Ethikwissenschaft

Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon jackle » Di 16. Jun 2009, 02:32

Mark hat geschrieben: Was ist denn dann bitte NICHT nur ein Ergebnis ? Was unterscheidet deine Vorstellung von "Prinzip" und "Ergebnis" voneinander ?
Was sind die nötigen Eigenschaften einer x-beliebigen Entität um als Prinzip gelten zu können ?


Mathematisch ausgedrückt würde ich sagen:
Axiome sind Prinzipien, Theoreme sind Resultate. Mersch formuliert 3 Prinzipien, aus denen er dann für normale biologische Populationen die natürliche Selektion ableiten kann. Sie realisiert sich bei ihm als ein Ergebnis aus tieferliegenden Systemeigenschaften. So kann er beispielsweise sehr einfach folgern: "Wenn das Fortpflanzungsinteresse (der Kinderwunsch) nichtnegativ mit der Fitness korreliert, dann hinterlassen die fitteren Individuen durchschnittlich mehr Nachkommen als die weniger fitten."

Beim Menschen ist die Wenn-Bedingung übrigens nicht erfüllt, mit den allseits bekannten Folgen.

Mark hat geschrieben: Und wie vermehren sich tote Lebewesen ?


Hältst du das für eine kluge Frage?

Mark hat geschrieben: Freilich könnte man behaupten die Verkaufszahlen eines Unternehmens sind das Ergebnis seiner Marktprinzipien, aber diese Prinzipien sind doch auch nur das Ergebnis von Untersuchungen. Nichtsdestotrotz sind sie prinzipiell maßgebend für alle Prozesse. Das Prinzip von "wer ständig am meisten Gewinn macht hat in der Wirtschaft auch den grössten Erfolg" ist doch verdammt schwer von der Hand zu weisen.


So funktioniert das leider nicht. Da solltest du noch einmal bei Mersch nachlesen, der erklärt das wirklich wunderbar.

Mark hat geschrieben: Was für einen Nutzen hat man denn von solchen Wortspielen ? In der Psychologie benutzt man auch zahlreiche Modelle, die es auch an allen Ecken und Enden an genauer Herführung mangeln lassen. Diese Modelle prüft man allerdings eben auch immer strickt nach ihren Prädiktionsfähigkeiten. Wenn ein Modell schlicht keine Vorhersagen erlaubt die sich irgendwie überprüfen liessen, dann kapier ich nicht wozu es gut sein soll, und wie es den wissenschaftlichen Anspruch der prinzipiellen Widerlegbarkeit gerecht werden können soll ? Geh doch endlich mal darauf ein, anstatt immer weiter in ad hominems abzudriften !


Nun ja, Evolutionstheorie und Falsifizierbarkeit ist ohnehin so eine Sache. Da hat sich auch schon Popper zu geäußert. Merschs Modell liefert an Vorhersagen all das, was von der ET als unangenehm ausgeklammert wird, z. B. Central Theoretical Problem of Human Sociobiology. Da haben wir nun ein Problem: Sachlich ist das eine Falsifizierung von ET. Ferner wird es von ST (Systemische Evolutionstheorie) vorhergesagt. Du sagst nun: Nö, ist keine Widerlegung von ET, da ET nicht für Mensch gilt. Ja wer weiß, ob demnächst jemand schreibt, sie gelte auch für Regenwürmer nicht. Ferner sagst du: ST sagt nichts vorher, obwohl sie das Central Theoretical Problem erklärt (vorhersagt). Also wenn man so argumentiert wie du, dann kommen wir auf keinen grünen Zweig, weil du die Richtigkeit der ET sozusagen als Dogma voraussetzt.
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon Mark » Di 16. Jun 2009, 02:37

Die ET ist noch garnicht soweit, aus ihren Theoriengebäude heraus überhaupt versuchen zu können menschliches Verhalten vorherzusagen. Wenn sie das könnte, würde man die Bezeichnug für dieses Theoriengebäude auf "TOE" ausweiten. Sie beschäftigt sich mit der anhand von empirischen Funden nachweisbaren Veränderung der Lebewesen. Die ET(s) lassen sich falsifizieren.

Formuliere das angebliche Problem der ET so, daß der Ansatz zur Widerlegung wissenschaftlichem Anspruch genügt.

Sollen wir das anhand von Beispielen abstimmen ?
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon jackle » Di 16. Jun 2009, 03:07

Mark hat geschrieben:Die ET ist noch garnicht soweit, aus ihren Theoriengebäude heraus überhaupt versuchen zu können menschliches Verhalten vorherzusagen. Wenn sie das könnte, würde man die Bezeichnug für dieses Theoriengebäude auf "TOE" ausweiten. Sie beschäftigt sich mit der anhand von empirischen Funden nachweisbaren Veränderung der Lebewesen. Die ET(s) lassen sich falsifizieren.

Formuliere das angebliche Problem der ET so, daß der Ansatz zur Widerlegung wissenschaftlichem Anspruch genügt.


Dann müsste man zunächst die ET so formulieren, dass sie wissenschaftlichem Ansprüchen genügt. Das sehe ich weder für die Darwinsche ET noch für die Memetik. Wie gesagt: Ich kenne bislang noch überhaupt keine einzige Formulierung der ET, die Lehrbuchcharakter besitzt. Es ist doch nachgerade das Problem, dass es bei jedem Falsifikationsversuch heißt: So lautet die ET aber nicht. Also bevor wir hier weiterdiskutieren, erwarte ich von dir eine falsifikationsfähige präzise Formulierung der ET, die allgemein innerhalb der Biologie auf Akzeptanz stößt.

Ferner: Ich sehe nirgendwo eine Formulierung innerhalb der ET, die da lautet: die biologische Art ist nicht menschlich. Darwin hat die ET definitiv nicht auf das Tierreich eingegrenzt. Er wäre dann auch in Probleme hineingeraten. Wie hätte man dann die Evolution des Menschen aus den Primaten heraus erklären können.

Letztlich hat also die Ehefrau des Bischofs von Worcester doch Recht behalten.
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon Mark » Di 16. Jun 2009, 23:24

Was soll das denn ? Sogar wenn es nicht möglich wäre die ET wissenschaftlich falsifizierbar zu formulieren, dann ist das immer noch kein Grund ein anderes verdammt ähnlich aussehendes Theoriengebäude mit ganz genauso fehlender Falsifizierbarkeit zu präferrieren.
Man muss die eigenen Theorien immer so knapp halten wie möglich. Bei Gleichwertigkeit bezüglich Falsifizierbarkeit, bleibt die ET damit immer noch Sieger, selbst wenn sie seit Darwin nicht weiterentwickelt und anhand von abertausenden untersuchten Entwicklungsgeschichten vieler Spezies immerdar nur belegt worden wäre. Die Grundprinzipien können nicht falsch sein ! Und Ameisen haben kein Reproduktionsinteresse, genauso wenig wie empfindungslose Pflanzen eines vorweisen ! Sie tun und sterben und sterben nicht. Daß der Mensch als erstes Wesen anfängt darüber aufgrund seines Vorwissens zu reflektieren und zu relativieren, und die Tatsache der Überlegenheit der menschlichen Technologie, die im Zuge schon fast als das Produkt eines Meta-Wesens bezeichnet werden kann, beweisen daß die Grundprinzipien der ET keinesfalls noch auf menschliche Belange angewandt werden können. Die von Mersch so mystifizierten Analogien zwischen Biologie und Soziologie sind definitiv kein Blockbuster.
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon jackle » Mi 17. Jun 2009, 01:57

Mark hat geschrieben:Was soll das denn ? Sogar wenn es nicht möglich wäre die ET wissenschaftlich falsifizierbar zu formulieren, dann ist das immer noch kein Grund ein anderes verdammt ähnlich aussehendes Theoriengebäude mit ganz genauso fehlender Falsifizierbarkeit zu präferrieren.


Das ist richtig. Hilft aber bei der hier von anderen gestarteten Falsifikationsfrage nicht weiter.

Mark hat geschrieben:Man muss die eigenen Theorien immer so knapp halten wie möglich. Bei Gleichwertigkeit bezüglich Falsifizierbarkeit, bleibt die ET damit immer noch Sieger,


Nein, dann bleibt natürlich die Systemische Evolutionstheorie Sieger, weil sie das erklärt, was die ET erklärt, und 1000 andere Dinge auch noch. Dass dann die ST Sieger wäre, hat schon Popper klar herausgestellt.

Mark hat geschrieben:Die Grundprinzipien können nicht falsch sein !


Aber vielleicht unvollständig, sodass sie bei einer Spezialsituation passen, nicht aber bei vielen anderen.

Mark hat geschrieben: Und Ameisen haben kein Reproduktionsinteresse, genauso wenig wie empfindungslose Pflanzen eines vorweisen ! Sie tun und sterben und sterben nicht. Daß der Mensch als erstes Wesen anfängt darüber aufgrund seines Vorwissens zu reflektieren und zu relativieren, und die Tatsache der Überlegenheit der menschlichen Technologie, die im Zuge schon fast als das Produkt eines Meta-Wesens bezeichnet werden kann, beweisen daß die Grundprinzipien der ET keinesfalls noch auf menschliche Belange angewandt werden können. Die von Mersch so mystifizierten Analogien zwischen Biologie und Soziologie sind definitiv kein Blockbuster.


Hierzu ist mir auf Amazon eine recht gleichlautende Frage eines Interessenten aufgefallen, die Mersch selbst beantwortet. Ich finde die Antwort so schneidend klar, dass ich es nur schlechter machen könnte. In diesem Thread steht Merschs Erklärung, was ein Reproduktionsinteresse ist:

http://www.amazon.de/review/R3JKNUFLPQG311/ref=cm_cr_dp_cmt?ie=UTF8&ASIN=3837057925&nodeID=299956#wasThisHelpful
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon Mark » Mi 24. Jun 2009, 13:00

Mersch hat geschrieben:ja, ich verwende den Begriff genauso metaphorisch, wie es Dawkins beim Begriff "Egoismus" tut. Entscheidend ist allerdings, dass in den Individuen entsprechende Funktionalitäten implementiert sind, die nach außen hin den Anschein erwecken, als "wollten" die Individuen tatsächlich etwas tun.



hahahahahahahahahaha :lachtot:

Dawkins rechnet nicht mit dem Begriff "Egoismus" herum und lässt deutlich erkennen wo und wann er methaphorisch wird, um unterhaltsam zu sein oder zu veranschaulichen an ähnlichen Verhältnissen, die dem Menschen bekannter sind als wissenschaftliche Fachtermini und Formeln.
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon jackle » Mi 24. Jun 2009, 14:27

Mark hat geschrieben: hahahahahahahahahaha :lachtot:

Dawkins rechnet nicht mit dem Begriff "Egoismus" herum und lässt deutlich erkennen wo und wann er methaphorisch wird, um unterhaltsam zu sein oder zu veranschaulichen an ähnlichen Verhältnissen, die dem Menschen bekannter sind als wissenschaftliche Fachtermini und Formeln.


hahahahahahaha :lachtot: :lachtot:

Dawkins behauptet, Gene seien egoistisch. Und damit sie sich möglichst lange erhalten können, hätten sie Überlebensmaschinen um sich herumgebaut, die für diesen Erhalt sorgen. Dawkins, S. 63:
Die Replikatoren fingen an, nicht mehr einfach zu existieren, sondern für sich selbst Behälter zu konstruieren, Vehikel für ihr Fortbestehen. Es überlebten diejenigen Replikatoren, die um sich herum Überlebensmaschinen bauten.


Sind die Überlebensmaschinen auch metaphorisch?

Dummerweise hat das neueste Modell nun die Pille erfunden, und auf einmal klappt es nicht mehr mit dem Überleben. Doch, so höre und staune man: (Dawkins S. 334)
Wir haben die Macht, den egoistischen Genen unserer Geburt und, wenn nötig, auch den egoistischen Memen unserer Erziehung zu trotzen. Wir können sogar erörtern, auf welche Weise sich bewusst ein reiner selbstloser Altruismus kultivieren und pflegen lässt – etwas, für das es in der Natur keinen Raum gibt, etwas, das es in der gesamten Geschichte der Welt nie zuvor gegeben hat. Wir sind als Genmaschinen gebaut und werden als Memmaschinen erzogen, aber wir haben die Macht, uns unseren Schöpfern entgegenzustellen. Als einzige Lebewesen auf der Erde können wir uns gegen die Tyrannei der egoistischen Replikatoren auflehnen.


Da ist die Bibel ja noch plausibel gegen.

Dann auch noch das wunderschöne Wollen bei Dawkins (S. 328):
Wenn ein Mem die Aufmerksamkeit eines menschlichen Gehirns in Anspruch nehmen will, so muss es dies auf Kosten „rivalisierender“ Meme tun.


Ich dachte bislang immer, dass die Vogelmännchen mit ihrem Geträllere die Aufmerksam der Weibchengehirne in Anspruch nehmen wollen und nicht das Geträllere selbst, oder?

:lachtot: :irre:
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon Aeternitas » Mi 24. Jun 2009, 16:16

jackle hat geschrieben:
Dann auch noch das wunderschöne Wollen bei Dawkins (S. 328):
Wenn ein Mem die Aufmerksamkeit eines menschlichen Gehirns in Anspruch nehmen will, so muss es dies auf Kosten „rivalisierender“ Meme tun.


Ich dachte bislang immer, dass die Vogelmännchen mit ihrem Geträllere die Aufmerksam der Weibchengehirne in Anspruch nehmen wollen und nicht das Geträllere selbst, oder?

:lachtot: :irre:


Vogelmännchen sind doch keine Meme, wenn du schon alles kritisierst dann wenigsten sinnvoll.

Auserdem würde ich es begrüssen wenn du nicht jedes Thema immer auf Evolution ziehen würdest oder zumindest einen Zusammenhang zum Thema herstellen könntest,würde ich bei Mark übrigens auch gut heißen.
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon jackle » Mi 24. Jun 2009, 19:49

Aeternitas hat geschrieben: Vogelmännchen sind doch keine Meme, wenn du schon alles kritisierst dann wenigsten sinnvoll.


Was soll das? Mein Punkt war doch, dass Dawkins behauptet, Meme (z. B. die Melodien der Lappenstarmännchen) wollten die Aufmerksamkeit von Gehirnen erlangen, während ich der Auffassung bin, dass Meme das nicht wollen und auch gar nicht können, sondern z. B. die Lappenstarmännchen selbst. Und ja, es gibt Eigeninteressen ("wollen"), die liegen aber nicht in den Memen (oder Genen) wie Dawkins behauptet, sondern in Evolutionsakteuren, z. B. Lebewesen.

Aeternitas hat geschrieben: Auserdem würde ich es begrüssen wenn du nicht jedes Thema immer auf Evolution ziehen würdest oder zumindest einen Zusammenhang zum Thema herstellen könntest,würde ich bei Mark übrigens auch gut heißen.


In diesem Fall hättest du dich fairerweise ausschließlich an Mark wenden sollen, der hat mit dem Gerede angefangen. Für sein obiges unqualifiziertes Posting bestand keine Notwendigkeit.
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon xander1 » So 28. Jun 2009, 06:58

@jackle:

Wo kann ich mehr über Mersch lesen. Ich habe mal ein wenig gegoogelt. Kannst du mir das mit der "Gefallen-wollen-Kommunikation" erklären? Seit wann gibt es das Modell von Mersch?

Wo sind eigentlich die Punkte an denen er anderen Theorien, wie der Selektion widerspricht und den egoistischen Genen. Das habe ich noch nicht richtig verstanden. Wie könnte man herausfinden welches der Modelle das richtige ist? Kann man das überhaupt?

Ich hatte erst vor kurzem in eine Informatikvorlesung evolutionäre Algorithmen. Ich frage mich da wie der Zusammenhang mit der Biologie ist.
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon Mark » So 28. Jun 2009, 12:47

Ich kann den Zusammenhang zwischen Ethik und den Memen sehr wohl herstellen. Ich sehe keinen Ansatz um zu widerlegen, daß Ethik nur eine Sammlung von Memen sein soll, schliesslich ist das so eine pragmatische Aussage wie alles besteht aus Atomen. Man sagt nicht mehr und nicht weniger, ist also nicht angreifbar. Die menschliche Ethik ist genauso entstanden wie der Vogelgesang. Soziales Feedback ist nur ein Selektionskriterium, und das angebvliche "Gefallen-Wollen" ist auch nur ein anderer Ausdruck für "Erfolg haben wollen". Die richtige Ethik nützt auch der Fortpflanzung, aber "Wollen" ist dabei irrelevant, weil es nicht genau definiert werden kann. Es kommt nur drauf an was hinten raus kommt, nur das zählt für den Erfolg der Meme. Dawkins kann nicht wiederlegt werden. Mersch schreibt Unsinn. zurück zum Thema, wie kann man die Ethik besser wissenschaftlich systematisch simulieren ? Wie lässt sich Ethik in eine "Notation" fassen ? Welche Modelle existieren bereits ?
Und bitte endlich Schluß mit Mersch, sonst krieg ich einen Koller. WIr haben schon viel zu viel über jemanden geschrieben der eigentlich keine wirklich signifikanten Aussagen macht, sondern nur Geld verdienen möchte.
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon jackle » So 28. Jun 2009, 14:01

xander1 hat geschrieben:Wo kann ich mehr über Mersch lesen.


Entweder in seinem Buch "Evolution, Zivilisation und Verschwendung" (ist allerdings ein ziemlicher Brocken) oder z. B. stark verkürzt hier:
Systemische Evolutionstheorie

xander1 hat geschrieben:Kannst du mir das mit der "Gefallen-wollen-Kommunikation" erklären?


Für Mersch drückt sich Fitness insbesondere in der Fähigkeit der Ressourcenerlangung im Lebensraum aus. Sind zwei Individuen an der gleichen Ressource interessiert, kommt es zum Wettbewerb um die Ressource. Die „Selektion“ (wer kriegt die Ressource) kann gemäß Mersch entweder dominant oder per Gefallen-wollen erfolgen (das sind die beiden wichtigsten Mechanismen). Dominant bedeutet: Derjenige, der an der Ressource interessiert ist, nimmt sie sich (Fressen und gefressen werden, Kampf ums dasein). Gefallen-wollen bedeutet: Man versucht dem Ressourcenbesitzer zu gefallen. Derjenige entscheidet dann, wer sie kriegt.

Bei der natürlichen Selektion (Lebensraum = Natur) geht es gemäß Mersch meist dominant zu. Bei der Sexualität (Lebensraum = Population) sind beide Selektionstypen üblich: Haremsbildung ist dominant, sexuelle Selektion ist Gefallen-wollen. Der Unterschied zwischen der sexuellen Selektion und der natürlichen Selektion besteht also für Mersch in zweierlei Hinsicht:
1. der Lebensraum (Evolutionsraum) ist ein anderer
2. die Art und Weise, wie Ressourcen erlangt werden, ist anders

Mersch behauptet nun, dass der Vorteil der Gefallen-wollen-Kommunikation sei, dass sich auf dieser Basis leicht neue Evolutionsräume bilden lassen. Dazu zählt er insbesondere alle modernen Märkte (hier stehen Unternehmen im Wettbewerb um die Ressource Geld der Kunden und konkurrieren um diese per Gefallen-wollen), die Demokratie, die Wissenschaften.

Eine seiner Behauptungen ist: Der Prozess der Zivilisation im Sinne von Norbert Elias ist im Grunde nichts anderes als die sukzessive Umstellung (fast) aller dominanten Selektionen in die Gefallen-wollen-Selektion.

Hierin liegt für ihn auch der eigentliche Denkfehler des Sozialdarwinismus. Der ging nämlich von der dominanten natürlichen Selektion und ggf. einem Recht des Stärkeren aus. Ein solches gibt es gemäß Mersch in menschlichen Zivilisationen nicht. Wer besser als andere sein will, kann diesen nicht einfach eine Keule über die Rübe hauen, sondern muss anderen besser gefallen, z. B. auf Märkten oder in den Wissenschaften.

xander1 hat geschrieben:Seit wann gibt es das Modell von Mersch?

Seit Anfang 2008.

xander1 hat geschrieben:Wo sind eigentlich die Punkte an denen er anderen Theorien, wie der Selektion widerspricht und den egoistischen Genen.


Er widerspricht nicht einfach der Selektion. Selektion ist für ihn kein Evolutionsprinzip, sondern ein Ergebnis aus grundlegenderen Prinzipien. Die natürliche und sexuelle Selektion lassen sich aus seinen Prinzipien ableiten, sind aber selbst keine Prinzipien.

Mersch betrachtet Evolution nicht von den Genen, sondern den Individuen aus. Damit Populationen evolvieren können, müssen gemäß ihm die Individuen über bestimmte Systemeigenschaften verfügen, insbesondere müssen sie in der Lage sein, gewisse Eigeninteressen zu entwickeln (bzw. sich so verhalten, als verfolgten sie Eigeninteressen). Sie müssen im gewissen Sinne bestrebt sein, die eigenen Kompetenzen (biologischen Informationen) zu erhalten. Solche Systemeigenschaften machen für ihn das Wesen des Lebens aus. Sie hätten sich evolutionär ausgebildet. Leben und Evolution sind für ihn folglich 2 Seiten der gleichen Medaille.

Hier erkennt man dann sofort einen ganz offenkundigen Unterschied zu Dawkins: Gemäß Dawkins sind die Melodien der Lappenstare Meme, die die Aufmerksamkeit möglichst vieler Lappenstargehirne erlangen „wollen“. Hierdurch kommt es zu einer Konkurrenzsituation um den Speicherplatz in den Gehirnen und damit zur Selektion und in der Folge zur Evolution.

Gemäß Mersch sind die Lappenstarmännchen Systeme, die Eigeninteressen verfolgen. Insbesondere wollen sie sich fortpflanzen. Dazu wollen sie die Aufmerksamkeit möglichst vieler Weibchen erlangen. Und dazu versuchen sie ständig, eine noch tollere Melodie zu trällern. Hören sie eine andere Melodie, die bei den Weibchen offenbar gut ankommt (oder wovon sie das annehmen bzw. befürchten), dann werden sie versuchen, diese zu imitieren. Auf diese Weise kommt es zur Evolution der Melodien. Für ihn betreiben also die Lappenstarmännchen in Verbindung mit den weiblichen Präferenzen die Melodienevolution, für Dawkins betreiben die Melodien ihre Evolution selbst. Ich hoffe, ich habe mich halbwegs verständlich ausgedrückt.

xander1 hat geschrieben: Das habe ich noch nicht richtig verstanden. Wie könnte man herausfinden welches der Modelle das richtige ist? Kann man das überhaupt?


Dürfte zurzeit schwer sein. Was m. E. für ihn spricht, sind u.a. die folgenden Punkte:
1. Für normale biologische Populationen lassen sich die Darwinschen Prinzipien aus den Prinzipien seiner Systemischen Evolutionstheorie ableiten. Darwin ist in seinem Gebäude also ein Spezialfall.
2. Er kann das Reproduktionsverhalten moderner menschlicher Gesellschaften erklären (Central Theoretical Problem of Human Sociobiology). Darwinisten ziehen sich dagegen immer auf die Behauptung zurück, dass menschliche Gesellschaften außerhalb der Evolution stünden.
3. Er kann alle eigendynamischen Evolutionen (Biologie, Technik, Wissenschaften, Soziales, Kultur) aus den gleichen Prinzipien heraus erklären. Sonderkonstruktionen wie etwa die Memetik benötigt er dazu nicht.

xander1 hat geschrieben:Ich hatte erst vor kurzem in eine Informatikvorlesung evolutionäre Algorithmen. Ich frage mich da wie der Zusammenhang mit der Biologie ist.


Ich sehe den nur indirekt.
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon Myron » So 28. Jun 2009, 16:19

jackle hat geschrieben:
xander1 hat geschrieben:Wo kann ich mehr über Mersch lesen.

Entweder in seinem Buch "Evolution, Zivilisation und Verschwendung" (ist allerdings ein ziemlicher Brocken) oder z. B. stark verkürzt hier:
Systemische Evolutionstheorie


Siehe GoogleBooks: "Evolution, Zivilisation und Verschwendung"
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon xander1 » So 28. Jun 2009, 20:42

@jackle:
Ich habe das auch mal öffentlich gezeigt welche Personen ich ignoriere. Aber ich glaube du hast andere Motive als ich.

Schreibt Mersch nur von sexuellem Gefallen oder anders gefragt: Was für eine Rolle spielt Liebe und was für eine Rolle spielt Verliebtheit? Das Konzept der Natur, dass sich Menschen verlieben ist mir insofern ein Rätzel, als dass es mich verwundert, dass es nicht selten eine einseitige Liebe ist und ich frage mich was für einen Sinn das macht in der Natur und Reproduktion.

Noch etwas zu Memen (da hat sich R. Dawinks wohl vertan, weil das eigentlich Soziologie ist nicht Biologie)

http://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Da ... positionen
unter dem Punkt Gegenpositionen
findet man eine Meinung von jemanden dessen Fachgebiet eher so etwas wie Meme sind. So habe ich das zumindest verstanden.
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon jackle » So 28. Jun 2009, 20:47

Myron hat geschrieben: Siehe GoogleBooks: "Evolution, Zivilisation und Verschwendung"


Danke.
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon jackle » So 28. Jun 2009, 20:53

xander1 hat geschrieben: Schreibt Mersch nur von sexuellem Gefallen ...


Mersch schreibt ganz abstrakt vom Gefallen-wollen, und das muss nicht einmal was mit Sexualität zu tun haben. Wenn Anbieter auf einem Markt ihre Waren präsentieren, dann wollen sie damit gefallen, so wie der Vogel mit seinem Gesang gefallen möchte. Das Ziel ist es, an die Ressource Geld zu kommen, die noch im Besitz des Kunden ist. Aber man fällt nicht über den Kunden her und nimmt ihm das Geld ab (fressen und gefressen werden), sondern man versucht ihn zu überzeugen.

Mersch ist auf einem abstrakten kommunikativen Level unterwegs. Gefallen-wollen ist sicherlich die Basis der Liebe, aber diese ganze Sache ist für Mersch kein Thema.

Irgendwo las ich mal eine Spekulation, dass Liebe wohl auch ein Mittel ist, um eine längere Paarbindung sicherzustellen, die aufgrund der enormen Elterninvestments, die beim Menschen anfallen, ein evolutinärer Vorteil darstellt. Es war in der Altsteinzeit erforderlich, dass der männliche Jäger nach erfolgreicher Jagd wieder zu Frau und Kindern zurückkehrt. Er hätte ja auch auf die Suche nach der nächsten Jungfrau gehen können, wie das im Tierreich vielfach der Fall ist. Es gibt in der Hinsicht sehr viel soziobiologische Spekulation, z. B. über die Verdeckung des Eisprungs bei Frauen, deren ständige sexuelle Bereitschaft und die Dauerschwellung der weiblichen Brüste.
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon jackle » So 28. Jun 2009, 21:38

xander1 hat geschrieben: Noch etwas zu Memen (da hat sich R. Dawinks wohl vertan, weil das eigentlich Soziologie ist nicht Biologie).


Das ist in der Tat problematisch: Da überträgt jemand eine Vorstellung aus der Biologie einfach auf ein ganz anderes Fachgebiet, obwohl für dieses die Limitationen der Biologie überhaupt nicht bestehen. Das Besondere an der biologischen Evolution ist, dass sie bei 0 anfangen musste. Da gibt es dann ganz klare Regeln, inkl. einer einheitlichen Speichermethode in der DNA. Es ist äußerst unplausibel, so etwas dann auf Kultur übertragen zu wollen.

Ein ähnlicher Missgriff geschah beim Handicap-Prinzip. Das ist in der Natur erforderlich, um fälschungssichere Nachrichten erzeugen zu können. Ein Fitnesssignal darf keine Täuschung sein. Oder wie Geoffrey F. Miller schreibt: Ein Fitnesssignal ist dann echt, wenn zum Hervorbringen des Signals eine entsprechende Fitness erforderlich ist.

Und schon hat man das munter auf menschliche Gesellschaften übertragen. Dabei gibt es dort vertrauenswürdige Dritte, die man notfalls befragen könnte. Viele Menschen lesen sich vor dem Kauf neutrale Testberichte durch. Da muss der Hersteller erst gar nicht auf dicke Backen machen.
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon xander1 » Di 30. Jun 2009, 06:03

Die Rolle von Liebe und Verliebtheit in der Evolution würde mich doch mal brennend interessieren. Könnte es nicht sein, dass sich 2 Menschen ineinander verlieben, ohne dass sie sich vorher gefallen wollen und dann ein Kind zeugen, ohne dass sie sich bemüht haben sich zu gefallen? Das gleiche gilt für sexuelle Anziehung. Müsste es nicht ein Gefallen sein, anstelle einem Gefallen-Wollen? Das Wollen impliziert ja eine Absicht, die dahinter ist, und man nur erspekulieren kann.

Und dann würde ich noch gerne wissen, was hinter dem Gefallen steckt. Wieso um alles in der Welt soll sich die Evolution um Gefallen drehen, sozusagen. Mag ja so sein, aber das scheint dann so als sei Gefallen ein Großes Prinzip, und dieses müsste einen Zweck haben und nach Mustern ablaufen, quasi nach Algorithmen und man müsste viel ergründen können über das Gefallen. Das wirft die Frage nach der Beurteilung nach sich und ob denn alles Urteil nach Gefallen ist.
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon jackle » Di 30. Jun 2009, 11:41

xander1 hat geschrieben:Die Rolle von Liebe und Verliebtheit in der Evolution würde mich doch mal brennend interessieren. Könnte es nicht sein, dass sich 2 Menschen ineinander verlieben, ohne dass sie sich vorher gefallen wollen und dann ein Kind zeugen, ohne dass sie sich bemüht haben sich zu gefallen? Das gleiche gilt für sexuelle Anziehung. Müsste es nicht ein Gefallen sein, anstelle einem Gefallen-Wollen? Das Wollen impliziert ja eine Absicht, die dahinter ist, und man nur erspekulieren kann.


Nein. Mit dem Wort Gefallen-wollen wird die Art und Weise der Ressourcenerlangung verstanden. Bezieht man es auf die Fortpflanzung, dann ist die Frau aus männlicher Sicht eine Ressource, die man befruchten kann, dann aber die Fortpflanzungsarbeit mehr oder weniger autonom erledigt.

Vergewaltigt der Mann die Frau (er nimmt keine Rücksicht auf ihre „Selektionsinteressen“), dann ist das gemäß Mersch eine dominante Kommunikation. Sie ist in der Natur bei der Nahrungserlangung üblich: Der Löwe fragt das Zebra vorher nicht, ob er es fressen darf.

Wartet der Mann dagegen ihre explizite Zustimmung ab (egal ob er ihr gefallen ‚wollte’ oder von vornherein bereits ‚gefiel’), dann ist das Gefallen-wollen-Kommunikation. In diesem Fall ‚selektiert’ der Ressourceninhaber, nämlich die Frau.

In menschlichen Gesellschaften kommt es speziell bei langfristigen Bindungen meist zu einer beiderseitigen Selektion, speziell wenn es um Kinder gehen könnte, da in diesem Fall auch der Mann eine Ressource darstellt, nämlich einmal durch seine Gene (die Frau wäre also z. B. an besonders fitten Genen interessiert, weil die gut für ihre Kinder sein können), das andere Mal durch sein Geld (die Fähigkeit, sie fortlaufend mit Ressourcen zu beliefern, während sie das Kind austrägt).

Thomas Junker diskutiert z.B. in seinem Buch „Der Darwin-Code“ die Frage, warum Frauen schön sind bzw. sich schön machen, weil das in der Natur eher ungewöhnlich ist, da es dort meist ausschließlich die Männchen sind, die den Sexualschmuck tragen. Die einzige sinnvolle Erklärung scheint zu sein, dass es praktisch von Anbeginn der Menschheit zu festen Paarbindungen kam, und dabei auch die Männer sehr wählerisch wurden (wie das noch heute feststellbar ist). Die Frauen versuchten ihnen dann zu gefallen. Es kam also zu einer beiderseitigen Gefallen-wollen-Kommunikation.

xander1 hat geschrieben:Und dann würde ich noch gerne wissen, was hinter dem Gefallen steckt. Wieso um alles in der Welt soll sich die Evolution um Gefallen drehen, sozusagen. Mag ja so sein, aber das scheint dann so als sei Gefallen ein Großes Prinzip, und dieses müsste einen Zweck haben und nach Mustern ablaufen, quasi nach Algorithmen und man müsste viel ergründen können über das Gefallen. Das wirft die Frage nach der Beurteilung nach sich und ob denn alles Urteil nach Gefallen ist.


Hinter dem Gefallen stecken die beiden Grundkräfte der Evolution, nämlich Selbsterhalt und Reproduktion. Lebewesen (bzw. gemäß Mersch alle evolutionsfähigen Akteure, zu denen er auch Unternehmen zählt) sind darum bestrebt, sich zu reproduzieren. Sagen wir es einfach: sie sind so programmiert, dies ganz häufig, ggf. auch nur zu bestimmten Jahreszeiten oder in einem bestimmten Lebensalter, anzustreben. Wenn also z. B. die Brunftzeit ist, dann versuchen sie sich fortzupflanzen: sie streben danach, sie „wollen“ es. Mersch sagt dazu: Die Individuen besitzen ein Reproduktionsinteresse, worunter er aber bei sehr einfachen Lebewesen auch Automatismen subsummiert. Der Begriff ist nicht psychologisch zu verstehen.

Bei der getrenntgeschlechtlichen Fortpflanzung drückt sich dieses Reproduktionsinteresse zunächst in einem Paarungsinteresse aus: Die Individuen streben nach Paarung, sie möchten Sex haben. Dank Pille ist dem Menschen die Trennung von Paarungs- und Reproduktionsinteresse gelungen, und nun sieht man, dass das Reproduktionsinteresse allein wohl zu schwach ist, um eine ausreichende Fortpflanzung zu bewirken. Nun müssen möglicherweise weitere ökonomische Anreize hinzu kommen.

Bevor es zur Paarung kommt, müssen sich die potenziellen Partner einig werden. Das kann durch Dominanz geschehen (Vergewaltigung oder Haremsbildung – in diesem Fall besitzt das Männchen das Weibchen und letzteres hat keine Wahl), oder aber die beiden Partner einigen sich durch beiderseitige Zustimmung. Das nennt Mersch die Gefallen-wollen-Kommunikation, weil sich hier eine oder beide Seiten darum bemühen, das Gefallen (die freiwillige Zustimmung) der anderen Seite zu finden.

Tatsächlich läuft das Gefallen in der Natur sogar nach Mustern ab. Da ist das Balzverhalten, die Brunft, und dann gibt es noch den Sexualschmuck, an dem die Weibchen vieler Arten die Fitness etwaiger Interessenten ablesen. Findet der Gesang eines Vogelmännchens etwa das Gefallen mehrerer Weibchen (die Weibchen erkennen an der Art und Stärke seines Gesangs, wie fit es ist), dann kann es sich möglicherweise besonders häufig fortpflanzen, da es besonders oft gefallen hat.

Mersch betont in seiner Begrifflichkeit jedoch auch stets das „wollen“. Er macht damit deutlich, dass sich die Männchen bei den Weibchen ungefragt melden, um sie zu bezirzen. Das Vogelmännchen, was die tollste Melodie aller Zeiten singen kann und in diesem Sinne also super-fit ist, wird sich nicht fortpflanzen können, wenn es damit nicht auch gefallen „will“, sondern eher die Einstellung hat: „Diese ganzen Weiber sind es nicht wert, meine Melodien zu hören. Ich singe ausschließlich für die Hirsche des Waldes.“ Mit anderen Worten: Evolution ist tatsächlich ein akteursbasierter Prozess. Evolution ist aktiv. Sie würde ohne Eigeninteressen verfolgende Individuen nicht in die Gänge kommen, weswegen es gemäß ihm beispielsweise keine Memetik geben kann.

Mersch wies bei einer Diskussion auf Amazon unlängst selbst noch einmal auf die üblichen Darstellungen der Selektionsmechanismen hin, z. B. wie man sie auf
Wikipedia: Selektion
nachlesen kann. Das ist im Vergleich zu seiner Darstellung eigentlich schon fast wirres Zeug. Es ist wirklich unglaublich, wie dort mit den Begriffen hantiert wird. Bei der künstlichen Selektion existiert ein externer Schöpfer. In dem Sinne ist das also gar keine eigendynamische Evolution. Als IDler könnte man die ganze natürliche Selektion so auffassen: Hin und wieder kommt es zu einer Selektion durch Gott.

Dann die Unterscheidung zwischen natürlicher und sexueller Selektion: Bei der sexuellen Selektion geht es um die Erlangung einer Ressource, und zwar per Gefallen-wollen. Die Weibchen selektieren dabei denjenigen, der die Ressource bekommen soll. Dies beschreibt einen einmaligen Selektionsvorgang, der etwas ganz anderes ist, als die natürliche Selektion, bei der es sich um den Lebenszeitfortpflanzungserfolg dreht.

Mersch reduziert den Begriff der Selektion zunächst auf die Selektion beim Zugriff auf Ressourcen, und damit bekommt die Evolutionstheorie m. E. endlich die Klarheit und Stringenz, die sie benötigt, um allgemein akzeptiert zu werden.
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Re: Ethikwissenschaft

Beitragvon xander1 » Di 30. Jun 2009, 17:12

Könnte man nicht auch erforschen, wann es nicht zu einer Paarung kommt? Es gibt so viele Singles!

Könnte man das was du da schreibst nicht in Formeln ausdrücken?

Ist das Paarungsverhalten von Tieren nicht bescheuert? Mir erscheint das alles nicht vollständig sinnvoll.
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