meinem Bekanntenkreis einmal eine Buddhistin, die es, im Gegensatz zu dem eben geschilderten Katholiken, nie lassen konnte, einen in religiöse Gespräche zu verwickeln und sich zu bemühen, die Vorzüge der buddhistischen Religion (tibetische Richtung) zu schildern, und es hätte sie in Verzückung versetzt, wenn du einmal einer ihrer ständigen Einladungen "ins Zentrum" gefolgt wärst. Obwohl die Letztere ansonsten ein netter Kerl war, ging sie mir mit ihrem religiösen Wahn bald so auf die Nerven, daß ich angefangen habe sie zu meiden und inzwischen habe ich seit Jahren keinen Kontakt mehr. Zum Glück war sie keine explizite Missionarin, sonst hätte ich sie vielleicht heute noch am Hals. Mit dem eingangs erwähnten Katholiken dagegen komme ich bestens zurecht, weil er seine Religion ausschließlich als seine Privatsache betrachtet.
Das Argument mit der Hilfe höre ich gelegentlich aber von expliziten Missionaren, manchmal von den Zeugen (jedenfalls glaube ich sind die von den Zeugen), schon öfter von Scientologen, manchmal von den Mormonen, die einen an der Tür belästigen, weil sie mir "helfen wollen, zum rechten Glauben....." usw. Anfangs, dh vor Jahren, als ich mit diesem Unfug die ersten Male konfrontiert wurde, hatte ich mich sogar noch auf Diskussionen eingelassen, jedesmal aber mit der ernüchternden Feststellung, daß sie erstens jedem Argument völlig unzugänglich sind, sie zweitens erst recht in Fahrt kommen, wenn du widersprichst, und du sie drittens nicht mehr los wirst, wenn du ihnen den kleinen Finger reichst. Inzwischen laß ich mich nicht mehr darauf ein, sondern mach die Tür gleich wieder zu und auf der Straße ignoriere ich alle diese (religiösen) Spinner, wie du sie nennst, die Anstalten machen, etwas von mir zu wollen (wobei ich allerdings den Eindruck habe, daß es in letzter Zeit wieder etwas abflaut, jedenfalls hinsichtlich der Religiösen; andere Aufdringliche gibt es natürlich massenweise).
Gut, jedenfalls, wenn ich mit dem Argument geködert werden soll, es sei zu meinem Besten, ... das finde ich am übergriffigsten: nur ich allein entscheide, was für mich gut und besser ist. Und genau darauf wollte ich mit meiner Antwort hinaus: niemandem steht es zu, zu wissen, was für einen Anderen gut und besser ist, und es steht auch niemandem zu, jemanden, der religiös ist, als jemanden zu bezeichnen, der sich in einer "psychischen Notlage" befindet, auch dir nicht und mit dieser Meinung reihst du dich ein in die Kolonnen derjenigen, die du bekämpfst.
Es geht mir hier um eine Differnzierungsleistung der Intentionen: wer will was von den Anderen? Und wie aggressiv geht er dabei vor? Die Intention der Einmischung ist es, die ich nicht vertrage. Und weil ich es nicht für mich vertrage, billige ich es auch dem Anderen zu, es nicht zu vertragen, wenn man sich in seinen Glauben einmischt und ihm das Recht zu diesem Glauben abspricht. Das ist zunächst einmal der Ausgangspunkt für meinen Toleranzbegriff. Er hört auf, wenn sich jemand einmischt. Einem Religiösen vorzuwerfen, er leide, noch dazu an einer "psychischen Notlage" ist auch eine zynische Haltung, - und ebenfalls ein Bekehrungsversuch (zumindest der potentielle Anfang eines solchen). Möglicherweise ist diese Unterstellung dann gerechtfertigt, wenn er es nicht aushält, daß andere etwas Anderes glauben und er deshalb versucht, sie zu bekehren. Solange er sich aber mit seinem Glauben privat unter seinesgleichen zufrieden gibt, ist diese Unterstellung nicht gerechtfertigt, und es steht einem friedlichen Auskommen nichts im Wege.
Etwas ganz Anderes ist das Problem gesetzlicher Zwänge. Zum Wesen der Demokratie gehört zwar, neben dem Recht auf freie Meinungsäußerung, sehr wohl auch das Recht auf freie Religionsausübung. Wenn du gegen dieses Recht protestiert, bist du kein Demokrat. Das Recht auf freie Religionsausübung bedeutet aber nicht - da hast du meine vollste Zustimmung (du hast anscheinend meinen Kommentar nicht ganz zu Ende gelesen oder vielleicht habe ich den Punkt nicht deutlich genug herausgestellt) - daß irgendwelche religiösen Partikel gesetzlich vorgeschrieben werden dürften. Die von dir erwähnten Beispiele sind ein Skandal, denn da haben wir es eben mit der mich so aufregenden Einmischung zu tun, in diesem Fall noch dazu in einer Form, gegen die man sich praktisch kaum wehren kann. Das gehört abgeschafft. Um das aber zu schaffen, nützt es gar nichts, gegen jeden Einzelnen, der dir eine Einladung zum religiösen Kaffeekränzchen in den Briefkasten wirft, scharf vorzugehen. (Das gehört in die Rubrik: das Leben ist immer gefährlich und wenn man hinaus auf die Straße geht, wird man nun einmal mit Gefahren konfrontiert, - wär' andernfalls auch irgendwie langweilig).
In Machtfragen geht es um viel, viel grundsätzlichere Dinge. Hier kann ich dir den Krishnamurti, den du versuchst, gegen mich zu wenden, zurückgeben mit der alles entscheidenden Frage: "was ist die Ursache von all dem?" Das gilt es herauszufinden und zu verstehen. In diesem Sinne meine ich "Verständnis". Das Bekämpfen Einzelner ist nur Symptombekämpfung, (dagegen ist übrigens nichts einzuwenden, wenn du die Energie dafür hast, tu es, ich werde dich nicht daran hindern, aber bringen tut es so gut wie gar nichts, nichts auf der Ebene des Einzelnen, weder gegenüber einem gutmütigen Gläubigen, wie meinen Sonntagskatholiken, und schon gar nicht gegenüber einem expliziten Bekehrer, letzteren stachelst du damit sogar noch an, und das ist kontraproduktiv) Ich denke schon, daß es nötig ist, an die Wurzeln dessen zu gelangen, was einen Glauben (woran auch immer) ausmacht, um ihn wirklich bekämpfen zu können. Solange man nicht versteht, was es heißt "zu glauben", kann es bestenfalls zufällige Einzelerfolge im Kampf gegen den Glauben geben. Diese Wurzeln sind aber auch immer in einem selber angelegt. In einem selber kann man sie am besten studieren. Das Glauben ist das Ergebnis eines Sozialisierungsprozesses, der in der ersten Minute des eigenen Lebens begonnen hat. Und der Kampf dagegen ist auch das Ergebnis dieses selben Sozialisierungsprozesses, nur eben schon einen Schritt weiter. Wichtig scheint mir aber zu sein, zu erkennen, daß man selber auch glaubt, nur an andere Inhalte. Der Impuls aber, den eigenen Glauben anderen aufdrängen zu wollen, ist - unabhängig von den Inhalten - Teil des Glaubensprozesses selbst. Und hier gilt es, meiner Meinung nach anzusetzen, - und das ist ein anderer Kampf, nämlich einer mit sich selbst.
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Beitragvon Pip » Do 9. Aug 2007, 11:05

Hallo Manfred,

als erstes möchte ich klarstellen, dass ich die meiste Zeit doch gänzlich unerregt durchs Leben gehe. Ich bin zwar in Sachen Gelassenheit noch nicht perfekt, aber ich arbeite da so sehr an mir, dass es vielen meiner Freunde, einschließlich meiner Frau, dann doch häufig zu viel wird, und man mir Emotionslosigkeit vorwirft.

Nochmals: Wir sind uns absolut einig, dass Religion Privatsache sein sollte.

Mir käme es nie in den Sinn, jemanden der nicht über Religion spricht, mit meinen Ansichten zu belästigen. Und wie du meinem letzten Post entnehmen kannst, bin ich ein Verfechter der Religionsfreiheit (Wobei mir persönlich die Freiheit von Religion wichtiger ist als die Freiheit der Religionen, die ich nicht nur für falsch, sondern auch für gefährlich halte). Allerdings werde ich fast jeden Tag von fremden Menschen in eigenartiger Kleidung angesprochen, und man versucht meine Seele zu retten. Und genau diesen Menschen begegne ich mit der mir größtmöglichen verbalen Aggressivität, weil diese genau das auch tun, wenn man nicht auf sie reagiert. Und ich lasse mir nicht gerne hinterherbrüllen, dass meine Seele in der Hölle schmoren wird. Wenn die Spinner in Wien da weniger aggressiv sind, kann man euch Österreicher nur beglückwünschen.
Zudem haben diese Diskussionen ja einen nicht unerheblichen Unterhaltungswert, der sich in den in immer gleichen Varianten benutzen Abschlussurteilen meiner religiösen Mitmenschen über mich auch noch messen lässt:

„Irgendwann begreifst auch du Feigling das Gott dich liebt“ - 0 Punkte
„Deine Seele gehört dem Teufel“ – 1 Punkt
„Du bist ein Kind des Teufels“ – 2 Punkte
„Du bist der Teufel“ – 3 Punkte

Bis jetzt hat noch jeder Religiöse die Diskussion mit mir als für ihn sinnlos beendet. (Falls du begreifst, warum Atheismus und das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit feige sind, sag mir bescheid)
Diesen Spaß lässt du dir nehmen?

Was die psychische Notlage betrifft, muss ich leider auf meiner Meinung beharren. Ein Mensch der schon kurz nach der Geburt religiös bearbeitet wird, dies durch die Kindheit und Pubertät hindurch weiter ertragen muss, und das religiöse System dabei nie in Frage stellt, ist spätestens mit Anfang 20 dann soweit, dass er alles schluckt, was die Kirche ihm vorwirft. Und Kirche ist nicht demokratisch, der Vatikan ist der einzige Staat auf europäischem Boden, der die Menschenrechte nicht anerkannt hat, weil der Mensch aus der Sicht der Kirche nicht das Recht hat, sich Rechte zu geben. Dieses Recht hat nur der Pabst, der sich tatsächlich für den unfehlbaren Stellvertreter Gottes hält.
Wir leben in einer Welt, in der Fettleibigkeit in den Industrienationen eines der größten gesellschaftlichen Probleme darstellt, und auf der anderen Seite der Erde verhungern täglich unzählige Menschen. Einen Menschen, dessen Antwort darauf ist den Verhungernden zu taufen, damit wenigstens seine Seele gerettet wird, und sich ansonsten damit zufrieden gibt, dass Gottes Wege unergründlich seinen und ihn das auch alles nichts angeht, nicht für Geisteskrank zu halten widerspricht meinem Weltbild so sehr, dass diese Denkweise für mich nie eine Option darstellen wird. Was diese Menschen antreibt ist nicht Nächstenliebe, Toleranz und Hilfsbereitschaft, sondern Dummheit, Kritiklosigkeit und Autoritätshörigkeit.
Wer sich seines Geistes nicht bedient, ist krank im Geiste. Oder um es mit Albert Einstein zu sagen:
„Um ein tadelloses Mitglied einer Schafsherde sein zu können, muss man in erster Linie ein Schaf sein.“
Nach diesem Prinzip halten sich die Religionen ihre Schäfchen.
Da fühle ich mich verpflichtet, diesen geistig armen Menschen meine Hilfe anzubieten, weil ich selbstverständlich der Meinung bin, dass diese Welt eine bessere wäre, wenn alle Religiösen meinen Standpunkt übernehmen würden, und weil ich der festen Überzeugung bin, dass Religiöse über Religion viel weniger nachdenken als ich. Ob diese Hilfe dann angenommen wird, liegt bei jedem Einzelnen. Ich maße mir nicht an, jemanden gegen seinen Willen zu therapieren, ich bin ja kein Faschist. Da sind wir uns dann wieder einig. Nicht verstehen kann ich, warum du glaubst, dass das nichts bringt. Politik fängt immer beim Einzelnen an, egal in welcher Beziehung. Ich fand es in deinem letzten Post schon verwunderlich, dass du die Auffassung vertrittst, du als Einzelner könnest in der Politik nichts ausrichten. Das ist nicht richtig.
Zu meiner Studienzeit hat die CDU in Hessen Unterschriften für eine Verschärfung des Zuwanderungsrechtes in den Fußgängerzonen gesammelt. Als dann ein Bürger kam, und lautstark fragte wo er gegen Ausländer unterschreiben könne, hat ein einzelner Anruf bei einer Zeitung gereicht, um die komplette hessische CDU in Misskredit zu bringen. Hier hat ein Einzelner große Politik gemacht. Verfalle also bitte nicht dem Irrglauben du hättest keine politische Macht. Die hat jeder, auch wenn die Politik versucht uns das nicht spüren zu lassen (Aber das ist ein erschöpfendes Thema, daher hier nicht mehr).

Einmischung ist oberste Bürgerpflicht, Religion und Weltanschauungen kein Tabu in politischen Diskussionen. Natürlich will ich die Freiheitsrechte eines jeden nicht eingeschränkt wissen, aber zuviel Rücksicht auf die Befindlichkeiten der religiös Verblendeten führt dazu, dass sie glauben unangreifbar im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein.

Was deine lieben Freunde betrifft:
Ein Katholik der nicht über seine Religion spricht, und sich kommentarlos zur Messe verzieht ist eine Rarität. Könnte es sein, dass ihm sein Weltbild irgendwie peinlich ist, er das aber nicht zugeben möchte. Ich kenne tatsächlich einige Leute die aus Rücksicht ihren Eltern und Großeltern gegenüber der RKK angehören, mit dieser aber nichts am Hut haben, und trotzdem Messen besuchen, um den Schein zu wahren. Hier wäre ein klärendes Gespräch sicherlich sinnvoll.
Das Verhalten deiner buddhistischen Freundin verwundert mich überhaupt nicht. Konvertiten waren schon immer die größten Fanatiker. Tatsache ist, dass sich zum Islam Übergetretene bereitwilliger in die Luft sprengen als Menschen die schon ihr ganzes Leben lang Moslem sind. Da wäre bei Zeiten ein Hinweis darauf, dass der Dalai Lama selbst allen westlichen Menschen davon abrät zu Buddhisten zu werden, hilfreich gewesen.

Ich muss jetzt an die Arbeit, falls du ins Kaffeehaus gehst, trink einen Einspänner für mich mit. Da fällt mir ein, dass ich dich fragen wollte, wie das Hawelka ohne Herrn Hawelka auskommt.
Bis dahin

Mario
Pip
 

Beitragvon Mittelklug » Do 9. Aug 2007, 12:01

Wow Pip, du sprichst aus den tiefsten Tiefen meines Produktes aus biologischen Funktionen (Seele) :gott:

Los, weiterschreiben. Will mehr Input. :computer:
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Mittelklug
 
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