El Schwalmo hat geschrieben:okay, alles klar.
Du begreifst nicht, dass sich die Darwinsche Evolutionstheorie überhaupt nicht auf Sozialstaaten anwenden lässt. Die Erklärung der Organisation von Ameisenstaaten über die Verwandtenselektion war ein zufälliger Treffer, denn die Argumentation stimmt für Honigbienen nicht mehr. Auch dort wird das Reproduktionsinteresse nicht genetisch, sondern über die Nahrungszusammensetzung geregelt, womit die Darwinsche Evolutionstheorie nicht klar kommt.
Die Darwinsche Evolutionstheorie führt bei Anwendung auf menschliche Gesellschaften zum Sozialdarwinismus, weil sie von Grund auf sozialdarwinistisch ist. Sie kennt das Soziale nicht. In ihr bestimmt sich der individuelle Fortpflanzungserfolg rein aus individuellen Genmerkmalen heraus. Sie geht davon aus, dass alle Individuen gleichermaßen egoistisch sind und sich nicht sozial (altruistisch) verhalten. Sie alle wollen ihre Gene möglichst oft in die nächste Generation transportieren. Das nimmt die Theorie der egoistischen Gene gleichfalls an. Hinter all dem steckt noch immer die Bevölkerungslehre von Malthus: Alle Individuen vermehren sich so oft sie können. Das oben erwähnte Milinski-Zitat aus der SWR2-Sendung bringt es klar zum Vorschein: Die eine Gazelle pflanzt sich häufiger fort, weil sie aus genetischen Gründen schneller laufen kann. Das ist Sozialdarwinismus, der keinen Fortpflanzungs-Altruismus kennt.
Erst die Systemische Evolutionstheorie räumt damit auf. Sie besitzt die soziale Komponente, die der Darwinschen Theorie fehlt, und zwar durch die Variable Reproduktionsinteresse. Ein niedriges Reproduktionsinteresse bei gleichzeitig starker sozialer Beteiligung (z. B. Arbeiterinnen in Insektensozialstaaten, beruflich engagierte Menschen) steht im Sinne der Evolutionsbiologie für Altruismus. Ein niedriges Reproduktionsinteresse, was dazu dient, der eigenen Schwester beim Aufziehen ihrer Kinder zu helfen (Verwandtenselektion), ebenfalls. Aus genau diesen Gründen kann man die Systemische Evolutionstheorie auch auf menschliche Gesellschaften oder Bienensozialstaaten anwenden, die Darwinsche Evolutionstheorie dagegen nicht. Die beruht auf Malthus, den man aber in der modernen Demografie längst zu den Akten gelegt hat. Punkt.