Stine, es freut mich, dass Dir einige Absätze meiner Gedanken gefallen haben.
Ich schrieb das ja als Ungläuber, versuchte dabei aber nur über die Schönheit des Am-Leben-Seins zu sprechen. Vielleicht gelang es mir, dies ein wenig phantasievoller zu tun, als manch andere hier. Als Phantast trau ich mich sagen: diesen Modus zu sprechen, über das Dasein und das Universum, das Leben und den ganzen Rest kennen ja alle Menschenzungen, ob nun technokratisch, esoterisch, philosophisch, hochgestochen oder umgangssprachlich, religiös oder politisch.
Niemand hat so schön knapp diese fundamentalen Aspekte der Sprache so doll zusammengedampft wie Ludwig Wittgenstein in »Traktatus logicus-philosophicus« (1921) als er schrieb: »5.6
Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.« — Wenn man unter ›Welt‹ nun mal versteht: die Summe der eigenen totalen tatsächlichen Welterfahrung im Was-der-Fall-ist-Raum, vom Fötus bis zum Tod. Oder banal eben: der eigene Lebensfilm der irgendwann im mythischen Darkroom des Uterus beginnt, wo wir kleine exklusive Disco-Gäste heranreifen, bis zu dem Moment wo die Klappe fällt.
So kann ich durchaus Begriffe wie ›Gott‹ aus anderer Munde hören ohne gleich anzunehmen, dass hier auf jeden Fall nur Blödsinn geschwätzt wird. Eine der interessanten Erfahrungen, die man als bekennender und aufgeschlossener Ungläubiger machen kann, ist festzustellen, die ›normalen Leute und ihre ernsten Gedanken zu Gott und Glauben‹ oftmals viel wohlbehaltener in der Moderne angekommen sind, als amtliche Würdenträger und Amtshengste/stuten der institutionalisierten Religionen. — Und erst recht bei den Künsten finden sich viele Gläubige, ja sogar grenzwertige Fast- oder Schon-Fundamentalisten, die mich Ungläubigen inspirieren und bereichern können (Baltasar Gracian, G.K. Chesterton, J.R.R. Tolkien, Carl Amery); sei es, weil ich von ihnen erhoben werde zu neuen, Herz- und Hirn-bildenden Aussichten, sei es, weil ich ihnen Widerspreche oder mich über ›ihren Schmarrn‹ uffrege.
Das ist wirklich schön für dich und ich danke dir für deine Geduld.
BitteBitte … gern geschehen, und ich danke ebenfalls für die Offenheit zum Dialog.
Wenn du aber mit mir fühlen könntest, wie sehr man sich in Gottes Liebe getragen fühlen kann, dann würdest du dein Leben völlig neu erfinden.
Tja, ich kann mir aufrechte Variationen vorstellen, wie mensch zum Ausdruck bringt
›von Gottes Liebe getragen zu sein‹. Ich nehme für mich aber in Anspruch, dass ich ›Gott‹ wenn, dann nur im übertragenen Sinne gebrauchen würde (als aus Bayern stammender nutz ich die Vokabel sonst eher in guteralen Situationen, z.B. wenn ich beim Nägeleinschlagen daben hau :) ). — Und was das
›Leben neu erfinden angeht‹: wie oft kann oder soll mensch sein Leben neu erfinden? Am Ende einer Sackgasse, einmal neu erfinden und den Weg zurückkehren? Oder jeden Tag, jeden Augenblick neu erfinden? Wo bleibt da die Kontemplation? Was sollte bewahrt werden, wenn man sich immer wieder neu erfindet?
Wiegesagt: wenn ›Gott‹ bedeutet: »Wo (mein) Leben ist, da ist noch Hoffnung«, dann glaube ich auch an Gott. Könnte man auch ›konvivialen Fatalismus‹ nennen. Der Kritik gerade mit so einer Glaubenshaltung zu RKK zu gehen, stimme ich zwar zu, rufe aber Dir, Stine, ehrlich gemeint zu: Krempel den Laden auf und hilf mit, mit dem großen Staubwedel durch die Hirn- und Herzkästen der krichlichen Authorität der einzig seeligmachenden Mutter zu putzen. Wäre ich Kathole, wär ich wohl einer von dem Flügel, der gegen die ganzen Geheimhalt- & Privilegienpielchen, gegen manch seltsame Haltung zu (jeweiligen) Patriotismen und schrägen, gewundenen Haltungen gegenüber Weltkrieg II-Rückstand, gegen Homophobie und Paternalismus, gegen Frauen-, Familien- und Kunstverständnis der momentanen offiziellen RKK anstänkern. — Eigentlich eine gar nicht so doofe Idee: als Bright extra U-Boot-Kathole werden, um die RKK humanistisch voranzubringen. (Ich les zu viel Räuberpistolen und Comics ;) )
Grüße
Alex / molo