Humanismus contra Religion

Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Kurt » Di 27. Nov 2007, 23:05

stine hat geschrieben:Ein Naturalist müßte einsehen, dass die "Optimierung" des Lebens nur durch seine andauernde Anpassung und Erneuerung funktioniert.


Das denke ich auch.

stine hat geschrieben:Außerdem kann die Sorge, um eine Überbevölkerung unseres Planeten, nur genommen werden, wenn entweder die Geburten gestoppt oder kranke Menschen nicht am Sterben gehindert werden.


Beim Sterben braucht man nichts tun. Die Bevölkerung ist nur um einen konstanten Faktor höher, wenn die Menschen um ein paar Jahre/Jahrzehnte länger leben. Der Effekt verschwindet gegenüber dem exponentiellen Bevölkerungswachstum. Die Geburtenrate geht auch automatisch zurück, sobald die Kinder Aussicht auf ein gesichertes Leben haben. Es scheint ein biologisches Naturgesetzt zu sein: Je unwahrscheinlicher das Überleben, desto mehr Nachkommen muss man zeugen. Die Ökologie beinhaltet so viele Regulierungsmechanismen, ich glaube nicht, dass die Welt an Überbevölkerung zugrunde geht.

stine hat geschrieben:(...)zum Segen der Menschheit.


Kurze Nachfrage: Meinst du die gegenwärtige oder auch die zukünftige?
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon v.a.n. » Mi 28. Nov 2007, 07:05

pinkwoolf hat geschrieben:
@ v.a.n.
Das Bestreben, krankheitsbedingtes Leid zu verringern, lehnst Du also ab. Das klingt menschenverachtend.

Du hast wohl Stines Hinweis übersehen, dass es sich um eine Provokation handelt.

An diesem Punkt der Diskussion ging es doch darum, wie sich denn die Bevölkerungskurve weiterentwickeln soll, wenn man einerseits das Leben in alle Unendlichkeit verlängern will, und sei es auch im Koma am Tropf, und andererseits auch die Geburtsraten steigern muss, damit das Sozialsystem nicht implodiert. Erst mal ein ganz theoretisches Problem; aber die Diskussion darüber kann man ganz schnell abwürgen, wenn man gleich die moralische Keule des menschlichen Leides schwingt.
ich halte es für unangemessen, das Leid dabei außer Betracht zu lassen. Punkt.
v.a.n.
 
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon stine » Mi 28. Nov 2007, 08:33

v.a.n. hat geschrieben:
pinkwoolf hat geschrieben:
@ v.a.n.
Das Bestreben, krankheitsbedingtes Leid zu verringern, lehnst Du also ab. Das klingt menschenverachtend.

Du hast wohl Stines Hinweis übersehen, dass es sich um eine Provokation handelt.

An diesem Punkt der Diskussion ging es doch darum, wie sich denn die Bevölkerungskurve weiterentwickeln soll, wenn man einerseits das Leben in alle Unendlichkeit verlängern will, und sei es auch im Koma am Tropf, und andererseits auch die Geburtsraten steigern muss, damit das Sozialsystem nicht implodiert. Erst mal ein ganz theoretisches Problem; aber die Diskussion darüber kann man ganz schnell abwürgen, wenn man gleich die moralische Keule des menschlichen Leides schwingt.
ich halte es für unangemessen, das Leid dabei außer Betracht zu lassen. Punkt.

Was ist das "Leid"?
Leiden ist ein Spüren seiner selbst. Ob wir es positiv oder negativ für uns empfinden ist reine Erziehungssache.
Wir Menschen bestimmen doch, was gut oder schlecht ist, nicht wahr?
Die Natur ist Natur und reagiert auf die ihr mögliche Weise.

Ich finde, wenn man die Menschen als Zufall der Natur betrachtet, muß man ehrlicherweise auch zugestehen, dass die Natur grausam sein kann und wir als Naturprodukt das so erleben. Ob irgendetwas "menschlich" ist, ist dann genauso eine Definitionssache, wie gut oder schlecht.
Vielleicht muß man sich dann an dieser Stelle mal grundsätzlich darüber Gedanken machen, was der "Mensch" für einen Bright sein soll.
Ist er nun etwas Besonderes oder nicht?
Ist er Zufall Natur und damit allen natürlichen Abläufen unterworfen?
Oder ist er eine Kreatur, die befähigt wurde sich über die Natur zu erheben?

Wenn sich atheistische naturalistisch Denkende darüber Gedanken machen, dann sind sie wahrscheinlich an der gleichen Stelle angelangt, wie seinerzeit die Evangelisten. Nur sprechen sie heute eine andere Sprache.

LG stine
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon v.a.n. » Mi 28. Nov 2007, 09:00

wer betrachtet die Menschen denn als Zufall der Natur?
Evolution ist nicht mit Zufall zu verwechseln.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon stine » Mi 28. Nov 2007, 09:13

Nicht?
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon v.a.n. » Mi 28. Nov 2007, 09:23

Zufall mag ein Faktor bei der Evolution sein. Aber er ist doch nicht alles.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon JustFrank » Mi 28. Nov 2007, 09:24

stine hat geschrieben:Nicht?


Nein, überhaupt nicht!

Viele glauben doch nur, weil wir selbst mit einer Persönlichkeit ausgestattet sind (also jeder von uns ein "Wer" ist), müsste die Welt auch von einer solchen gestaltet sein. Wenn nicht, müsse halt alles auf Zufall beruhen.

Bullshit!

Dabei wird das tatsächliche Geschehen nämlich völlig ausgeblendet.

Das sich Systeme (Organismen sind biologischeSysteme) aus sich selbst heraus verbessern, um sich damit an andere Systeme anzupassen, die das auch tun, passt einfach nicht in kreationistische Denkweisen.

Genau das ist es aber, was beobachtbar und nachweisbar ist. :keks:
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Pip » Mi 28. Nov 2007, 09:27

Natürlich nicht.
Stine du beweist mal wieder, dass du nicht die leiseste Ahnung hast, wovon du eigentlich sprichst.
Wenn du einen 2001-Laden in der Nähe hast, gehe bitte hin. Das komplette Werk von Darwin in einem Band für 8 Euro. Kostengünstiger ist elementares Wissen nicht zu bekommen.
Bis dahin versuche nicht über Evolution zu sprechen, und schon garnicht über die philosophischen Konsequenzen daraus, dir fehlen da einfach die Grundlagen. Ich stelle mich ja auch nicht hin, und spreche über Fußball oder Quantenmechanik.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Baky86 » Mi 28. Nov 2007, 10:27

stine hat geschrieben:Was ist das "Leid"?
Leiden ist ein Spüren seiner selbst. Ob wir es positiv oder negativ für uns empfinden ist reine Erziehungssache.
Wir Menschen bestimmen doch, was gut oder schlecht ist, nicht wahr?
Die Natur ist Natur und reagiert auf die ihr mögliche Weise.

Ich finde, wenn man die Menschen als Zufall der Natur betrachtet, muß man ehrlicherweise auch zugestehen, dass die Natur grausam sein kann und wir als Naturprodukt das so erleben. Ob irgendetwas "menschlich" ist, ist dann genauso eine Definitionssache, wie gut oder schlecht.
Vielleicht muß man sich dann an dieser Stelle mal grundsätzlich darüber Gedanken machen, was der "Mensch" für einen Bright sein soll.
Ist er nun etwas Besonderes oder nicht?
Ist er Zufall Natur und damit allen natürlichen Abläufen unterworfen?
Oder ist er eine Kreatur, die befähigt wurde sich über die Natur zu erheben?

Wenn sich atheistische naturalistisch Denkende darüber Gedanken machen, dann sind sie wahrscheinlich an der gleichen Stelle angelangt, wie seinerzeit die Evangelisten. Nur sprechen sie heute eine andere Sprache.

LG stine


Gut - Schlecht, menschlich - unmenschlich, ethisch - unethisch.... all diese Begriffe sind Definitionssache ihrer Zeit und entwickeln sich ständig weiter.
Der Mensch ist zudem ein Tier unter den vielen anderen, welches sich halt durchgesetzt und höher entwickelt hat, als andere. Durch die höhere Entwicklung konnte er sich in der Regel die Natur untertan machen, im Guten wie im Schlechten. Das hat nichts mit einer "höheren Aufgabe" oder einem tieferen Sinn zu tun.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon JustFrank » Mi 28. Nov 2007, 11:00

Baky86 hat geschrieben: Durch die höhere Entwicklung konnte er sich in der Regel die Natur untertan machen, im Guten wie im Schlechten. Das hat nichts mit einer "höheren Aufgabe" oder einem tieferen Sinn zu tun.


Konnten wir das wirklich? Uns die Natur untertan machen?

So wie ich das sehe, fangen wir gerade an, den Preis dafür zu zahlen, dass wir immer wieder versuchen genau das zu tun.

Und so wie es aussieht, stimmen sich die dadurch berührten Systeme im Moment gerade so ab, dass wir darin nur noch für eine begrenzte Zeit vorkommen.

Wir sollten also schleunigst damit aufhören, uns die Natur untertan machen zu wollen und noch schneller damit beginnen, uns an die Systeme dieser Welt anzupassen.

Dumm dabei ist, das uns noch viel dümmere Religionen über Jahrtausende hinweg erzählt haben, dass wir die Bosse auf diesem Planeten wären und die Mehrheit der Menschheit das noch immer glaubt und danach handelt.

Guckst du hier: http://hometown.aol.de/frank%20from%20mars/HomeAug2006/1553812.htm
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon emporda » Mi 28. Nov 2007, 14:08

JustFrank hat geschrieben:Konnten wir das wirklich? Uns die Natur untertan machen?
Guckst du hier: http://hometown.aol.de/frank%20from%20mars/HomeAug2006/1553812.htm

Ich habe nachgeschaut und finde einen Gleichgsinnten. Du hast nur eins nich berücksichtigt, das hat Eugenie Scott - Direktor am National-Center-for-Science-Education treffend augedrückt als es um Vortragsreihen der Fanatiker (Gerardus Bauw, Marshall und Sandra Hall) ging, auf denen erklärt wird wie die Sonne um die Erde kreist. Sie stellte fest, Einwände gegen solche Astronomiemärchen wären vollkommen sinnlos, die Zuhörer wären nicht in der Lage sie zu verstehen.

Was kann man erwarten, wenn wie in den USA 8 % totale Analpbaten sind, 7% gerade mal den eigenen Namen schreiben können und die Analphabetenrate von Detroit sogar 48% erreicht. In das Handbuch für einen Elektoherd muß heute schon die Anweisung rein "Die Hand nicht auf die glühende Herdplatte legen", sonst gibt es Gewährleistungsansprüche. Der Unterschied zu Ländern wie Marokko und Ägypten mit 50% und 30% Analphabetismus ist da nur noch minimal. Ein kleines Land wie Südkorea hat von 1980 – 1999 etwa 17.000 Patente angemeldet, Ägypten als führende islamische Nation mit fast doppelt so vielen Einwohnern auf zehnfacher Fläche hat ganze 77 geschafft.

Die moderne "Kultur" mit endlosen Seifenopern, asozialer Gerichtsschwachsinn plus paritätische Politikerverdummung im Fernsehen sowie industriellem Restmüll als Fastfood aufbereitet verhindert das sich etwas ändert, abgesehen von immer fetteren und fauleren Menschen und vom weiteren Absinken unter das Neantertaler Niveau. Falls eine Religion wie der Katholizismus ausstirbt, dann nicht weil er bei 60% schwulen Priestern - davon 8 % pädophile Schwuchteln - innerlich moralisch verrottet, sondern weil die verkündete Botschaft interlektuell zu anspruchsvoll wird.

Oder ist das genau das, was die betende Mumie im Vatikan vorhat, wenn sie die Messe in Lateinisch zelibriert. Nach aktuellen neuropsychologische Studien sind selbst fabrizierte Erinnerungen ein gängiges Alltagsphänomens. Die am Gedächtnisprozess beteiligte frontparietale Region ist stärker mit einem Gefühl der Vertrautheit verknüpft, während die medialen Temporallappen (MTL) mehr mit tatsächlichem Wiedererkennen zu tun haben. Daraus enstehen die fatalen Täuschungen. Es beeindrucken immer nur jene Abläufe, die auf Gefühle und stimmungsvolle Musik setzen. Abstrakte Betrachtungen über Moral, Dogmen, Verhaltensnormen, die Natur des Universums mit Anspruchen an die Intelligenz schneiden schlecht ab. Eine abstrakte und unverständliche mittelalterliche Zeremonie sichert dagegen optimale Wirkung fürs schlichte Gemüt. Man könnte auch sagen, eine religiöse Seifenoper für Gehirnamputierte
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon ostfriese » Mi 28. Nov 2007, 17:52

stine hat geschrieben:Was ist das "Leid"? Leiden ist ein Spüren seiner selbst. Ob wir es positiv oder negativ für uns empfinden ist reine Erziehungssache. Wir Menschen bestimmen doch, was gut oder schlecht ist, nicht wahr?

Nein. Leid ist per definitionem negativ/schlecht, sonst wäre es kein Leid.

Durch willkürliches Umdefinieren von Begriffen kann man natürlich jede Argumentation aushöhlen. Sollte man aber vermeiden, wenn man sich verständigen will.

stine hat geschrieben:Ich finde, wenn man die Menschen als Zufall der Natur betrachtet, muß man ehrlicherweise auch zugestehen, dass die Natur grausam sein kann und wir als Naturprodukt das so erleben.

Der Mensch ist mitnichten Zufallsprodukt, sondern Ergebnis von Mutation und Selektion im Laufe der Evolution.

"Grausam" ist allenfalls unsere eigene Natur, die uns unter Schmerzen, Hunger, Durst, Verletzungen, Krankheiten, Erschöpfung, Frost, Hitze, Angst, Scham, quälenden Gedanken oder Einsamkeit leiden lässt und uns dadurch in so vielfältiger Weise empfindsam, angreifbar und zerbrechlich macht.

stine hat geschrieben:Ob irgendetwas "menschlich" ist, ist dann genauso eine Definitionssache, wie gut oder schlecht.

Genauso wenig: Schlecht ist, was unnötiges Leid verursacht, und "menschlich" (human) verhält sich jemand, der es vermeidet, seinen Mitwesen unnötiges Leid zuzufügen.

Denn hier ist mit "menschlich" nicht "menschenartig" gemeint, es geht also nicht um das unreflektiert-instinktive Verhalten des Homo Sapiens. Sondern um Verhaltensnormen, die Ergebnis eines von Wissen und Erfahrungen beeinflussten Denkprozesses sind.

stine hat geschrieben:Vielleicht muß man sich dann an dieser Stelle mal grundsätzlich darüber Gedanken machen, was der "Mensch" für einen Bright sein soll. Ist er nun etwas Besonderes oder nicht? Ist er Zufall Natur und damit allen natürlichen Abläufen unterworfen? Oder ist er eine Kreatur, die befähigt wurde sich über die Natur zu erheben?

Zufall ist er nicht, Natur ist er trotzdem. Entworfen ist er nicht, schon gar nicht dazu, sich über nie Natur zu erheben. Dass er's trotzdem tut, ist gerade kein Zeichen fortgeschrittener Denkleistung, sondern zeugt von blinder Gefolgschaft gegenüber seinem egoistisch-genetischen Programm.

stine hat geschrieben:Wenn sich atheistische naturalistisch Denkende darüber Gedanken machen, dann sind sie wahrscheinlich an der gleichen Stelle angelangt, wie seinerzeit die Evangelisten. Nur sprechen sie heute eine andere Sprache.

Und sie wissen viel, viel mehr über die Welt und den Menschen!! Deshalb sollten sie zu neuen, problemlösetauglicheren Denk-Ergebnissen kommen.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 28. Nov 2007, 18:36

ostfriese hat geschrieben:Der Mensch ist mitnichten Zufallsprodukt, sondern Ergebnis von Mutation und Selektion im Laufe der Evolution.
Und genau dies ist Zufallergebnis.
Ob eine beliebige(!) Mutation eintritt ist Zufall - wobei diverse Faktoren die Wahrscheinlichkeit dieses Zufalls erhöhen oder vermindern können, ob diese Mutation einen Selektionsvorteil bringt ist reiner Zufall, die Selektion selber ist (zum Größten Teil) kein Zufall.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon El Schwalmo » Mi 28. Nov 2007, 18:58

ostfriese hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Der Mensch ist mitnichten Zufallsprodukt, sondern Ergebnis von Mutation und Selektion im Laufe der Evolution.

hier musst Du sehr genau darauf achten, was Du unter 'Zufall' verstehen möchtest. 'Zufall' in der Evolutionsbiologie bedeutet meist irgendwas in Richtung 'ohne Zusammenhang mit den Selektionsbedingungen'. Selbstverständlich ist jede Muatation in eine Ursache-Wirkungs-Kette eingebunden (eine Base mutiert, weil ...).

Dass die Selektion nicht-zufällig ist, bedeutet überhaupt nichts, denn die Selektionsbedingungen ändern sich in den meisten Fällen im Laufe der Zeit, und zwar auch mehr oder weniger 'zufällig'. Der Mensch ist, evolutionsbiologisch gesehen, falls man den MainStream vertritt, durchaus ein 'Zufallsprodukt'.

Es gibt natürlich auch Menschen, die behaupten, dass es 'constraints' gibt. Das heißt, Organismen sind 'bebürdet', aufgrund des bisher Erreichten sind nur noch bestimmte Entwicklungswege möglich, was ab einer bestimmten Ebene sogar bedeuten könnte, dass die Rolle des Zufalls immer geringer wird. Bei der Evolution des Menschen scheint mir das nicht der Fall gewesen zu sein, zumindest nicht am Anfang, wir müssten das aber im Detail diskutieren.

BTW, 'Mutation und Selektion' spielt für die Evolution des Menschen schon lange nicht mehr die pralle Rolle, denn unsere Natur ist die Kultur. Daher verläuft unsere Evolution schon lange tradigentisch (genuin lamarckistisch), also grundlegend anders, als die darwinistische unserer Mitlebewesen. Und exakt das ist auch der Grund für unsere Sonderstellung innerhalb des Organismenreichs.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon JustFrank » Mi 28. Nov 2007, 20:12

An dieser Stelle kommt es wirklich darauf an, wie wir Zufall definieren!

Aus dem Bauch heraus gelangt man ja schnell zu einer Definitionen die Zufall mit Chaos gleichsetzt (wohlgemerkt: nicht mit deterministischen Chaos).

Mathematisch betrachtet folgt Zufall aber ganz bestimmten Gesetzmäßigkeiten, die unter gegebenen Bedingungen eine mehr oder minder große Anzahl von Folgen haben kann. Gauss, Pareto und in jüngerer Zeit vor allem Leute aus den Bereichen Qualität und Zuverlässigkeit von Produkten haben sich ja mit der Wirkung des Zufalls innigst beschäftigt.

Dabei sind einige universell gültige Regeln heraus gekommen, anhand derer sich das Wirken des Zufalls in der Evolution recht gut beschreiben lässt.

Damit ist der Mensch so zufällig, wie es die Ausgangsbedingungen bei seiner Entstehung zugelassen haben.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon JustFrank » Mi 28. Nov 2007, 20:19

emporda hat geschrieben:Du hast nur eins nich berücksichtigt, das hat Eugenie Scott - Direktor am National-Center-for-Science-Education treffend augedrückt als es um Vortragsreihen der Fanatiker (Gerardus Bauw, Marshall und Sandra Hall) ging, auf denen erklärt wird wie die Sonne um die Erde kreist. Sie stellte fest, Einwände gegen solche Astronomiemärchen wären vollkommen sinnlos, die Zuhörer wären nicht in der Lage sie zu verstehen.



Hallo emporda,

das ist wohl wahr. Es gestaltet sich oft schwierig, mit unwissenden Menschen vernünftige Gespräche zu führen. Wobei ich selbst nicht viel weiss. Aber neulich fragte mich jemand beim betrachten des Mondes, was denn weiter weg wäre: Der Mond oder die Wolken, die davor vorbei ziehen.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon El Schwalmo » Mi 28. Nov 2007, 21:10

JustFrank hat geschrieben:Damit ist der Mensch so zufällig, wie es die Ausgangsbedingungen bei seiner Entstehung zugelassen haben.

ist das nicht trivial?

Das ist doch nur umformuliert: wenn es 'constraints' gibt, kann die Evolution nur innerhalb derselben verlaufen.

Weiß ich dann, ob es constraints gibt?
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Peter Janotta » Mi 28. Nov 2007, 21:13

'constraints' nennt man im Deutschen in Mathematik und Physik auch Zwangsbedinungen. (Will nicht klugscheißern nur das Verständnis fördern. Ehrlich!)
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon ostfriese » Mi 28. Nov 2007, 21:47

Ob die Existenz komplexer Lebewesen zufällig ist, kann man nicht allein aus der Zufälligkeit der Einzelereignisse beurteilen, die sequenziell zu ihrer Entstehung geführt haben. Im übrigen muss man mit dem Gebrauch des Begriffs "Zufall" sehr vorsichtig sein. Es ist durchaus denkbar, dass das, was wir naiv darunter verstehen, überhaupt nicht existiert. JustFrank hat bereits darauf hingewiesen, dass bestimmte Mikroobjekte erfolgreich mit probabilistischen Theorien beschrieben werden; man darf aber nicht den Fehlschluss der Positivisten begehen, ihrer Existenz deshalb eine "reale Zufälligkeit" zuzuordnen (was immer das sein soll).

Der Grund, warum mehr Physiker als Biologen an einen Schöpfer glauben, ist die "Feinabstimmung" kosmologischer und physikalischer Konstanten, ohne welche die Entwicklung des Lebens auf der Erde ausgeschlossen gewesen wäre. So ungeheuer groß die Vielfalt irdischen Lebens uns erscheinen mag -- die gesamte Evolution spielt sich auf einem kosmologisch sehr schmalen Grat ab.

Wir sind insofern nichtzufällig, als wir all das nicht sind, was bei freiem Walten des Zufalls möglich gewesen wäre, aber in die Abgründe des Nichtseins links und rechts des kosmologischen Grates fiel.


Bem.: Eine "Theory of Everything", hinter der die Physiker herjagen, sollte auch verstehen helfen, warum die Bedingungen des Kosmos sind, wie sie sind. Bis dahin hilft uns nur das anthropische Prinzip: Wäre es anders, wären wir nicht hier...
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon El Schwalmo » Mi 28. Nov 2007, 21:55

ostfriese hat geschrieben:Wir sind deshalb nichtzufällig, weil wir all das nicht sind, was bei freiem Walten des Zufalls möglich gewesen wäre, aber in die Abgründe des Nichtseins links und rechts des kosmologischen Grates fiel.

Du spielst Skat. Du hast ein bestimmtes Blatt in der Hand. Ist es 'Zufall', welches Blatt Du in der Hand hast? Ist es 'Zufall', dass Du überhaupt ein Blatt in der Hand hast?

Nach Deiner obigen Definition ist es kein Zufall, dass Du überhaupt ein Blatt in der Hand hast, denn Deine Eltern hätten sich auch nicht kennenlernen können, oder beim Urknall hätte etwas schief gegangen sein können.

Macht es Sinn, alles als 'nicht-zufällig' zu definieren, nur weil es hätte anders kommen können?
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