stefan2 hat geschrieben:Das erinnert doch an Wittgenstein: "Worüber man nicht reden kann, darüber sollte man schweigen" - ich weiß nicht genau, ob ich das es richtig erinnere. Ich meine, es gehört in seinen "Tractatus". Das ist schon ein erstaunlicher Satz.
Der Schlusssatz des Tractatus lautet genau:
TLP 7:
"Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen."Das hat allerdings etwas Paradoxes an sich, denn wovon man nicht sprechen kann, darüber hat man soeben gesprochen.
Denn ich spreche/schreibe ja hier gerade über dasjenige, worüber man nicht sprechen/schreiben kann.
Über dasjenige, wovon man nicht sprechen kann, kann also sowohl gesprochen als auch nicht gesprochen werden.
Graham Priest bringt diesen Umstand auf den Punkt:
"Whereof one cannot speak, thereof one has just contradicted oneself.""Worüber man nicht sprechen kann, darüber hat man sich soeben widersprochen."(
Priest, Graham.
Beyond the Limits of Thought. 2nd ed. Oxford: Oxford University Press, 2002. p. 233)
Auch Hegel war sich dieser Paradoxie bewusst:
"Es pflegt zuerst viel auf die Schranken des Denkens, der Vernunft u.s.f. gehalten zu werden, und es wird behauptet, es könne über die Schranke nicht hinausgegangen werden. In dieser Behauptung liegt die Bewußtlosigkeit, daß darin selbst, daß etwas als Schranke bestimmt ist, darüber bereits hinausgegangen ist. Denn eine Bestimmtheit, Grenze, ist als Schranke nur bestimmt, im Gegensatz gegen sein Anderes überhaupt, also gegen sein Unbeschränktes ; das Andere einer Schranke ist eben das Hinaus über dieselbe."(Wissenschaft der Logik: 1. Teil: Objektive Logik -> 1. Buch -> 2. Kapitel -> B -> c -> beta -> Die Schranke und das Sollen -> Anmerkung)
"Es ist darum die größte Inkonsequenz, einerseits zuzugeben, daß der Verstand nur Erscheinungen erkennt, und andererseits dies Erkennen als etwas Absolutes zu behaupten, indem man sagt, das Erkennen könne nicht weiter, dies sei die natürliche, absolute Schranke des menschlichen Wissens. Die natürlichen Dinge sind beschränkt, und nur natürliche Dinge sind sie, insofern sie nichts von ihrer allgemeinen Schranke wissen, insofern ihre Bestimmtheit nur eine Schranke für uns ist, nicht für sie. Als Schranke, Mangel wird etwas nur gewußt, ja empfunden, indem man zugleich darüber hinaus ist."(Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, §60)
Wenn es eine absolute Grenze des Verstandes gibt, dann ist diese paradoxerweise sowohl geistig unüberschreitbar als auch geistig überschreitbar, indem das Jenseitige dieser Grenze, das "ganz Andere", notwendigerweise bei ihrem Gedachtwerden mitgedacht wird.
Unsere Verstandesgrenze, unsere, wie ich es nenne, "kognitive Artgrenze", ist also sowohl absolut als auch nichtabsolut.
