Weil davon sicherlich noch nicht jeder etwas gehört hat, hier die Kurzfassung: Frank Jackson hat in seinem Aufsatz "Epiphenomenal Qualia" ein anti-physikalistisches Argument vorgebracht (Fachtermini einfach erstmal ignorieren), und mit folgendem Gedankenexperiment illustriert: Mary ist eine geniale Neurowissenschaftlerin, die sich auf Farben spezialisiert hat - sie kennt alle physikalischen Details, die in irgendeinem Zusammenhang mit der Farbwahrnehmung stehen. Und zwar alle Details, die man dazu jemals wissen kann. Dummerweise lebt Mary seit ihrer Geburt in einem unterirdischen Raum, in dem es keinerlei Farben gibt. Ihre komplette Kommunikation mit anderen Menschen erfolgt ausschließlich mithilfe eines Schwarz-Weiß-Monitors. Kurz gesagt: Mary hat noch nie eine Farbe gesehen.
Nun verläßt Mary ihren Raum und steht, kaum an der freien Luft, vor einer knallbunten Blumenwiese. Sie sieht das erste Mal Farben. Sie erlebt also etwas Neues - nämlich Farbqualia, d.h. ein Roterlebnis, ein Grünerlebnis, usw. (Qualia sind, so die Theorie, kleinste Bewußtseinseinheiten, so etwas wie Atome des Geistes.)
Daraus folgt, daß man etwas wissen kann, das nicht physikalisches Wissen ist. Der Physikalismus ist daher falsch.
Physikalismus: Der Begriff wird in der Philosophie analog zu Materialismus oder Naturalismus verwendet. Für dieses Gedankenexperiment ist aber dieser Unterschied zu beachten:
Metaphysischer oder ontologischer Physikalismus: Alles, was ist, ist physikalisch.
Epistemischer Physikalismus: Jedes Wissen ist Wissen über etwas Physikalisches.
In Jacksons Experiment geht es um epistemischen Physikalismus. Wenn Mary alles Physikalische weiß, aber etwas Neues lernt, dann gibt es nicht-physikalisches Wissen. Der epistemische Physikalismus ist damit widerlegt.
Auf den Punkt gebracht:
(1) Sämtliches physikalisches Wissen ist Mary bekannt.
(2) Es gibt Wissen, das Mary nicht bekannt ist.
-> (3) Es gibt nicht-physikalisches Wissen.
--> (4) Der epistemische Physikalismus ist falsch.
Dieses Argument läßt sich widerlegen, indem man eine oder beide der Prämissen (1) und (2) widerlegt, oder indem man den Zwischenschritt (3) oder den Schluß (4) angreift.
Wie würdet ihr das Problem angehen?
Was mich noch speziell verwirrt: Was machen wir mit dem epistemischen Physikalismus (oder Naturalismus)? Kann man Physikalist sein, wenn der epistemische Physikalismus falsch ist?
Die Unterscheidung ist interessant: Alle physikalischen Details zu kennen ist etwas anderes als alle physikalischen Details zu haben. Im ersten Falle hat man z.B. nur darüber gelesen, im zweiten Falle hat man die entsprechenden neuronalen Zustände. Ist es dann nicht ein Kategorienfehler, vom Kennen aller physikalischen Details zum Nichthaben eines phänomenalen Details (also etwa einem Rotquale) zu springen? Ist das Nichthabenkönnen dieser phänomenalen Details gleich ein Beleg dafür, daß diese nicht-physikalisch sind? Mir scheint da zwischen epistemischem und metaphysischem Physikalismus unzulässig herumgesprungen zu werden.
Ich hoffe, das ist nicht zu wirr...
