Mary's Room

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Beitragvon Falk » Mi 7. Nov 2007, 22:12

Einen "Leib-Seele-Problematik-Thread" haben wir schon, aber die grundlegendere Frage nach dem phänomenalen Bewußtsein sind wir noch gar nicht richtig angegangen. Da ich derzeit ein Referat dazu vorbereite, nutze ich den Anlaß, hiermit Abhilfe zu schaffen. Als Aufhänger macht sich mein konkretes Referatsthema sehr gut: Mary's Room - oder: das Knowledge Argument.

Weil davon sicherlich noch nicht jeder etwas gehört hat, hier die Kurzfassung: Frank Jackson hat in seinem Aufsatz "Epiphenomenal Qualia" ein anti-physikalistisches Argument vorgebracht (Fachtermini einfach erstmal ignorieren), und mit folgendem Gedankenexperiment illustriert: Mary ist eine geniale Neurowissenschaftlerin, die sich auf Farben spezialisiert hat - sie kennt alle physikalischen Details, die in irgendeinem Zusammenhang mit der Farbwahrnehmung stehen. Und zwar alle Details, die man dazu jemals wissen kann. Dummerweise lebt Mary seit ihrer Geburt in einem unterirdischen Raum, in dem es keinerlei Farben gibt. Ihre komplette Kommunikation mit anderen Menschen erfolgt ausschließlich mithilfe eines Schwarz-Weiß-Monitors. Kurz gesagt: Mary hat noch nie eine Farbe gesehen.
Nun verläßt Mary ihren Raum und steht, kaum an der freien Luft, vor einer knallbunten Blumenwiese. Sie sieht das erste Mal Farben. Sie erlebt also etwas Neues - nämlich Farbqualia, d.h. ein Roterlebnis, ein Grünerlebnis, usw. (Qualia sind, so die Theorie, kleinste Bewußtseinseinheiten, so etwas wie Atome des Geistes.)
Daraus folgt, daß man etwas wissen kann, das nicht physikalisches Wissen ist. Der Physikalismus ist daher falsch.

Physikalismus: Der Begriff wird in der Philosophie analog zu Materialismus oder Naturalismus verwendet. Für dieses Gedankenexperiment ist aber dieser Unterschied zu beachten:
Metaphysischer oder ontologischer Physikalismus: Alles, was ist, ist physikalisch.
Epistemischer Physikalismus: Jedes Wissen ist Wissen über etwas Physikalisches.

In Jacksons Experiment geht es um epistemischen Physikalismus. Wenn Mary alles Physikalische weiß, aber etwas Neues lernt, dann gibt es nicht-physikalisches Wissen. Der epistemische Physikalismus ist damit widerlegt.

Auf den Punkt gebracht:
(1) Sämtliches physikalisches Wissen ist Mary bekannt.
(2) Es gibt Wissen, das Mary nicht bekannt ist.
-> (3) Es gibt nicht-physikalisches Wissen.
--> (4) Der epistemische Physikalismus ist falsch.

Dieses Argument läßt sich widerlegen, indem man eine oder beide der Prämissen (1) und (2) widerlegt, oder indem man den Zwischenschritt (3) oder den Schluß (4) angreift.

Wie würdet ihr das Problem angehen?

Was mich noch speziell verwirrt: Was machen wir mit dem epistemischen Physikalismus (oder Naturalismus)? Kann man Physikalist sein, wenn der epistemische Physikalismus falsch ist?

Die Unterscheidung ist interessant: Alle physikalischen Details zu kennen ist etwas anderes als alle physikalischen Details zu haben. Im ersten Falle hat man z.B. nur darüber gelesen, im zweiten Falle hat man die entsprechenden neuronalen Zustände. Ist es dann nicht ein Kategorienfehler, vom Kennen aller physikalischen Details zum Nichthaben eines phänomenalen Details (also etwa einem Rotquale) zu springen? Ist das Nichthabenkönnen dieser phänomenalen Details gleich ein Beleg dafür, daß diese nicht-physikalisch sind? Mir scheint da zwischen epistemischem und metaphysischem Physikalismus unzulässig herumgesprungen zu werden.

Ich hoffe, das ist nicht zu wirr... :crazy:
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Re: Mary's Room

Beitragvon Peter Janotta » Mi 7. Nov 2007, 22:42

Mich würde nicht wundern, dass Mary auch wenn sie das erste Mal Farben sehen sollte, keine mehr sehen kann, weil sich der entsprechende Teil des Gehirns wegen mangelnder Benutzung nicht entwickeln konnte. Aber bitte nicht falsch verstehen: Ich weis das nicht, reine Spekulation!

Außerdem kann man Farben auch wahrnehmen ohne, dass man wirklich farbiges Licht ins Auge bekommt. Zum Beispiel wenn man Kreislaufprobleme hat oder auf seinen geschlossenen Augen rumdrückt. (Nicht zu lange ausprobieren, ist bestimmt nicht gut fürs Auge)

Davon abgesehen sagt der Physikalismus nicht gerade, dass es eine objektive Welt gibt, die unabhängig von der Wahrnehmung ist? D.h. das es geht nicht nur darum was man weis oder erfahren hat, sondern darum was prinzipiel erfahrbar ist.
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Re: Mary's Room

Beitragvon ostfriese » Mi 7. Nov 2007, 23:15

Falk, sehr spannend!

Mary hat tatsächlich etwas hinzugelernt, sie kann jetzt gelbe Oberflächen von roten unterscheiden, scheinbar ohne die Wellenlänge des abgestrahlten Lichts zu messen. In Wirklichkeit aber sorgt ihr Gehirn eben doch aufgrund der -- auf die sinnliche Peripherie projizierten -- physikalischen Informationen für eine interne Rekonstruktion der physikalischen Realität, und alle Vorgänge, die dabei ablaufen, sind selbst physikalischer Natur. Jede Information hat materiell-energetische Träger, Wissen vermittelt sich somit immer physikalisch (sofern der ontologische Physikalismus zutrifft).

Demnach wäre meine Frage, was das eigentlich sein soll: "nicht-physikalisches Wissen"? Wenn es ein Wissen ohne Träger nicht gibt, existiert für mich auch kein nichtphysikalisches Wissen.

Problematisch ist auch die Prämisse, Mary hätte alle physikalischen Informationen über Licht. Wenn sie wirklich alle hätte, dann wüsste sie auch, wie das Gehirn die Impulse auswertet, die durch Lichtquantenbeschuss der Sehnervenzellen entstehen. Und dann hätte sie beim Farbsehen nichts dazu gelernt.

Der Wissensbereich "Licht" ist nicht abgrenzbar von bestimmten möglichen Wirkungen (in dem Fall den Folgewirkungen innerhalb des Gehirns), da wir ohne physikalische Wirkungen überhaupt kein Wissen über wirkliches Licht hätten.

So weit als erstes Brainstorming...
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Re: Mary's Room

Beitragvon Tapuak » Mi 7. Nov 2007, 23:33

ostfriese hat geschrieben:In Wirklichkeit aber sorgt ihr Gehirn eben doch aufgrund der -- auf die sinnliche Peripherie projizierten -- physikalischen Informationen für eine interne Rekonstruktion der physikalischen Realität, und alle Vorgänge, die dabei ablaufen, sind selbst physikalischer Natur.

Eben, und daher sehe ich auch nicht, wo da eine Widerlegung des Physikalismus sein soll.

Ich verstehe auch nicht richtig, was in diesem Zusammenhang mit "physikalischem Wissen" gemeint ist. Wäre hier nicht eine Unterscheidung zwischen "intersubjektiv zugänglichem Wissen" und "subjektiven Empfindungen" sinnvoller als zwischen "physikalisch" und "nicht-physikalisch"?
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Re: Mary's Room

Beitragvon Myron » Do 8. Nov 2007, 01:33

Falk hat geschrieben:Mary's Room - oder: das Knowledge Argument.


Siehe:

http://www.iep.utm.edu/k/know-arg.htm

http://plato.stanford.edu/entries/physicalism/#12

Falk hat geschrieben:Weil davon sicherlich noch nicht jeder etwas gehört hat, hier die Kurzfassung: Frank Jackson hat in seinem Aufsatz "Epiphenomenal Qualia" ein anti-physikalistisches Argument vorgebracht (Fachtermini einfach erstmal ignorieren), und mit folgendem Gedankenexperiment illustriert: Mary ist eine geniale Neurowissenschaftlerin, die sich auf Farben spezialisiert hat - sie kennt alle physikalischen Details, die in irgendeinem Zusammenhang mit der Farbwahrnehmung stehen. Und zwar alle Details, die man dazu jemals wissen kann. Dummerweise lebt Mary seit ihrer Geburt in einem unterirdischen Raum, in dem es keinerlei Farben gibt. Ihre komplette Kommunikation mit anderen Menschen erfolgt ausschließlich mithilfe eines Schwarz-Weiß-Monitors. Kurz gesagt: Mary hat noch nie eine Farbe gesehen.
Nun verläßt Mary ihren Raum und steht, kaum an der freien Luft, vor einer knallbunten Blumenwiese. Sie sieht das erste Mal Farben. Sie erlebt also etwas Neues - nämlich Farbqualia, d.h. ein Roterlebnis, ein Grünerlebnis, usw. (Qualia sind, so die Theorie, kleinste Bewußtseinseinheiten, so etwas wie Atome des Geistes.)
Daraus folgt, daß man etwas wissen kann, das nicht physikalisches Wissen ist. Der Physikalismus ist daher falsch.
(...)
Auf den Punkt gebracht:
(1) Sämtliches physikalisches Wissen ist Mary bekannt.
(2) Es gibt Wissen, das Mary nicht bekannt ist.
-> (3) Es gibt nicht-physikalisches Wissen.
--> (4) Der epistemische Physikalismus ist falsch.

Dieses Argument läßt sich widerlegen, indem man eine oder beide der Prämissen (1) und (2) widerlegt, oder indem man den Zwischenschritt (3) oder den Schluß (4) angreift.

Wie würdet ihr das Problem angehen?


Der erste Einwand, der mir in den Sinn kommt, ist der, dass hier die Mehrdeutigkeit des Wissensbegriffs ignoriert wird, und dass das Argument nur aufgrund ebendieser Ignorierung stichhaltig erscheint.
Es gibt bekanntlich drei grundlegende Arten von Wissen:
1) Theoretisches Wissen, Aussagenwissen (propositional knowledge), d.i. Kenntnis wahrer Aussagen: Wissen-dass
2) Praktisches Wissen, Handlungswissen: Wissen-wie-es-geht
3) Phänomenelles Wissen, Erlebniswissen: Wissen-wie-es-ist

Mary's physikalisches Wissen ist theoretischer Natur, und sie besitzt alles physikalisches Wissen, das ein Mensch besitzen kann.
Selbst wenn man aus dem vollständigen physikalischen Aussagenwissen apriorisch das vollständige nichtphysikalische Aussagenwissen ableiten kann, so folgt daraus keineswegs, dass man apriorisch aus physikalischem Aussagenwissen irgendein Erlebniswissen ableiten kann. Zum Beispiel kann ein männlicher Professor für Gynäkologie, der alles theoretische Wissen über den Geburtsvorgang besitzt, niemals erleben, wie es aus subjektiver Perspektive ist, wie es sich anfühlt, ein Kind zu gebären.
Dass ihm dieses Erlebniswissen notwendigerweise abgeht, bedeutet aber doch in keiner Weise, dass sein gynäkologisches Aussagenwissen deshalb unvollständig ist; denn Aussagenwissen ist nicht gleich Erlebniswissen.

Sehen wir uns das Argument also noch einmal an:

(1) Sämtliches physikalisches Wissen ist Mary bekannt.
(2) Es gibt Wissen, das Mary nicht bekannt ist.
-> (3) Es gibt nicht-physikalisches Wissen.
--> (4) Der epistemische Physikalismus ist falsch.

Wenn man nun die oben unzulässigerweise ignorierte Unterscheidung zwischen Aussagen- und Erlebniswissen berücksichtigt, erhält man:

(1) Sämtliches physikalisches Aussagenwissen ist Mary bekannt.
(2) Es gibt Erlebniswissen, das Mary nicht bekannt ist.
-> (3) Es gibt nicht-physikalisches Wissen.
--> (4) Der epistemische Physikalismus ist falsch.

In diesem Licht erscheint das Argument nicht mehr folgerichtig und damit als ein Fehlschlag.
Denn es ist nicht ersichtlich, inwiefern die physikalistische These, dass das vollständige physikalische Aussagenwissen das vollständige theoretische Weltwissen impliziert, mit der These unvereinbar sein sollte, dass sich aus objektivem, theoretischem Aussagenwissen kein subjektives, phänomenelles Erlebniswissen gewinnen lässt.

Das Argument scheitert meines Erachtens an der stillschweigenden Annahme, dass es sich bei der Art von Wissen, das Mary gewinnt, wenn sie zum ersten Mal Farben sieht, um die gleiche Art von Wissen wie bei ihrem physikalischen Wissen handelt.
Doch das ist schlicht und ergreifend nicht der Fall. Sie hat kein nicht-physikalisches Aussagenwissen hinzugewonnen, sondern ein bestimmtes Erlebniswissen, das aus reinem Aussagenwissen prinzipiell logisch unableitbar ist.
Kurzum, eine erfolgreiche Widerlegung des Physikalismus kann ich in dem Argument beim besten Willen nicht erkennen.
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Re: Mary's Room

Beitragvon Myron » Do 8. Nov 2007, 01:50

Falk hat geschrieben:Die Unterscheidung ist interessant: Alle physikalischen Details zu kennen ist etwas anderes als alle physikalischen Details zu haben. Im ersten Falle hat man z.B. nur darüber gelesen, im zweiten Falle hat man die entsprechenden neuronalen Zustände. Ist es dann nicht ein Kategorienfehler, vom Kennen aller physikalischen Details zum Nichthaben eines phänomenalen Details (also etwa einem Rotquale) zu springen? Ist das Nichthabenkönnen dieser phänomenalen Details gleich ein Beleg dafür, daß diese nicht-physikalisch sind? Mir scheint da zwischen epistemischem und metaphysischem Physikalismus unzulässig herumgesprungen zu werden.


Ich kann als Physikalist ohne Widerspruch sowohl behaupten, dass das subjektiv-phänomenelle Erleben auf objektiven neurophysiologisch-physischen Bedingungen superveniert, d.h. dass z.B. die phänomenelle Art und Weise des Farberlebens von physischen Faktoren bestimmt wird, als auch, dass selbst das vollständige theoretische Aussagenwissen über all die objektiven Faktoren das praktische Erlebniswissen bezüglich Farben nicht ersetzen kann.
Um zu wissen, wie es ist, Farbempfindungen zu haben, genügt es einfach nicht, alles theoretische physikalische Wissen über Farben zu haben.
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Re: Mary's Room

Beitragvon ostfriese » Do 8. Nov 2007, 02:31

Myron hat geschrieben:Um zu wissen, wie es ist, Farbempfindungen zu haben, genügt es einfach nicht, alles theoretische physikalische Wissen über Farben zu haben.

Man könnte auch sagen: Mit der Farbempfindung lernt Mary nichts über Farben, sondern bloß über jene Bewusstseinselemente, die man Qualia nennt. Wer diese als nichtphysikalisch erachtet, sollte angeben können, von welcher Beschaffenheit sie stattdessen sind und auf welchem Wege sie dann -- offensichtlich -- von äußeren Phänomenen hervorgerufen werden können.

So lange das nicht geklärt ist, besteht kein Anlass, an die Existenz von Nichtphysikalischem zu glauben. Wir müssen lediglich einsehen, dass Selbsterkenntnis ein furchtbar schwieriges Feld ist...
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Re: Mary's Room

Beitragvon Myron » Do 8. Nov 2007, 02:47

ostfriese hat geschrieben:So lange das nicht geklärt ist, besteht kein Anlass, an die Existenz von Nichtphysikalischem zu glauben.


Beziehungsweise an die Existenz von Nichtphysischem, das nicht vom Physischen abhängig ist (d.i. nicht darauf "superveniert").
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Re: Mary's Room

Beitragvon Peter Janotta » Do 8. Nov 2007, 10:20

Das tatsächliche Erkennen der Farben ist eigentlich ja nur die experimentelle Bestätigung des theoretisch Hervorgesagten.
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Re: Mary's Room

Beitragvon Falk » Do 8. Nov 2007, 14:46

@Peter
Außerdem kann man Farben auch wahrnehmen ohne, dass man wirklich farbiges Licht ins Auge bekommt. Zum Beispiel wenn man Kreislaufprobleme hat oder auf seinen geschlossenen Augen rumdrückt. (Nicht zu lange ausprobieren, ist bestimmt nicht gut fürs Auge)

Ja, allerdings ist das Gedankenexperiment ja so konstruiert, daß Mary noch nie Farben gesehen hat, also auch nicht mithilfe der von dir geschilderten Methoden. Vielleicht ist es eindeutiger zu sagen: Mary hatte noch nie die neuronalen Zustände, die man hat, wenn man ein Farberlebnis hat.

Davon abgesehen sagt der Physikalismus nicht gerade, dass es eine objektive Welt gibt, die unabhängig von der Wahrnehmung ist? D.h. das es geht nicht nur darum was man weis oder erfahren hat, sondern darum was prinzipiel erfahrbar ist.

Farben sind freilich nicht unabhängig von der Wahrnehmung - "in der Welt" gibt es nur Lichtwellen in verschiedenen Frequenzen, sowie Stäbchen und Zapfen, ferner Neuronen, usw. Farbe entsteht erst im Zusammenspiel all dieser objektiv vorhandenen "Dinge", d.h. in der Wahrnehmung.

@ostfriese
Demnach wäre meine Frage, was das eigentlich sein soll: "nicht-physikalisches Wissen"? Wenn es ein Wissen ohne Träger nicht gibt, existiert für mich auch kein nichtphysikalisches Wissen.

Physikalisches Wissen meint Wissen über Physikalisches - ob Wissen selbst physikalisch ist oder nicht, ist eine Frage des metaphysischen Physikalismus. Der epistemische Physikalismus berührt hingegen die Frage, ob es Wissen gibt, daß sich auf Nicht-Physikalisches bezieht ("nicht-physikalisches Wissen").

Problematisch ist auch die Prämisse, Mary hätte alle physikalischen Informationen über Licht. Wenn sie wirklich alle hätte, dann wüsste sie auch, wie das Gehirn die Impulse auswertet, die durch Lichtquantenbeschuss der Sehnervenzellen entstehen. Und dann hätte sie beim Farbsehen nichts dazu gelernt.

Ist das so? Mary weiß durchaus alles, das es über neuronale Vorgänge zu wissen gibt - aber durch dieses Wissen allein kommt sie noch nicht dazu, zu wissen, wie es ist, ein Farberlebnis zu haben. Dieses Erlebnis lernt sie dann kennen:
Mit der Farbempfindung lernt Mary nichts über Farben, sondern bloß über jene Bewusstseinselemente, die man Qualia nennt. Wer diese als nichtphysikalisch erachtet, sollte angeben können, von welcher Beschaffenheit sie stattdessen sind und auf welchem Wege sie dann -- offensichtlich -- von äußeren Phänomenen hervorgerufen werden können.

So lange das nicht geklärt ist, besteht kein Anlass, an die Existenz von Nichtphysikalischem zu glauben.

Das stimmt - aber es soll nicht behauptet werden, daß es etwas Nichtphysikalisches gebe, sondern vielmehr, daß die Behauptung, es gebe nur Physikalisches falsch sei. Der Unterschied ist, daß man nur von dem Ersten verlangen könnte, er müsse zeigen, was Qualia sonst sind. Die zweite These ist aber durchaus plausibel, auch ohne angeben zu können, was Quali genau sind.

@Myron
Dein Einwand funktioniert, wenn sich der epistemische Physikalismus ausschließlich auf Aussagenwissen bezieht. Aber müßte ein solcher Physikalismus nicht für jede Art des Wissens greifen? D.h. daß sich auch zeigen lassen müßte, daß jedes Erlebniswissen und Handlungswissen sich auf Physikalisches bezieht. Im Falle von Handlungen scheint mir das problemlos machbar. Anders mit Erlebnissen: Eine Grundannahme hier ist ja gerade, daß Erlebnisse wie das Roterlebnis, also Qualia, nicht physikalischer Natur sind.
Man könnte das Argument dann so verkürzen, daß der epistemische Physikalismus falsch ist, weil es Erlebniswissen gibt, und Erlebnisse nicht physikalisch sind.

Ich kann als Physikalist ohne Widerspruch sowohl behaupten, dass das subjektiv-phänomenelle Erleben auf objektiven neurophysiologisch-physischen Bedingungen superveniert, d.h. dass z.B. die phänomenelle Art und Weise des Farberlebens von physischen Faktoren bestimmt wird, als auch, dass selbst das vollständige theoretische Aussagenwissen über all die objektiven Faktoren das praktische Erlebniswissen bezüglich Farben nicht ersetzen kann.
Um zu wissen, wie es ist, Farbempfindungen zu haben, genügt es einfach nicht, alles theoretische physikalische Wissen über Farben zu haben.

Das scheint mir meinen Gedanken zu entsprechen, und auch ein besserer Einwand zu sein, als der andere von dir vorgebrachte. Grob gesagt kann man eingestehen, daß der epistemische Physikalismus falsch ist (weil Erlebniswissen aus physikalischem Aussagenwissen nicht ableitbar ist, es daher nicht-physikalisches Wissen gibt), aber dennoch am metaphysischen Physikalismus festhalten (weil sich Erlebniswissen auf Physikalisches reduzieren läßt, indem man etwa sagt, daß mentale Zustände auf neuronale Zustände supervenieren). Oder?

€: Ergänzung zu Myrons Links:
http://plato.stanford.edu/entries/qualia-knowledge/
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Re: Mary's Room

Beitragvon ostfriese » Do 8. Nov 2007, 15:29

Falk hat geschrieben:Physikalisches Wissen meint Wissen über Physikalisches

Moment mal: Dann wäre nichtphysikalisches Wissen ein Wissen über Nichtphysikalisches. Und dann wäre nicht nur der epistemische, sondern auch der ontologische Physikalismus angegriffen.

Somit trüge jener Angreifer die klare Beleglast für die Existenz von Nichtphysikalischem. Dafür aber taugt Mary's Room nicht, sonst wäre jegliche Form von Bewusstsein schon ein Beleg für die Unhaltbarkeit des Monismus.

Falk hat geschrieben:es soll nicht behauptet werden, daß es etwas Nichtphysikalisches gebe, sondern vielmehr, daß die Behauptung, es gebe nur Physikalisches falsch sei.

Das ist wegen "tertium non datur" eine logisch äquivalente Behauptung.

Ich bin mittlerweile ziemlich sicher, dass ein Teil meines "ersten Brainstormings" den Nagel auf den Kopf trifft. Die Prämisse, Mary könnte alles physikalische Wissen über Licht haben, ohne daraus die hirnorganische Erzeugung von Bewusstseinszuständen ableiten und im eigenen Schädel simulieren (!) zu können, ist falsch. Wenn sie die Qualia der Farbwahrnehmung nicht intern simulieren kann, dann verfügt sie aus naturalistischer Sicht nicht über ein vollständiges Licht-Wissen, denn die Qualia sind eine physikalische Wirkung des Lichts, und alles Wissen über Licht beruht auf seinen Wirkungen. So einfach ist die Lösung.

Weiter gedacht: Wir verfügen in keinem Wirklichkeitsbereich über vollständiges Wissen, wenn wir nicht auch die Mechanismen der Erkenntnis-Konstruktion im Gehirn vollständig verstehen. In der Hinsicht bin ich übrigens Pessimist: Wir werden sie nie vollständig verstehen!
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Re: Mary's Room

Beitragvon spacetime » Do 8. Nov 2007, 16:10

Warum eigentlich Mary? Das ist genau das Problem, einem von Geburt an blinden Menschen zu erklären was Farben sind. Informationen über unsere Umwelt nehmen wir über Sinne wahr, fehlt einer dieser Sinne, ist es unmöglich jemanden zu erklären wie es ist, diese Informationen zu verarbeiten. Stellen wir uns doch gleich einen Menschen ohne jegliche Sinne vor.

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Re: Mary's Room

Beitragvon Myron » Do 8. Nov 2007, 17:00

Falk hat geschrieben:@Myron
Dein Einwand funktioniert, wenn sich der epistemische Physikalismus ausschließlich auf Aussagenwissen bezieht. Aber müßte ein solcher Physikalismus nicht für jede Art des Wissens greifen? D.h. daß sich auch zeigen lassen müßte, daß jedes Erlebniswissen und Handlungswissen sich auf Physikalisches bezieht. Im Falle von Handlungen scheint mir das problemlos machbar. Anders mit Erlebnissen: Eine Grundannahme hier ist ja gerade, daß Erlebnisse wie das Roterlebnis, also Qualia, nicht physikalischer Natur sind.
Man könnte das Argument dann so verkürzen, daß der epistemische Physikalismus falsch ist, weil es Erlebniswissen gibt, und Erlebnisse nicht physikalisch sind.


Ich würde sagen, der epistemische Physikalismus (das ist keine sonderlich weit verbreitete Bezeichnung, oder?) ist schon allein deshalb falsch, weil es kein mathematisches Wissen gäbe, wenn er wahr wäre. Denn mathematisches Wissen bezieht sich auf nichtphysische, abstrakte Objekte. Da sich aber in meinen Augen die Existenz von mathematischem Wissen schlecht bestreiten lässt (Wir wissen z.B., dass 1 + 1 = 2, wobei 2 kein physisches Objekt ist), muss der epistemische Physikalismus falsch sein.

Was nun die Wahrnehmungserlebnisse anbelangt, würde ich sagen, dass diese sowohl psychischer als auch physischer Natur, d.i. psychophysischer Natur sind. Etwas Psychophysisches ist etwas Physisches, aber eben nicht etwas rein objektiv Physisches. Der objektive Aspekt eines Farberlebnisses lässt sich in der Sprache der Neurophysiologie beschreiben, während sich der subjektive Aspekt nur in der Sprache der Phänomenologie beschreiben lässt. Dabei superveniert die subjektive Qualität, die Phänomenalität des Erlebnisses auf objektiven neurophysiologischen Vorgängen, d.h. Letztere bestimmen die Art und Weise, wie es ist, bestimmte Wahrnehmungserlebnisse wie Farbempfindungen zu haben. Somit bleibt die universelle metaphysische Supervenienz-These des Physikalismus gewahrt.

"Flanagan (1992) distinguishes metaphysical physicalism from linguistic physicalism. While metaphysical physicalism is the ontological claim that there are no non-physical individuals, properties or relations and no non-physical facts, linguistic physicalism says that 'everything physical can be expressed or captured in the languages of the physical sciences'. According to Flanagan Mary's case may refute linguistic physicalism but does not refute metaphysical physicalism."
(http://plato.stanford.edu/entries/qualia-knowledge/#4.2)

Ich sage, psychische Erlebnisse sind als psychophysische Ereignisse zwar auch physische Ereignisse, aber ihr irreduzibel subjektiver Aspekt lässt sich nicht mittels der objektivistischen Sprache der Physik ausdrücken.
Von daher lehne ich das, was Flanagan "linguistischer Physikalismus" nennt, ab und befürworte den Prädikatsdualismus, der aber keinem ontologischen Eigenschafts- oder gar Substanzdualismus gleichkommt.

Falk hat geschrieben:
Ich kann als Physikalist ohne Widerspruch sowohl behaupten, dass das subjektiv-phänomenelle Erleben auf objektiven neurophysiologisch-physischen Bedingungen superveniert, d.h. dass z.B. die phänomenelle Art und Weise des Farberlebens von physischen Faktoren bestimmt wird, als auch, dass selbst das vollständige theoretische Aussagenwissen über all die objektiven Faktoren das praktische Erlebniswissen bezüglich Farben nicht ersetzen kann.
Um zu wissen, wie es ist, Farbempfindungen zu haben, genügt es einfach nicht, alles theoretische physikalische Wissen über Farben zu haben.

Das scheint mir meinen Gedanken zu entsprechen, und auch ein besserer Einwand zu sein, als der andere von dir vorgebrachte. Grob gesagt kann man eingestehen, daß der epistemische Physikalismus falsch ist (weil Erlebniswissen aus physikalischem Aussagenwissen nicht ableitbar ist, es daher nicht-physikalisches Wissen gibt), aber dennoch am metaphysischen Physikalismus festhalten (weil sich Erlebniswissen auf Physikalisches reduzieren läßt, indem man etwa sagt, daß mentale Zustände auf neuronale Zustände supervenieren). Oder?


Ich kann allein durch theoretisches Wissen keine praktischen Erlebnisse und damit kein entsprechendes Erlebniswissen erzeugen. Das ist logisch unmöglich.
Meinetwegen kann man Erlebniswissen als nicht-physikalisches, phänomenologisches Wissen bezeichnen. Doch dies bedeutet nicht, dass Wahrnehmungserlebnisse keine objektiven physischen Aspekte aufweisen.
Zu sagen, Erlebniswissen sei nicht-physikalisch (in dem Sinne, dass es sich dabei um kein objektives physikalisches Aussagenwissen handelt), ist eine Sache, und zu sagen, Erlebnisse seien nicht-physisch, eine andere.
Als (non-reduktionistischer) Physikalist kann ich ohne Widerspruch annehmen, dass für eine spezielle Klasse von physischen Phänomenen, d.i. die psychophysischen Phänomene, die objektivistische Sprache der Physik oder anderer Naturwissenschaften nicht ausreicht und es somit zusätzlich einer subjektivistischen phänomenologischen Sprache bedarf.
Man muss sich nur von der irrigen Annahme befreien, dass alles, was mittels einer nicht-physikalischen Sprache beschrieben wird, etwas Nichtphysisches, d.h. etwas ohne physische Aspekte sein muss.
Anders gesagt, als Physikalist kann ich ohne Widerspruch annehmen, dass die subjektiven, nicht physikalisch ausdrückbaren Erlebnisqualitäten faktisch auf entsprechenden objektiven, physikalisch bzw. neurophysiologisch ausdrückbaren neuronalen Prozessen supervenieren, womit der universellen These, dass alles auf dem Physischen superveniere, Genüge getan ist.

Falk hat geschrieben:€: Ergänzung zu Myrons Links:
http://plato.stanford.edu/entries/qualia-knowledge/


Ganz recht, hatte ich leider vergessen.
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Re: Mary's Room

Beitragvon pinkwoolf » Do 8. Nov 2007, 18:07

Mit den Farben beschäftigen sich auch die Linguisten sehr gern, und zwar deshalb, weil wohl in keinen zwei Sprachen dieselben Grundfarben in derselben Abgrenzung bezeichnet werden.

Ein beliebter Vergleich zwischen dem Englischen und dem Walisischen:

Englisch: green - blue - grey - brown

Walisisch: geyrrd - glas - llwyd

Die Grenzen überschneiden sich.

Insgesamt gibt es in den Sprachen der Welt eine Farbhierarchie:
- bei einigen gibt es nur zwei Grundfarben (hell/dunkel)
- bei einigen kommt als drittes rot hinzu
- in Vierersystemen folgt als viertes blau oder grün oder gelb
usw.

Linguisten sind nach Neuguinea gereist und haben dort den Vertretern verschiedener Systeme Farbkärtchen vorgelegt. Eindeutig war nur das Ergebnis, dass alle sehr viel mehr Farben unterscheiden, und sich auch an sie erinnern konnten, als sie Wörter hatten. Ob sich alle an gleich viele Farben erinnern können, darüber streiten die Gelehrten.

Ich bezweifle es intuitiv. Wenn man einem Eskimo und mir viele verschiedene Weiß-Kärtchen vorlegen würde, sähe ich wohl alt aus. Auch einem Aquarell-Maler wäre ich an Erinnerungsfähigkeit hoffnungslos unterlegen.
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Re: Mary's Room

Beitragvon Kival » Do 8. Nov 2007, 18:21

Myron hat geschrieben:Ich würde sagen, der epistemische Physikalismus (das ist keine sonderlich weit verbreitete Bezeichnung, oder?) ist schon allein deshalb falsch, weil es kein mathematisches Wissen gäbe, wenn er wahr wäre.


Man kann bestreiten, dass es mathematisches 'Wissen' gibt.

Denn mathematisches Wissen bezieht sich auf nichtphysische, abstrakte Objekte.


Mathematisches Wissen bezieht sich auf Konstrukte und alles was man daraus zieht hat man schon hineingesteckt. Es gibt m. E. keine synthetischen Urteile in der Mathematik.

Da sich aber in meinen Augen die Existenz von mathematischem Wissen schlecht bestreiten lässt (Wir wissen z.B., dass 1 + 1 = 2, wobei 2 kein physisches Objekt ist), muss der epistemische Physikalismus falsch sein.


1+1=2 ist eine sprachliche Konvention. Wenn Du etwas mathematischer von dem Wissen über die natürlichen Zahlen sprechen willst, baut dieses eben auf dem auf, was hineingesteckt wird. Die Natürlichen Zahlen sind z. B. über die Peano-Axiome definierbar; diese Axiome sind dabei weder wahr noch falsch, daher stellen sie m. E. kein Wissen dar. Alles abgeleitete sind deduktive ('tautologische') Schlüsse.

Ansonsten mache ich mir noch Gedanken darüber, ob Erlebniswissen überhaupt eine sinnvolle Begriffskonstruktion ist; ob dadurch nicht eigentlich der Wissensbegriff an Kontur verliert - womit wir natürlich sowieso auf das Problem kommen, dass eben nicht so klar ist, was man nun als "Wissen" bezeichnen will und was das denn ist...
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Re: Mary's Room

Beitragvon ostfriese » Do 8. Nov 2007, 19:29

Das könnte zur spannendsten Philo-Diskussion ausarten, die wir hier je hatten. :applaus:

Kival, Du hast Recht, mathematische Wahrheiten folgen aus den als wahr vorausgesetzten Axiomen. Bei Mary's Room sind mit "nichtphysikalischem Wissen" keine analytischen Urteile gemeint, sondern durchaus synthetische.

Die Unterscheidung zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und Erfahrungs-Erkenntnis ist bedeutsam, allerdings nicht von prinzipieller Art. In beiden Fällen handelt es sich um mentale Rekonstruktionen, die wir aus Projektionen objektiver Strukturen auf eine sensorische Peripherie gewinnen (vgl. Vollmer, Was können wir wissen, Band 1).

Eine ganz andere Frage ist, wie wir dieses Wissen beschreiben, insbesondere, welche Grenze unsere Sprache den Rekonstruktionsmöglichkeiten bzw. dem Verständnis oder der Anschaulichkeit solcher Rekonstruktionen setzt.

Myron, ich sehe nicht, dass bei der Beschreibung/ Erklärung subjektiver und objektiver Phänomene zwei strikt zu trennende Sprachebenen eingehalten werden müssen. Meines Erachtens müssen wir die Sprache noch erfinden, mit der wir den objektiven Zusammenhang zwischen den physikalisch beschreibbaren hirnorganischen Prozessen und den daraus emergierenden Bewusstseinszuständen abbilden können. Ich halte das nicht für prinzipiell ausgeschlossen. Dass wir diese Sprache nicht haben, muss uns nicht wundern, denn der Übergang ist weder Gegenstand unserer Erfahrung, noch ist er bislang empirischer Forschung zugänglich (die Abbildungen aus EEGs oder Tomographen sind viel zu ungenau um die neuronalen Korrelate der Farbempfindung "Rot" genau einzugrenzen, von pinkwoolfs vielen Nuancen ganz abgesehen).

Der Gebrauch neuer sprachlicher Konstrukte beim Wechsel einer Systemebene begünstigt eine adäquate Modellbildung (z.B. "Zelle" in der Biologie), bei der die wesentlichen Strukturen erfasst, im günstigsten Fall isomorph rekonstruiert werden. Dennoch behalten reduktionistische Bemühungen auf allen Ebenen ihre Berechtigung, nämlich dann, wenn die Genauigkeit der Modellierung für bestimmte Zwecke nicht mehr ausreicht. Ich gehöre weder zu den radikalen Reduktionisten (aus pragmatischen Gründen nicht), noch halte ich den Reduktionismus für prinzipiell widerlegbar. "Kategorienfehler" gibt es nicht, nur inadäquate Modelle.
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Re: Mary's Room

Beitragvon Myron » Fr 9. Nov 2007, 13:39

Kival hat geschrieben:Man kann bestreiten, dass es mathematisches 'Wissen' gibt.


Ja, aber eben nur schlecht. ;-)
Ich weiß, dass es antirealistische philosophische Interpretationen der Mathemaik gibt.

Kival hat geschrieben:Ansonsten mache ich mir noch Gedanken darüber, ob Erlebniswissen überhaupt eine sinnvolle Begriffskonstruktion ist; ob dadurch nicht eigentlich der Wissensbegriff an Kontur verliert - womit wir natürlich sowieso auf das Problem kommen, dass eben nicht so klar ist, was man nun als "Wissen" bezeichnen will und was das denn ist...


Ich denke, dass <Erlebniswissen> durchaus eine relevante Kategorie ist, wobei sich diese freilich erheblich von der Kategorie <Aussagenwissen> unterscheidet. Um Erlebniswissen zu gewinnen, muss man einfach nur sein Leben leben und praktische Erfahrungen machen.
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Re: Mary's Room

Beitragvon Kival » Fr 9. Nov 2007, 19:14

Myron hat geschrieben:
Kival hat geschrieben:Man kann bestreiten, dass es mathematisches 'Wissen' gibt.


Ja, aber eben nur schlecht. ;-)


Das sehe ich anders.

Ich weiß, dass es antirealistische philosophische Interpretationen der Mathemaik gibt.


Du 'glaubst' also an synthetische Urteile a priori in der Mathematik? (Etwas, das man konstruiert, existiert - insofern bin ich da kein Antirealist)
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Re: Mary's Room

Beitragvon Kival » Fr 9. Nov 2007, 19:15

Myron hat geschrieben:
Kival hat geschrieben:Ansonsten mache ich mir noch Gedanken darüber, ob Erlebniswissen überhaupt eine sinnvolle Begriffskonstruktion ist; ob dadurch nicht eigentlich der Wissensbegriff an Kontur verliert - womit wir natürlich sowieso auf das Problem kommen, dass eben nicht so klar ist, was man nun als "Wissen" bezeichnen will und was das denn ist...


Ich denke, dass <Erlebniswissen> durchaus eine relevante Kategorie ist, wobei sich diese freilich erheblich von der Kategorie <Aussagenwissen> unterscheidet. Um Erlebniswissen zu gewinnen, muss man einfach nur sein Leben leben und praktische Erfahrungen machen.


Ich weiß nicht, wie man beim reinen Erleben sinnvoll von Wissen sprechen kann. Was soll Erlebniswissen bedeuten?
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Re: Mary's Room

Beitragvon ostfriese » Sa 10. Nov 2007, 11:47

Kival hat geschrieben:Ich weiß nicht, wie man beim reinen Erleben sinnvoll von Wissen sprechen kann. Was soll Erlebniswissen bedeuten?

Du verfügst beispielsweise über das Erfahrungswissen, dass gewisse Objekte für Deinen Körper undurchdringlich sind. Du benennst diese Eigenschaft sogar und betreibst daraufhin "Festkörperphysik". Mit anderen Worten: Die interne Rekonstruktion der Wirklichkeit, die Du allein aufgrund der Soliditätserfahrung vornimmst, bildet die wirklichen Strukturen in bedeutsamer Weise zutreffend ab. Dieses Soliditätsmodell hat allerdings Anwendungs-Grenzen, bei hochenergetischer Bestrahlung versagt es sogar völlig. Letzteres ist keine Folge eines "Kategorienfehlers", sondern liegt daran, dass unser Soliditätsmodell mesokosmisch induziert ist und die Strukturen der Elementarteilchenwelt bzw. der Hochenergiestrahlung nicht adäquat (im besten Falle isomorph) rekonstruiert.

Alles Wissen ist modellhaft und hat Anwendungsgrenzen, auch das wissenschaftliche. Insofern ist es legitim, von Erfahrungswissen zu sprechen. Sogar von ererbten Wissen, denn bestimmte Erfahrungen haben unsere ausgestorbenen Vorfahren gemacht, und uns ist in die Wiege gelegt, dass wir aus überlebenstaktischen Gründen darauf verzichten. Umgekehrt sind wir programmiert, uns z.B. um Nahrung zu kümmern. Wir verfügen offenbar von Geburt an über eine hohe Ge"wiss"heit darüber, dass ein genereller Essensverzicht ungünstige Folgen hätte. Warum soll man das nicht "Wissen" nennen dürfen?
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