Religion ist Bildung(?)

Religion ist Bildung(?)

Beitragvon Twilight » Sa 16. Aug 2008, 12:24

http://www.tagesspiegel.de/magazin/wiss ... 95,2590261

Ein Artikel aus dem Tagesspiegel vom 11.08.08:
George Turner, ein ehemaliger Wissenschaftssenator, spricht sich gegen den Ethik-Unterricht aus. Er meint, dieser Unterricht sei nicht in der Lage, zu vermitteln, was abendländische Kultur ausmacht, da dies ein Bestandteil des Religionsunterrichtes wäre.
Allerdings ist sein einziges Argument für den Nutzen des Religionsunterrichtes die Vermittlung von Vorwissen für Kunstgeschichte.

Ich denke, über die Priorität für Kunstgeschichte in der Allgemeinbildung lässt sich streiten (Müssen die Köpfe der Kiddies wirklich mit noch mehr Wissen zugeballert werden?) Allerdings stimme ich mit dem Autor darin überein, dass Ethik (auch) nicht in die Schule gehört, sondern ins Elternhaus. Die ganzen Diskussionen um Ethik- und Religionsunterricht herum sind so überflüssig, wie die Fächer selbst.
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Re: Religion ist Bildung(?)

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Sa 16. Aug 2008, 13:36

Twilight hat geschrieben:Ich denke, über die Priorität für Kunstgeschichte in der Allgemeinbildung lässt sich streiten (Müssen die Köpfe der Kiddies wirklich mit noch mehr Wissen zugeballert werden?)
Noch mehr? :erschreckt: Naja
Irgendwie habe ich nicht den Eindruck dass es z.Zt. viel wäre.
Twilight hat geschrieben: Allerdings stimme ich mit dem Autor darin überein, dass Ethik (auch) nicht in die Schule gehört, sondern ins Elternhaus.
Wenn man Ethik wörtlich nimmt - also keine Ahnung vom Ethikunterricht hat - dann insoweit ja, als das Ethik schon zuhause gelehrt und gelernt gehörte, was aber bekanntlich und merkbar nur zu einem geringen Teil stattfindet. Außerdem finde ich es durchaus gut, wenn das staatlich überwachte Bildungssystem garantiert (eher Wunschgedanke, die Praxis zeigt dies nicht unbedingt), dass ALLE Kinder ein gewisses Niveau und eine gewisse Art der Ethik grundsätzlich erfährt. Die in D als "gut" angesehen ethische Grundhaltung wird zum Beispiel in einem faschistischen oder islamistischen Elternhaus eher schwerlich vermittelt. Alleine deshalb ist dieser Gedanke grober Unfug.
Im Ethikunterricht selber wird man übrigens auch mit Kant, Hegel und anderen Personen und deren Gedanken konfrontiert. Du glaubst doch nicht im Ernst, dies würde üblicherweise (also Ausnahmen sind durchaus nicht nur theoretisch möglich) im Haushalt eines Aushilfsstraßenkehrergehilfenstellvertreters nach einer 12-Stunden-Schicht zur normalen Unterhaltung gehören?
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Re: Religion ist Bildung(?)

Beitragvon Twilight » Sa 16. Aug 2008, 16:48

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Irgendwie habe ich nicht den Eindruck dass es z.Zt. viel wäre.

Erstklässler, die mit Schulranzen rumlaufen, der schon fast das halbe Körpergewicht des Kindes ausmacht, Drittklässler die über Kopfschmerzen und Stress klagen und für gute Noten den größten Teil ihrer Freizeit opfern müssen...
Was in höheren Klassen vielleicht noch akzeptabel ist, kann meiner Meinung nach in der Grundschule nicht angehen. Was bringt es, Köpfe mit reinen Informationen vollzustopfen bis nichts mehr geht? Wissensvermittlung ist ja gut und schön aber wozu diese fast schon in Personenkult ausartenden Lehreinheiten?
Ob nun Napoleon Bonaparte, Louis XIV, Wilhelm I, Kant, Newton... Manchmal denke ich, dass der Name und das genaue Datum für wichtiger gehalten wird, als die Hintergründe. Es wird anscheinend immer mehr Wert auf Quantität anstelle von Qualität gelegt. Als ich die Grundschule besuchte, bestand der Stoff schon hauptsächlich aus Auswendiglernen - Informationen, die nach der Klassenarbeit wieder vergessen waren.

Aber zurück zum Thema, um nicht zu sehr abzuschweifen:
1von6,5Milliarden hat geschrieben:Im Ethikunterricht selber wird man übrigens auch mit Kant, Hegel und anderen Personen und deren Gedanken konfrontiert.
Den Personenkult hatte ich gerade. Es ist ja toll, philosophische Gedanken gegenüber zu stellen und zum Nachdenken anzuregen aber das geht auch im Rahmen des Sozialkunde- und Geschichtsunterrichtes. Notfalls kann das auch noch in Politik und Biologie behandelt werden. Auf Kosten unwichtigerer Inhalte dort natürlich.
Den pädagogischen Nutzen sehe ich in einem speziellen Fach, sei es nun Ethik, Religion oder LER, jedenfalls nicht. Vor allem, wenn es dann solche Hausaufgaben gibt wie "Male dieses Bild aus".
1von6,5Milliarden hat geschrieben:Die in D als "gut" angesehen ethische Grundhaltung wird zum Beispiel in einem faschistischen oder islamistischen Elternhaus eher schwerlich vermittelt.

Und das Schulsystem soll dann in der Lage sein, diese gesellschaftlichen Brandlöcher zu flicken? Es ist hier nicht "die Schule" die als Dämpfer herhält, sondern Lehrer - Menschen mit Nerven, die irgendwann überstrapaziert sind. Immer wieder höre ich, dass Lehrer zu den Berufen mit den meisten Krankschreibungen gehört, kaum jemand anderes leidet so häufig unter dem Burnout wie die Lehrer. Und die Reaktion darauf? Mehr Unterricht! Das bedeutet mehr Wissensabsorbtion, das bedeutet mehr Frust bei den Schülern und das wiederum bedeutet letztendlich mehr Stress für den Lehrer. Dazu kommen durch Sparmaßnahmen immer größere Klassen, was auch nicht gerade zu positiveren Ergebnissen führt.
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Re: Religion ist Bildung(?)

Beitragvon sun » Sa 16. Aug 2008, 17:37

Das Religionsunterricht für sich kein sinnvolles Fach ist ist vermutlich Brightskonsens?

Aber Ethik?
Ich finde das hat einige positive Aspekte.
1. kann man etwas über verschiedene Religionen lernen, leider wichtig da Religion eine große Rolle spielt und noch mehr gespielt hat
-> das geht auch im Geschichtsunterricht! Es gibt in Geschichte so viel zu lernen über die jeweiligen Zeitabschnitte, da passt ein Thema, dass sich tausende Jahre hindurchzieht nur an den Rand und Geschichte halte ich meist auch für Auswendiglernerei und damit nicht geeignet das Thema entsprechend zu behandeln

2. Wertevermittlung
Ich glaube, dass wir zum funktionieren unserer Demokratie einige Werte als gesellschaftlichen Kontext brauchen. Hier kann ein Ethikunterricht als Diskussionsplattform verschiedene Auffassungen zusammenbringen und einen gemeinsamen Kern herausarbeiten.

3. Zusammengehörigkeitsgefühl
In dem man die Frage nach dem Sinn des Lebens in der Schule behandelt und das über alle Religionen, Konfessionen und sonstigen Grenzen hinweg erhoffe ich mir ein Verständnis für einander, eine gewisse Toleranz und die Einsicht, dass es verschiedene Standpunkte zu diversen dieser Fragen geben kann.

4. Philosophisches Grundwissen
Vor allem in höheren Klassen wird natürlich ein Großteil der Zeit mit der Betrachtung verschiedener philosophischer Ansätze z.B. zur Moralphilosophie vergehen. Dadurch werden die Schüler auf dieses Thema aufmerksam und müssen sich nicht nur überlegen woher ihre Werte kommen, sondern auch ob diese haltbar sind. Auch für das Erlernen von Argumentationsarten und korrekter Beweisführung ist das der beste Ort.


Das Ethikunterricht aus Bildern ausmalen bestehen kann befürchte ich auch. Im Religionsunterricht erlebt man dies oft. Für mich ist das aber ein Problem des Lehrplans, der Lehrerausbildung und vermutlich nicht zuletzt der Einstellung.
Wer glaubt Ethik ist ein alternatives Beschäftigungsfach für Atheisten wird damit dem entsprechend locker umgehen.
Das ist aber eher ein Bildungspolitisches Problem als eins des Fachs Ethik.
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Re: Religion ist Bildung(?)

Beitragvon Twilight » Sa 16. Aug 2008, 19:27

sun hat geschrieben:[...]einige positive Aspekte[...]
Die möchte ich auch nicht bestreiten. Aber ist es wirklich gut, dafür einen Teil des regelmäßigen Unterrichts zuzuteilen? Unterrichtsstunden haben die Schüler bereits mehr als genug. Ich bin mir sicher, dass noch mehr zu Überlastungserscheinungen führt. Teilweise ist das jetzt schon der Fall. Also wird der Rest des Lehrplans beschnitten. Nach meiner Erfahrung geht so eine Umverteilung von Unterrichtszeit meist zu Ungunsten naturwissenschaftlicher Fächer wie Physik und Biologie. Für Ethikunterricht denke ich, wären Projekt- oder Wandertage ganz sinnvoll aber eben nicht das Klassenzimmer!
sun hat geschrieben:Das Religionsunterricht für sich kein sinnvolles Fach ist ist vermutlich Brightskonsens?
Vermutlich nicht. Wenn eine Schule Lehrer einstellen kann, die in der Lage sind über alle wichtigen Religionen einen wirklich objektiven Überblick zu geben und auch die areligiöse Alternative anzubieten ohne gleichzeitig Religion als negativ darzustellen (total objektiv eben), dann ist das sicherlich ganz nützlich. Aber die Probleme mit der Schulstoffmenge, der Lernzeit und der totalen Objektivität eines Menschen sind noch nicht vom Tisch.
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Re: Religion ist Bildung(?)

Beitragvon folgsam » Sa 16. Aug 2008, 22:01

Der Ethikunterricht den ich an meinem Gymnasium in der Oberstufe wahrgenommen habe, war mit Abstand die größte Hilfe und hatte den größten Nutzen für den "Alltag" , jenseits jeder Auswendiglernerei und jedes Personenkultes (wie du da überhaupt drauf kommst :lachtot:).
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Re: Religion ist Bildung(?)

Beitragvon sun » Sa 16. Aug 2008, 22:48

@Twilight:
Mit Religionsunterricht meinte ich natürlich den konfessionellen oder glaubenstechnisch getrennten. Die Vermittlung von Religionswissen wäre ja Religionskunde. Das als extra Fach dürfte aber gerade in höheren Jahrgängen Zeitverschwendung sein. Da ist man über die Bibel und den Koran hinaus und muss die Gehirne fordern.

Zuviel Unterrichtszeit finde ich hier kein stechendes Problem.
1. gibt es momentan bereits Reli oder Ehtikunterricht im Lehrplan also wird es nicht schlimmer (zumindest im Süden Deutschlands ist das so, förderales System :kopfwand: )
2. gibt es für mich unwichtigere Dinge. Sportunterricht würde ich gerne in höheren Klassen mit Sportvereinen verschmolzen sehen, dass jeder etwas tut aber sich eben auf das was er sowieso macht spezialisieren kann. vielleicht mit etwas gemeinsamen kraft und ausdauertraining? Ist aber für mich dann nicht mehr wirklich als Unterrichtsstunde zu zählen.
Den Stellenwert von Kunst und Musik halte ich zum Teil auch für zu hoch. Zumindest im vergleich zu Lebenskundeunterricht. Ethik war eines der wenigen Fächer bei denen ich das Gefühl hatte hier wirklich etwas für mein Leben zu lernen und dieser positive Effekt hat dann auch den restlichen Schultag erträglicher gemacht. Ist natürlich ein persönliches Argument meiner Vorliebe, aber vielleicht bin ich ja nicht der einzige, der Froh ist in der Schule auch mal den Kopf anstrengen zu dürfen und zu diskutieren. (wird hier im Forum natürlich überproportional sein)

Twilight hat geschrieben:Also wird der Rest des Lehrplans beschnitten. Nach meiner Erfahrung geht so eine Umverteilung von Unterrichtszeit meist zu Ungunsten naturwissenschaftlicher Fächer wie Physik und Biologie.

Das befürchte ich leider auch. Naturwissenschaften haben wirklich keinen besonders guten Stand an unseren Schulen.
Aber das ist natürlich ein Pragmatikerargument. Wir dürfen das richtige nicht tun, weil die anderen dann mit unserem Argument das Falsche tun würden (ntw kürzen).

Twilight hat geschrieben:Für Ethikunterricht denke ich, wären Projekt- oder Wandertage ganz sinnvoll aber eben nicht das Klassenzimmer!

Ja das kann ich mir durchaus auch vorstellen. bzw. eine Projektwoche. Man darf aber nicht vergessen was für eine Wirkung (positiv wie negativ) ein regelmäßiges Fach hat. Es gehört dann halt einfach dazu!

@Objektivität:
Das ist ein ernsthaftes Problem, dass es aber in Politik z.B. auch gibt. Hier braucht man eben gute Lehrer die sich zurückhalten können.
Wenn man das beim Ethiklehrer aber schon befürchtet ist es natürlich beim bekennend religösen Relilehrer schon lächerlich anzunehmen, dass dieser objektiv auch andere Religionen vorstellen könnte. (so ähnliche Argumente kommen in Berlin gerade bei pro reli)
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Re: Religion ist Bildung(?)

Beitragvon Lalle » Sa 16. Aug 2008, 23:47

Bild Hallo,
erstmal möchte ich mich dem ersten Beitrag von -sun- anschließen.

Dann nochwas: Ein Unterrichtsfach, welches kritisches Hinterfragen beinhalten und die Schüler aufklärt über die Einflussnahme von Staat, Werbung, Religion, Medien ect., das wär' was!
Denn, das die jungen Menschen heute schon in der Kita Unterricht haben, das es zum Abi nurnoch 12Jahre sind, das die Studienzeit gekürzt wurde......hat einen Zweck. Sie sollen funktionieren. Und zwar schnell, ohne Fragen zu stellen.
Kein gutes Fundament für Brights.

Und dann noch: Es geht auch anders! Googelt doch mal " Sudbury Valley School ". Bild
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Re: Religion ist Bildung(?)

Beitragvon Twilight » So 17. Aug 2008, 08:38

sun hat geschrieben:Zuviel Unterrichtszeit finde ich hier kein stechendes Problem.

Ich bin schon eine Weile aus der Schule raus. Aber damals bin ich noch ganz gut ohne Ethikunterricht oder eins von diesen vergleichbaren Sonderfächern ausgekommen. Ethisches Bewusstsein und Ansichten entwickeln sich normalerweise automatisch durch soziale Kontakte mit anderen Menschen. Wenn bestimmte Gruppierungen wie die in 1v6M5s Beispiel eher unter sich bleiben und dadurch in den extremen Ansichten verstärken, ist das ein Problem der Sozialpolitik. Da kann die Schule auch nichts anderes machen als diese Gruppen durch mehr oder weniger erzwungene Kontakte mit anderen Menschen zu "verdünnen".
Sport, Kunsterziehung und Musik halte ich nicht wirklich für überflüssig, aber für zumindest überbewertet. Wo Sport der zunehmenden Bewegungsfaulheit der Jugendlichen, die zumindest vom Fernsehen proklamiert wird, entgegenwirkt, schult Kunsterziehung die Basis Handwerklichen Geschickes und in Musik können Kinder immerhin lernen, ihre Stimme zu modulieren, um auch ohne Schreien gehört zu werden. (Einige haben das bitter nötig. :p) Aber diese Fächer zu benoten und dadurch einen Leistungsdruck zu erzeugen, der nicht sein muss, ist falsch! Mir fällt auch kein Beruf ein, in dem man sich mit guten Noten in Kunst, Sport oder Musik bewerben kann.

folgsam hat geschrieben:Der Ethikunterricht den ich an meinem Gymnasium in der Oberstufe wahrgenommen habe, war mit Abstand die größte Hilfe und hatte den größten Nutzen für den "Alltag" , jenseits jeder Auswendiglernerei und jedes Personenkultes (wie du da überhaupt drauf kommst :lachtot:).

Dadurch:
1von6,5Milliarden hat geschrieben:Im Ethikunterricht selber wird man übrigens auch mit Kant, Hegel und anderen Personen und deren Gedanken konfrontiert.

Wie schon gesagt, ich hatte nie Ethikunterricht und obwohl in meinem Elternhaus keine philosophischen Diskussionen geführt, sogar abgeblockt werden, komme ich gut im Alltag zurecht. Aber vielleicht kannst du ja mal ein Beispiel nennen, wo dir das Wissen um diese philosophischen Ansichten im Alltag nützt?
sun hat geschrieben:Ethik war eines der wenigen Fächer bei denen ich das Gefühl hatte hier wirklich etwas für mein Leben zu lernen und dieser positive Effekt hat dann auch den restlichen Schultag erträglicher gemacht.

Damit bist du schon der Zweite, von dem ich das höre. Ich habe diesen Tread nicht grundlos begonnen. Mich interessiert wirklich, WAS genau am Ethikunterricht so nützlich ist! Die Rahmenlehrpläne, die im Internet verfügbar sind, sind einfach nicht aussagekräftig genug.
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Re: Religion ist Bildung(?)

Beitragvon Lalle » So 17. Aug 2008, 14:02

Hallo Twilight, meine Antwort sieht so aus:

Religion, Konsum, Leistungsdruck, Einflussnahme durch Werbung, Meinungsmache durch die Medien......den ganzen Tag.
Im Elternhaus, in der Freizeit, in der Schule.....überall.
Und überall sollte es auch ein Gegengewicht geben. Etwas, das zum Selberdenken anregt.
Vielleicht kann das in der Schule der Ethik-Unterricht sein!?
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Re: Religion ist Bildung(?)

Beitragvon Kurt » So 17. Aug 2008, 14:08

Twilight hat geschrieben:Mich interessiert wirklich, WAS genau am Ethikunterricht so nützlich ist! Die Rahmenlehrpläne, die im Internet verfügbar sind, sind einfach nicht aussagekräftig genug.


Ich hatte Ethik in der Schule, als Ersatz für Religion. Der Name "Ethik" beschreibt das Fach eigentlich völlig unzureichend, es müsste Philosophie o.ä. lauten. Was mir sehr viel geholfen hat, war der Ausflug in die Wissenschaftstheorie (Karl Popper, sein Aufsatz zu Determinismus mit den Wolken und Uhrwerken). Seit dieser Unterrichtsstunde weiß ich, wie Erkenntnisgewinn funktioniert und seitdem bin ich auch ein überzeugter Determinist.

Andere Highlights fallen mir jetzt nicht ein, aber Ethik war eines meiner Lieblingsfächer, obwohl ich eigentlich eher naturwissenschaftlich interessiert bin.

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Re: Religion ist Bildung(?)

Beitragvon Aeternitas » So 17. Aug 2008, 16:02

Also bei mir war Ethik eigentlich kein richtiges Schulfach, wir haben da nur über Aktuelle Sachen geredet: kann man das tun sollte man es vielleicht anders machen ist das Vertretbar? Völlig unabhängig/Losgelöst von irgendwelchen Philosophischen Vordenkern.
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Re: Religion ist Bildung(?)

Beitragvon sun » So 17. Aug 2008, 20:17

Twilight hat geschrieben:Damit bist du schon der Zweite, von dem ich das höre. Ich habe diesen Tread nicht grundlos begonnen. Mich interessiert wirklich, WAS genau am Ethikunterricht so nützlich ist! Die Rahmenlehrpläne, die im Internet verfügbar sind, sind einfach nicht aussagekräftig genug.


Für mich war es in den wenigen Jahren die Moralphilosophie.
Der Gedanke, dass es seit Tausenden Jahren die Menschen interessiert wie wir uns verhalten sollen und ihre Ergebnisse sind einfach überwältigend.
Auch wichtig war die Lektion, dass ich meine Entscheidungen begründen muss und dass ich nun mein intuitives Gefühl bei moralischen Entscheidungen einordnen und fundiert bekämpfen oder stärken kann.
Dadurch, dass ich bei vielen Diskussionen den Positionen oder ihren Vertretern nun verschiedene moralische Denkweisen zuordnen kann, kann ich erstens leichter argumentieren, weil die Schwachstellen bekannt sind und zweitens kann ich mehr Verständnis aufbringen als vorher. Der gegenüber hat auch Moral, ist aber von einer anderen Argumentation überzeugt worden.
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Re: Religion ist Bildung(?)

Beitragvon stine » Do 21. Aug 2008, 00:04

Das größte Problem in Deutschland ist, dass Bildung umsonst angeboten wird und nicht durch Mitarbeit und Fleiß verdient werden muß.

Ethikunterricht und Religionsunterricht sollen kulturgeschichtlich aufklären und haben deshalb ihre Existenzberechtigung in vollem Maße. Um Kinder und Jugendliche zu vielseitig interessierten und rücksichtsvollen Erwachsenen zu erziehen ist mehr notwendig, als pure Wissensvermittlung. Wenn man dieses aber sozusagen per Dekret verordnet bekommt, ist das Interesse leider gering und die Mitarbeit mangelhaft. Wer lernen muß ist weniger interessiert als der, der lernen darf.

Es wird leider immer so sein, dass Kinder und Jugendliche sich diesem Muss entziehen wollen, wo immer es geht, das liegt in der Natur der Sache. Wenn man aber mal davon ausgeht, das selbst bei renetenten Störenfrieden im Klassenverband nicht verhinderbare 10% hängenbleiben, dann scheint ein ethischer Grundverhaltenskodex wenigstens als gesichert.

LG stine
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Re: Religion ist Bildung(?)

Beitragvon apostat » Do 21. Aug 2008, 10:59

Twilight hat geschrieben:http://www.tagesspiegel.de/magazin/wissen/schule/Religion-Bildung;art295,2590261

Ein Artikel aus dem Tagesspiegel vom 11.08.08:
George Turner, ein ehemaliger Wissenschaftssenator, spricht sich gegen den Ethik-Unterricht aus. Er meint, dieser Unterricht sei nicht in der Lage, zu vermitteln, was abendländische Kultur ausmacht, da dies ein Bestandteil des Religionsunterrichtes wäre.
Allerdings ist sein einziges Argument für den Nutzen des Religionsunterrichtes die Vermittlung von Vorwissen für Kunstgeschichte.



Ich finde religiöses Grundwissen als Basis zum Begreifen von Kunstgeschichte schon auch wichtig. Die Frage ist aber, wie man dieses Wissen vermittelt. Um Gemälde mit religiösen Inhalten zu verstehen muss man diese ja nicht unbedingt glauben. Es würde ja reichen, die Hintergründe und entsprechenden Bibelgeschichten zu kennen.

Genauso gut könnte man argumentieren, man müsse die Glaubensinhalte antiken Gottglaubens (an Jupiter, Zeus, Wotan etc.) tatsächlich als Religion vermittelt bekommen, um entsprechende Kunstwerke würdigen zu können. Doch niemand würde ernsthaft von einem Besucher der Bayreuther Festspiele verlangen, dass er tatsächlich an Wotan, Fricka und Freia glaubt...
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