Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon jackle » Fr 13. Nov 2009, 16:55

[Abgetrennt vom Thread Abschied vom Darwinismus.—Myron]

smalonius hat geschrieben: Wenn jemand auf einen Guru eingeschossen hat, dann ist es schwierig, Themen so zu behandeln, daß das Ergebnis nicht von vorneherein feststeht.


Dazu möchte ich einmal etwas Grundsätzliches sagen, weil es hat viel damit zu tun, wie wir in unserer Gesellschaft mit Menschen umgehen. Auch aus diesem Grund sehe ich für unsere Gesellschaft keine Überlebenschance.

Mersch hat mit „Evolution, Zivilisation und Verschwendung“ ein 460-seitiges wissenschaftliches Buch geschrieben (700 Einträge im Literaturverzeichnis), das 100% selbst finanziert ist, und in dem der Versuch gestartet wird, eine Evolutionstheorie aufzustellen, die sowohl die biologische Evolution, als auch die großen menschlichen Evolutionen (Kultur, Technik, Wissenschaften etc.) abdecken kann.

Zu diesem Buch gibt es auf Amazon, neben den zahlreichen positiven Rezensionen, aktuell nur 2 negative Rezensionen von „Feinden“, die sich nicht einmal ansatzweise darum bemühen, auf die Kernthesen des Buches einzugehen. Im Grunde also reinste Polemik.

Mersch hat auch versucht, eine Kurzfassung als wissenschaftliche Arbeit bei einer wiss. Zeitschrift einzureichen. Vor der Einreichung wurde sie von zwei befreundeten/mit ihm verwandten Hochschullehrern gelesen und leicht überarbeitet. Dennoch lehnte die Zeitschrift eine Veröffentlichung ab, da die beiden Gutachter einer Veröffentlichung nicht zugestimmt hätten und eine „Publikation weder in seinem noch im Interesse der Zeitschrift sein könne.“ (Unhöflichkeiten sind der Wissenschaften Zier) Ferner nannte man ihm drei Ablehnungsgründe, die sich alle auf zwei Anmerkungsseiten bezogen, auf denen Mersch z. B. die Resultate in den Zusammenhang zur Theorie der egoistischen Gene stellte. Gemäß Mersch hätte man die Seiten auch aus der Arbeit nehmen können. Mit keinem einzigen Satz ging man auf seine Systemische Evolutionstheorie ein, obwohl die Arbeit bereits diesen Titel trug. Man weigerte sich, ihm die anonymen Gutachten zuzuschicken.

Das war auch notwendig, denn kurze Zeit später stellte sich heraus, dass Prof. Gerhard Vollmer einer der beiden Gutachter war. Der hatte die Veröffentlichung jedoch ausdrücklich empfohlen. Auf Anfrage sandte er ihm sein Gutachten zu. In der Tat: es war positiv.

Mersch hat dann versucht, mit anderen Wissenschaftlern in Kontakt zu treten. Auf die kostenfrei zugesendeten Exemplare ist bis heute nur ein einziger kurzer (wohlwollender) Kommentar zurückgekommen. Alle anderen haben das Buch wohl ignoriert.

Bei Eckart Voland fragte er telefonisch (persönlich) an, ob er im Rahmen des Darwin-Jahrs einmal nach Gießen kommen könne, um ihm seine Theorie vorzustellen. Dies wurde abgelehnt.

Schließlich hat er seine Arbeit auf zwei Tagungen/Symposien vorgestellt. Auch dort wieder: Kein Einwand. Aus einer der beiden Tagungen soll aktuell ein Tagungsband entstehen. Mersch ist einer der drei Herausgeber.

MSS erwähnt Merschs Evolutionsbuch in „Jenseits von Gut und Böse“ immerhin in einer Fußnote („Das hier vorgeschlagene Konzept bildet gewissermaßen eine Synthese des genzentrischen Ansatzes der Soziobiologie und des Ansatzes der Systemischen Evolutionstheorie von Peter Mersch …“). Inhaltlich würde ich das zwar anders sehen, aber immerhin.

Auf Amazon postet Mersch unentwegt Erläuterungen und ergänzende Folgerungen aus seiner Theorie. Jeder Interessierte könnte sich im Grunde an der Diskussion beteiligen, könnte sich über die Inhalte seiner Theorie kundig machen, ohne das Buch kaufen zu müssen.

Wir haben es hier also mit einer Theorie zu tun, die bislang nur aus einem einzigen Grund „unwissenschaftlich“ bleibt: Niemand ist bereit, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Keiner sagt: „Hallo Herr Mersch, Ihre Theorie ist aus diesem oder jenem Grund nicht haltbar.“, sondern die Haltung ist in etwa die: „Ich setze mich mit der Theorie nicht auseinander (selbst wenn man sie mir vor die Nase knallt), weil der Verfasser unwichtig ist.“ Es geht also primär um fehlenden menschlichen Respekt. Bzw. um die Einteilung der Menschheit in wichtige und unwichtige Menschen.

Mersch kommentierte dies auf Amazon einmal in etwa wie folgt: „Wenn ein Außenseiter ein Gerät entwickeln würde, mit dem erstmals Gravitationswellen gemessen werden könnten, und er damit einen dunklen, schweren Meteoriten feststellen könnte, der in ca. 50 Jahren auf die Erde einschlägt, dann würde dieser Himmelskörper einschlagen, weil alle Menschen vorher nur damit beschäftigt waren, die Ergebnisse des Außenseiters mit dubiosen Argumenten abzuwimmeln.“

Exakt so sieht das auch hier im Forum aus. Es kommen überhaupt keine Verständnisfragen oder direkte Fragen zur Systemischen Evolutionstheorie. Das einzige was kommt, sind Beiträge, die von vornherein (ungeprüft) davon ausgehen, dass dies nur Blödsinn sein kann. Frei nach dem Motto: Das ist Quatsch, denn wir haben das schon immer anders gemacht.

Ich finde es richtig, wenn Banker die Finanzen dieses Landes plündern oder Unternehmen Massenentlassungen aussprechen, um im Ausland billiger zu produzieren. Denn sie unterscheiden sich doch damit in Nichts von allen anderen Bürgern. Heute sind quasi alle respektlos und menschenverachtend. Alle sind nur noch damit beschäftigt, anderes platt zu machen. Das Hauptanliegen des deutschen Bürgers ist die Destruktion. Und damit fühlt man sich dann auch noch intellektuell.

Wozu gibt es dieses Forum Wissenschaften hier? Was macht das für einen Sinn? Wenn morgen dort jemand behaupten würde, es gäbe da eine neue Theorie, die im Widerspruch zur Einsteinschen Relativitätstheorie steht, dann würde ich darum bitten, diese doch näher zu erläutern, wobei ich allerdings nicht garantieren könnte, der Argumentation auch folgen zu können. Doch genau das passiert nicht. Mersch argumentiert einfach, genauso einfach wie etwa Richard Dawkins im egoistischen Gen. Doch während man Dawkins jeden Bullshit abnimmt (selbst die Memetik), schlägt man bei Außenseitern (als guter Deutscher ist man autoritätsfixiert) umso erbarmungsloser zu. Nach oben bücken, nach unten treten, auch in diesem Forum wieder mal. Das ist erbärmlich.
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon jackle » Fr 13. Nov 2009, 20:09

Was haben wir durch die Abtrennung gewonnen? Nichts. Denn die Systemische Evolutionstheorie wurde bislang nur in einem einzigen Thread diskutiert, nämlich in dem "Abschied vom Darwinismus-Thread". Nun wurde der also geschlossen und neu benannt. Wozu?

In allen anderen Threads, an denen ich mich beteilige, geht es um ganz andere Themen, z. B. Bildung, Familiensituation, das Ende des Mannes etc.

Rätselhaft das....
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon Atanar » Fr 13. Nov 2009, 20:56

Dann hab ich was für dich:
Wie kommt man darauf das das Reproduktionsinteresse von der Fitness losgelöst sein sollte? Für mich ist dieser Gedankengang zweifelhaft, da Verhaltensweisen ja nicht "ausgesucht" werden, ich halte die "Memetik" für wahrscheinlicher.
Am meisten stört mich, das er bei seiner Kritik am "Egoistischen Gen" einfach behauptet das Dawkins Theorie falsch sein, mit der Begründung, das es in der Soziologie ein anderes Modell gebe.
Vor allem glaubt er die Darwinistische Evolutionstheorie gerade am Beispiel des Menschen korrigieren zu wollen, wobei es ja völlig klar sein muss, das die Evolution längst nicht mehr auf den Menschen zutrifft, da dieser Lösungen für die Verknappung gefunden hat. :kopfwand:
Es tut mir Leid das sagen zu müssen, aber meiner Meinung nach bringt er einfach keine stichhaltigen Beweise für seine Aussagen, auch wenn sein Gedankengang interessant ist.
Zuletzt geändert von Atanar am Fr 13. Nov 2009, 21:09, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon jackle » Fr 13. Nov 2009, 21:05

Atanar hat geschrieben:Dann hab ich was für dich:
Wie kommt man darauf das das Reproduktionsinteresse von der Fitness losgelöst sein sollte? Für mich ist dieser Gedankengang zweifelhaft, da Verhaltensweisen ja nicht "ausgesucht" werden, ich halte die "mem-Theorie" für wahrscheinlicher.


Ich habe gerade nicht viel Zeit, da die Antwort nicht ganz einfach ist. Ich schreibe vermutlich morgen. Dennoch schon mal vielen Dank für diese ernsthafte (und in der Tat sehr entscheidende) Frage.
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon pluto » Sa 14. Nov 2009, 01:03

Ich beteilige mich an solchen Diskussionen nicht weil Herr Mersch sich nicht die Mühe macht sich der wissenschaftlichen Vorgehensweise zu unterziehen.
Sein Buch halte ich für keine geeignete Quelle - weil ohne Basis. Die Basis wären z.B. Veröffentlichungen in
peer-reviewten Fachzeitschriften Ich hab gesucht - aber nicht gefunden. Ich bin gerne bereit zu ein solches paper zu lesen - falls es also besteht: wo?

Hier einige Tipps zum Einschätzen wissenschaftlicher Diskussionen, der meiner Ansicht nach, nicht nur für die Squalen-Debatte taugt:
wer hat recht und wie kann ich das beurteilen
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon jackle » Sa 14. Nov 2009, 02:23

Atanar hat geschrieben:Wie kommt man darauf das das Reproduktionsinteresse von der Fitness losgelöst sein sollte? Für mich ist dieser Gedankengang zweifelhaft, da Verhaltensweisen ja nicht "ausgesucht" werden,


Gemäß der Systemischen Evolutionstheorie braucht es für eine Handlung
a) einen Impuls, die Handlung auszuführen und
b) die Fähigkeit, die Handlung auszuführen.

a) gilt in diesem Zusammenhang als Interesse, b) als Fitness.

Beispiel:
Die Personen A und B können Klavier spielen. A hat spät angefangen und ist ziemlicher Anfänger, setzt sich aber jede freie Minute an das Piano. B lernte als Kind Piano, kann die Beethoven-Sonaten fast perfekt spielen, setzt sich aber nur noch am Wochenende für 2 Stunden ans Klavier. Dann hat A das höhere Klavierspielinteresse, aber die geringere Klavierspielfitness als B.

Ganz ähnlich sieht das in Bezug auf die Reproduktion aus. Im Grunde wird der Impuls (d. h. a) bei den meisten Lebewesen durch eine Homöostasefunktion ausgelöst. Irgendwann ist ein Schwellwert überschritten, und dann erfolgt der Impuls zur Fortpflanzung. Seit der freie Wille des Menschen bestritten wird, könnte man sagen, dass auch die angeblich bewussten menschlichen Entscheidungen nur eine komplexere Variante solcher Homöostasefunktionen sind. Man könnte MSS (Jenseits von Gut und Böse), Wuketits (Der freie Wille. Die Evolution einer Illusion) und andere dementsprechend interpretieren.

Allerdings sollte man wissen, dass die Systemische Evolutionstheorie den Begriff Reproduktion sehr weit fasst. Es geht nämlich hierbei generell um die Reproduktion von Kompetenzen, die nicht nur in den Genen, sondern in Gehirnen, Datenbanken, Büchern etc. gespeichert sein können. Wenn ein Mensch ein wissenschaftliches Buch schreibt oder Kinder unterrichtet, dann hat er in dem Sinne auch ein Reproduktionsinteresse, was sich aber auf nichtgenetische Kompetenzen bezieht. Die Systemische Evolutionstheorie löst sich folglich von der engen Gen-Beschränkung. Für sie geht es nur um Information.

Ferner kann man den Begriff Reproduktionsinteresse auch auf Superorganismen anwenden. Man betrachte zwei Unternehmen A und B. Wenn A viel erfolgreicher am Markt ist, die höheren Gewinne erzielt, den höheren Börsenwert hat etc., dann ist es gemäß Systemischer Evolutionstheorie auf dem Markt (dem Lebensraum) fitter als B. Wenn aber A alle Gewinne für die Dividende verwendet und nichts investiert, B dagegen den gesamten Gewinn fast ausschließlich in die Forschung & Entwicklung (= Reproduktion) steckt, dann hat B das höhere Reproduktionsinteresse. Auch hier sieht man: Fitness und Reproduktionsinteresse sind zwei unterschiedliche Dinge. Fitness ist sozusagen die Anpassung, das Reproduktionsinteresse steht dagegen für das Bestreben, die Anpassung zu erhalten. Erst mit einem Reproduktionsinteresse werden Individuen zu Lebewesen.

Das war übrigens ein Hauptproblem bisheriger Evolutionstheorien. Diese versuchten u.a. die Evolution nichtbiologischer Entitäten (z. B. wissenschaftlicher Hypothesen) zu beschreiben. Gemäß der Systemischen Evolutionstheorie können dagegen nur Populationen, deren Individuen Reproduktionsinteressen besitzen (also quasi lebendig sind) eigendynamisch evolvieren.

Nun ist aber bei Sozialstaaten das folgende Problem aufgetreten: In solchen Gebilden arbeiten alle für den Selbsterhalt aller. Hierdurch verliert die individuelle Fitness an Bedeutung. Richard Dawkins beschreibt das für menschliche Wohlfahrtsstaaten so (Das egoistische Gen, S. 309f.):
"Nun ist, was den modernen, zivilisierten Menschen betrifft, folgendes geschehen: Die Größe der Familie ist nicht mehr durch die begrenzten Mittel beschränkt, die die einzelnen Eltern aufbringen können. Wenn ein Mann und seine Frau mehr Kinder haben, als sie ernähren können, so greift einfach der Staat ein, das heißt der Rest der Bevölkerung, und hält die überzähligen Kinder am Leben und bei Gesundheit. Es gibt in der Tat nichts, was ein Ehepaar, welches keinerlei materielle Mittel besitzt, daran hindern könnte, so viele Kinder zu haben und aufzuziehen, wie die Frau physisch verkraften kann. Aber der Wohlfahrtsstaat ist eine sehr unnatürliche Sache. In der Natur haben Eltern, die mehr Kinder bekommen, als sie versorgen können, nicht viele Enkel, und ihre Gene werden nicht an zukünftige Generationen vererbt. (...) Doch man kann keinen unnatürlichen Wohlfahrtsstaat haben, wenn man nicht auch unnatürliche Geburtenkontrolle hat, andernfalls wird das Endergebnis noch größeres Elend sein, als es in der Natur vorherrscht. Der Wohlfahrtsstaat ist vielleicht das größte altruistische System, das das Tierreich je gekannt hat. Aber jedes altruistische System ist von Natur aus instabil, weil es dem Missbrauch durch egoistische Individuen offensteht. Die einzelnen Menschen, die mehr Kinder bekommen, als sie versorgen können, sind in den meisten Fällen wahrscheinlich zu unwissend, als dass man sie böswiller Ausnutzung beschuldigen könnte. Mächtige Institutionen und führende Persönlichkeiten, die sie bewusst dazu ermutigen, scheinen mir von diesem Verdacht weniger frei zu sein."

Übersetzt heißt das: Der Reproduktionserfolg ist in solchen Sozialstaaten einzig eine Folge des Kinderwunsches (des Reproduktionsinteresses), und nicht mehr der Fitness. Jeder kann im Grunde so viele Kinder haben, wie er haben möchte.

Die Demografie hat durch die ökonomische Theorie der Fertilität noch mehr Licht ins Dunkeln gebracht: Der Kinderwunsch fällt häufig durch eine ökonomische Abwägung, bei der die Opportunitätskosten von Kindern eine entscheidende Rolle spielen. Der Kinderwunsch (das Reproduktionsinteresse) wird also maßgeblich durch die soziale Rolle (z. B. das berufliche Engagement), und kaum noch durch die individuelle genetische Fitness bestimmt.

Das stellt einen Widerspruch zu Grundannahmen der Darwinschen Evolutionstheorie dar. Und: Dieser Widerspruch besteht nicht nur in modernen menschlichen Sozialstaaten, sondern auch in einigen Insektensozialstaaten (z. B. Honigbienen).

Schließlich: Über das Reproduktionsinteresse lässt sich den Individuen eines Sozialstaates unmittelbar Altruismus zuweisen. Ein Individuum mit einem niedrigen Reproduktionsinteresse verhält sich in dem Sinne altruistisch, eins mit einem hohen Reproduktionsinteresse dagegen egoistisch. Die Systemische Evolutionstheorie besitzt folglich eine integrierte soziale Komponente. Sie ist Sozialstaat-tauglich, die Theorie der egoistischen Gene dagegen nicht. Diese nimmt nämlich an, dass alle Gene und damit ihre Überlebensmaschinen gleichermaßen egoistisch sind. Folglich muss sie soziales Verhalten als gen-egoistisches Verhalten interpretieren. Die Systemische Evolutionstheorie hält dies für viel zu limitierend. Sie lässt zu, dass sich Individuen originär altruistisch verhalten, z. B. als Teil ihrer sozialen Rolle. Dieser Altruismus muss nicht einmal auf genetischen Merkmalen beruhen. All das ist mit Darwin und Dawkins nicht vereinbar.

Atanar hat geschrieben:ich halte die "Memetik" für wahrscheinlicher.

Ich halte die Memetik für Unsinn. Sie ist mit einem naturalistischen Weltbild nicht vereinbar.
Bunge+Mahner („Über die Natur der Dinge“) schreiben dazu:

S. 115: "Die begriffliche Existenz, die wir logischen, mathematischen, mythischen oder anderen Objekten zuschreiben, besteht in ihrer Möglichkeit, von lebenden Wesen gedacht zu werden."

S. 125: "Da Ideen im Gegensatz zu Organismen weder lebendig sind noch eine eigenständige Existenz haben, sind sie weder selbstreplizierend noch evolutionsfähig."

S. 126: "Ein jüngster metaphorischer Ansatz schließlich ist die Theorie der Meme: die Memetik (...). Dabei ist das Wort 'Mem' lediglich ein überflüssiges Synonym für 'Idee' (...). In Analogie zu Genen werden Ideen (Meme) als selbstreplizierende Entitäten aufgefasst, die Gehirne gleichsam als geistige Viren parasitieren und so weitergegeben werden. Die Anhänger der Memetik versprechen sich von ihrem Ansatz eine selektionstheoretische Erklärung der Weitergabe und Ausbreitung von Ideen. Die Memetik ist jedoch zum einen konzeptuell so unklar, dass sie an Sinnlosigkeit grenzt, zum anderen ignoriert sie praktisch die gesamte psychologische und sozialwissenschaftliche Forschung zur menschlichen Kommunikation (...). Idealistische Fantasien werden nicht dadurch akzeptabler, dass sie in evolutionsbiologischem Gewande daherkommen."

Selbstständig evolvierende Ideen sind mit den Gesetzen der Physik unvereinbar. Auch weisen andere Autoren (z.B. Richersen/Boyd) darauf hin, dass sich etwa neue Melodien dadurch entstehen, dass Komponisten Melodien komponieren. Dies ist exakt die Sichtweise der Systemischen Evolutionstheorie: Komponisten komponieren Melodien aus den gleichen Gründen, aus denen Nachtigallen neue Melodien ausprobieren. Sie haben ein Reproduktionsinteresse (oder Selbsterhaltungsinteresse) und wollen gefallen (siehe Gefallen-wollen-Kommunikation der Systemischen Evolutionstheorie).
Atanar hat geschrieben:Am meisten stört mich, das er bei seiner Kritik am "Egoistischen Gen" einfach behauptet das Dawkins Theorie falsch sein, mit der Begründung, das es in der Soziologie ein anderes Modell gebe.
Vor allem glaubt er die Darwinistische Evolutionstheorie gerade am Beispiel des Menschen korrigieren zu wollen, wobei es ja völlig klar sein muss, das die Evolution längst nicht mehr auf den Menschen zutrifft, da dieser Lösungen für die Verknappung gefunden hat. :kopfwand:
Es tut mir Leid das sagen zu müssen, aber meiner Meinung nach bringt er einfach keine stichhaltigen Beweise für seine Aussagen, auch wenn sein Gedankengang interessant ist.


Die Theorie der egoistischen Gene behauptet, dass sie allgemein gültig ist. Sie behauptet, das Leben (die Welt) generell erklären zu können. Sie beruht auf der Verwandtenselektion, einem ökonomischen Gen-Konzept. Die Verwandtenselektion versucht z. B. die Organisationsweise von Insektensozialstaaten zu erklären. Das scheitert aber bereits bei den Honigbienen (Voland: „Grundriss der Soziobiologie“, 2. Auflage, 2000, S. 76). Die „soziologische“ Erklärung der Systemischen Evolutionstheorie ist dagegen verblüffend einfach:

In einem Bienenstaat werden alle Aufgaben von den Weibchen (Königinnen, Arbeiterinnen) erledigt. Die männlichen Drohnen dienen nur der Fortpflanzung. Es gibt sie bei der westlichen Honigbiene ohnehin nur von April bis Juni. Deshalb denken wir sie uns einfachheitshalber weg. Ein Bienenstaat ist also weiblich. Stellen wir uns jetzt vor, die Königinnen verlangten Gleichberechtigung, und zwar exakt so wie in menschlichen Gesellschaften: sie wollten ebenfalls von Blüte zu Blüte durch die wunderschöne Natur fliegen und köstlichen Nektar und Blütenpollen sammeln, d.h. eine Arbeiterin und nicht länger die 'Queen' von jemand anderem sein. Jede Biene sollte ihre eigenen Eier legen dürfen, und zwar so viele, wie sie haben möchte. Man überlegte sich, wie man dafür die Vereinbarkeit von Nektarsammeln und Eierlegen verbessern könnte.

Einfache Frage: Könnte dieses Modell funktionieren?
Die Antwort der Systemischen Evolutionstheorie ist: Der Insektensozialstaat würde dann an den Opportunitätskosten für Nachkommen zugrunde gehen. Denn es würden diejenigen die meisten Nachkommen haben können, die die wenigste soziale Arbeit leisten. Altruistisches Verhalten hätte auf Dauer keine Chance mehr, und der Sozialstaat löste sich auf.


Mit anderen Worten: Die Arbeitsteilung zwischen Arbeiterinnen und Königinnen ist eine organisatorische Notwendigkeit. Dabei sind jedoch unterschiedliche Varianten denkbar: 1 Königin und viele Arbeiterinnen, mehrere Königinnen, die Königinnen paaren sich mit einem Männchen, die Königinnen paaren sich mit vielen Männchen. Entscheidend ist einzig die strikte Arbeitsteilung zwischen Arbeiterinnen und Königinnen. Die Verwandtschaftsverhältnisse sind dagegen egal.

Für den Menschen gilt die Theorie der egoistischen Gene sowieso nicht. Indirekt gibt dies Dawkins auch zu, in dem er behauptet, der Mensch und nur der Mensch könne sich dem Diktat seiner egoistischen Gene entziehen. Warum gesteht man nicht auch anderen Wissenschaftlern zu, sich so beliebig und vor allem unbelegt zu äußern?

Dein Satz “dass die Evolution längst nicht mehr auf den Menschen zutrifft, da dieser Lösungen für die Verknappung gefunden hat“ verstehe ich leider überhaupt nicht. Wie kann die Evolution nicht mehr für den Menschen zutreffen? Das wäre ein Wunder. Und was hat das mit Verknappung zu tun.
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon jackle » Sa 14. Nov 2009, 02:28

pluto hat geschrieben:Ich beteilige mich an solchen Diskussionen nicht weil Herr Mersch sich nicht die Mühe macht sich der wissenschaftlichen Vorgehensweise zu unterziehen.
Sein Buch halte ich für keine geeignete Quelle - weil ohne Basis. Die Basis wären z.B. Veröffentlichungen in
peer-reviewten Fachzeitschriften Ich hab gesucht - aber nicht gefunden. Ich bin gerne bereit zu ein solches paper zu lesen - falls es also besteht: wo?


Schicken Sie Herrn Mersch doch einfach ein email. Der sendet Ihnen garantiert das Paper zu, das demnächst in einem Tagungsband erscheinen soll, und das in einer älteren Variante bereits von Gerhard Vollmer gutgeheißen worden war. Das hat er anderen in den Amazon-Foren auch schon angeboten.

Was Sie mit dem Satz "weil Herr Mersch sich nicht die Mühe macht sich der wissenschaftlichen Vorgehensweise zu unterziehen" meinen, weiß ich leider nicht. Haben Sie denn den Eingangsbeitrag zu diesem Thread nicht gelesen? Darin erkläre ich doch im Detail, dass er das wirklich regelrecht verzweifelt versucht hat, er aber auf Seiten der Wissenschaften auf Ignoranz gestoßen ist, die aber auch allgemein bekannt ist (siehe z.B. den Thread zur Price-Gleichung, den smalonius eröffnet hat). Jedes moderne Unternehmen verhält sich heute humaner und höflicher, als die Wissenschaften. Dort scheint man nicht einmal mehr zu wissen, dass die Verfasser wissenschaftlicher Arbeiten Menschen sind.

Mersch hat dazu eine sehr ketzerische Äußerung gemacht:
Eine Theorie ist dann gültig, wenn entweder
a) alle Falsifikationsversuche der Wissenschaften scheitern, oder
b) die Wissenschaften erst gar keine Falsifikationsversuche starten. Letzteres spricht dafür, dass man eine Falsifikation für wenig aussichtsreich hält. Die Systemische Evolutionstheorie ist folglich gültig.

Seinen Humor hat er scheinbar noch behalten, trotz der ihm entgegengebrachten geballten Ignoranz.
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon platon » Sa 14. Nov 2009, 11:37

jackle hat geschrieben:Haben Sie denn den Eingangsbeitrag zu diesem Thread nicht gelesen? Darin erkläre ich doch im Detail, dass er das wirklich regelrecht verzweifelt versucht hat, er aber auf Seiten der Wissenschaften auf Ignoranz gestoßen ist, die aber auch allgemein bekannt ist der ihm entgegengebrachten geballten Ignoranz.

Angesichts des unglaublichen Schrotts, der - trotz peer reviewing - in der wissenschaftlichen Literatur zu finden ist, ist es schon sehr!!! merkwürdig, dass Herr Mersch, der einzige Wissenschaftler(?) ist, der kein Journal findet, das seine Beiträge publikationswürdig findet.
Das erinnert mich in fataler Weise an den Witz mit dem geisterfahrenden Ehepaar ...
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon jackle » Sa 14. Nov 2009, 12:59

platon hat geschrieben: Das erinnert mich in fataler Weise an den Witz mit dem geisterfahrenden Ehepaar ...


Ja, von diesen Geisterfahrern sind hier viele unterwegs, ich erinnere an deine mit El Schwalmo geführte Diskussion über die Beweisbarkeit in den Wissenschaften. Ha ha. Und da deine Respektlosigkeiten in Verbindung mit Geisterfahrertum nicht aufhören, bist du nun auch für alle Zeiten auf meiner Ignor-Liste gelandet.
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Sa 14. Nov 2009, 13:14

platon hat geschrieben:Das erinnert mich in fataler Weise an den Witz mit dem geisterfahrenden Ehepaar ...
Liest du meine persönlichen Nachrichten an "jackle"? :erschreckt:
Nunja, da haben wir beide wohl doch mal einen identischen Gedanken gehabt. :mg:
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon jackle » Sa 14. Nov 2009, 13:52

1von6,5Milliarden hat geschrieben: Liest du meine persönlichen Nachrichten an "jackle"? :erschreckt:


Vielleicht ist es die gleiche Person. Soll vorkommen.

Ansonsten erinnere ich an die grandiosen Beiträge platons wie dieser hier:

platon hat geschrieben:
jackle hat geschrieben:Sehr überzeugend wird sie von Bunge+Mahner widerlegt.

Das wird sie natürlich nicht. Die Herrschaften sind anderer Meinung als Dawkins, das ist ihr gutes Recht. Aber deswegen haben sie Dawkins nicht widerlegt. Kennst Du den Unterschied zwischen einer Behauptung und einem Beweis? An letztem mangelt es den beiden nämlich ebenso wie Dawkins.


Wenn man es für wissenschaftlich hält, noch nicht einmal den Unterschied zwischen Behauptung, Falsifikation und Beweis und auch nicht die Limitationen in den Wissenschaften bzgl. Letzterem zu kennen: na dann...

Manchmal denke ich, hier diskutieren Studenten, die sich allein schon deshalb für wahnsinnig schlau und wissenschaftlich halten, weil sie ein Studienfach belegt haben.
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Sa 14. Nov 2009, 14:31

jackle hat geschrieben:Vielleicht ist es die gleiche Person. Soll vorkommen.
Manchmal sogar die selbe, nicht wahr?

jackle hat geschrieben:Ansonsten erinnere ich an die grandiosen Beiträge platons wie dieser hier
Wie grandios jemand anderes ist oder sich temporär zeigt, hat nichts damit zu tun, wie grandios oder eher nicht grandios eine andere Person ist. Nur die Relation würde sich eventuell ändern.

jackle hat geschrieben:Manchmal denke ich, hier diskutieren Studenten, die sich allein schon deshalb für wahnsinnig schlau und wissenschaftlich halten, weil sie ein Studienfach belegt haben.
Dies mag sein, ist ein Vorrecht der Jugend und war zu deiner Studentenzeit von dir aus sicherlich auch nicht anders. Aber du hältst das Zeug was du hier vertrittst ja heute noch für wissenschaftlich und sogar für fundiert.
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon Zappa » Sa 14. Nov 2009, 15:04

1von6,5Milliarden hat geschrieben: ... zu deiner Studentenzeit ...


jackle hat studiert? Ein Argument mehr für Studiengebühren, horrende! :mg:
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon jackle » Sa 14. Nov 2009, 16:57

1von6,5Milliarden hat geschrieben: Aber du hältst das Zeug was du hier vertrittst ja heute noch für wissenschaftlich und sogar für fundiert.


Ich erinnere an meine Signatur.
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon platon » Sa 14. Nov 2009, 20:52

Mersch, wisch Dir den Schaum vom Mund.
Ich weiß, dass Du hunderte von Geisterfahrern um Dich herum siehst.
Du bist der einzige Normale in dieser Welt von Irren.
Nur gut, dass sie Dich mit einer Gummizelle vor uns schützen. Findest Du nicht auch?
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon Atanar » Sa 14. Nov 2009, 22:33

jackle hat geschrieben: In einem Bienenstaat werden alle Aufgaben von den Weibchen (Königinnen, Arbeiterinnen) erledigt. Die männlichen Drohnen dienen nur der Fortpflanzung. Es gibt sie bei der westlichen Honigbiene ohnehin nur von April bis Juni. Deshalb denken wir sie uns einfachheitshalber weg. Ein Bienenstaat ist also weiblich. Stellen wir uns jetzt vor, die Königinnen verlangten Gleichberechtigung, und zwar exakt so wie in menschlichen Gesellschaften: sie wollten ebenfalls von Blüte zu Blüte durch die wunderschöne Natur fliegen und köstlichen Nektar und Blütenpollen sammeln, d.h. eine Arbeiterin und nicht länger die 'Queen' von jemand anderem sein. Jede Biene sollte ihre eigenen Eier legen dürfen, und zwar so viele, wie sie haben möchte. Man überlegte sich, wie man dafür die Vereinbarkeit von Nektarsammeln und Eierlegen verbessern könnte.

Einfache Frage: Könnte dieses Modell funktionieren?
Die Antwort der Systemischen Evolutionstheorie ist: Der Insektensozialstaat würde dann an den Opportunitätskosten für Nachkommen zugrunde gehen. Denn es würden diejenigen die meisten Nachkommen haben können, die die wenigste soziale Arbeit leisten. Altruistisches Verhalten hätte auf Dauer keine Chance mehr, und der Sozialstaat löste sich auf.

Das hört sich für mich sehr stark danach an, als ob du Bienen unterstellen wolltest, dass sie sich aussuchen in welchem System sie leben...
Gerade dieses Beispiel grenzt für mich an extremen Unsinn, da die Erklärung, dass dieses Verhalten in Genen vererbt wird, doch wesentlich eleganter ist.
Ich sehe bei Mersch NIRGENDWO Belege für seine Behauptungen, immer nur einzelne, völlig abstrakte Beispiele.
Außerdem habe ich nicht gesagt das ich die Mem-Theorie für besonders gut halte...

jackle hat geschrieben:Die Theorie der egoistischen Gene behauptet, dass sie allgemein gültig ist. Sie behauptet, das Leben (die Welt) generell erklären zu können.

Das ist mir echt neu, wo steht das? So weit ich weiß bezieht sie sich eigentlich auf die Evolution der Lebewesen, die heute existieren.

Und an den Ganzen Rest: Jackle hat schon Recht, das sowas auch dikutiert werden kann, auch wenn dieser Mersch keine bedeutenden Publikationen herausgebracht hat oder sonstwas. Auch ich habe nich nie was Publiziert und schon Themen gestartet. Jackle allerdings sollte sich angewöhnen zu zitieren, denn einfach Texte zu Posten, die er offensichtlich von irgendwo anders her gepostet hast, beantwortet meine Fragen nicht.
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon El Schwalmo » Sa 14. Nov 2009, 23:29

jackle hat geschrieben:Eine Theorie ist dann gültig, wenn entweder
a) alle Falsifikationsversuche der Wissenschaften scheitern, oder
b) die Wissenschaften erst gar keine Falsifikationsversuche starten. Letzteres spricht dafür, dass man eine Falsifikation für wenig aussichtsreich hält. Die Systemische Evolutionstheorie ist folglich gültig.

Seinen Humor hat er scheinbar noch behalten, trotz der ihm entgegengebrachten geballten Ignoranz.

ich hatte schon gefürchtet, Mersch meinte das ernst. Auf seine Theorie dürfte aber c) zutreffen: Niemand macht sich die Mühe, etwas zu falsifizieren zu versuchen, das uninteressant ist, selbst wenn der Autor die Welt retten möchte.
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon jackle » Sa 14. Nov 2009, 23:48

Atanar hat geschrieben:
jackle hat geschrieben: In einem Bienenstaat werden alle Aufgaben von den Weibchen (Königinnen, Arbeiterinnen) erledigt. Die männlichen Drohnen dienen nur der Fortpflanzung. Es gibt sie bei der westlichen Honigbiene ohnehin nur von April bis Juni. Deshalb denken wir sie uns einfachheitshalber weg. Ein Bienenstaat ist also weiblich. Stellen wir uns jetzt vor, die Königinnen verlangten Gleichberechtigung, und zwar exakt so wie in menschlichen Gesellschaften: sie wollten ebenfalls von Blüte zu Blüte durch die wunderschöne Natur fliegen und köstlichen Nektar und Blütenpollen sammeln, d.h. eine Arbeiterin und nicht länger die 'Queen' von jemand anderem sein. Jede Biene sollte ihre eigenen Eier legen dürfen, und zwar so viele, wie sie haben möchte. Man überlegte sich, wie man dafür die Vereinbarkeit von Nektarsammeln und Eierlegen verbessern könnte.

Einfache Frage: Könnte dieses Modell funktionieren?
Die Antwort der Systemischen Evolutionstheorie ist: Der Insektensozialstaat würde dann an den Opportunitätskosten für Nachkommen zugrunde gehen. Denn es würden diejenigen die meisten Nachkommen haben können, die die wenigste soziale Arbeit leisten. Altruistisches Verhalten hätte auf Dauer keine Chance mehr, und der Sozialstaat löste sich auf.

Das hört sich für mich sehr stark danach an, als ob du Bienen unterstellen wolltest, dass sie sich aussuchen in welchem System sie leben...
Gerade dieses Beispiel grenzt für mich an extremen Unsinn, da die Erklärung, dass dieses Verhalten in Genen vererbt wird, doch wesentlich eleganter ist.
Ich sehe bei Mersch NIRGENDWO Belege für seine Behauptungen, immer nur einzelne, völlig abstrakte Beispiele.


Mersch ist Systemtheoretiker, und entsprechend abstrakt argumentiert er. Im Übrigen geht er in seinem Beispiel sehr wohl davon aus, dass das egoistische (viele Nachkommen) und altruistische Vehalten (wenige Nachkommen) vererbt wird. Es setzen sich dann immer mehr die Egoisten durch, die kaum noch soziale Arbeit leisten. Aber lauschen wir doch alternativ Richard Dawkins bei seiner Begründung zur Unmöglichkeit der Gruppenselektion („Das egoistische Gen“, 2007, S. 45):

Um es etwas konventioneller auszudrücken: Eine Gruppe, zum Beispiel eine Art oder eine Population innerhalb einer Art, deren einzelne Angehörige bereit sind, sich selbst für das Wohlergehen der Gruppe zu opfern, wird mit geringerer Wahrscheinlichkeit aussterben als eine rivalisierende Gruppe, deren einzelne Mitglieder ihren eigenen selbstsüchtigen Interessen den ersten Platz einräumen. Daher wird die Welt überwiegend von Gruppen bevölkert sein, die aus sich selbst aufopfernden Individuen bestehen. Dies ist die Theorie der „Gruppenselektion“, die von Biologen, welche mit den Einzelheiten der Evolutionstheorie nicht vertraut waren, lange für richtig gehalten wurde. Sie kam in einem berühmten Buch von V.C. Wynne-Edwards zum ersten Mal an die Öffentlichkeit und wurde durch Robert Ardreys Buch „Der Gesellschaftsvertrag“ populär. Die orthodoxe Alternative dazu bezeichnet man gewöhnlich als „Individualselektion“, obwohl ich persönlich lieber von Gen-Selektion spreche.
Die Antwort des Verfechters der „Individualselektion“ auf das gerade vorgebrachte Argument würde kurz zusammengefasst etwa folgendermaßen lauten: Selbst in der Gruppe der Altruisten wird es fast mit Sicherheit eine andersdenkende Minderheit geben, die sich weigert, irgendein Opfer zu bringen. Wenn es nur einen einzigen eigennützigen Rebellen gibt, der entschlossen ist, den Altruismus der übrigen auszunutzen, so wird er per definitionem mit größerer Wahrscheinlichkeit als sie überleben und Nachkommen haben. Seine Kinder werden seine selbstsüchtigen Merkmale mit einiger Wahrscheinlichkeit erben. Nach mehreren Generationen dieser natürlichen Auslese wird die „altruistische Gruppe“ von egoistischen Individuen wimmeln und von einer egoistischen Gruppe nicht zu unterscheiden sein. Selbst wenn wir die unwahrscheinliche Möglichkeit ins Auge fassen, dass ursprüngliche zufällig rein uneigennützige Gruppen ohne irgendwelche Rebellen bestanden, so ist schwer einzusehen, was egoistische Individuen aus benachbarten Gruppen daran hindern sollte, einzuwandern und der Reinheit der altruistischen Gruppen durch Einheirat ein Ende zu setzen.“


Wenn man jetzt noch berücksichtigt, dass Altruismus in der Biologie üblicherweise als ein Verhalten definiert wird, das den Fortpflanzungserfolg anderer auf Kosten des eigenen Fortpflanzungserfolges erhöht, dann erkennt man unmittelbar, dass Richard Dawkins hier exakt das gleiche Argument wie Mersch bringt.

Allerdings gibt es zwischen den beiden Ausführungen einen weniger offensichtlichen, jedoch alles entscheidenden Unterschied: Die Argumentation von Dawkins gilt als großartig, logisch und überhaupt meisterhaft, sodass der gläubige Anhänger der Theorie der egoistischen Gene beim Lesen schon fast in einen Rauschzustand verfällt, während Merschs Argumentation dagegen „extremer Unsinn“ und total unwissenschaftlich ist, weswegen sie in wissenschaftlichen Zeitschriften nicht einmal an die hochbeschäftigten Gutachter und Experten weitergeleitet werden würde, da Dawkins eine anerkannte Persönlichkeit ist und Mersch ein Niemand. Wer hat denn bloß jemals behauptet, Menschen seien gleich und hätten gleiche Rechte?

Psychologische Tests haben immer wieder ergeben: Lässt man eine relativ ungewöhnliche Behauptung vortragen, dann wird sie mit viel viel höherer Wahrscheinlichkeit akzeptiert, wenn sie von einer Autoritätsperson und nicht von einem „Indianer“ stammt. Wir haben es hier exakt mit diesem Autoritätsdilemma zu tun. Hinzu kommt: Moderne Menschen denken nicht mehr selbst, sondern lassen denken. Sie brauchen mindestens ein peer-reviewed Paper (besser mehrere), um zu entscheiden, ob die Ampel vor ihnen rot oder grün ist.

Merschs Systemische Evolutionstheorie braucht nur eins: eine einzige Person mit hoher Reputation (muss nicht einmal ein Wissenschaftler sein) und „Eiern“, die sich öffentlich hinstellt und sagt bzw. schreibt: Ich halte die Theorie für richtig. Dann werden die ersten anderen Menschen Merschs Argumentation plötzlich gleichfalls nachvollziehbar finden, vorher jedoch nicht.

Atanar hat geschrieben: Außerdem habe ich nicht gesagt das ich die Mem-Theorie für besonders gut halte...

Nanu?

Atanar hat geschrieben:
jackle hat geschrieben:Die Theorie der egoistischen Gene behauptet, dass sie allgemein gültig ist. Sie behauptet, das Leben (die Welt) generell erklären zu können.

Das ist mir echt neu, wo steht das? So weit ich weiß bezieht sie sich eigentlich auf die Evolution der Lebewesen, die heute existieren.


Richard Dawkins „Das egoistische Gen“, 2007, Seite 319 f.:
Was ist im Grunde so Besonderes an den Genen? Die Antwort lautet: die Tatsache, dass sie Replikatoren sind. Von den Gesetzen der Physik nimmt man an, dass sie im gesamten bekannten Universum gelten. Gibt es irgendwelche Grundsätze der Biologie, bei denen die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie eine ähnlich universelle Gültigkeit besitzen? Wenn Astronauten auf der Suche nach Leben zu fernen Planeten reisen, so können sie erwarten, Lebewesen vorzufinden, die zu fremd und zu unirdisch sind, als dass wir sie uns vorstellen könnten. Aber gibt es nicht irgendetwas, das für alles Leben gelten muss, wo immer es auch gefunden werden mag und was auch immer seine chemischen Grundbausteine sein mögen? Wenn Lebensformen bestehen, deren chemische Struktur auf Silikon aufbaut und nicht auf Kohlenstoff, oder auf Ammoniak und nicht auf Wasser, wenn Geschöpfe entdeckt werden, die bei minus 100 Grad Celsius zu Tode sieden, wenn eine Form von Leben gefunden wird, die überhaupt nicht auf Chemie beruht, sondern auf elektronischen Schwingkreisen, wird es dann immer noch irgendein allgemeines Prinzip geben, das auf alles Leben zutrifft? Es ist offensichtlich, dass ich das nicht wissen kann, doch wenn ich mich für etwas entscheiden müsste, dann gibt es ein Grundprinzip, auf das ich setzen würde. Nämlich auf das Gesetz, dass alles Leben sich durch den unterschiedlichen Überlebenserfolg sich replizierender Einheiten entwickelt. Das Gen, das Stückchen DNA, ist zufällig die Replikationseinheit, die auf unserem eigenen Planeten überwiegt. Es mag andere geben. Wenn es andere gibt, so werden sie – vorausgesetzt bestimmte zusätzliche Bedingungen sind erfüllt – fast unweigerlich zur Grundlage für einen evolutionären Prozess werden.

Atanar hat geschrieben: Und an den Ganzen Rest: Jackle hat schon Recht, das sowas auch dikutiert werden kann, auch wenn dieser Mersch keine bedeutenden Publikationen herausgebracht hat oder sonstwas. Auch ich habe nich nie was Publiziert und schon Themen gestartet. Jackle allerdings sollte sich angewöhnen zu zitieren, denn einfach Texte zu Posten, die er offensichtlich von irgendwo anders her gepostet hast, beantwortet meine Fragen nicht.


Einerseits danke! Andererseits: Diesmal mit Zitaten.
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon Mark » So 15. Nov 2009, 02:30

Wenn man eine Theorie aufstellt, sollte man redlicherweise auch Gedanken dazu gefasst haben wie man die eigene Theorie theoretisch (und natürlich auch empirisch) zu falsifizieren versuchen könnte. Wenn man kein solches Experiment zu gestalten in der Lage ist, dann hat man auch keine Theorie die sich als solche bezeichnen lassen kann.
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Re: Peter Merschs Systemische Evolutionstheorie

Beitragvon jackle » So 15. Nov 2009, 11:21

Mark hat geschrieben:Wenn man kein solches Experiment zu gestalten in der Lage ist, dann hat man auch keine Theorie die sich als solche bezeichnen lassen kann.


Das wäre dann die Aufgabe der anderen.
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