Abschied vom Darwinismus

Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon folgsam » Di 3. Nov 2009, 19:20

Das geht natürlich auf meine Kappe, ich hätte sofort meine Signatur dahinter setzen sollen.
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon platon » Di 3. Nov 2009, 19:24

Ja, das wäre hilfreich gewesen :mg:
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon smalonius » Di 3. Nov 2009, 20:29

Zur Gruppenevolution gäbe es noch viel zu sagen, aber das ist einen eigenen Thread wert.

Ein Wort zur Familiengröße:

Demographie

Der Trend zu kleinerer Familiengröße ist global bemerkbar. Die ganze Welt bewegt sich in die Richtung, in die wir uns bewegt haben.

Go forth and multiply a lot less
Fertility and living standards

Oct 29th 2009
Lower fertility is changing the world for the better


Bild

Bild

Why this change has come about, and why the demographic transition happens in the first place, are matters of debate. There are lots of social explanations of why fertility rates fall as countries become richer. [...]

No doubt all these social explanations are true as far as they go, but they do not address the deeper question of why people’s psychology should have evolved in a way that makes them want fewer children when they can afford more. There is a possible biological explanation, though. This is that there are, broadly speaking, two ways of reproducing.

One way is to churn out offspring in large numbers, turn them out into an uncaring world, and hope that one or two of them make it. The other is to have but a few progeny and to dote on them, ensuring that they grow up with every possible advantage for the ensuing struggle with their peers for mates and resources. The former is characteristic of species that live in unstable environments and the latter of species whose circumstances are predictable.

http://www.economist.com/sciencetechnol ... d=14164483
http://www.economist.com/displaystory.c ... d=14743589


Es gibt übrigens Spekulationen, daß manche Arten ihre Wurf- oder Gelegegröße den Umweltbedingungen anpassen. Mal angenommen, das stimmt - und es träfe auch auf den Menschen zu. Dann wäre es zu erwarten, daß die Menschheit nach einer Phase exponentiellen Wachstums ihre Vermehrungsrate "instinktiv" beschränkt.


platon hat geschrieben:Ja, das wäre hilfreich gewesen :mg:

Das hat schon gepasst. Ein bißchen Verwirrung stiften hat einen gewissen Popcorn-Faktor. :mg:
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon Zappa » Mi 4. Nov 2009, 20:23

Das angeschlagene Thema ist ja eigentlich recht interessant und da nun ein gewisser Hitzkopf für ein paar Tage Ruhe hat, kann man dies hier ja evtl. ernsthaft diskutieren.

Wie ich irgendwo weiter vorne schrieb kann man natürlich viel behaupten und auch leicht das Gegenteil wie die "Diskussion" hier ja schön zeigt, entscheidend sind für mich aber experimentelle Befunde.

Knackpunkt scheint ja das sogenannte Reproduktionsinteresse zu sein, dass als neuer Faktor eingebaut wird. Soweit ich die Diskussion verstanden habe, kommt der Begriff aus den Sozialwissenschaften bzw. Demographie. Nun kann man sich relativ leicht vorstellen, dass bewusst denkenden Wesen die "einfache Logik" der Evolution durch eigene Interesessen modulieren bzw. sozusagen eine kulturelle Beeinflussungsschicht über der einfachen Evolution gelegt wird. Der Lackmustest wären für mich also experimentell erhobene Daten an einfachen Organismen, die diesen zusätzlichen Faktor nachweisen würden.

Deswegen meine Frage: Gibt es irgendwo experimentelle Daten außerhalb der menschlichen Soziologie, die die Behauptungen Mersch unterstützen könnten? Hat er selbst experimentell gearbeitet oder einer seiner Anhänger (zumindest J. Bauer scheint ja experimentelle Expertise zu haben)?

So eine Arbeit mit echten Fakten würde mich interessieren ...
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 4. Nov 2009, 21:25

Zappa hat geschrieben:Deswegen meine Frage: Gibt es irgendwo experimentelle Daten außerhalb der menschlichen Soziologie, die die Behauptungen Mersch unterstützen könnten? Hat er selbst experimentell gearbeitet oder einer seiner Anhänger (zumindest J. Bauer scheint ja experimentelle Expertise zu haben)?

So eine Arbeit mit echten Fakten würde mich interessieren ...

ich vermute, dass es so etwas nicht gibt (und das wurde IIRC entweder hier oder bei amazon auch schon thematisiert). Mersch meint, dass es eine durchgängige Modellierung von 'Evolution' durch alle Systemebenen gibt. Er befasst sich vor allem mit 'Evolution', die nichts mit der Evolution zu tun hat, die in der Natur abläuft. Wenn man von einem Schichtenmodell des Seins ausgeht, gibt es zwar durchreichende Gesetzmäßigkeiten (beispielsweise den Entropiesatz), aber jede Systemebene hat auch eigene Gesetzmäßigkeiten, die 'von unten' nicht erklärt werden können. 'Fortpflanzungsinteresse' scheint mir ein Begriff zu sein, der nur auf der Ebene bewusst handelnder Akteure Sinn macht. Daher glaube ich nicht, dass man hier 'echte Fakten' aus tierlichen oder pflanzlichen Gemeinschaften findet (einmal ganz davon abgesehen, dass viele Lebewesen nicht sozial sind).
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon smalonius » Do 5. Nov 2009, 19:39

Zappa hat geschrieben:Knackpunkt scheint ja das sogenannte Reproduktionsinteresse zu sein, dass als neuer Faktor eingebaut wird. Soweit ich die Diskussion verstanden habe, kommt der Begriff aus den Sozialwissenschaften bzw. Demographie. Nun kann man sich relativ leicht vorstellen, dass bewusst denkenden Wesen die "einfache Logik" der Evolution durch eigene Interesessen modulieren bzw. sozusagen eine kulturelle Beeinflussungsschicht über der einfachen Evolution gelegt wird. Der Lackmustest wären für mich also experimentell erhobene Daten an einfachen Organismen, die diesen zusätzlichen Faktor nachweisen würden.

Ein Reproduktionsinteresse läßt jederzeit als ein weiterer Faktor in die existierenden Beschreibungen einbauen. Dazu bedarf es keiner "systemischen Evolutionstheorie".

Was Mersch tatsächlich macht, ist die althergebrachte Definition von Fitness über die Nachkommenschaft auszuhöhlen. Stattdessen wählt er für Fitness weiche Kriterien wie "hoher sozialer Status".

Dann behauptet er, Evolution könne nur ablaufen, wenn sich die eben umdefinierten fitten Leute von "hohem Status" stärker vermehren als das "Gesocks". Der Evolution ist das eher wurscht, die läuft genauso weiter.

Merkwürdigerweise hatten viele Evolutionsbiologen einen Hang zur Eugenik. Mersch ist hier nicht der Erste und er wird auch nicht der Letzte sein.
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon Atanar » Fr 6. Nov 2009, 15:53

Das ist ja wohl völliger Blödsinn, er geht einfach davon aus das Lebewesen leben weil sie Handlungen ausführen und nicht anders herum wie jeder Mensch der klar denken kann.
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon El Schwalmo » Di 10. Nov 2009, 15:59

El Schwalmo hat geschrieben:
jackle hat geschrieben:Die Reaktion der Kreationisten folgte postwendend:
Kreationisten gegen Kutschera & Co

danke, den kannte ich noch nicht.

Sehr instruktiv. Bisher kannte ich derartiges UnderCover nur von hier. Kann sein, dass das Methode hat.

zu den Vorgängen, die zu dem verlinkten Artikel geführt haben, habe ich hier und hier noch ein paar Details beschrieben.
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon jackle » Mi 11. Nov 2009, 02:23

Zappa hat geschrieben:Das angeschlagene Thema ist ja eigentlich recht interessant und da nun ein gewisser Hitzkopf für ein paar Tage Ruhe hat, kann man dies hier ja evtl. ernsthaft diskutieren.


Das könntest du eigentlich sehr leicht selbst beeinflussen. Auf mein Eingangsposting kam nämlich direkt von dir:
Zappa hat geschrieben:Eine wissenschaftliche Therorie kann man aber nun mal nicht mit Worten falsifizieren. Sowas glauben nur Dummschwätzer, bzw. Anhänger derselben ...
Falls ich mal Zeit habe, werde ich dem geposteten Link zum Buch die Gnade meiner Aufmerksamkeit angedeihen lassen.


Findest du das nicht ziemlich arrogant? Dann solltest du dich nicht wundern, wenn Diskussionen aus dem Ruder laufen. Du hast nämlich gleich am Anfang für eine freundliche Begrüßung gesorgt, etwa in dem Stil: "Sei willkommen Arschloch".

Zappa hat geschrieben:Knackpunkt scheint ja das sogenannte Reproduktionsinteresse zu sein, dass als neuer Faktor eingebaut wird. Soweit ich die Diskussion verstanden habe, kommt der Begriff aus den Sozialwissenschaften bzw. Demographie.


Nein, der Begriff stammt aus der Soziobiologie. Hier eine Erklärung von Franz Wuketits, "Was ist Soziobiologie?", S. 35f.:

"Aber ungeachtet dieser Unterschiede bleibt das Faktum, dass Lebewesen ausgesprochene Fortpflanzungsinteressen haben, die bloß auf sehr verschiedene Weise verfolgt werden. Der biologische Imperativ zur Fortpflanzung ist universell. Nur durch die Fortpflanzung wird sichergestellt, dass Individuen auch in der nächsten Generation genetisch repräsentiert sind. Ihre Fortpflanzungsinteressen bestimmen daher das (soziale) Verhalten von Tieren und Menschen in ganz erheblichem Maße.
Der Ausdruck 'Interesse' darf nicht missverstanden werden. Er wird in der Soziobiologie in einem sehr allgemeinen Sinn verwendet. Niemand denkt dabei daran, dass ein Elefant oder gar eine Auster bewusste Interessen entwickeln und ihre Fortpflanzungsstrategien bewusst anwenden. Das gilt im Übrigen auch für andere Ausdrücke, wie etwa 'Egoismus' oder 'egoistisch', die vielfach als Metaphern verwendet werden. In der Natur folgt nichts, auch keine Verhaltensweise, einer bestimmten Absicht. Wichtig ist nur, dass die Reproduktion gewährleistet wird. Es ist aber nicht möglich, dafür Begriffe außerhalb unserer Sprachkonvention zu finden. Leider führt dieser Umstand immer wieder zu schwerwiegenden Missverständnissen und verleitet manche zu dem Glauben, Soziobiologen würden bloß 'menschliche Verhältnisse' auf Tiere übertragen, um von diesen umgekehrt wieder auf den Menschen zu schließen. Das ist falsch. Es geht um die tierischen und menschlichen Verhaltensweisen zugrundeliegenden Mechanismen, die stets ein Ergebnis der Evolution durch natürliche Auslese darstellen."


Zappa hat geschrieben:Deswegen meine Frage: Gibt es irgendwo experimentelle Daten außerhalb der menschlichen Soziologie, die die Behauptungen Mersch unterstützen könnten? Hat er selbst experimentell gearbeitet oder einer seiner Anhänger (zumindest J. Bauer scheint ja experimentelle Expertise zu haben)?

So eine Arbeit mit echten Fakten würde mich interessieren ...


Haben die Soziobiologen alles getan.
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon jackle » Mi 11. Nov 2009, 02:30

El Schwalmo hat geschrieben:'Fortpflanzungsinteresse' scheint mir ein Begriff zu sein, der nur auf der Ebene bewusst handelnder Akteure Sinn macht. Daher glaube ich nicht, dass man hier 'echte Fakten' aus tierlichen oder pflanzlichen Gemeinschaften findet (einmal ganz davon abgesehen, dass viele Lebewesen nicht sozial sind).


Nein, mit bewusst hat das nichts zu tun, siehe Wuketits. Reproduktionsinteresse kann bereits eine einfache Homöostase sein. Beispiel:

2 einfache Lebewesen A + B sind völlig identisch. Sie unterscheiden sich nur in einem einzigen Punkt: Wenn Lebewesen A genügend Energie und Stoffe angesammelt hat, pflanzt es sich asexuell fort. Nach jedem 2. Nachkommen singt es eine Woche lang O sole mio. Lebewesen B verhält sich identisch, singt aber nach jedem Nachkommen eine Woche lang O sole mio. Dann hat A ein höheres Reproduktionsinteresse als B.

Wichtig ist aber das Reproduktionsinteresse in erster Linie im Zusammenhang mit Sozialstaaten. Dazu komme ich noch.
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon jackle » Mi 11. Nov 2009, 02:38

smalonius hat geschrieben:Ein Reproduktionsinteresse läßt jederzeit als ein weiterer Faktor in die existierenden Beschreibungen einbauen. Dazu bedarf es keiner "systemischen Evolutionstheorie".


Nein, das ist nicht möglich. Der Begriff des Reproduktionsinteresses, wie er von Mersch verstanden wird, ist mit der Theorie der egoistischen Gene nicht vereinbar, da gemäß Dawkins alle Gene gleich egoistisch sind. Das macht auch die Hamilton-Regel erforderlich.

smalonius hat geschrieben:Was Mersch tatsächlich macht, ist die althergebrachte Definition von Fitness über die Nachkommenschaft auszuhöhlen.


Nein, denn der Begriff Fitness über die Nachkommenschaft ist ein Trick der Populationsgenetiker, der für Evolutionstheoretiker nicht zu gebrauchen ist. Ich zitiere Mersch einmal selbst (aus der Amazon-Website):

Ich verwende einige Begriffe anders, als dies Populationsgenetiker üblicherweise tun. Für die ist die Fitness der relative Reproduktionserfolg. Für mich, als Evolutionstheoretiker, steht die Fitness jedoch für die Tauglichkeit (Anpassung, Kompetenzen) gegenüber dem Lebensraum, z. B. die Fähigkeit, dort Ressourcen zu erlangen und innere und äußere Feinde abwehren zu können. In der Soziobiologie spricht man entsprechend von Fitnessindikatoren. Beispielsweise signalisiert die Schweifaugenzahl eines Pfauenmännchens (ehrliches Signal) den Weibchen die Fitness des Männchens. Entsprechend könnten die Fitnessgruppen in diesem Fall gemäß den Augenzahlen der Pfauenschweife unterteilt werden. Das, was die Populationsgenetiker Fitness nennen, bezeichne ich dagegen wieder ganz klassisch mit "Reproduktionserfolg". Recht gut wird der Unterschied auf Wikipedia erklärt: http://de.wikipedia.org/wiki/Biologische_Fitness
Populationsgenetiker verwenden den Begriff der Darwin-Fitess (http://de.wikipedia.org/wiki/Biologisch ... in-Fitness), ich dagegen den Begriff der Fitness im erweiterten Sinne (http://de.wikipedia.org/wiki/Biologisch ... rten_Sinne). Auch Wikipedia weist auf die unterschiedliche Handhabung bei Populationsgenetikern und Evolutionstheoretikern hin.

Die missverständliche Verwendung der Fitness in Texten zur Darwinschen Evolutionstheorie ist schon fast als chronisch zu bezeichnen. Man erkennt das auch an der aktuelle Darstellung der natürlichen Selektion auf Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Nat%C3%BCrliche_Selektion). Dort heißt es nämlich gleich zu Beginn: "Sie besteht als natürliche Selektion in der Reduzierung des Fortpflanzungserfolgs bestimmter Individuen einer Population mit der Folge, dass andere Individuen, die im Rückblick als 'überlebenstüchtiger' erkennbar sind, sich stärker vermehren. Die entscheidenden Einflüsse üben äußere Faktoren der Umwelt, sog. Selektionsfaktoren, aus. 'Überlebenstüchtigkeit' (Fitness) bedeutet nicht das 'Überleben der Stärksten'. Sie kann auch Kooperation und Altruismus einschließen. Entscheidend ist, dass die Erbanlagen von Individuen nicht mit der gleichen Wahrscheinlichkeit weitergegeben werden." Hier steht also explizit: Fitness = Überlebenstüchtigkeit. Diese Begriffe haben nichts mit Populationszahlen zu tun.

Bereits im nächsten Absatz heißt es dann (http://de.wikipedia.org/wiki/Nat%C3%BCr ... _Selektion): "Grundlage der natürlichen Selektion ist die jeweilige Wahrscheinlichkeit, mit der Individuen ihre Erbanlagen an die Folgegeneration weitergeben. Falls die Individuen einer Population sich in einem oder mehreren erblichen Merkmalen voneinander unterscheiden (das ist in natürlichen Populationen in der Regel der Fall), führen die Selektionsfaktoren zu einem unterschiedlichen Fortpflanzungserfolg. Individuen mit höherem Fortpflanzungserfolg besitzen eine höhere Fitness: Ihre Erbanlagen sind in der Folgegeneration mit einem größeren Anteil vertreten als in der Parentalgeneration. Das hat die Folge, dass Individuen mit (in ihrer aktuellen Umwelt) ungünstigeren Merkmalen in der Folgegeneration mit geringerer Häufigkeit vertreten sind." Hier steht wiederum ganz explizit: Fitness = höherer Reproduktionserfolg. Dieser Begriff der Fitness hat etwas mit Populationszahlen zu tun. Man fragt sich unwillkürlich, wie es in dem Text möglich wurde, den Begriff der Überlebenstauglichkeit ganz fallen zu lassen? Und: Wo ist auf einmal die Umwelt geblieben? Die Antwort ist banal: Dies gelang durch einen Taschenspielertrick. Man hat nämlich die Überlebenswahrscheinlichkeit nun in Formulierungen der folgenden Art untergebracht: "Individuen mit (in ihrer aktuellen Umwelt) ungünstigeren Merkmalen ...". Die bisherige Fitness im Sinne von Anpassung, Tauglichkeit, Überlebenstüchtigkeit wurde also in "günstige Merkmale" umgetauft, in der Hoffnung, niemandem würde dies auffallen.

Problematisch am Begriff der Fitness = relativer Fortpflanzungserfolg ist im Übrigen auch der Umstand, dass eine solche Fitness einem Ergebnis entspricht. Wie groß die Fitness eines Individuums ist, weiß man dann letztlich immer erst, wenn es gestorben ist. Die Systemische Evolutionstheorie erklärt dagegen die Evolution aus Systemeigenschaften heraus: Die individuellen Reproduktionsinteressen und Lebensraumkompetenzen (Anpassungen, Fähigkeiten, Tauglichkeiten) sind Systemeigenschaften lebender Systeme, die man ggf. sogar zu einem beliebigen Lebenszeitpunkt abfragen könnte. Evolution kann man aber nicht mit Begriffen erklären, die lediglich Resultaten entsprechen. Das würde eine Evolutionstheorie zwangsläufig zur Tautologie machen. All dies zeigt, wie begrifflich unsauber formuliert die Darwinsche Evolutionstheorie aktuell noch ist.


Ich denke, dass damit alles klar ist.
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon jackle » Mi 11. Nov 2009, 02:47

smalonius hat geschrieben:Dann behauptet er, Evolution könne nur ablaufen, wenn sich die eben umdefinierten fitten Leute von "hohem Status" stärker vermehren als das "Gesocks". Der Evolution ist das eher wurscht, die läuft genauso weiter.

Merkwürdigerweise hatten viele Evolutionsbiologen einen Hang zur Eugenik. Mersch ist hier nicht der Erste und er wird auch nicht der Letzte sein.


Anhänger der Darwinschen Evolutionstheorie sind die Eugeniker, weil die Darwinsche Evolutionstheorie rein auf Genen basiert. Die Systemische Evolutionstheorie hat sich jedoch von Genen gelöst. Dein Vorwurf trifft folglich nicht.

Dawkins schrieb unlängst in "Was ist ihre gefährlichste Idee?": Ich frage mich, ob wir etwa 60 Jahre nach Hitlers Tod nicht wenigstens einmal darüber nachdenken dürfen, worin der moralische Unterschied liegt zwischen dem Heranzüchten von Musikalität und dem auf Kinder ausgeübten Zwang, Musikunterricht zu nehmen. Oder wieso es annehmbar ist, Sprinter und Hochspringer zu trainieren, aber nicht sie zu züchten.

Alles klar? Im Übrigen mag das der Evolution egal sein, nicht aber den Individuen. Im Rahmen der sexuellen Selektion wählen Weibchen ihre Männchen gemäß Fitnessindikatoren. Sie verlangen ehrliche Signale. Sie richten sich nicht nach dem Fortpflanzungserfolg der Männchen, sondern an Merkmalen, die Fitness entsprechen (beim Menschen sind das meist: Sozialer Status, Einkommen, Bildung, Macht etc.). Denen ist also die "Fitness" nicht egal. Wie es in Sozialstaaten aussieht, beschreibe ich im nächsten Beitrag. In diesem widerlegt Mersch die Darwinsche Evolutionstheorie in aller Klarheit. Auch dabei wird gezeigt, wie wichtig die Fitness im ursprünglichen Darwinschen Sinne ist (Lebensraumtauglichkeit).
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Widerlegung der Darwinschen Evolutionstheorie

Beitragvon jackle » Mi 11. Nov 2009, 03:02

Mersch hat auf Amazon einen Forenbeitrag gepostet, den ich mit seiner Erlaubnis hier hinein kopiere (weil einige woanders nicht lesen). In diesem zeigt er, dass die Darwinismus grundsätzlich sozialdarwinistisch ist, eine Anwendung der Darwinschen Evolutionstheorie auf Sozialstaaten also nicht möglich ist. In dem Beitrag wird in sehr einfachen Worten die Darwinsche Evolutionstheorie falsifiziert. Das Gleiche geschieht mit der Verwandtenselektion. Mersch zeigt, dass sich die Organisation von Honigbienenstaaten viel einfacher auf andere Weise erklären lässt. Interessant ist sicherlich auch, dass Mersch in seinem Text neben der natürlichen und sexuellen Selektion noch von einer sozialen Selektion spricht.

Doch hier nun der Text:

Ich möchte nun darlegen, warum der Darwinismus grundsätzlich nicht mit der Funktionsweise moderner Sozialstaaten vereinbar ist.

Schon zu Spencers Zeiten gab es eine lange Diskussion darüber, ob das Konzept des Sozialstaates im Widerspruch zur Evolutionstheorie steht. Man befürchtete, dass es dann nicht mehr zur natürlichen Selektion kommt. Man befürchtete die allgemeine Degeneration der Menschheit (Dysgenik etc.).

Wikipedia definiert den Sozialdarwinismus wie folgt (http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialdarwinismus):
"Sozialdarwinismus ist eine biologistisch determinierte, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr populäre sozialwissenschaftliche Theorierichtung, welche Teilaspekte der Evolutionstheorie nach Charles Darwin auf menschliche Gesellschaften anwendet und deren Entwicklung als Folge natürlicher Selektion beim 'Kampf ums Dasein' auffasst." Eine ganz ähnliche Formulierung findet man im Großen Brockhaus.

Die Frage ist: Warum ist das ein Problem? Warum soll das für die gesamte Natur okay sein, für menschliche Gesellschaften jedoch nicht?

Richard Dawkins schreibt dazu im Das egoistische Gen: Jubiläumsausgabe (S. 309 f.):
"Nun ist, was den modernen, zivilisierten Menschen betrifft, folgendes geschehen: Die Größe der Familie ist nicht mehr durch die begrenzten Mittel beschränkt, die die einzelnen Eltern aufbringen können. Wenn ein Mann und seine Frau mehr Kinder haben, als sie ernähren können, so greift einfach der Staat ein, das heißt der Rest der Bevölkerung, und hält die überzähligen Kinder am Leben und bei Gesundheit. Es gibt in der Tat nichts, was ein Ehepaar, welches keinerlei materielle Mittel besitzt, daran hindern könnte, so viele Kinder zu haben und aufzuziehen, wie die Frau physisch verkraften kann. Aber der Wohlfahrtsstaat ist eine sehr unnatürliche Sache. In der Natur haben Eltern, die mehr Kinder bekommen, als sie versorgen können, nicht viele Enkel, und ihre Gene werden nicht an zukünftige Generationen vererbt. (...) Doch man kann keinen unnatürlichen Wohlfahrtsstaat haben, wenn man nicht auch unnatürliche Geburtenkontrolle hat, andernfalls wird das Endergebnis noch größeres Elend sein, als es in der Natur vorherrscht. Der Wohlfahrtsstaat ist vielleicht das größte altruistische System, das das Tierreich je gekannt hat. Aber jedes altruistische System ist von Natur aus instabil, weil es dem Missbrauch durch egoistische Individuen offensteht. Die einzelnen Menschen, die mehr Kinder bekommen, als sie versorgen können, sind in den meisten Fällen wahrscheinlich zu unwissend, als dass man sie böswiller Ausnutzung beschuldigen könnte. Mächtige Institutionen und führende Persönlichkeiten, die sie bewusst dazu ermutigen, scheinen mir von diesem Verdacht weniger frei zu sein."

Übersetzt in die Terminilogie der Systemischen Evolutionstheorie heißt das: "In Wohlfahrtsstaaten ist die (biologische und sonstige) Fitness eines Individuums für dessen Reproduktionserfolg nicht mehr entscheidend. Denn können Eltern ihre Kinder nicht selbst ernähren, greift der Staat ein und stellt die Mittel zur Verfügung. Entscheidend ist nun einzig und allein das individuelle Reproduktionsinteresse (der Kinderwunsch)."

Das wäre in einem Honigbienensozialstaat nicht anders. Auch dort sorgen alle für die Versorgung aller. Dürften die Arbeiterinnen eigene Eier legen, dann hinge ihr Reproduktionserfolg praktisch nur noch vom individuellen Reproduktionsinteresse ab. Diejenigen, die sich egoistisch verhalten (die mehr Eier legen und weniger Arbeit für die Versorgung aller leisten), bekämen mehr Nachkommen durch, als die Altruisten (die mehr Arbeit für die Versorgung aller leisten und weniger Eier legen). Im Insektensozialstaat würde dann der Anteil der Egoisten immer stärker zunehmen. Schon bald würde er sich in lauter solitäre Bienen auflösen.

Man hat in der Evolutionsbiologie die Situation bei den Bienen noch mit der Verwandtenselektion (Theorie der egoistischen Gene) retten wollen. Doch was sich noch bei den Ameisen plausibel anhören mag (die Arbeiterinnen sind allesamt Schwestern), ist es bei den Honigbienen nicht mehr (eine Königin paart sich mit bis zu 20 Drohnen; manche Stämme haben mehrere Königinnen). Man kann einen Bienensozialstaat nicht genetisch darwinistisch erklären, sondern lediglich soziologisch/ökonomisch, wie es in einem anderen Diskussionsbeitrag (von Lena zu den Insektensozialstaaten: http://www.amazon.de/gp/forum/cd/discus ... YSFM8YKPZB) bereits getan wurde: Ein Bienensozialstaat steckt - wie ein moderner menschlicher Staat - in der Opportunitätskostenfalle. Um die Opportunitätskosten von Nachkommen für alle Individuen klein zu halten, gibt es im Grunde nur eine Lösung: die Arbeitsteilung zwischen sozialer Arbeit und Nachkommenproduktion (btw: Arbeitsteilung dient immer der Opportunitätskostenreduzierung, deshalb ist sie so effizient). Für diesen erfolgreichen Weg haben sich die Insekten entschieden (weibliche Arbeiterinnen, weibliche Königinnen) und auf etwas andere Weise früher der Mensch (männliche Arbeiter, weibliche Königinnen).

Problematisch an der Situation ist nun aber vor allem das Folgende: Fitness beruht gemäß Darwinismus sehr stark auf genetischen Merkmalen. Man ist an einen Lebensraum mehr oder weniger gut auf Basis genetischer Eigenschaften angepasst. Weil diejenigen mit günstigen Eigenschaften (z. B. besonders schnelle Gazellen) aufgrund ihrer Vorteile im Lebensraum und bei der Partnerwahl mehr Nachkommen hinterlassen als die anderen, sind deren Erfolgsgene in der nächsten Generation anteilsmäßig stärker vertreten. Das entspricht dem Kovarianzteil in der Price-Gleichung: Es besteht eine positive Korrelation zwischen Fortpflanzungserfolg und Fitness (= natürliche Selektion).

In einer Rundfunksendung zu Beginn des Jahres erläuterte der Evolutionsbiologe Prof. Manfred Milinski das Darwinsche Evolutionsprinzip entsprechend wie folgt:

"Vielleicht sollte man vorausschicken, wie Darwins Evolutionsmechanismus aussieht. Der ist unglaublich elegant und einfach. Darwin nahm an, dass es in jeder Population Unterschiede gibt in Bezug auf Eigenschaften, die das Überleben beeinflussen. Stellen Sie sich eine Gazellenpopulation vor. Die können nicht alle gleich schnell laufen. Es gibt einige schnellere und einige langsamere. Da muss man annehmen, dass das schnell und langsam laufen können eine genetische Grundlage hat. Und jetzt nimmt Darwin an, dass dazu irgendein Selektionsfaktor kommen muss, der die eine Eigenschaft der Gazellen vor den anderen begünstigt. Und dann gibt es einfach einen Wettkampf. Die schlagen sich nicht, die sind freundlich zueinander, die Gazellen, aber sie laufen gelegentlich um die Wette. Und die, die aus genetischen Gründen etwas schneller läuft, die hat gewonnen, und zwar deswegen, weil hinter ihnen der Gepard läuft, und der hat Hunger. Und die, die langsamer läuft, die wird er zuerst bekommen und fressen. Und man sieht sehr leicht, dass auf diese Art und Weise die eine Mutation, die dieses eine Individuum hatte, wodurch es schneller laufen konnte, jetzt durch das bessere Überleben und die erhöhte Nachkommenzahl in viel mehr Kopien in die nächste Generation geht, als die Eigenschaft für schlecht laufen können. Die ist weg."

In einem Sozialstaat hängt der Reproduktionserfolg jedoch in erster Linie vom Reproduktionsinteresse ab (siehe oben), und das kann vollständig auf nichtgenetischen Faktoren beruhen. Davon gehen auch die moderne Demografie und unsere Familiepolitik aus: Menschen entscheiden sich für oder gegen Kinder vor allem aufgrund ihrer sozialen Situation. Hat z. B. eine gut ausgebildete Frau hohe Opportuntitätskosten für Kinder, dann wird sie sich mit viel höherer Wahrscheinlichkeit gegen mehrere eigene Kinder entscheiden, als eine gering ausgebildete, arbeitslose Frau, für deren Kinder der Staat die volle Versorgung sicherstellt.

Mit anderen Worten: In leistungsfähigen Sozialstaaten hängt der individuelle Reproduktionserfolg in erster Linie von nichtgenetischen Merkmalen ab, in der wilden Natur dagegen von genetischen. In Sozialstaaten ist deshalb auch nicht sichergestellt, dass Erfolgsgene (in Bezug auf die Fähigkeit, Ressourcen zu erlangen, gesund zu bleiben, alt zu werden etc.) in der nächsten Generation stärker vertreten sind. Das Prinzip der natürlichen Selektion ist dort ausgesetzt!

Diese Situation haben wir im Grunde bereits bei der sexuellen Selektion. Hier wählen die Weibchen bevorzugt Männchen, die ihnen besonders gut gefallen. Die Frage ist: Wie kann denn dann sichergestellt werden, dass sich die Population dennoch an ihren Lebensraum fortlaufend anpassen kann? Die Soziobiologie hat die Antwort darauf längst gegeben: Die Weibchen selektieren die Männchen anhand sog. Fitnessindikatoren (ehrlichen Signalen). Sie bevorzugen Männchen, von denen eine besonders gute Lebensraumtauglichkeit zu erwarten ist.

Das war früher auch in menschlichen Gesellschaften der Fall: Sozial erfolgreiche Männer (Machtposition, gutes Einkommen, Prestige, besonderes Können, sichere Stellung etc.) wurden von den Frauen bevorzugt. Sie verlangten also ehrliche Signale. Geoffrey F. Miller führt darauf sogar das Schenken von Brillianten zurück (Diamonds are a girl's best friend): Wer es sich leisten kann, etwas so Unnützes zu verschenken, muss ein wahrlich reicher (und damit fitter) Mann sein.

Die Insektensozialstaaten leisten sich einerseits ihre faulen männlichen Drohnen, um noch immer eine Auswahl von Erfolgsgenen zu ermöglichen. Deren einzige Funktion ist es, in einen Wettbewerb um die Fortpflanzung zu treten. Bei den Honigbienen erfolgt die Entscheidung, ob ein Tier zu einer Königin (per Gelée Royal) herangefüttert wird, anhand ehrlicher Signale. Es werden besonders leistungsfähige (genetisch gut angepasste) Exemplare bevorzugt.

Die Systemische Evolutionstheorie behauptet nun (dies folgt unmittelbar aus der Price-Gleichung, siehe: http://www.amazon.de/gp/forum/cd/discus ... XYT61GOBO0), dass ein Sozialstaat noch immer dann in der Lage ist, zu evolvieren, wenn das (nichtgenetische) Reproduktionsinteresse nicht negativ mit der teilweise auf genetischen Faktoren beruhenden Fitness korreliert. Fitness ist hier im Sinne typischer Fitnessindikatoren zu verstehen: Wer mehr Ressourcen zu erlangen im Stande ist, mehr Bildung erlangt hat, Prestige erlangen konnte, einen tollen Beruf hat, im Sozialstaat einen besonders hohen Status besitzt, etwas Ungewöhnliches kann etc., der ist in dem Sinne fitter als andere. Optimal ist die Situation sicherlich dann, wenn sich genetisch bedingte Kompetenzen im Sozialstaat frei entfalten können, und nicht durch Klassen-, Schicht-, Religions-, Rassen- oder was auch immer für Zugehörigkeiten blockiert werden. Je durchlässiger eine Gesellschaft in der Hinsicht ist, desto besser. Allerdings, und das ist die warnende Botschaft der Systemischen Evolutionstheorie, darf dies dann nicht dazu führen, dass mit dem sozialen Erfolg für beide Geschlechter das nicht genetisch bedingte Reproduktionsinteresse aus sozialen/ökonomischen Gründen sinkt. Dieser Zusammenhang lässt sich unmittelbar aus der Price-Gleichung herleiten (http://www.amazon.de/gp/forum/cd/discus ... XYT61GOBO0).

Erst mit der Systemischen Evolutionstheorie klärt sich also die aus darwinistischer Sicht völlig unterschiedliche Situation in der Natur bzw. in Sozialstaaten auf. Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: In der Natur hängt der individuelle Reproduktionserfolg - gemäß Darwinismus - in erster Linie von individuellen genetischen Merkmalen (-> Fitness) ab, in einem Sozialstaat dagegen von der nichtgenetischen sozialen Rolle und der sozialen Organisation des Staates (-> Reproduktionsinteresse).

Ein Sozialstaat könnte also die eigene Weiterentwicklung durch organisatorische Maßnahmen entscheidend steuern. Wissen die Soziologen und Politiker eigentlich, welche Verantwortung sie in der Hinsicht tragen? Und wie groß der Blindflug ist, wenn man die Zusammenhänge nicht kennt, die hier noch einmal zusammengefasst wurden? Wenn die Steuernden nicht einmal den Grund wissen, warum der Darwinismus an Sozialstaaten zwangsläufig scheitern muss? Wenn sie nicht wissen, in was sie mit ihren steuernden Maßnahmen eigentlich eingreifen?

Bei der natürlichen Selektion ist die Natur der "Züchter", bei der sexuellen Selektion sind es die Weibchen, und in Sozialstaaten regiert dann primär die soziale Selektion. Da spielt sozusagen der Sozialstaat den Züchter. Und das kann er in die eine oder andere Richtung tun, je nachdem fallen dann die Ergebnisse aus.

Die Systemische Evolutionstheorie beschreibt den groben Rahmen, wie Gesellschaften zu organisieren sind, damit sie vorhandene Kompetenzen bewahren (und damit evolvieren) können, damit also die Generationengerechtigkeit gewahrt bleiben kann.
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon jackle » Mi 11. Nov 2009, 04:09

smalonius hat geschrieben:Ein Wort zur Familiengröße:

Demographie

Der Trend zu kleinerer Familiengröße ist global bemerkbar. Die ganze Welt bewegt sich in die Richtung, in die wir uns bewegt haben.


Dann würde die Menschheit aussterben. Niedrigere Geburtenraten sind eine natürliche Reaktion auf niedrige Sterblichkeiten. Das nennt man den demografischen Übergang. Die niedrigen Geburtenraten des demografischen Wandels sind nicht biologisch - wie du es versuchst - sondern ökonomisch erklärbar.
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon jackle » Mi 11. Nov 2009, 04:20

El Schwalmo hat geschrieben: Er befasst sich vor allem mit 'Evolution', die nichts mit der Evolution zu tun hat, die in der Natur abläuft.


Die Systemische Evolutionstheorie versucht das abzudecken, was die Theorie der egoistischen Gene + Memetik abzudecken versuchen, allerdings mit einheitlichen Prinzipien. Da sich die Darwinsche Evolutionstheorie als Spezialfall aus der Systemischen Evolutionstheorie ableiten lässt (alle Individuen einer Population verhalten sich in gleicher Weise "genegoistisch"), braucht Mersch auch keine neuen Belege. Für menschliche Gesellschaften liefert die Evolutionstheorie des Menschen - die Demografie - die Resultate, auf die er sich beziehen kann. Das war bei Darwin nicht anders. Auch der bezog seine entscheidende Idee aus der Demografie (Malthus), die sich damals aber noch in den Anfängen befand. Mersch steht dagegen deren modernes Instrumentarium zur Verfügung.

El Schwalmo hat geschrieben:Wenn man von einem Schichtenmodell des Seins ausgeht, gibt es zwar durchreichende Gesetzmäßigkeiten (beispielsweise den Entropiesatz), aber jede Systemebene hat auch eigene Gesetzmäßigkeiten, die 'von unten' nicht erklärt werden können.


Evolution ist ein algorithmisches Problem. Es sollte möglich sein, alle Evolutionen aus den gleichen Prinzipien heraus zu erklären. Erst dann hat man die wirklichen Evolutionsprinzipien gefunden.

El Schwalmo hat geschrieben:(einmal ganz davon abgesehen, dass viele Lebewesen nicht sozial sind).


Das ist ein sonderbares Argument. Die Einsteinsche Relativitätstheorie liefert in etwa die gleichen Bewegungsgesetze wie Newton, wenn die Geschwindigkeiten niedrig sind. Man könnte nun sagen: Die meisten Objekte in unserem Umfeld bewegen sich mit niedriger Geschwindigkeit. Also braucht man Einstein nicht.
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 11. Nov 2009, 06:37

jackle hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Wenn man von einem Schichtenmodell des Seins ausgeht, gibt es zwar durchreichende Gesetzmäßigkeiten (beispielsweise den Entropiesatz), aber jede Systemebene hat auch eigene Gesetzmäßigkeiten, die 'von unten' nicht erklärt werden können.

Evolution ist ein algorithmisches Problem.

nein. Evolution läuft 'da draußen' ab. Wir können das algorithmisch modellieren.

jackle hat geschrieben:Es sollte möglich sein, alle Evolutionen aus den gleichen Prinzipien heraus zu erklären. Erst dann hat man die wirklichen Evolutionsprinzipien gefunden.

Diese Prinzipien sind dann aber so allgemein, dass sie über den Einzelfall nichts mehr aussagen können. Es dürfte beispielsweise sehr schwer sein, aus derartigen Prinzipien zu begründen, warum Frauen und nicht Männer Familienmanager werden sollten, wenn man die Gesellschaft entsprechend einrichtet.
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon Zappa » Mi 11. Nov 2009, 16:40

jackle hat geschrieben:Der Ausdruck 'Interesse' darf nicht missverstanden werden. Er wird in der Soziobiologie in einem sehr allgemeinen Sinn verwendet. ... Es geht um die tierischen und menschlichen Verhaltensweisen zugrundeliegenden Mechanismen, die stets ein Ergebnis der Evolution durch natürliche Auslese darstellen."


Schön das Du uns hier aufzeigst, wie sich der Begriff des Reproduktionsinteresses nach dieser Definition gleich selbst zerlegt. Und das Du dann keine Fakten folgen lässt ist dann natürlich nur konsequent.

Viel Spass noch bei Deinem Monolog über das interessenlose Interesse.
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon jackle » Mi 11. Nov 2009, 17:01

Zappa hat geschrieben:
jackle hat geschrieben:Der Ausdruck 'Interesse' darf nicht missverstanden werden. Er wird in der Soziobiologie in einem sehr allgemeinen Sinn verwendet. ... Es geht um die tierischen und menschlichen Verhaltensweisen zugrundeliegenden Mechanismen, die stets ein Ergebnis der Evolution durch natürliche Auslese darstellen."


Schön das Du uns hier aufzeigst, wie sich der Begriff des Reproduktionsinteresses nach dieser Definition gleich selbst zerlegt. Und das Du dann keine Fakten folgen lässt ist dann natürlich nur konsequent.

Viel Spass noch bei Deinem Monolog über das interessenlose Interesse.


Es tut mir leid, wenn ich dich überfordert haben sollte. Der Eingebildete kennt halt keinen Respekt. Da wird mal eben ein Begriff, der in den Büchern von Wuketits und Voland reichlich auftaucht, als sich selbst zerlegend bezeichnet. Könntest du mit dem Egoismus-Begriff dann gleich auch noch tun (siehe Wuketits).
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon Zappa » Mi 11. Nov 2009, 18:05

jackle hat geschrieben:Es tut mir leid, wenn ich dich überfordert haben sollte. Der Eingebildete kennt halt keinen Respekt.


Du hast mich sicher nicht überfordert, nur habe ich keine Lust auf einer bestimmten Ebene zu diskutieren. Bring endlich mal Fakten oder fasse Dich wenigstens kurz.

BTW: Wo finde ich hier die Ignorierfunktion?
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Re: Abschied vom Darwinismus

Beitragvon smalonius » Mi 11. Nov 2009, 18:51

jackle hat geschrieben:Nein, der Begriff stammt aus der Soziobiologie. Hier eine Erklärung von Franz Wuketits, "Was ist Soziobiologie?", S. 35f.:

"Aber ungeachtet dieser Unterschiede bleibt das Faktum, dass Lebewesen ausgesprochene Fortpflanzungsinteressen haben, die bloß auf sehr verschiedene Weise verfolgt werden. Der biologische Imperativ zur Fortpflanzung ist universell. Nur durch die Fortpflanzung wird sichergestellt, dass Individuen auch in der nächsten Generation genetisch repräsentiert sind. Ihre Fortpflanzungsinteressen bestimmen daher das (soziale) Verhalten von Tieren und Menschen in ganz erheblichem Maße.

Ob diese Fortpflanzungsinteressen die gleichen sind wie bei Mersch müßte man erst zeigen. In dem Absatz scheinen Fortpflanzung, Fortpflanzungsiteresse und weiter unten Reproduktion synonym gebraucht zu werden.


Es geht um die tierischen und menschlichen Verhaltensweisen zugrundeliegenden Mechanismen, die stets ein Ergebnis der Evolution durch natürliche Auslese darstellen.

Stets? Ist jede Eigenschaft adaptiv und durch die Auslese geschaffen? Ich dachte, das ist noch nicht raus.

jackle hat geschrieben:Nein, das ist nicht möglich. Der Begriff des Reproduktionsinteresses, wie er von Mersch verstanden wird, ist mit der Theorie der egoistischen Gene nicht vereinbar, da gemäß Dawkins alle Gene gleich egoistisch sind. Das macht auch die Hamilton-Regel erforderlich.

Ich bin grad auch nicht mit den egoistischen Genen vereinbar. :mg: Nichts gegen Dawkins, er ist ein guter Multiplizierer, er hat die Ergebnisse anderer Leute in klarer, allgemeinverständlicher Sprache dargestellt. Viel eigenes hat er nicht hinzugefügt. Doch! Meme!

jackle hat geschrieben:Nein, denn der Begriff Fitness über die Nachkommenschaft ist ein Trick der Populationsgenetiker, der für Evolutionstheoretiker nicht zu gebrauchen ist.

Du willst eine klare, leicht und unstrittig ermittelbare Größe wie Fitness über die Nachkommenschaft mit einem subjektiven, schwammigen und von jedem kritisierbarem Begriff wie: hat die Eigenschaft "tauglich auf dem Gebiet X" ersetzen?

Du hast eine Baum, der hat die Wachstumsrate 2/Jahr.
So. Jetzt kommst du und sagts: taugt nix. Der Baum hat in Wirklichkeit ein Wachstumsinteresse.
Deshalb schreiben wir ab heute:

Wachstumsrate 2/Jahr = Wachstumsinteressse 4/Jahr, Wachstumsvermögen 1/2 Jahr. Errm. Oder war es
Wachstumsrate 2/Jahr = Wachstumsinteressse 1/Jahr, Wachstumsvermögen 2 Jahr. Ermm.

Hast du dir schon eine Metrik dafür ausgedacht? Glaubst du, daß man Selektionsfaktoren bewerten kann? Wieviele Punkte bekomme ich für meine Adleraugen? Und was ziehst du ab, wenn ich Tomaten drauf habe? Zählt mein geleaster RollsRoyce auch? Und das ich mal einer alten Dame über die Straße geholfen habe?

Ne. Sowas eröffnet der Subjektivität alle Pforten.
jackle hat geschrieben:Anhänger der Darwinschen Evolutionstheorie sind die Eugeniker, weil die Darwinsche Evolutionstheorie rein auf Genen basiert. Die Systemische Evolutionstheorie hat sich jedoch von Genen gelöst. Dein Vorwurf trifft folglich nicht.

Du unterschätzt Darwin. Schau in den Price-Thread, zweiter Post, Zitat aus Descent of Man.
Bei der natürlichen Selektion ist die Natur der "Züchter", bei der sexuellen Selektion sind es die Weibchen, und in Sozialstaaten regiert dann primär die soziale Selektion. Da spielt sozusagen der Sozialstaat den Züchter. Und das kann er in die eine oder andere Richtung tun, je nachdem fallen dann die Ergebnisse aus.

Soziale Selektion. Die kannte ich noch nicht. Gefällt mir sogar. Als Begriff - nicht inhaltlich.
Aber eigentlich hast du Staatliche Selektion gemeint, oder?
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