vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

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vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon auaox » Mo 8. Jun 2009, 20:38

*Hallo in die Runde werf*

Aufgewachsen als Zeuge Jehovas habe ich vor ca 2 Jahren dieser Sekte endgültig den Rücken gekehrt. Sekte kann ich guten Gewissens sagen, da die Führung eine gut durchstruktierierte Bewusstseins- Milieu- und Verhaltenskontrolle aufgebaut hat.

Auch wenn die Gründe meines Ausstiegs erst religiöser Natur waren, so hörte ich jedoch nicht auf, zu hinterfragen und wurde schliesslich Agnostiker und Humanist.

Auf den Begriff "brights" stiess ich das erste Mal bei Dawkins - wenngleich es mir scheint, als gebräuchte er ihn in einem spezifischerem Sinne.

Verrückt geblieben bin ich allerdings immer noch :D

Warum ich hier bin: Ich suche Kontakte zu Gleichgesinnten, scharfe, mal witzige, aber respektvolle Diskussionen und neue Anregungen.

Und eine Bitte: Ich bin manchmal ein schwarzhumoriges, ironietriefendes Schlitzohr. Nimm mich nicht ernster, als Du nicht bist :kg:


LG
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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon folgsam » Mo 8. Jun 2009, 20:45

Hallo auaox!

Willkommen im Forum!
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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon folgsam » Mo 8. Jun 2009, 21:12

Ich habe übrigens seit einigen Wochen einen amerikanischen Zeugen Jehova regelmäßig zu Gast. Wir plaudern dann etwas über seine Religion (ich wusste tatsächlich recht wenig darüber) und ich versuche, sehr moderat, ab und zu kritische Fragen zu stellen und auf ganz offensichtliche Widersprüche aufmerksam zu machen. Grundlegende Kritik übe ich keine, ich sehe diese Gespräche nämlich in der Hauptsache als willkommene und 'frei Haus gelieferte' möglichkeit mein gesprochenes Englisch etwas zu üben. Dabei versuche ich auch meist nicht mit Bibelwissen zu punkten, da ist er mir, wie ich neidlos eingestehen muss, einfach haushoch überlegen. Zudem ist er Stipendiat des hiesigen Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie und man merkt dass er keineswegs dumm ist.
Ich habe ihm anfangs klar gemacht dass ich Atheist und Naturalist bin, kein Wort von dem glaube was er mit der Bibel zu begründen versucht und die Sache als 'Spiel' betrachte.
Er ist's zufrieden, ich auch.

Aber wenn du irgendwelche tipps hast wo man gut ansetzen und effektiv Zweifel säen könnte, wäre ich dir nicht undankbar =)
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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon pinkwoolf » Mo 8. Jun 2009, 21:33

Dein Werdegang macht mich neugierig. Ich selber fühle mich als Atheist, solange ich zurückdenken kann.
auaox hat geschrieben:Warum ich hier bin: Ich suche Kontakte zu Gleichgesinnten, scharfe, mal witzige, aber respektvolle Diskussionen und neue Anregungen.

Klingt gut. Nur mit dem Respekt habe ich manchmal Probleme, wenn die Respektforderungen jeder Basis entbehren.
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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon auaox » Mo 8. Jun 2009, 21:34

@ folgsam:


Das könnte man in verschiedene Bereiche fassen:

1. Punkte, wo die Zeugen in Verhalten oder Lehre in Widerspruch zur Bibel / christlichen Lehre stehen (eigentlich gleichen sie viel mehr den Pharisäern, als den Jüngern Jesu)

2. Punkte, in denen die Zeugen sich selbst widersprechen ("1984" lässt grüssen ... sie behaupten Dinge und sagen später: "Wir haben niemals behauptet..."; u.v.m.)

3. Punkte, in denen ihr Glaube eindeutig wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht (Adam und Eva, Alter der Menschheit 6000 Jahre, Ablehnung der Evolution (gibts lustige Bücher drüber), weltweite Sintflut vor 4500 Jahren (die glauben tatsächlich, alle lebenden Tiere hätten in die Holzkiste gepasst - glaziale Formen werden als Flutbeweise gedeutet etc...))


Wo magst ansetzen°°

Ich muss dazu sagen, dass die Zeugen sich in den letzten Jahren bzgl des Punktes 3 immer bedeckter halten. Wovon sie nicht abrücken können: Adam und Eva, 6000 Jahre, Sintflut. Zur Evolution machen sie immer weniger Aussagen; vermutlich werden sie bald Anhänger des intelligent Design. An buchstäbliche 6 Schöpfungstage à 24 h glauben sie eh nicht. Sie sind aber in ihren Büchern dem Irrtum erlegen, die darwinische Evolutionstheorie bedeute, dass die Natur ein Werk des Zufalls sei. Und durch diese Gleichsetzung Evolution = Zufall kicken sie die gesamte Argumentaion eigentlich ins off.

Vielleicht hilft auch die einfache Frage: Wenn die Natur an sich so komplex ist, dass sie unmöglich ohne Gott entstanden sein kann... wie komplex muss dann erst Gott sein°° Und was schliessen wir daraus°° Noch ein Gott über Gott°° Und noch einer°° Wie die Erde, die auf Elefanten ruht... "halt Elefanten bis unten runter..."


LG
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Zuletzt geändert von auaox am Mo 8. Jun 2009, 21:40, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon auaox » Mo 8. Jun 2009, 21:39

pinkwoolf hat geschrieben:Klingt gut. Nur mit dem Respekt habe ich manchmal Probleme, wenn die Respektforderungen jeder Basis entbehren.


Wie meinst Du das°° Erklär mal bitte...

Ich unterscheide zwischen Respekt vor dem Menschen und dem vor kruden Ansichten. Trotzdem hat jeder Mensch das Recht auf krude Ansichten.

Sollten natürlich diese Ansichten den Respekt vor anderen ausschliessen oder einschränken (z. B. Antisemitismus, oder "alle Nichtgläubigen sind des Teufels"), muss der Träger dieser Ansicht bei mir freilich damit rechnen, dass ich seine Ansicht genauso scharf angehe. Deswegen muss man aber nicht die Person ad hominem beleidigen ;).

LG
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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon folgsam » Mo 8. Jun 2009, 21:41

auaox hat geschrieben:3. Punkte, in denen ihr Glaube eindeutig wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht (Adam und Eva, Alter der Menschheit 6000 Jahre, Ablehnung der Evolution (gibts lustige Bücher drüber), weltweite Sintflut vor 4500 Jahren (die glauben tatsächlich, alle lebenden Tiere hätten in die Holzkiste gepasst - glaziale Formen werden als Flutbeweise gedeutet etc...))

Er ist definitiv Day Age Kreationist, also er glaubt die 6 Schöpfungstage wären ein nicht näher zu bestimmender Zeitraum.

Auch glaube ich, das mit den 6000 Jahren ist bei ihm kein unverrückbares Dogma und gar nicht Gegenstand des Z.J. Glaubens (so erinnere ich mich zumindest).
Da werde ich nochmal nachhaken.
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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mo 8. Jun 2009, 21:56

Willkommen
auaox hat geschrieben:Ich unterscheide zwischen Respekt vor dem Menschen und dem vor kruden Ansichten. Trotzdem hat jeder Mensch das Recht auf krude Ansichten.

Sollten natürlich diese Ansichten den Respekt vor anderen ausschliessen oder einschränken (z. B. Antisemitismus, oder "alle Nichtgläubigen sind des Teufels"), muss der Träger dieser Ansicht bei mir freilich damit rechnen, dass ich seine Ansicht genauso scharf angehe. Deswegen muss man aber nicht die Person ad hominem beleidigen ;).

Unterschreibe ich! :2thumbs:
Bedeutet nicht, dass ich nicht auch mal fehlen könnte, bin ja kein Papst (wo wir doch alle Papst waren, bis viele(?) gemerkt haben, wo der steht)
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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon auaox » Mo 8. Jun 2009, 22:12

@ folgsam:

Da die Zeugen die biblischen Personen und die Chronologie ernst nehmen, darauf auch ihr Endzeitglaube beruht, fällt mit den 6000 Jahren (laut ihrer Lehre wäre 1975 Adam 6000 Jahre alt geworden, nur wann Eva erschaffen wurde, wissen sie nicht... :D ) ihr ganzes Glaubensgebäude.


@ 1 von...

ICH bin aber Papst :D ... diskordianischer :kg:


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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon folgsam » Mo 8. Jun 2009, 22:19

auaox hat geschrieben:ICH bin aber Papst :D ... diskordianischer :kg:



Ich natürlich nicht!

Du darfst mich in Zukunft aber gerne mit meinem heilligen Namen ansprechen, der da lautet:

Seine Standfestigste Verzagtheit Ismodiel Phyresis (Fenderson) Neoclitorisus Halbfas, 2. Balsama Episkopos der Mutmaßlich Ersten Und Höchst Offiziösen Naturalistisch-Diskordischen Kabale der Drei Vereinigten Gestirnsphären von Tlön, Terra und Uqbar.
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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon Myron » Di 9. Jun 2009, 03:21

auaox hat geschrieben:*Hallo in die Runde werf*


Herzlich willkommen!
:brights:

auaox hat geschrieben:Aufgewachsen als Zeuge Jehovas ...


Da hast du was mit Oliver Pocher gemeinsam.

auaox hat geschrieben: ... habe ich vor ca 2 Jahren dieser Sekte endgültig den Rücken gekehrt.


Gratulation! :up:
Ein Ausstieg aus einer Sekte ist wahrlich eine andere Leistung als der Austritt aus der evangelischen oder katholischen Kirche.
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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon stine » Di 9. Jun 2009, 07:06

Myron hat geschrieben:Ein Ausstieg aus einer Sekte ist wahrlich eine andere Leistung als der Austritt aus der evangelischen oder katholischen Kirche.
Wenn du dich da mal nicht irrst!
Eine Sekte zu durchschauen ist meist leichter, da die strikten Regeln schneller ans Hinterfragen stoßen. Wer dagegen seine Anhänger an der langen Leine führt und auch noch staatlichen Rechtssegen genießt, kann durchaus als grundsätzlich fester Bestandteil des menschlichen Lebens zur Kenntnis genommen werden und wird genau deshalb schwerer zu verlassen sein.

LG stine
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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon auaox » Di 9. Jun 2009, 08:32

Das Problem beim Sektenausstieg ist:

a) Das Weltbild ist absolutistisch und in sich geschlossen. Denkstoptechniken sind hervorragend antrainiert.

b) Zweifel können fast gar nicht aufkommen, denn dem Sektenmitglied ist es antrainiert, nicht selbst zu denken. Es findet Informationskontrolle statt, das Lesen von kritischer Literatur oder z. B. das Mitschreiben auf Webseiten wie sektenausstieg.de ist im Falle der Zeugen Jehovas ein Grund für den sofortigen Rausschmiss. Das Gleiche gilt für das Äussern kritischer Gedanken. Mit Ex-Zeugen ist es streng verboten, sich zu unterhalten und gegenüber anderen Zeugen ist das Äussern kritischer Gedanken recht gefährlich (siehe auch c) ).

c) Das Trennen von der Sekte geht schlagartig mit dem Verlust sämtlicher sozialen und familiären Kontakte einher. So dürfen mich jetzt Zeugen Jehovas nicht einmal mehr höflich grüssen. Solange man drin ist, gilt: Enge Kontakte zu "Weltmenschen" (interessanter Ausdruck übrigens; die Zeugen sind halt vom Mars oder wie ... :D) sind verpönt.
Ebenso ist es für einen Ex-Sekti schwer, sich in der normalen Welt zurecht zu finden. Soziale Kompetenz hat er nur innerhalb des Zirkels erwerben können - und was dort funktioniert, ist ausserhalb dessen wertlos.


Siehe dazu auch die Thesen der Informations-, Bewusstseins- und Milieukontrolle von Steven Hassan (Ausbruch aus dem Bann der Sekten). Hassan war zwar Munie, aber die Mechanismen sind überall die gleichen.

Ohne anonyme Hilfen, wie durch sektenausstieg.net, wäre ich mit meinen ersten zaghaften Zweifeln so alleine gewesen, dass ich sie kaum hätte verdauen können.

Irgendwie scheint sich jedes Sektenmitglied meines Empfinden nach zwar durch innerliche Zweifel zu verzehren, aber da sie nicht sein dürfen, wird aktionistisch dagegen gearbeitet. Darum auch der vollgestopfte Terminplan. Ausserdem fehlt vor allem, wenn man in der Sekte gross wurde, die Sprache, um diese Zweifel überhaupt zu formulieren. Und ohne die Ausformulierung dessen ist es unmöglich, diese logisch zu verarbeiten. Sie bleiben tief drin im Bauch und verursachen durch die permanente kognitive Dissonanz nicht selten psychische und psychosomatische Beschwerden.


Ob das auch so auf einen heutigen (sic!) Durchschnittskatholiken noch so zutrifft, möchte ich bezweifeln.


Interessant ist allerdings, dass ein grosser Teil derjenigen, die sich aus Gründen der Vernunft von der Sekte trennen, kurz darauf Agnostiker werden.


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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon stine » Di 9. Jun 2009, 12:08

Oder sie waren schon Agnostiker, sonst hätten sie doch gar nicht erst gezweifelt, oder?
=)

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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon auaox » Di 9. Jun 2009, 13:45

stine hat geschrieben:Oder sie waren schon Agnostiker, sonst hätten sie doch gar nicht erst gezweifelt, oder?
=)

LG stine


Was mich betrifft, so habe ich erst nur Widersprüche innerhalb des Lehrgebäudes und des Verhaltens der Religionsgemeinschaft der Zeugen entdeckt. Ich empfand dieses immer gotteslästerlicher, so dass ich ausstieg. Diese Phase dauerte weit mehr als ein Jahr, bis ich mir das eingestehen konnte. Mein Gottesglaube war bis dahin ungetrübt.

Erst danach - als ich beschloss, nicht mehr an einem Fixpunkt mit dem Denken aufzuhören - wurde ich durch Diskussionen allmählich agnostisch im umfassenden Sinne.

Sofern man "agnostisch" aber schon definiert als den Punkt, an dem man nachzudenken und zu zweifeln beginnt, hast Du sicher recht.

Da ich selbst aber von klein auf, bevor innere Angelegenheiten mir den ersten Anstoss gaben, mich mal mit den Gegenansichten auseinanderzusetzen, im Zuge der erlernten Denkstoptechniken und der reduzierten Informationen, die mir nur zur Verfügung standen, in meinem Bewusstsein gar keinen Ansatz zum zweifeln hatte, sondern jedes Argument gegen meinen Glauben wie gelernt bekommen, als Beweis für die Existenz des bösen Teufels betrachtete, war ich zuvor kein Agnostiker.


Das soziale Problem dabei ist folgendes:

1. Sektenkindern wird beigebracht, sich ausserhalb der Gemeinschaft nicht in andere Sozialgefüge einzugliedern. Alles weltliche ist schliesslich satanisch. Freunde und Gedankenaustausch soll man nur innerhalb der Gruppe haben. Die Kontakte nach aussen sollen nur zur Missionierung benutzt werden. Darum versucht man auch trotzdem, nach aussen offen zu erscheinen.

2. Die dadurch hervorgerufene mehr oder weniger heftige Ablehnung wird dann als Beweis gesehen, dass die Welt böse ist und die Satan die Gruppe verfolgt. (Schaffen von Märtyrern). Junge Leute, die diesem "satanischen Druck" standhalten, werden besonders gelobt und gefördert.

3. Innerhalb der Gruppe erhält man dann recht schnell Anerkennung, Aufgaben und wird früh wie ein Erwachsener geachtet. Das wiederum wird als Beweis gesehen, dass Gottes Geist mit der Gruppe und dem betroffenem jungen Menschen ist. Bei den JZ gilt das insbesondere für Männer; da Frauen in den Gemeinden keine "Dienstämter" bekleiden dürfen, und untertan sein müssen, sind es meist erst mal die Mädchen, die schon früh aus der Sekte aussteigen.


Da das freie Denken so also jederzeit mit dem Damoklesschwert der sozialen Isolierung verbunden ist, beginnt man damit gar nicht erst - auch wenn einem dieses gar nicht so bewusst ist - eben weil man nicht frei denkt...


LG
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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon Aeternitas » Mi 10. Jun 2009, 05:15

Die Problem des Ausstiegs aus Anerkannten Kirchen liegt ja woanders.
Denn da diese halt anerkannt werden und nicht wie du das eben bei den Sekten beschreibst,
eine permanente Verachtung von außen stattfindet,
ist hier der psychologische Druck die eigenen Ansichten zu prüfen und sich klar zu positionieren wesentlich grösser,
während bei anerkannten Religionen dieser Druck fast völlig wegfällt, es findet kaum eine klare Positionierung statt, die zu rechtfertigen ist.
Deshalb findest du bei den Katholiken zum Beispiel auch jede menge Leute die an keinen personellen Gott glauben, obwohl das die offizielle Postion der Kirche ist.
Während allerdings in einer Sekte hier sofort Druck aufgebaut wird weil man gefälligst Konformität zu waren hat, ist das der Katholischen Kirche und ihren Anhängern ziemlich egal wer was genau glaubt und den meisten Leuten außerhalb halt auch.
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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon russellsteapot » Mi 10. Jun 2009, 11:58

Hallo Auaox!

Willkommen hier im Forum! Ich find es total spannend jemanden wie dich hier dabeizuhaben! Alle Achtung wie du von den Zeugen wegkommen bist - mein Weggang von der RKK war da im Vgl. sicher ein Spaziergang. Mein letzter Boss war auch Zeuge und ich hab gesehen wie indoktriniert der war - sich von sowas zu lösen ist sicher eine grosse Anstrengung! :2thumbs:
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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon auaox » Mi 10. Jun 2009, 13:42

Aeternitas hat geschrieben:Die Problem des Ausstiegs aus Anerkannten Kirchen liegt ja woanders.
Denn da diese halt anerkannt werden und nicht wie du das eben bei den Sekten beschreibst,


Richtig. Bei den JZ greifen, wie ich inzwischen erfahre, allmählich beide Probleme.

Nun sind sie in Deutschland als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt.

In vielen Gemeinden leben die Jugendlichen zwar entgegen den offiziellen Regelungen wesentlich freier, machen nach aussen wie nach innen einen auf "cool" (ganz normales Jugendverhalten eben), sind aber dennoch so intensiv und loyal mit der Gemeinschaft verbunden, dass sie dort nicht raus kommen.
Denn die grössere Freiheit gilt nur für das Verhalten, das aber nur solange geduldet wird, solange keine kritischen Töne kommen. Dann wird andersrum nämlich schnell ein Schuh draus, die offiziellen Rauswurfgründe und die damit verbundene Ächtung der Gemeinschaft haben sich nicht geändert.
Die Tendenz geht immer mehr zu einer elitären Einstellung: Wir sind cool, wir sind toll, wir werden den Krieg Gottes überleben und ihr nicht. Pech für Euch. Uns doch egal.
Das äusserliche zählt allmählich immer mehr. Je schnieker und teurer der Anzug, desto "geistig gesinnter" sein Träger, desto mehr Chancen auf den sozialen Aufstieg innerhalb der Gruppe. Die ersten dieser Generation übernehmen allmählich die Führung. Während diese Generation allmählich auf den unteren Ebenen an die Macht kommt, sind es freilich die altgedienten, die dieses immer mehr frustriert - denn der früher durchaus vorhandene Zusammenhalt innerhalb der Gemeinden ist nur noch Makulatur, wenn man nicht mehr zu der Clique gehört, die halt "in" ist.
Und das Problem ist, dass die Träger dieser immer grösser werdenden kognitiven Dissonanz dieses nicht einmal bewusst bemerken. Sie könnten das nicht einmal formulieren, denn Worte wie "kognitive Dissonanz" sucht man im Sprachschatz von Wachtturm & Co vergebens.

Zurück bleiben entseelte junge Leute, die innerlich zerfressen sind und daher immer auf 180 Touren laufen (was die Führung weislich auszunutzen weiss),
andere, die weder innerhalb noch ausserhalb der Gemeinde noch Halt finden, es sich aber einreden, dass drinnen alles so toll ist, weil sie sonst gar nichts mehr haben,
und wieder andere, die sich entweder frustriert einigeln oder deswegen beginnen, nachzudenken.

So war es bei mir. Als die Vorträge auf den grossen Kongressen und der Tenor der internen Literatur (so gibt es einen Wachtturm, der verteilt wird, und einen anderen, den die Zeugen intern benutzen) immer mehr den Stil von Reden von Controllern und Verkaufsleitern annahmen, ging mir das quer genug, um die Ansichten der Kritiker erstmal unvoreingenommen unter die Lupe zu nehmen. Früher allerdings war es auch nicht viel besser: Da herrschte ein Sprachstil vor, der politischer Kriegspropaganda glich. Nur das war ich ja gewöhnt ;).


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Re: vom Sektierer zum Bright: Kurzvorstellung

Beitragvon Jakob » Fr 19. Jun 2009, 08:22

Hallo auaox,

sehr interessante Einblicke, die Du uns hier gewährst. Vielen Dank dafür. Und auch von meiner Seite Respekt und Annerkennung. Sich aus einem lebenslang indoktrinierten Glaubensgefüge zu lösen, ist eine heftige Leistung und ich bin mir nicht sicher, ob das jeder hier im Forum (mich eingeschlossen) ebenfalls geschafft hätten.

Also, willkommen bei den Brights. :brights:
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