Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon ostfriese » Di 27. Nov 2007, 16:39

Empirische Wissenschaft und Gläubigkeit (in Bezug auf empirisch relevante Aussagen) schließen einander aus, wenn Wissenschaft so betrieben wird, wie es die moderne Wissenschaftstheorie fordert und wie es im Kanitscheider-Zitat im Beitrag von Klaus zum Ausdruck kommt.

Metaphysischer Glaube ist mit Wissenschaft zwar kompatibel, aber zwischen beiden gibt es keinerlei Überschneidungen.

Mehr ist zu dem Thema eigentlich nicht zu sagen.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon pinkwoolf » Di 27. Nov 2007, 16:50

JustFrank hat geschrieben:Hat man tatsächliche Fragen schon einmal anders als wissenschaftlich tatsächlich beantwortet?

Ich zerbreche mir gerade den Kopf, wie ich deine Frage wissenschaftlich beantworten kann.
:santagrin:
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon ostfriese » Di 27. Nov 2007, 16:58

Tatsächlich? ;D
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon Myron » Di 27. Nov 2007, 17:12

"Soll ich sagen 'Ich glaube an die Physik', oder 'Ich weiß, dass die Physik wahr ist'?"

(Wittgenstein, "Über Gewissheit", §602)
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon jan » Di 27. Nov 2007, 17:29

Der Blogeintrag Science and Faith beschreibt meine Einstellung zur Wissenschaft ganz gut. Inwieweit ich nun Wissenschaftsgläubig sein soll kann ich nicht sagen, ich würde mich aber nicht so bezeichnen.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon ostfriese » Di 27. Nov 2007, 22:16

Myron hat geschrieben:"Soll ich sagen 'Ich glaube an die Physik', oder 'Ich weiß, dass die Physik wahr ist'?"

Weder noch:

"Ich habe momentan keinen begründeten Anlass zur Annahme, es gäbe Aussagen über die Wirklichkeit, welche die physikalischen an Adäquatheit übertreffen oder gar entbehrlich machen."
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon gerhard » Mi 28. Nov 2007, 06:31

Guten Morgen an Wissenschaftsgläubige,

Christlicher Glaube ist nach meinem Verständnis - völlig neuen urchristlichen Logos-verständnis davon - nicht das für wahr Halten von Unerklärlichkeiten, geheimnisvollen Wundern, übernatürlichen Begebenheiten und Gebilden... Es geht vielmehr um das rationale Schließen aufgrund einer vernünftigen Annahme, einer empirischen Erkenntnis. Wenn ich "glaube", dass in wenigen Minuten die Sonne aufgeht, dann gehe ich von einer natürlichen, den gesamten Kosmos umfassenden Logik aus, aufgrund derer ich im rationalen Neuveständnis des Neuen Testamentes auf den einen Schöpfer schließe.

Dass "Glaube" nicht in diesem Sinne gebraucht wird, sondern unheilvoller Unsinn im Namen des Glaubens geschieht, darüber bin ich mir klar.

Genau darum wende ich mich an Menschen, die in einem naturalistischen Weltbild die einzige Wahrheit sehen, dies aber nicht mit "Glaube" in Verbindung bringen können.

Wer das Wissen um das natürliche, logisch/kausale Werden der Welt für die einzige Wahrheit hält, sich für die Weisheit begeistert, die er in aller Biologie und der Kreativität des gesamten Kosmos aufgeklärt beobachten kann, glaubt im Grunde an genau das, was Glaubensaufklärer vor 2000 Jahren bewog, über einen Logos als offenbarenden Gottessohn nachzudenken bzw. diesem in Ein-sicht mit der Glaubenstradtion in menschlicher Gestalt der Welt zu vermitteln.

Das war und ist Weihnachten:
Das Präsent werden der universellen Schöpfermacht im menschlichen Logos, der Jesus genannt wurde.

Wissenschaftsgläubigkeit ist in diesem Sinne Glaube (vernünftiges Schließen auf den Schöpfer aufgrund der einer universellen Vernunft).
gerhard
 
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon v.a.n. » Mi 28. Nov 2007, 06:58

taotne hat geschrieben:
v.a.n. hat geschrieben:taotne hat die Frage nach Wissenschaftsgläubigkeit mit Szientismus beantwortet.
Darauf gabs dann aber Widerspruch von anderen.

Hä? Ich habe auf gar nichts geantwortet. Ich habe bloß eine Frage gestellt, weil die Definition von Szientismus die Myron geschrieben hat ziemlich gut auf das passt, was ich zuweilen vertrete.

sorry, ich meinte natürlich myron.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon v.a.n. » Mi 28. Nov 2007, 07:02

gerhard hat geschrieben:Guten Morgen an Wissenschaftsgläubige,

Christlicher Glaube ist nach meinem Verständnis - völlig neuen urchristlichen Logos-verständnis davon - nicht das für wahr Halten von Unerklärlichkeiten, geheimnisvollen Wundern, übernatürlichen Begebenheiten und Gebilden... Es geht vielmehr um das rationale Schließen aufgrund einer vernünftigen Annahme, einer empirischen Erkenntnis. Wenn ich "glaube", dass in wenigen Minuten die Sonne aufgeht, dann gehe ich von einer natürlichen, den gesamten Kosmos umfassenden Logik aus, aufgrund derer ich im rationalen Neuveständnis des Neuen Testamentes auf den einen Schöpfer schließe.

Dass "Glaube" nicht in diesem Sinne gebraucht wird, sondern unheilvoller Unsinn im Namen des Glaubens geschieht, darüber bin ich mir klar.

Genau darum wende ich mich an Menschen, die in einem naturalistischen Weltbild die einzige Wahrheit sehen, dies aber nicht mit "Glaube" in Verbindung bringen können.

Wer das Wissen um das natürliche, logisch/kausale Werden der Welt für die einzige Wahrheit hält, sich für die Weisheit begeistert, die er in aller Biologie und der Kreativität des gesamten Kosmos aufgeklärt beobachten kann, glaubt im Grunde an genau das, was Glaubensaufklärer vor 2000 Jahren bewog, über einen Logos als offenbarenden Gottessohn nachzudenken bzw. diesem in Ein-sicht mit der Glaubenstradtion in menschlicher Gestalt der Welt zu vermitteln.

Das war und ist Weihnachten:
Das Präsent werden der universellen Schöpfermacht im menschlichen Logos, der Jesus genannt wurde.

Wissenschaftsgläubigkeit ist in diesem Sinne Glaube (vernünftiges Schließen auf den Schöpfer aufgrund der einer universellen Vernunft).


äh...
v.a.n.
 
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon stine » Mi 28. Nov 2007, 09:11

gerhard hat geschrieben:Wer das Wissen um das natürliche, logisch/kausale Werden der Welt für die einzige Wahrheit hält, sich für die Weisheit begeistert, die er in aller Biologie und der Kreativität des gesamten Kosmos aufgeklärt beobachten kann, glaubt im Grunde an genau das, was Glaubensaufklärer vor 2000 Jahren bewog, über einen Logos als offenbarenden Gottessohn nachzudenken bzw. diesem in Ein-sicht mit der Glaubenstradtion in menschlicher Gestalt der Welt zu vermitteln.

Das war und ist Weihnachten:
Das Präsent werden der universellen Schöpfermacht im menschlichen Logos, der Jesus genannt wurde.


So feiern wir es auch. Danke Gerhard.

LG stine
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon taotne » Mi 28. Nov 2007, 14:44

gerhard hat geschrieben:Wer das Wissen um das natürliche, logisch/kausale Werden der Welt für die einzige Wahrheit hält, sich für die Weisheit begeistert, die er in aller Biologie und der Kreativität des gesamten Kosmos aufgeklärt beobachten kann, glaubt im Grunde an genau das, was Glaubensaufklärer vor 2000 Jahren bewog, über einen Logos als offenbarenden Gottessohn nachzudenken bzw. diesem in Ein-sicht mit der Glaubenstradtion in menschlicher Gestalt der Welt zu vermitteln.

äh,... Weisheit in der Biologie? Kreativität des gesamten Kosmos? Wovon sprichst du? "Weisheit" herrscht in der Biologie keinesfalls. Die natürliche Selektion als ein Mechanismus der komplexe Lebewesen hervorbringt und die Artenvielfalt erklärt hingegen schon. Inwiefern ist der Kosmos kreativ? Soviel ich weiß verblasst er zunehmends und neigt zu einem gewissen Chaos, auch bekannt unter dem Namen Entropiezunahme. Was also ist diese Kreativität, die du meinst?

gerhard hat geschrieben:Wissenschaftsgläubigkeit ist in diesem Sinne Glaube (vernünftiges Schließen auf den Schöpfer aufgrund der einer universellen Vernunft).

Hast du gerade dem "Wissenschaftsgläubigen" attestiert, er sei ein Theist?
Was soll denn eigentlich eine universelle Vernunft sein? Und seit wann kann man vernünftig auf den Schöpfer schließen? Wenn du das meinst, erkläre mir doch mal bitte deinen Gedankengang...
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon ostfriese » Mi 28. Nov 2007, 18:16

gerhard, stine: Es gibt keine Schöpfermacht.

Wer die Evolution leugnet, verlässt den rationalen Diskurs, denn sie wird von keinem seriösen Naturwissenschaftler mehr angezweifelt.

Wer sie für mit dem Schöpfungsgedanken vereinbar hält, hat entweder die Evolutionstheorie nicht verstanden oder bemüht als Ad-hoc-Hypothese einen "god of the gaps", der nach und nach aus den wissenschaftlichen Erklärungslücken vertrieben werden wird.

An der genetischen Information gemessen, wie auch von der schieren Biomasse her, ist unsere Erde noch immer ein Bakterienplanet. Einen geplanten evolutionären Fortschritt gibt es nicht (vgl. Stephen Jay Gould, "Illusion Fortschritt"), folglich erst recht keinen dahinter stehenden Schöpfungsplan.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon El Schwalmo » Mi 28. Nov 2007, 19:21

ostfriese hat geschrieben:Wer die Evolution leugnet, verlässt den rationalen Diskurs, denn sie wird von keinem seriösen Naturwissenschaftler mehr angezweifelt.

wie gesagt, 'Evolution' bedeutet schon innerhalb der Biologie drei verschiedene Dinge: Tatsache, Deszendenz und Mechanismus. Wer die Tatsache einer Evolution (wobei man hier noch sehr differenziert betrachten müsste, was man unter 'Evolution' in diesem Kontext versteht) leugnet, verlässt den rationalen Diskurs. Dasselbe gilt auch für den, der eine Deszendenz anzweifelt, aber hier wird es schon wesentlich problematischer. Der Teufel steckt hier im Detail, die durch die modernen Techniken eher verschleiert werden. Viele Fragen werden durch Füttern von Computerprogrammen mit DNA-Sequenzen zu klären versucht, hier ist alles GIGO. Sieht zwar sehr objektiv aus, aber man muss sehr genau beachten, welche Prämissen in den Programmen stecken.

ostfriese hat geschrieben:Wer sie für mit dem Schöpfungsgedanken vereinbar hält, hat entweder die Evolutionstheorie

Du musst nun noch sagen, was Du unter 'Evolutionstheorie' verstehst. In der Biologie gibt es viele Evolutionstheorien im Sinne von Vorstellungen, welche Mechanismen konkret dafür verantwortlich sind, dass wir das beobachten, was wir heute vorfinden. Teilweise widersprechen die sich sogar, andere, die als Gesamttheorien betrachtet werden, gelten eher für Teilaspekte und so weiter. Etliche evolutionstheoretische Autoren betrachten inzwischen den ehemaligen Standard, der die gesamte Evolution zu erklären beanspruchte, expressis verbis als einen Spezialfall, in etwa wie die Newton-Mechanik im Rahmen der Relativitätstheorie. Leider sind wir im Bereich der Evolutionsbiologie noch meilenweit von dieser umfassenderen Theorie entfernt.

Du meinst mit 'Evolutionstheorie' im Singular vermutlich die Vorstellung einer durchgängig naturalistischen Erkärung der Evolution. Was hier 'erklären' bedeutet, ist eine interessante Frage. Man kann diese Auffassung sehr gut verstehen, aber dennoch Einwände haben.

ostfriese hat geschrieben:nicht verstanden oder bemüht als Ad-hoc-Hypothese einen "god of the gaps", der nach und nach aus den wissenschaftlichen Erklärungslücken vertrieben werden wird.

Auch das ist eine problematische Formulierung, die nur auf der Basis Deines Weltbildes Sinn macht. Wenn Du bedenkst, dass die Naturwissenschaften eine methodologische Veranstaltung sind, die sich über ontische Fragen wenig Gedanken macht, weil sie das im Rahmen ihrer Methoden nicht klären kann, sieht das viel differenzierter aus. Im Rahmen naturwissenschaftlicher Theorien hat ein Designer nichts zu suchen, weil er nichts erklärt. Aber über die Existenz eines derartigen Wesens ist so nichts gesagt. Ein Mensch, der die moderne Evolutionstheorien anerkennt, aber zusätzlich an einen Gott glaubt, kann das alles viel besser verstanden haben als Menschen, die nicht einsehen, dass aus einer Methodologie keine Ontologie folgt. Zudem könnte ein Gott problemlos so in den Lauf der Welt eingreifen, dass wir das gar nicht merken würden. Eine 'zufällige' Mutation hier, ein 'zufälliger' Asteroideneinschlag da, ein Tier findet 'zufällig' eine Beute, das fiele nicht auf.

Aufrechte Christen lehnen so eine Fummelei eines Gottes als dessen unwürdig ab: Gott schafft die Welt so, dass sie sich selber schafft (geht AFAIK auf Teilhard de Chardin zurück, der das umfassend darstellte). Falls Dich so eine Position interessiert

Kummer, C. (2007) 'Evolution - offen für Gottes schöpferisches Handeln?' in: Klinnert, Lars 'Zufall Mensch? Das Bild des Menschen im Spannungsfeld von Evolution und Schöpfung' Darmstadt, WBG S. 91-105

In ähnlicher Form kann man das auch thomistisch vertreten, dann ist die Evolution durch Mutation und Selektion sogar so etwas wie ein 'Gottesbeweis' (klingt abartig, ist es in meinen Augen auch, lies einfach mal den Artikel)

Rhonheimer, M. (2007) 'Neodarwinistische Evolutionstheorie, Intelligent Design und die Frage nach dem Schöpfer. Aus einem Schreiben an Kardinal Christoph Schönborn' IMABE 14 (1):47-81

Beide Autoren sind übrigens Katholiken, die vehement gegen Kardinal Schönborn angingen, als der sich zu weit auf die Seite von ID gestellt hat. Wie das sich anliest, wenn der Papst dabei ist, kannst Du in

Horn, S.O.; Wiedenhofer, S.; (Hrsg.) (2007) 'Schöpfung und Evolution. Eine Tagung mit Papst Benedikt XVI. in Castel Gandolfo' Augsburg, Sankt Ulrich Verlag

nachlesen. Du kannst davon ausgehen, dass sich viele Autoren aus den Reihen der Theologen, die sich mit diesen Fragen befassen, in moderner Evolutionstheorie wesentlich besser auskennen als die meisten Evolutionstheoretiker in den Schöpfungslehren, die sie kritisieren.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon ostfriese » Mi 28. Nov 2007, 21:21

El Schwalmo hat geschrieben:Im Rahmen naturwissenschaftlicher Theorien hat ein Designer nichts zu suchen, weil er nichts erklärt. Aber über die Existenz eines derartigen Wesens ist so nichts gesagt. Ein Mensch, der die moderne Evolutionstheorien anerkennt, aber zusätzlich an einen Gott glaubt, kann das alles viel besser verstanden haben als Menschen, die nicht einsehen, dass aus einer Methodologie keine Ontologie folgt. Zudem könnte ein Gott problemlos so in den Lauf der Welt eingreifen, dass wir das gar nicht merken würden. Eine 'zufällige' Mutation hier, ein 'zufälliger' Asteroideneinschlag da, ein Tier findet 'zufällig' eine Beute, das fiele nicht auf.

Zur Methodologie der Wissenschaften gehört die Sparsamkeit mit Hypothesen. Ein nur unauffällig wirkender Gott wäre ebenfalls ein "god of the gaps", dessen Existenz nichts erklärte. Und metaphysische Annahmen, die eine Ontologie jenseits des hypothetischen Realismus behaupten, fallen in die gleiche Kategorie: Sie sind bisher für die Weltbeschreibung und -erklärung entbehrlich (es gibt für sie nicht den geringsten "paranormalen" Anlass), und der Erkenntnisfortschritt durch die naturwissenschaftliche Methode senkt stetig die Wahrscheinlichkeit für die Existenz von Übernatürlichem. Und genau an dieser Stelle wird naturwissenschaftliche Erkenntnis relevant für die vernünftige Auswahl ontologischer Postulate. Es ist daher vernünftig, Naturalist zu sein. Und es ist aus dem gleichen Grunde vernünftiger, Atheist (nicht bloß pragmatischer!) zu sein als Agnostiker. Mir ist klar, dass Du genau das nicht einsehen möchtest. Ist aber so.

El Schwalmo hat geschrieben:Aufrechte Christen lehnen so eine Fummelei eines Gottes als dessen unwürdig ab: Gott schafft die Welt so, dass sie sich selber schafft

Dann haben sie entweder die Physik (Heisenberg, gängige kosmologische Theorien) nicht verstanden, oder sie müssen sich damit abfinden, dass unter dieser Prämisse jegliche Planung koppheister geht. Ein solcher Schöpfer wäre eine ontologische Nullnummer.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon El Schwalmo » Mi 28. Nov 2007, 22:31

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Im Rahmen naturwissenschaftlicher Theorien hat ein Designer nichts zu suchen, weil er nichts erklärt. Aber über die Existenz eines derartigen Wesens ist so nichts gesagt. Ein Mensch, der die moderne Evolutionstheorien anerkennt, aber zusätzlich an einen Gott glaubt, kann das alles viel besser verstanden haben als Menschen, die nicht einsehen, dass aus einer Methodologie keine Ontologie folgt. Zudem könnte ein Gott problemlos so in den Lauf der Welt eingreifen, dass wir das gar nicht merken würden. Eine 'zufällige' Mutation hier, ein 'zufälliger' Asteroideneinschlag da, ein Tier findet 'zufällig' eine Beute, das fiele nicht auf.

Zur Methodologie der Wissenschaften gehört die Sparsamkeit mit Hypothesen.

habe ich das nicht explizit so geschrieben?

ostfriese hat geschrieben:Ein nur unauffällig wirkender Gott wäre ebenfalls ein "god of the gaps", dessen Existenz nichts erklärte. Und metaphysische Annahmen, die eine Ontologie jenseits des hypothetischen Realismus behaupten, fallen in die gleiche Kategorie: Sie sind bisher für die Weltbeschreibung und -erklärung entbehrlich (es gibt für sie nicht den geringsten "paranormalen" Anlass),

Warum formulierst Du in eigenen Worten, was ich schrieb?

ostfriese hat geschrieben:und der Erkenntnisfortschritt durch die naturwissenschaftliche Methode senkt stetig die Wahrscheinlichkeit für die Existenz von Übernatürlichem.

Das hingegen kann ich nicht nachvollziehen. Mir ist nicht klar, was Du hier mit 'wahrscheinlich' meinst.

ostfriese hat geschrieben:Und genau an dieser Stelle wird naturwissenschaftliche Erkenntnis relevant für die vernünftige Auswahl ontologischer Postulate. Es ist daher vernünftig, Naturalist zu sein.

Was steht denn unter meinem Avatar?

ostfriese hat geschrieben:Und es ist aus dem gleichen Grunde vernünftiger, Atheist (nicht bloß pragmatischer!) zu sein als Agnostiker. Mir ist klar, dass Du genau das nicht einsehen möchtest. Ist aber so.

Wenn Du noch einmal liest, was ich geschrieben habe, und überlegst, was wohl der Unterschied zwischen methodologisch und ontisch bedeuten könnte und bedenkst, was mit 'vernünftige Auswahl ontologischer Postulate gemeint sein könnte, dürfte Dir vermutlich dämmern, warum ich etwas nicht nicht einsehe. sondern dass es sehr gute Gründe gibt, warum ich exakt meinen Standpunkt vertrete. Dein 'vernünftig' ist in 'pragmatisch' eingepreist. Aber dann denke ich halt noch einen Tick weiter.

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Aufrechte Christen lehnen so eine Fummelei eines Gottes als dessen unwürdig ab: Gott schafft die Welt so, dass sie sich selber schafft

Dann haben sie entweder die Physik (Heisenberg, gängige kosmologische Theorien) nicht verstanden, oder sie müssen sich damit abfinden, dass unter dieser Prämisse jegliche Planung koppheister geht. Ein solcher Schöpfer wäre eine ontologische Nullnummer.

Und? Bist Du sicher, dass heute 'gängige kosmologische Theorien' wahr sind? Immer daran denken: rationaler Diskurs ist ein Thread, das Sein des Seienden ist, wie es ist. Ob wir es erkennen oder nicht.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon spacetime » Mi 28. Nov 2007, 23:05

Ich würde es so ausdrücken:
Wissenschaftsgläubigkeit ist der Glaube daran, dass Wissenschaft die Welt erklären kann. Wie eine Religion, die glaubt, dass sie die Welt erklären kann. Wir können die Welt nur interpretieren und aus unserer Sicht beschreiben, aber nicht die Realität erklären.
Ich glaube ehrlich gesagt nicht daran, dass es wissenschaftsgläubige Menschen gibt.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon ostfriese » Do 29. Nov 2007, 00:47

El Schwalmo, Deine Reaktion auf meinen letzten Beitrag zeigt, dass Du irrtümlich annimmst, mich könnten beim Schreiben die gleichen Motive leiten wie Dich: in erster Linie zu widersprechen.

Nein, so ticke ich nicht. Vielmehr stellte ich meine Position im Zusammenhang dar. Meine Intention war keineswegs, Dir mit jedem einzelnen meiner Sätze Kontra zu geben. Also ist es ziemlich sinnlos, sie einzeln zu zitieren und so zu tun, als wollte ich damit Strohmänner attackieren.

Bedenke mal: Dein vorletzter Beitrag (im Anschluss an mein kurzes Statement in Richtung stine und gerhard) enthält kein einziges Argument, das mir neu wäre und wenig, das ich bestreiten würde. Anders als Du mir, gestehe ich Dir aber zu, dass Du Deine Position in aller Ausführlichkeit darlegst. Und ich unterstelle nicht gleich nervös, Du wolltest damit meine Auffassung entkräften.

Wo ich Deine Position nicht teile, hab ich Dir das mitgeteilt, meine Argumente hast Du nicht widerlegt. Du hast zwar behauptet, dass Du gute Gründe für Deinen Standpunkt hättest, sie aber im Gegensatz zu mir nicht genannt.

El Schwalmo hat geschrieben:Dein 'vernünftig' ist in 'pragmatisch' eingepreist.

Nein.

El Schwalmo hat geschrieben:Aber dann denke ich halt noch einen Tick weiter.

'Denken' ist nicht unbedingt dasselbe wie 'klar denken'. ;D

Deine Frage, was ich mit Wahrscheinlichkeit meine, nehme ich zwar nicht wirklich ernst, aber bevor der Eindruck entsteht, ich würde mich um eine Antwort drücken: Die relative Häufigkeit von Ereignissen ist für große Stichproben (und als solche darf man die menschliche Datensammlung seit Gutenberg getrost bezeichnen) ein hervorragendes Maß für ihre Wahrscheinlichkeit. Jedes physikalisch erklärbare, nicht paranormale Ereignis erhöht deshalb die anzunehmende Wahrscheinlichkeit dafür, dass alle beobachtbaren Ereignisse natürlich sind, während das völlige Ausbleiben von Belegen für Paraphänomene deren anzunehmende Existenzwahrscheinlichkeit mit der Zeit immer weiter gen Null reduziert.
Zuletzt geändert von ostfriese am Do 29. Nov 2007, 01:56, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon Andreas Müller » Do 29. Nov 2007, 01:15

Nicht erst seit Gutenberg. Vorher gab es Schriftrollen, Papyrus, Runen und Hieroglyphen. Die enthalten auch Erfahrungswerte.

Die älteste überlieferte Geschichte der Welt ist das Heldenepos Gilgamesh von vermutlich 1200 v. Chr. Motive und auch ganze Geschichten des Epos hatten Einfluss auf die Bibel.

http://www.pinselpark.de/geschichte/ein ... mesch.html
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon Myron » Do 29. Nov 2007, 02:33

El Schwalmo hat geschrieben:Du musst nun noch sagen, was Du unter 'Evolutionstheorie' verstehst. In der Biologie gibt es viele Evolutionstheorien im Sinne von Vorstellungen, welche Mechanismen konkret dafür verantwortlich sind, dass wir das beobachten, was wir heute vorfinden. Teilweise widersprechen die sich sogar, andere, die als Gesamttheorien betrachtet werden, gelten eher für Teilaspekte und so weiter. Etliche evolutionstheoretische Autoren betrachten inzwischen den ehemaligen Standard, der die gesamte Evolution zu erklären beanspruchte, expressis verbis als einen Spezialfall, in etwa wie die Newton-Mechanik im Rahmen der Relativitätstheorie. Leider sind wir im Bereich der Evolutionsbiologie noch meilenweit von dieser umfassenderen Theorie entfernt.


Mit Deiner Nebelwerferei kommst Du nicht weit.
Die zeitgenössische darwinistische Evolutionstheorie ist im Wesentlichen ein kohärentes wissenschaftliches Theoriegebäude. Mit "kohärent" meine ich nicht "perfekt", da es bekanntlich noch eine Reihe von ungeklärten Einzelfragen gibt.
Doch das ändert nichts daran, dass "the validity of the basic Darwinian paradigm is now so firmly established that it simply cannot be questioned any longer."
(Mayr, Ernst. What Makes Biology Unique?: Considerations on the Autonomy of a Scientific Discipline. Cambridge: Cambridge University Press, 2004. p. x)
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Re: Was ist Wissenschaftsgläubigkeit?

Beitragvon Myron » Do 29. Nov 2007, 02:55

El Schwalmo hat geschrieben:Du kannst davon ausgehen, dass sich viele Autoren aus den Reihen der Theologen, die sich mit diesen Fragen befassen, in moderner Evolutionstheorie wesentlich besser auskennen als die meisten Evolutionstheoretiker in den Schöpfungslehren, die sie kritisieren.


Die primitive theistische, speziell christliche Schöpfungsgeschichte ist in null Komma nichts erfasst:
"Ein göttlicher Geist hat die Welt der Pflanzen und Tiere als 'Fertigwelt' aus nichts hervorgezaubert."

Eine autonome Entwicklung und Veränderung von Arten ist aus theistischer Sicht nicht vorgesehen.
Der theistische Standpunkt: "Gott hat es geplant, seinen Plan ausgeführt, und deswegen passt und bleibt alles, so wie es ist."

Nenne mir bitte einen Grund, warum ein Evolutionsbiologe seine Zeit damit verschwenden sollte, die einfältigen Schriften der theologischen Märchenonkel zu lesen!
(Falls er Lust dazu hat, kann er dies in seiner Freizeit tun; aber für seine Rolle als Wissenschaftler sind die unwissenschaftlichen Ergüsse der Theologen absolut bedeutungslos.)
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