stine hat geschrieben:@spriggan: Dein Wissen über die großen Religionen ist bewundernswert
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Danke schön, ist aber trotzdem nur ein klein bisschen mehr, als die meisten Gläubigen selbst wissen über ihre Religion - wie heißt es kenne deinen "Feind", Argumente helfen zwar selten bei Theologen, aber es ist doch immer wieder schön zu sehen, dass die grundlegenden Fehler in der Bibel oder dem Koran niemandem Gläubigen auffallen.
stine hat geschrieben:Für mich ist die Religion aber eben nur ein Versuch der Menschen, sich ihre Moral herzuleiten und eine Leitkultur zu schaffen, was ja immerhin bei einigen Religionen sehr gut gelungen ist. Darüber hinaus bin ich trotzdem auch immer noch der Meinung, dass Menschen solcherlei kulturellen Bodensatz brauchen, weil sie ansonsten taumeln und keinerlei Wurzeln haben.
Jeder Mensch braucht kulturellen Boden und ein Zugehörigkeitsgefühl. Wer dieses verneint, weiß nicht, dass er es trotzdem hat. Vielleicht aus anderen anerzogenen Moralen, als aus denen der Bibel. Auch wer in politische Systeme eingebunden war und Religion als Staatsfeind kennengelernt hat, hat kulturellen Boden, aber eben anderen. Was infolge besser war, darüber ließe sich trefflich streiten.
Leider, leider hat die Religion eben nicht eine Leitkultur geschaffen. Ich glaube mich erinnern zu können, dass viele am Anfang die Lokomotiven als Geschöpfe der Hölle ansahen - oder ähnliches. Die Leitkultur fremdes und neues zu verhindern - Wissenschaft, Bildung und Forschung nicht jedem anzubieten, kennt man leider aus vielen religiösen Leitkulturen. Ich gebe ja immer wieder gerne zu, dass die Kultur der Christen langsam Fortschritte macht (ich will jetzt nicht näher auf die Verhinderung von vielem Wissen wie durch DaVinci eingehen o.a., die wir vermutlich auch nie kennen lernen), aber sie wandelte sich langsam - der Vatikan beinahe schneller als die Gläubige, die dann - wie z.B. in Mexiko - lieber zum Islam übertreten, der ihnen mehr Regeln und Strenge gibt. Mehr Halt - wie du es positiv ausdrückst.
Das ist etwas Gutes - aber auch etwas schlechtes. Denn wie immer kommt es darauf an, wer diese Menschen führt, die wie Lemminge dem großen Ober-Lemming folgen. Wir kennen genügend Sekten in den USA, wo der Ober-Lemming einen kollektiven Selbstmord gut fand. Was man auch tat. Die Zusammengehörigkeit schafft ein Kollektiv, das sich als Opfer der Gesellschaft sieht, oder als Auserwählte der Götter, was wiederum zu einer stärkeren Abhängigkeit von der Leitfigur der Sekte/Religion führte.
Die Moral die mir die Bibel lehrt ist sehr, sehr schwierig. Zum einen soll ich Israel als auserwähltes Volk ansehen - und wenn ich an Jesus glaube plötzlich an die Christen und wenn ich an die logischen Schlussfolgerungen der Jehovas Zeugen glaube, dann sind es die Jehovas Zeugen. Die Moral halte ich "fast" bei den Jehovas Zeugen sogar noch besser als bei den anderen Christen - auch die Mormonen haben da mehr moralische Intention als ein normaler europäischer Katholik. Das behaupte ich, erzogen mit der Moral von ZJ. Nur wer entscheidet welche Moral besser ist?
Geht man den philosophischen Ansatz einer Welt ohne einen Gott und völliger Anarchie, so stellt sich bald heraus, dass Darwinistisch bald der stärkste Mensch überlebt. Zum Zwecke der Fortpflanzung allerdings tötet er nicht alle Menschen, und viele Menschen die ihm bedingungslos - blind - folgen, hoffen auf positive Vorteile für sich.
Menschen rotten sich zusammen, um besseres Land, mehr Vorteile zu haben, als wenn sie alleine sind. Die Menschen merken, dass sie gemeinsam mehr erreichen können als alleine. Und auch alte Menschen haben Vorteile, sie kennen Strategien, können sich um die Kinder kümmern oder den "Haushalt", während die stärksten Menschen gemeinsam für eine Lebensgrundlage kämpfen. Es ist ein Nutzen, den sie der Gesellschaft bringen - die jungen, weil sie bald helfen, die erwachsenen, da sie die Gesellschaft stärken und die Alten, die man am Leben erhält, weil sie Wissen und Kraft der Gesellschaft zur Verfügung gestellt haben. Ohne einen Gott entsteht eine ebenso "gute" Gesellschaft wie mit einem Gott. Nimmt man das Beispiel der Spartaner so ist dieses Modell der Gesellschaft diesem sehr ähnlich. Die schwachen Kinder und Behinderten werden jedoch getötet. Dies ist in Naturvölkern auch immer so gehandhabt worden, da diese eine Last für eine Gesellschaft sind, die "normale" braucht. Dass Behinderte auch Menschen sind, hat sich erst sehr spät in den Gedanken verfestigt - in vielen Religionen werden Menschen mit Behinderungen als solche gesehen, die im vorigen Leben böses taten oder die Familie hat mit dem Teufel paktiert. Interessant so oder so - diese Behinderungen wollte niemand in der Gesellschaft haben - es gab nur wenige Ausnahmen bei den Menschen die es anders sahen (Blinden wurde nachgesagt manchmal, dass sie Gottes Antlitz gesehen hatten und deshalb blind waren, wenn dieser sich geschickt anstellte).
Der Humanismus selbst brachte erst in den letzten Jahrhunderten die Einsehung, dass Behinderte auch Menschen sind mit menschlichen Eigenschaften. Wir können uns leisten, dass jeder Mensch ein Recht auf Leben hat und dieses Leben erhalten wird - was mit behinderten Menschen heimlich passiert in Gegenden, wo man täglich ums Überleben kämpft, möchte ich gar nicht wissen. Noch vor wenigen Jahren galten in ländlichen Regionen Linkshänder als Besessene vom Teufel.
Welches ist die bessere Moral? Hat uns die Moral der Bibel wirklich unsere Moralvorstellung gegeben - oder ist dies der Wohlstand der Menschen, der uns die Möglichkeit gegeben hat, dass wir jeden Menschen mit Rechten behandeln können?
stine hat geschrieben:Insgesamt betrachtet sehe ich keinen Sinn im sturen Bekämpfen von Religion, sondern vielmehr muss Aufklärung über Religionsinhalte betrieben werden um zu verhindern, dass Religion als Mittel zur Machtübernahme eingesetzt wird. Wer Ungläubige töten möchte oder Gläubige in seinem Sinne als Werkzeug nützt, handelt eben nicht im Sinne des "guten" Gottes, also im SInne des Lebens. Religion soll dem Menschen Halt und Zuversicht geben, ihn stärken und trösten, ihn zum zufriedeneren oder gar zum besseren Menschen machen, sonst nichts.
LG stine
Der gute Gott hat die Flut gesandt, die alle bösen Menschen vernichtete, ließ wegen seinen Engeln die bei Besuch waren Frauen vergewaltigen, damit die moralisch verdorbenen Männer nicht die verkleideten Engel bekamen. Ein guter Gott?
Religion gibt mir kein Halt und Zuversicht - im Gegenteil - die Religionen lassen in mir Angst vor der Zukunft aufsteigen. Stärken und trösten tun sie nur die, die an sie glauben, nicht jene die gegen sie sind.
Das innerste Selbst lässt einen stärker werden. Es ist nämlich schwer aus einer Religion - wo man theoretisch Freunde und Bekannte hat - seine ganze Welt - hinter sich zu lassen und neu anzufangen, weg von dem was diese Gruppe von einem erwartet aber auch gibt (ob man es will oder nicht). Wer die Inhalte der Religion bekämpft und zur Aufklärung ruft kann nur ein starker Mensch sein.
Trost schafft man nicht durch lügen. Als meine Großmutter starb, hieß es sie kommt ins Paradies, aber ist es nicht besser zu sagen, "nein sie kommt nie wieder"? Da ich weiß, wir haben nur ein Leben, lerne ich das Leben jedes mir nahen Menschen mehr schätzen. Weil jedes Leben anders ist, jeder Mensch etwas Besonderes. Ich für meinen Teil weiß, dass ich nur ein Leben habe - und auch andere Menschen nur eines. Ich möchte meines nutzen, und das weil ich nicht an etwas danach glaube.
Religion lässt mich leichter zum Mörder werden weil ich weiß, dass für mich danach ein Himmel voller Jungmänner bereit steht, Weintrauben und eine Harfe (erinnert mich ein wenig an Dionysos...).
Entschuldigung für die Wortgewalt, aber ich kann mich selten in kleinen Sätzen ausdrücken, ist der Alt-Griechisch Unterricht schuld. Marke: Sokrates