Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon Myron » Do 28. Feb 2008, 18:40

ostfriese hat geschrieben:Todesfurcht ist ein uns und vielen Tieren evolutionär zugewachsener Überlebensvorteil, rational ist sie nicht.


Liegen irgendwelche empirischen Indizien vor, die auf eine Todesfurcht bei Tieren schließen lassen?
Benutzeravatar
Myron
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 4808
Registriert: So 1. Jul 2007, 17:04

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon Nathan » Do 28. Feb 2008, 20:06

ostfriese hat geschrieben:Insgesamt bleibt festzuhalten, dass der Threadtitel zurückzuweisen ist, da er in irreführender Weise Naturmystiker mit Naturalisten in Verbindung bringt. In Wahrheit sind die meisten Ökoreligiösen mindestens Deisten oder Pantheisten, wenn nicht christlich geprägte Kreationisten.

Der Naturalismus ist jedenfalls weiter als jede andere Weltanschauung davon entfernt, religiöse Züge zu tragen.


Er bildet eine notwendige Voraussetzung der Naturmystik, ist mit dieser aber nicht identisch. Für die Naturmystik wäre der Glaube an einen Gott atypisch, weil der Wille eines persönlichen Gottes als etwas über der Natur Stehendes gedacht werden muss. Nur der Pantheismus passt, wobei er sich kaum erkennbar vom Atheismus unterscheidet. Der Naturalismus stellt also erst die Bedingungen her, unter denen die Naturmystik dann gedeihen kann. Sie ist die konsequente Fortführung des naturalistischen Weltbildes auf alle Bereiche des Lebens, zumindest habe ich versucht, das zu zeigen.

Gruß
Nathan
Nathan
 
Beiträge: 95
Registriert: Mo 18. Feb 2008, 18:06

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon Nathan » Do 28. Feb 2008, 20:10

Myron hat geschrieben:
ostfriese hat geschrieben:Todesfurcht ist ein uns und vielen Tieren evolutionär zugewachsener Überlebensvorteil, rational ist sie nicht.


Liegen irgendwelche empirischen Indizien vor, die auf eine Todesfurcht bei Tieren schließen lassen?


Nach meinem Kenntnisstand meiden Ratten Gift, wenn sie sehen, dass ihre Artgenossen daran gestorben sind. Was sie in diesem Fall abschreckt ist als nicht die Angst vor Schmerz (den sie ja nicht wahrgenommen haben) und auch nicht ein angeborener Reflex vor Raubtierzähnen, sondern der bloße Zusammenhang zwischen einer toten Ratte und einem Stück Futter.

Gruß
Nathan
Nathan
 
Beiträge: 95
Registriert: Mo 18. Feb 2008, 18:06

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon ostfriese » Do 28. Feb 2008, 20:11

Myron hat geschrieben:Liegen irgendwelche empirischen Indizien vor, die auf eine Todesfurcht bei Tieren schließen lassen?

Ich meine damit, wie gesagt, nicht: Ängste, die beim Nachdenken über den Tod ausgelöst werden. Sondern fasse unter Todesfurcht zusammen, dass Tiere Situationen meiden, die mit ihrem Tode enden könnten. Auch wenn Katzen manchmal blöd genug sind, sich auf Laternenpfähle jagen zu lassen... :mg:
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon Myron » Do 28. Feb 2008, 20:17

ostfriese hat geschrieben:Ich meine damit, wie gesagt, nicht: Ängste, die beim Nachdenken über den Tod ausgelöst werden. Sondern fasse unter Todesfurcht zusammen, dass Tiere Situationen meiden, die mit ihrem Tode enden könnten.


Du meinst also den unreflektierten Selbsterhaltungstrieb. Das ist etwas anderes.
Benutzeravatar
Myron
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 4808
Registriert: So 1. Jul 2007, 17:04

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon Falk » Do 28. Feb 2008, 21:55

@Nathan
Er bildet eine notwendige Voraussetzung der Naturmystik, ist mit dieser aber nicht identisch. Für die Naturmystik wäre der Glaube an einen Gott atypisch, weil der Wille eines persönlichen Gottes als etwas über der Natur Stehendes gedacht werden muss. Nur der Pantheismus passt, wobei er sich kaum erkennbar vom Atheismus unterscheidet. Der Naturalismus stellt also erst die Bedingungen her, unter denen die Naturmystik dann gedeihen kann.

Soweit d'accord.

Aber hier folge ich dir nicht:
Sie ist die konsequente Fortführung des naturalistischen Weltbildes auf alle Bereiche des Lebens, zumindest habe ich versucht, das zu zeigen.


Die Naturmystik, wie du sie skizzierst, ist eine Melange aus Naturalismus und religiöser Spiritualität. Sie folgt allenfalls dann notwendig, wenn man Naturalist ist, aber trotzdem ein Bedürfnis nach Religiösität hat. Und das letztere ist kein notwendiger Zusammenhang.

Du hängst mE deutlich im theistischen Denken fest, und kannst den Naturalismus daher nicht richtig fassen. Beispiel Evolutionstheorie:
Die Evolutionstheorie erklärt zwar nichts (wenn es kein Leben oder nur einzelliges oder ein ganz anderes gäbe, widerspräche das nicht der Evolutionstheorie)

Das ist nur dann richtig, wenn man "Erklärung" im typisch theistischen Sinne versteht - etwa: Es kann nicht kein Leben geben, weil das die Evolutionstheorie nicht zuläßt. Das ist aber ein gänzlich falsches Wissenschaftsverständnis. Der Wissenschaft geht es nicht darum, warum die gegebenen Umstände so sein müssen wie sie sind, sondern darum, zu erklären, warum sich aus den gegebenen Umständen das entwickelt hat, das sich entwickelt hat. Der Erklärungswert der Evolutionstheorie ist also, daß sie beschreibt, wie aus einfachsten Organismen die heute anzutreffenden Organismen in ihrer Komplexität und Vielfalt entstehen konnten.
Man kann sagen: Es muß so und so sein, weil Gott es so geschaffen hat. Aber nicht: Es muß so und so sein, weil die Evolution es so "geschaffen" hat. Der letztere Satz funktioniert nur in dieser Formulierung: Es ist so und so, weil die Evolution es so "geschaffen" hat.
Du bildest deine eigene theistisch geprägte Denkweise auf den Naturalismus ab - und das funktioniert nicht.
Benutzeravatar
Falk
 
Beiträge: 754
Registriert: So 10. Sep 2006, 20:45
Wohnort: Mainz

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon ostfriese » Do 28. Feb 2008, 22:22

Myron hat geschrieben:Du meinst also den unreflektierten Selbsterhaltungstrieb. Das ist etwas anderes.

Nein, den "Selbsterhaltungstrieb" meine ich nicht, denn der besteht nach meinem Verständnis ebenso im Meiden überlebensgefährdender wie im Aufsuchen überlebensgünstiger Situationen. Den Begriff "Trieb" mag ich übrigens nicht, da er das hirnphysiologische Geschehen (Belohnungssystem, Stress- und Glückshormone usw.) so ungenau abbildet. Positive und negative Empfindungen mit den zugehörigen Bedürfnissen beschreiben das Verhalten besser.
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon Nathan » Fr 29. Feb 2008, 10:20

Falk hat geschrieben:@Nathan
Aber hier folge ich dir nicht:
Sie ist die konsequente Fortführung des naturalistischen Weltbildes auf alle Bereiche des Lebens, zumindest habe ich versucht, das zu zeigen.


Die Naturmystik, wie du sie skizzierst, ist eine Melange aus Naturalismus und religiöser Spiritualität. Sie folgt allenfalls dann notwendig, wenn man Naturalist ist, aber trotzdem ein Bedürfnis nach Religiösität hat. Und das letztere ist kein notwendiger Zusammenhang.


Stimmt, es war übertrieben, hier von einer "Notwendigkeit" zu sprechen. Der Naturalismus bildet die Grundlage der Naturmystik, aber die Naturmystik folgt dem Naturalismus nicht notwendig.
Der Naturalismus lässt den Menschen mit der Natur allein, die Naturmystik baut diesen Umstand zu einer umfassenden Weltsicht aus. Ich denke, man kann aber sagen, dass sich in diesem Prozess des Weltbildaufbaus aber mit Notwendigkeit die immer größer werdende Bedeutung der Natur für den Menschen herausstellt, die bis zur religiösen Verehrung anwächst. Aber wie weit diese Gedanken sich bei einem einzelnen Menschen entwickelt, kann ich nicht sagen.

In einer Gesellschaft, die eine herrschende Religion kennt, kann man immer wieder beobachten, dass Teile der Religion auch von Einzelpersonen übernommen werden, die dieser Religion auf Nachfrage eigentlich ablehnend gegenüberstehen. Z.B. haben auch Religionskritiker der Aufklärung viele Elemente des Christentums in ihre Ethik verbaut, die heute etwas anachronistisch wirken. Ebenso kann auch ein moderner Mensch bestimmte Gedankenmuster der Naturmystik übernehmen (z.B. die Sorge vor dem "Triebstau"), obwohl er selbst kein besonders nachdenklicher Mensch ist und nie bewusst auf der Grundlage des Naturalismus eine Religion erdacht hat und sie in ihrer ausformulierten Form sogar ablehnt.

Deine Vermutung, dass ich hier meinen "Theismus" hineinlese, ist nicht ganz falsch, denn man erkennt gut wieder, was man gut kennt, und die Naturmystik hat in der Tat - nach meiner Beobachtung - viele Ähnlichkeiten mit dem Christentum und recht wenig mit den - wenn auch viel gerühmten - "Naturreligionen".

Gruß
Nathan
Nathan
 
Beiträge: 95
Registriert: Mo 18. Feb 2008, 18:06

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon ostfriese » Fr 29. Feb 2008, 11:40

Nathan hat geschrieben:Der Naturalismus bildet die Grundlage der Naturmystik

Unsinn! Die meisten Naturmystiker sind Deisten oder Pantheisten, viele sogar Christen. Naturalisten, welche Naturerfahrungen von spiritueller Tiefe machen, sind noch lange keine Naturmystiker.

Nathan hat geschrieben:Der Naturalismus lässt den Menschen mit der Natur allein, die Naturmystik baut diesen Umstand zu einer umfassenden Weltsicht aus.

Der Naturalismus ist eine umfassende Weltsicht, da gibt es nichts auszubauen. Wer versucht, den Naturalismus zu erweitern, der verabschiedet sich von ihm.

Nathan hat geschrieben:... auf der Grundlage des Naturalismus eine Religion erdacht ...

Nochmal: Es gibt keine Religion auf der Grundlage des Naturalismus.
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon Falk » Fr 29. Feb 2008, 12:01

Unsinn! Die meisten Naturmystiker sind Deisten oder Pantheisten, viele sogar Christen.

Ich verstehe Nathan so, daß er mit "Naturalismus" bloß ein nicht-theistisches Weltbild meint - oder eines, das frei von Übernatürlichem ist. Das ist natürlich nicht der Naturalismus, den wir vertreten, denn der ist an die wissenschaftliche Methode gekoppelt, die Mystik gleich welcher Art freilich nicht zuläßt. Aber wenn es um diesen reduzierten Begriff des Naturalismus geht, kann man Nathan, denke ich, schon zustimmen. Christliche Naturmystiker sind im übrigens per definitionem nicht Naturmystiker in dem Sinne, in dem Nathan das Wort gebraucht - sondern Christen. Für Deisten ließe sich wohl das gleiche sagen, Pantheisten hingegen könnten (müssen aber nicht) mE gut Naturmystiker in Nathans Sinne sein.
Benutzeravatar
Falk
 
Beiträge: 754
Registriert: So 10. Sep 2006, 20:45
Wohnort: Mainz

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon Nathan » Fr 29. Feb 2008, 14:26

Vielleicht sollte ich noch dazu sagen, dass "Mystik" nicht die Verwendung unwissenschaftlicher Ansichten voraussetzt oder geheimnisvoll oder umgangssprachlich "mystisch" ist. Mystik ist einfach der Wunsch nach der Vereinigung mit Gott. In der Naturmystik besteht also der Wunsch nach dem empfundenen Einssein mit der Natur, wobei dies nicht unbedingt in Psychotherapien oder obskuren Zirkeln geschehen muss, sondern auch schon dann vorliegt, wenn jemand den Gedanken bemerkenswert findet, dass wir ja eigentlich ein Teil der Natur sind. Mystik kommt hier wie übrigens auch im Christentum meistens ganz bodenständig und profiliert daher.

Gruß
Nathan
Nathan
 
Beiträge: 95
Registriert: Mo 18. Feb 2008, 18:06

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon Myron » Fr 29. Feb 2008, 14:51

Nathan hat geschrieben:Stimmt, es war übertrieben, hier von einer "Notwendigkeit" zu sprechen. Der Naturalismus bildet die Grundlage der Naturmystik, aber die Naturmystik folgt dem Naturalismus nicht notwendig.


Der moderne Naturalismus ist wissenschaftsorientiert, was man von der romantischen Naturmystik nicht behaupten kann.

Nathan hat geschrieben:Der Naturalismus lässt den Menschen mit der Natur allein, die Naturmystik baut diesen Umstand zu einer umfassenden Weltsicht aus.


Der metaphysische Naturalismus ist auch eine umfassende Weltsicht.
Benutzeravatar
Myron
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 4808
Registriert: So 1. Jul 2007, 17:04

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon ostfriese » Fr 29. Feb 2008, 14:52

Nathan hat geschrieben:Mystik ist einfach der Wunsch nach der Vereinigung mit Gott. In der Naturmystik besteht also der Wunsch nach dem empfundenen Einssein mit der Natur

Ja, genauso hatte ich Dich verstanden (im Gegensatz zu Falk). Und genau auf diese Auffassung von Mystik bezogen sich meine Kommentare. Weder sind Naturalisten beseelt von einem Wunsch nach Vereinigung mit der Natur, noch fehlt ihnen in dieser Richtung irgendetwas. Deine Unterstellungen oder Mutmaßungen sind die Projektionen eines Religiösen.
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon Myron » Fr 29. Feb 2008, 16:22

ostfriese hat geschrieben:Weder sind Naturalisten beseelt von einem Wunsch nach Vereinigung mit der Natur, noch fehlt ihnen in dieser Richtung irgendetwas.


Zumal überhaupt nicht klar ist, was man sich unter einer "Einswerdung mit der Natur" vorzustellen hat.
Meditative Ichvergessenheit, d.h. Auflösung der egozentrischen Perspektive?

Ich begnüge mich weiterhin mit der Einsicht, vollständig, d.i. mit Leib und Seele, Teil der Natur zu sein; aber ich drücke diese nicht mit den Worten "Ich bin die Natur" aus, denn ich bin eben nicht die ganze Natur, sondern nur ein Teil davon.
Benutzeravatar
Myron
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 4808
Registriert: So 1. Jul 2007, 17:04

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon Nathan » Sa 1. Mär 2008, 16:40

Myron hat geschrieben:
Nathan hat geschrieben:Der Naturalismus bildet die Grundlage der Naturmystik, aber die Naturmystik folgt dem Naturalismus nicht notwendig.


Der moderne Naturalismus ist wissenschaftsorientiert, was man von der romantischen Naturmystik nicht behaupten kann.

Nathan hat geschrieben:Der Naturalismus lässt den Menschen mit der Natur allein, die Naturmystik baut diesen Umstand zu einer umfassenden Weltsicht aus.


Der metaphysische Naturalismus ist auch eine umfassende Weltsicht.


Die Naturwissenschaft kann in der Naturmystik sogar eine sehr große Rolle spielen, muss sie aber nicht unbedingt. Das ist ebenfalls eine Frage des Typs, aber so ist es auch in jeder anderen Religion: auch unter Christen gibt es eher wissenschaftsorientierte Menschen, manche betonen mehr das Gefühlsleben, oder den Ausbau der Dogmatik. Was sind denn für dich genau die Unterschiede zwischen der Naturmystik und dem "metaphysischen Naturalismus", die das eine zu einer Religion machen und das andere zu einer Philosophie (diese Unterscheidung meinst du doch, oder?).

Gruß
Nathan
Nathan
 
Beiträge: 95
Registriert: Mo 18. Feb 2008, 18:06

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon Myron » Sa 1. Mär 2008, 16:54

Nathan hat geschrieben:Was sind denn für dich genau die Unterschiede zwischen der Naturmystik und dem "metaphysischen Naturalismus", die das eine zu einer Religion machen und das andere zu einer Philosophie (diese Unterscheidung meinst du doch, oder?).


Was bedeutet "Religion"?

"William Alston approaches the concept of religion by specifying what he calls 'religious making' characteristics. These are the following:

(1) Belief in supernatural beings.

(2) A distinction between sacred and profane objects.

(3) Ritual acts focused on sacred objects.

(4) A moral code believed to be sanctioned by the gods.

(5) Characteristically religious feelings (awe, sense of mystery, sense of guilt, adoration) that tend to be aroused in the presence of sacred objects and during the practice of ritual and that are connected in idea with the gods.

(6) Prayers and other forms of communication with the gods.

(7) A world-view or a general picture of the world as a whole and the place of the individual therein. This picture contains some specification of an overall purpose or point of the world and an indication of how the individual fits into it.

(8) A more or less total organization of one's life based on the world-view.

(9) A social group bound together by the above.

According to Alston these characteristics 'neither singly nor in combination constitute tight necessary and sufficient conditions for something being a religion.' Yet, he says, 'each of them contributes to making something a religion.' He continues: 'When enough of these characteristics are present to a sufficient degree, we have a religion.' Alston argues that there is no more precise way than this of saying what a religion is."


(Martin, Michael. "Atheism and Religion." In The Cambridge Companion to Atheism, edited by Michael Martin, 217-232. Cambridge: Cambridge University Press, 2007. p. 217+)

Die Punkte 1-6 treffen auf den philosophischen Naturalismus nicht zu, sondern nur Punkt 7 und eventuell auch Teile von 8+9.
Deshalb haben wir es hier nicht mit einer Religion zu tun.
Benutzeravatar
Myron
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 4808
Registriert: So 1. Jul 2007, 17:04

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon Nathan » Sa 1. Mär 2008, 17:04

ostfriese hat geschrieben:
Nathan hat geschrieben:Mystik ist einfach der Wunsch nach der Vereinigung mit Gott. In der Naturmystik besteht also der Wunsch nach dem empfundenen Einssein mit der Natur

Ja, genauso hatte ich Dich verstanden (im Gegensatz zu Falk). Und genau auf diese Auffassung von Mystik bezogen sich meine Kommentare. Weder sind Naturalisten beseelt von einem Wunsch nach Vereinigung mit der Natur, noch fehlt ihnen in dieser Richtung irgendetwas. Deine Unterstellungen oder Mutmaßungen sind die Projektionen eines Religiösen.


Ich habe auch nie behauptet, jedem Naturalisten die Naturmystik nachweisen zu können, aber einige gab es ja schon, die der Naturmystik etwas abgewinnen konnten... |)

Aber die Formulierung mit der "Vereinigung" trifft es auch nicht ganz :ohm: . Es geht ja eigentlich darum, sich der tatsächlichen Einheit bewusst zu sein oder vielmehr zu werden. Die geistige Arbeit besteht also nicht in irgendwelchen verschrobenen Übungen bei Kerzenschein, woran ich bei dem Begriff "Vereinigung" denken muss, sondern betrifft die ganz nüchterne Überlegung, wo man den Gedanken an die existierende Einheit vielleicht nicht präsent hat, weil man durch diverse (wie gesagt in der Regel christliche :heiligen3koenige: ) Einflüsse davon abgebracht wurde. Es kann sein, dass man sich bei einem Gefühl ertappt, dass man eigentlich für unangemessen hält, wenn man bedenkt, dass man eigentlich Teil der Natur ist, oder man ringt aktive um die "Befreiung" der anderen Menschen aus diesen Gefühlen (dann wäre es sogar eine missionierende Religion). Naturmystik kann sich darin äußern, dass jemand das Glück sucht, indem er versucht, auf seine Gefühle zu "hören" (für Nicht-Naturmystker ein ziemlich eigenartiges Unterfangen übrigens) und zu befolgen. Vielleicht ist es auch die Suche nach dem Glück, die ihn zu den Naturwissenschaften treibt. Ein Christ hat an der Natur und ihrer Erforschung zwar seine helle Freude, aber er verspricht sich wenig Erkenntnis für sein Leben darin. Die gibt es zwar auch, spätestens dann, wenn er interessante Studien aus der Psychologie liest, aber sie sind für ihn eine sekundäre Quelle. Für einen Naturmystiker kann die Beschäftigung mit der Natur etwas von der Suche nach der eigenen Bestimmung oder sogar von der Suche nach Selbsterkenntnis haben. Das wäre dann seine Form, sich der Natur anzunähern und, das eigene Denken und Leben in Einklang mit ihr zu bringen - sorry: die natürliche Einheit wieder herzustellen oder sich ihrer bewusst zu werden (so würde es der Naturmystiker formulieren und empfinden).

Gruß
Nathan
Nathan
 
Beiträge: 95
Registriert: Mo 18. Feb 2008, 18:06

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon Klaus » Sa 1. Mär 2008, 17:10

@Nathan, deine ganze Argumentation erinnert mich an die Desiderata. Kommen deine Auffassungen daher? Es gibt ja unter den Calvinisten etliche die naturmystische Positionen beziehen, wohl auch aus der strikten Prädestination heraus.
Benutzeravatar
Klaus
 
Beiträge: 4704
Registriert: Mo 11. Sep 2006, 21:43
Wohnort: get off the Net, I´ll meet you in the Streets

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon ostfriese » Sa 1. Mär 2008, 17:13

Nathan, sofern das, was Du schreibst, auf Naturalisten zutrifft (z.B., dass man naturwissenschaftliche Erkenntnisse für ethisch und lebenspraktisch relevant hält), hat es mit Religion nicht das geringste zu tun. Sofern es etwas mit Religion zu tun hat, trifft es auf Naturalisten nicht zu.

Zu Deinen übrigen Ausführungen habe ich keine Einwände.
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Naturalismus ist Grundlage einer Religion

Beitragvon Nathan » Sa 1. Mär 2008, 17:25

Myron hat geschrieben:
Nathan hat geschrieben:Was sind denn für dich genau die Unterschiede zwischen der Naturmystik und dem "metaphysischen Naturalismus", die das eine zu einer Religion machen und das andere zu einer Philosophie (diese Unterscheidung meinst du doch, oder?).


Was bedeutet "Religion"?

"William Alston approaches the concept of religion by specifying what he calls 'religious making' characteristics. These are the following:

(1) Belief in supernatural beings.


Trifft auf den Buddhismus beispielsweise nicht zu.

Myron hat geschrieben:(2) A distinction between sacred and profane objects.


Trifft auf sehr viele Religionen nicht zu (wo sollen denn meine "heiligen Objekte" sein? Ich bin doch nicht katholisch...). Auf den Buddhismus selbst auch nicht notwendigerweise.

Myron hat geschrieben:(3) Ritual acts focused on sacred objects.


Ist dann ebenfalls obsolet.

Myron hat geschrieben:(4) A moral code believed to be sanctioned by the gods.


Einen moralischen Code gibt es in der Naturmystik, der sich aus dem Gedanken an die gute Natur (den Gott der Naturmystik) ergibt. Im Buddhismus gibt es dies nicht.

Myron hat geschrieben:(5) Characteristically religious feelings (awe, sense of mystery, sense of guilt, adoration) that tend to be aroused in the presence of sacred objects and during the practice of ritual and that are connected in idea with the gods.


Tja, ich kann nicht die Gefühle der anderen beobachten, aber ich vermute, dass die Gefühle sich tatsächlich in jeder Religion unterscheiden, weil es ein Unterschied ist, ob man gerade versucht, an nichts zu denken, zu Gott zu beten, oder seine Ahnen milde zu stimmen. Dass die Naturmystik keine eigenen Gefühle hervorbringt, halte ich für sehr unwahrscheinlich.

Myron hat geschrieben:(6) Prayers and other forms of communication with the gods.


Das setzt natürlich den Glauben an einen Gott voraus, der wie gesagt im Buddhismus nicht vorliegt. In vielen magischen Religionen ist an die Stelle eines Gesprächs ein Ritual getreten. Die Kommunikation funktioniert in der Naturmystik über das eigene Innenleben. Hier wird tatsächlich ein Kontakt hergestellt, oder man macht ihn sich bewusst. Diese Kontaktaufnahme übernimmt hier die Funktion des Gebetes. Im Buddhismus nimmt man i.W. durch Meditation Kontakt zu dem auf, was den wichtigsten Bereich des Glaubens ausmacht.

Myron hat geschrieben:(7) A world-view or a general picture of the world as a whole and the place of the individual therein. This picture contains some specification of an overall purpose or point of the world and an indication of how the individual fits into it.

(8) A more or less total organization of one's life based on the world-view.

(9) A social group bound together by the above.


Zu diesen Punkten hast du ja schon selbst gesagt, dass sie auf die Naturmystik zutreffen könnten. Ich bin ganz sicher, dass sie es tun. Es kommt natürlich hier wie auch beispielslweise im Christentum darauf an, wie ernst man die Religion nimmt, ob man sie in vielen Entscheidungen des Alltags oder nur an ausgewählten Punkten bemerkt und ob das ganze Denken davon beeinflusst wird oder nur bestimmte Elemente übernommen werden. Das dürfte in anderen Religionen vergleichbar sein. Der letzte Punkt ist sehr weit formuliert und trifft auf fast jede Gruppe zu. Auf die Naturmystik allemal. Die Organisation ist hier wie auch in anderen Religionen vielfältig: in Gruppen, die sich auf einen bestimmten Bereich spezialisieren und es gibt Mechanismen, die eine Synchronisation der Gesamtheit erlauben (was heute spielend über die Medien erreicht wird).

Myron hat geschrieben:According to Alston these characteristics 'neither singly nor in combination constitute tight necessary and sufficient conditions for something being a religion.' Yet, he says, 'each of them contributes to making something a religion.' He continues: 'When enough of these characteristics are present to a sufficient degree, we have a religion.' Alston argues that there is no more precise way than this of saying what a religion is."


Es müssen also noch nicht einmal alle Punkte vorliegen, um von einer Religion sprechen zu können. Tatsächlich wäre es auch die engste Definition, von der ich je gehört habe. Ich selbst wäre demnach übrigens nicht religiös ...

Gruß
Nathan
Nathan
 
Beiträge: 95
Registriert: Mo 18. Feb 2008, 18:06

VorherigeNächste

Zurück zu Religion & Spiritualität

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste

cron