Minarettverbot

Re: Minarettverbot

Beitragvon stine » Fr 4. Dez 2009, 08:42

Nanna hat geschrieben:Eine aggressive, existenziell bedrohlich wirkende Pauschalverurteilung zwingt auch gemäßigte Muslime derzeit nur zur (z.T. auch für sie unangenehmen) Solidarität mit den Fundamentalisten und verhindert so letztlich eine Aufklärungsbewegung innerhalb des Islams.
Nanna hat geschrieben:Selbstverständlich muss eine Auseinandersetzung mit dem Islam hart geführt werden, aber dann bitte hart in der Sache und nicht mit harten Worthülsen und billiger Symbolpolitik, die die eigentlichen Probleme gar nicht anspricht. Es geht mir nicht um eine Verharmlosung der gefährlichen Potentiale des Islam, viel mehr um eine Unschädlichmachung, indem man die Muslime unterstützt, die diesbezüglich eine ähnliche Vorstellung und Zielsetzung haben.
Merkst du denn nicht den Widerspruch?
Was ist denn "hart an der Sache"?
Und wie möchtest du "weichspülen", wenn du "hart an der Sache" bleibst?

fragt stine
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Re: Minarettverbot

Beitragvon stine » Fr 4. Dez 2009, 11:40

DAS könnte ein Grund sein, die Minarette doch noch zuzulassen.

Wer immer noch christliche Fundis mit islamistischen gleichsetzt:
Im Falle eines Kirchturmverbots wäre DAS keine logische Folge.

Der Symbolcharakter der Minarette sollte nicht unterschätzt werden. Es geht nicht nur um Religionsfreiheit.

LG stine
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Re: Minarettverbot

Beitragvon Nanna » Fr 4. Dez 2009, 18:16

Hart in der Sache sein, heißt, eine klare sachliche Auseinandersetzung zu führen. Das Minarettverbot ist definitiv kein Ergebnis sachlicher Auseinandersetzung, es ist Symptombekämpfung und dabei sogar Bekämpfung des falschen Symptoms. Das ist unsachlich und dafür habe ich nichts übrig.

Einem selbstkritischen Muslim gegenüber - die sind aufgrund gewisser Eigenheiten der nahöstlichen Kultur rar gesät, das gebe ich zu, aber gerade deshalb muss man ihnen jede erdenkliche Unterstützung zukommen lassen - kann ich gegenüber sachlich hart, aber trotzdem respektvoll begegnen. Insofern sehe ich den Widerspruch zwischen einer differenzierten Kritik und Unterstützung und einer harten sachlichen Auseinandersetzung überhaupt nicht, für mich ergänzt sich das.
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Re: Minarettverbot

Beitragvon musicman » Mo 7. Dez 2009, 09:00

Sabrist hat geschrieben:(Kann mir jemand mal erklären, wieso hier in diesem Forum braune Stammtischparolen gestattet sind?

In der Schweiz hat dumpfer Pöbel eine Volksabstimmungsmehrheit erreicht.


Also wenn, dann ist doch diese Aussage von Dir, in der Nähe dessen, was du nicht gestatten willst- zu Recht übrigens.

Das ist ja schon ein pawlowscher Reflex, voraussehbar wie Silvester am 31.Dezember, man rückt eine andere Meinung in die dunkle Ecke und schon wähnt man sich selbst im Licht. :2thumbs:

Man erklärt den Minarettbau zu einer Frage der Menschenrechte, weil diese das Recht auf freie Religionsausübung garantieren und schon hat man alle Gegner moralisch disqualifiziert, aber das greift zu kurz. Mit dieser Methode könnte man jeden Unfug legitimieren, sehen wir uns die Argumentationskette doch einmal genauer an.

Minarett notwendig zur Religionsausübung > Religionsfreiheit> Menschenrechte> Minarett ist OK
Das funktionier aber auch so:
Beschneidung Minderjähriger notwendig zur Religionsausübung > Religionsfreiheit > Menschenrechte > Genitalverstümmelung ist OK

Merkst Du was?

Der ganze Diskussionsverlauf hier driftet doch ab auf eine vermeintlich moralische Ebene, initiert von Leuten, die nicht damit umgehen können, das eine Abstimmung nicht in ihrem Sinne gelaufen ist, immer wieder amüsant das zu verfolgen.

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Re: Minarettverbot

Beitragvon stine » Mo 7. Dez 2009, 09:32

stine hat geschrieben:Ich wollte nur zu Bedenken geben, dass der Islam Staatsreligion und keine Freikirche ist. Da wird es sehr wohl künftig Probleme geben.
musicman hat geschrieben:Beschneidung Minderjähriger notwendig zur Religionsausübung > Religionsfreiheit > Menschenrechte > Genitalverstümmelung ist OK
Und die Durchsetzung der Scharia zählte dann wohl auch zur Ausübung der Religionsfreiheit.
Hier ist noch lange nicht zu Ende gedacht,


findet stine
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Re: Minarettverbot

Beitragvon Nanna » Mo 7. Dez 2009, 15:59

musicman hat geschrieben:Minarett notwendig zur Religionsausübung > Religionsfreiheit> Menschenrechte> Minarett ist OK
Das funktionier aber auch so:
Beschneidung Minderjähriger notwendig zur Religionsausübung > Religionsfreiheit > Menschenrechte > Genitalverstümmelung ist OK

Merkst Du was?

Und du?

=>
musicman hat geschrieben:Das ist ja schon ein pawlowscher Reflex, voraussehbar wie Silvester am 31.Dezember, man rückt eine andere Meinung in die dunkle Ecke und schon wähnt man sich selbst im Licht. :2thumbs:


Schade, dass es anscheinend nötig ist, den fundamentalen Unterschied zwischen der körperlichen Misshandlung eines Kindes und dem Aufstellen einer Steinsäule neben einem Gebäude zu erläutern, aber ok:

Einen Minderjährigen, nicht Einwilligungs- und Verständnisfähigen zu beschneiden, ist eine Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit, das gegenüber dem Recht auf freie Religionsausübung in diesem Fall selbstverständlich höherrangig ist - zumal ja die Eltern mit der Beschneidung des Kindes ihre Religion ausüben wollen, das Kind hat noch gar keine und somit kann man sogar mit dem Recht auf Religionsfreiheit des Kindes argumentieren, die Beschneidungsbefürworter, die die Menschenrechte heranziehen, also sogar mit den eigenen Waffen schlagen.

Hingegen frage ich mich, wer beim Bau eines Minaretts denn der Geschädigte sein soll. Mal davon abgesehen, muss in einem Rechtsstaat gleiches Recht für Alle gelten, d.h. entweder man verbietet generell den Bau vertikaler architektonischer Objekte an sakralen Gebäuden, also auch Kirchtürme, oder man lässt es eben.


musicman hat geschrieben:Der ganze Diskussionsverlauf hier driftet doch ab auf eine vermeintlich moralische Ebene, initiert von Leuten, die nicht damit umgehen können, das eine Abstimmung nicht in ihrem Sinne gelaufen ist, immer wieder amüsant das zu verfolgen.

Wenn das heißen soll, dass der mündige Bürger seinem Unwillen über ein bestimmtes Abstimmungsergebnis keinen Ausdruck verleihen und es nicht kritisieren darf, dann haben wir beide ein unvereinbares Verständnis von politischem Diskurs.

Ein Zitat dazu von Heribert Prantl aus der heutigen SZ:
"Das Plebiszit kann (aber) auch etwas Furchtbares sein, wenn sich darin nur die Egoismen addieren und Vorurteile gegenüber Minderheiten verfestigen. Demokratie ist mehr als blanke Statistik, mehr als eine Abstimmungsprozedur. [...] Demokratie ist eine Gemeinschaft, die ihre Mitglieder achtet und schützt. [...] Und es wäre absurd zu unterstellen, dass bestimmte Menschen Rechte nur dann haben, wenn auch die Mehrheit dieser Ansicht ist."

Es lohnt sich, den ganzen Text zu lesen.
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Re: Minarettverbot

Beitragvon folgsam » Mo 7. Dez 2009, 17:44

Ich find die Dinger hässlich, zumal so ein orientalisch verschnörkelter Steinpimmel sicher selten ins Stadtbild passt. Aber Plattensiedlungen sind auch scheiße, trotzdem wollen da einige Leute sogar wohnen; was ich hier persönlich möchte spielt also keine Geige.

Ich sehe keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Minaretten und Mädchenbeschneidung. Vielleicht ist es sogar gar nicht schlecht, wenn die aus ihren vermufften Einkaufszentrumnebenhinterzimmerkultuvereinlöchern kommen und ein wenig mehr an die Öffentlichkeit kommen. Weithergeholte Analaogie: Die Umstellung der kath. Messe von Latein auf die jeweilige Landessprache hat der Kirche und ihrer Ideologie langfristig wohl auch nicht sehr gut getan.
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Re: Minarettverbot

Beitragvon Nanna » Mo 7. Dez 2009, 18:17

folgsam hat geschrieben:Ich find die Dinger hässlich, zumal so ein orientalisch verschnörkelter Steinpimmel sicher selten ins Stadtbild passt.

Das ist dann aber natürlich auch eine Frage des Baurechts. Ich finde es auch völlig legitim, dass die Anwohner bei solchen Ansinnen mit einbezogen werden, in einer ganzen Reihe deutscher Kommunen sind bislang recht vernünftige Kompromisse zwischen Anwohnern und muslimischen Gemeindemitgliedern geschlossen worden. Es ist sicherlich besser, darüber vor Ort zu entscheiden, auch weil man erst da überhaupt einschätzen kann, ob man sich einen Fundamentalistenverein oder eher demokratisch gesinnte Normalbürger ins Viertel holt.

folgsam hat geschrieben:Vielleicht ist es sogar gar nicht schlecht, wenn die aus ihren vermufften Einkaufszentrumnebenhinterzimmerkultuvereinlöchern kommen und ein wenig mehr an die Öffentlichkeit kommen. Weithergeholte Analaogie: Die Umstellung der kath. Messe von Latein auf die jeweilige Landessprache hat der Kirche und ihrer Ideologie langfristig wohl auch nicht sehr gut getan.

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Re: Minarettverbot

Beitragvon Arathas » Di 8. Dez 2009, 14:38

Hier übrigens ein Artikel der "Welt" zum Thema:

http://www.welt.de/politik/deutschland/ ... achen.html

Habe bisher nur oberflächlich mal die Artikel der Welt angekratzt, aber mich nach diesem hier dazu entschlossen, die Seite in Zukunft zu meiden. Vor allem wenn man sich noch die Kommentare zum Artikel durchliest und wie welche Kommentare jeweils von anderen Lesern bewertet wurden ... :down:
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Re: Minarettverbot

Beitragvon folgsam » Di 8. Dez 2009, 18:21

Zeitungen zu lesen die nicht in allen Punkten die eigene Meinung perfekt abbilden wär ja auch zu schrecklich.

Die Welt bietet Gerd Lüdemann zum Beispiel regelmäßig eine Plattform, doch trotzdem lese ich sie noch ab und zu...halt moment, da ist jetzt was falsch.
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Re: Minarettverbot

Beitragvon folgsam » Di 8. Dez 2009, 18:22

Spiegel Online bringt auch oft Kommentare von Broder, zum Beispiel. Ein graus, allein wenn ich nur daran denke.
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Re: Minarettverbot

Beitragvon pinkwoolf » Di 8. Dez 2009, 23:41

folgsam hat geschrieben:Spiegel Online bringt auch oft Kommentare von Broder, zum Beispiel. Ein graus, allein wenn ich nur daran denke.

Deinen Graus kann ich nicht so recht nachvollziehen. Manchmal ist es Blödsinn; aber immerhin gelingt es ihm des öfteren, sich außerhalb seiner eigenen Peergroup zu stellen und diese zu kritisieren. Das gelingt nicht jedem.
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Re: Minarettverbot

Beitragvon folgsam » Di 8. Dez 2009, 23:44

Zeitungen zu lesen die nicht in allen Punkten die eigene Meinung perfekt abbilden wär ja auch zu schrecklich.
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Re: Minarettverbot

Beitragvon Arathas » Mi 9. Dez 2009, 08:25

folgsam hat geschrieben:Zeitungen zu lesen die nicht in allen Punkten die eigene Meinung perfekt abbilden wär ja auch zu schrecklich.


:mg:

Wenn die Meinung so von der eigenen abweicht, dass man gern kotzen gehen würde, dann ja. (hier fehlt ein Kotz-Smiley) Zumal mir das jetzt schon ein paarmal so ging bei diesem Blatt, obwohl ich's echt nicht so oft angucke.
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Re: Minarettverbot

Beitragvon Zappa » Mi 9. Dez 2009, 18:19

Arathas hat geschrieben: ... (hier fehlt ein Kotz-Smiley) ...


Nimm den so lange: :kotz:
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Re: Minarettverbot

Beitragvon musicman » Do 10. Dez 2009, 21:04

stine hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Ich wollte nur zu Bedenken geben, dass der Islam Staatsreligion und keine Freikirche ist. Da wird es sehr wohl künftig Probleme geben.
musicman hat geschrieben:Beschneidung Minderjähriger notwendig zur Religionsausübung > Religionsfreiheit > Menschenrechte > Genitalverstümmelung ist OK
Und die Durchsetzung der Scharia zählte dann wohl auch zur Ausübung der Religionsfreiheit.
Hier ist noch lange nicht zu Ende gedacht,


findet stine


Eine deutsche Richterin hat das mal zu Ende gedacht, und einem muslimischen Ehemann das Züchtigungsrecht an seiner Frau aus religiösen Gründen zugestanden.(Frankfurt 2007) Erst nach stellen eines Befangenheitsantrages von seiten der Ehefrau, wurde sie von dem Fall entbunden.

Nur um mal zu verdeutlichen, dass obige Argumentationskette nicht aus der Luft gegriffen ist, es ist lediglich eine Frage der Gewichtung.
Deshalb warne ich auch davor, jeden Furz zu einer Frage der Menschenrechte aufzupumpen, das ist nicht nur inflationär sondern auch gefährlich.
Im übrigen wären die Empörer glaubwürdiger, würden sie sich mit selbiger Vehemenz für die Religionsfreiheit von Christen einsetzen, wenn diesen irgendwo das Läuten ihrer Glocken untersagt werden soll.

Bezüglich Broder: Wie meistens :applaus:

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Re: Minarettverbot

Beitragvon Nanna » Fr 11. Dez 2009, 22:48

Ich finde es ziemlich besorgniserregend, dass es anscheinend weithin akzeptiert wird, mit einer Argumentation anzukommen, wo eigenes Fehlverhalten mit dem Fehlverhalten anderer gerechtfertigt wird. Weder haben die Handlungen dieser bescheuerten Frankfurter Richterin irgendetwas gewichtiges mit Religionsfreiheit zu tun (die eigene Frau zu schlagen ist auch eine Menschenrechtsverletzung und das Recht auf körperliche Unversehrtheit sticht immer!), noch hat das Kirchengeläut im Nahen Osten etwas mit den Minarettverboten in der Schweiz zu tun. Was für eine erbärmliche Selbstentwürdigung ist es, die eigenen Grundprinzipien auf dem Scheiterhaufen eines medial überinszenierten Kulturkampfes zu opfern! Europa verspielt seine ethische Glaubwürdigkeit, wenn es hierzulande nicht eine völlige Selbstverständlichkeit bleibt, dass immigrierten Minderheiten Rechte gewährt werden, die andere Minderheiten in deren ursprünglichen Heimat nicht gehabt hätten. Wer nochmal ist auf die absurde Idee gekommen, dass man hiesige Immigranten für Verfehlungen ihrer Herkunftsländer in Sippenhaft nehmen sollte?!

Es ist zwar schon zwei Jahre alt, aber verliert irgendwie nicht seine Aktualität:


Übrigens auch interessant, was du so alles über die vielen Menschen weißt, die du unter dem Schlagwort "Empörer" zusammenfasst, musicman. Und was ist daran gefährlich, die Menschenrechte ernst zu nehmen und dementsprechend oft darauf hinzuweisen, wenn sie verletzt werden? Ich persönlich kann ein Ersetzen religiöser Moral durch die Ethik der Menschenrechte im Alltag nur begrüßen. Menschenrechte dürfen nicht irgendetwas entrücktes, weit entferntes und völlig abgefahrenes sein, sondern sie müssen selbstverständlicher Bestandteil des Miteinanders sein.
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Re: Minarettverbot

Beitragvon Gernot Back » Sa 12. Dez 2009, 10:38

Hallo Nanna!

Nanna hat geschrieben:Wer nochmal ist auf die absurde Idee gekommen, dass man hiesige Immigranten für Verfehlungen ihrer Herkunftsländer in Sippenhaft nehmen sollte?!

Das Problem ist, dass auch hiesige Moslems nicht bereit sind, sich von den faschistoiden Stellen im Koran klar zu distanzieren und sie -etwa so wie es das die meisten heutigen Christen oder Juden in Bezug auf entsprechende Bibelstellen tun- sie im Kontext der Zeit ihrer Entstehung zu lesen, um sie im Hier und Jetzt neu (als "eher symbolisch gemeint") zu bewerten.

Nein, auch die meisten hiesigen Muslime, so sie sich überhaupt noch als solche empfinden oder darüber mit Rücksicht auf andere einfach nur Stillschweigen bewahren, nehmen ihre "Heilige Schrift" immer und an jeder Stelle wortwörtlich und weigern sich, auch nur um ein Iota davon abzuweichen.

Das ist zu kritisieren und zwar am besten so, wie Dieter Nuhr das in "Nuhr die Wahrheit" tut: mit beißender Ironie.

http://www.veoh.com/browse/videos/categ ... 09egnS9S2E

Gruß Gernot
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Re: Minarettverbot

Beitragvon Nanna » Sa 12. Dez 2009, 21:02

Nuhr ist gut!

Und er spricht einen entscheidenden Punkt an, den auch du ein bisschen unterschlägst, auch wenn du sicherlich im Großen und Ganzen Richtiges sagst: Es ist aber nicht so, dass alle Muslime ihr Leben streng nach den koranischen Geboten ausrichten. Man darf nicht von normativen Geboten automatisch auf deren Umsetzung schließen. Oder wer glaubt hier ernsthaft, dass in Deutschland flächendeckend das Tempolimit eingehalten wird? Über lange historische Zeiten haben viele Muslime sich wenig um die exakten Gebote geschert, haben koranische Grenzen übertreten, wenn es dem Geschäft und dem persönlichen Wohlbefinden zuträglich war und das tun auch viele Muslime hierzulande. Nuhr sagt selber, dass ihm die Muslime leid tun, die mit (gelebter) Religion nicht viel am Hut haben und die jetzt hier mit den Fundamentalisten in einen Topf geworfen werden. Und wenn wir an unsere eigenen Religiösen in Deutschland denken, dann werden wir sicherlich auch Schwierigkeiten bekommen, die Leute dazu zu bewegen, sich von den Massenmorden des Alten Testaments zu distanzieren. Man kriegt sie maximal dazu, dass sie sich winden und irgendwas im Sinne von "Man muss das metaphorisch sehen blabla" von sich geben. Das ist nicht sonderlich konsequent, aber sollte uns für den Moment zufriedenstellen. Auch vom Islam ist nicht mehr zu erwarten, für's Erste nicht einmal das, da der Islam keine so lange Zeit der Konfrontation mit Aufklärung hinter sich hat.

Wenn wir ordentliche Kritik an den Muslimen üben wollen, wenn wir sie in die gesellschaftliche Pflicht nehmen wollen, müssen wir sie einbinden, nicht ausschließen und damit radikalisieren. Ich würde als Muslim auch nicht meinen konsequenten Glauben aufgeben, wenn ich das Gefühl hätte, dass mir meine Umwelt feindlich gesinnt ist. Die Muslime werden umso mehr von solchen bescheuerten Geboten ablassen (ich rede hier von dem, was faktisch im Alltag passieren wird, nicht von irgendwelcher Symbolpolitik, wo groß verkündet wird, dass Sätze im Koran falsch sind), umso mehr sie sich in der Gesellschaft sicher fühlen, umso mehr die säkuläre Gesellschaft ihnen als lebenswerte Alternative zum Wüstenislam erscheint. Das sind Menschen, die funktionieren nach genau demselben Muster wie wir und auch bei denen ist der Glaube nicht eintätowiert, sondern lässt sich verändern, umgestalten und sogar ablösen. Das erreicht man aber nicht, indem man einen epischen Kampf von Radikalhumanismus versus Radikalreligion konstruiert, der den Extremisten beider Seiten unnötigerweise Aufmerksamkeit und gefühlte Bedeutung verschafft.

Der Weg von Nuhr ist gut, weil er mit Worten kämpft, nicht mit plumpen Verboten. Man kann die Globalisierung und das kulturelle Aufeinanderprallen nicht mit Volksdekreten oder Ausweisungen aussperren, wie die Schweizer glauben. Ich für meinen Teil setze mich lieber mit den Muslimen an einen Tisch und rede mit denen. In Deutschland wird immer gejammert, man müsse die Ängste der Leute ernstnehmen. Wer nimmt die Ängste der Muslime ernst, die jetzt mit den Fundamentalisten über einen Kamm geschoren werden? Wenn die so in die Defensive getrieben und als Menschen nicht wertgeschätzt werden, ist es kein Wunder, dass die Radikalen stetig Zulauf erfahren. Wir dürfen deshalb nicht nur auf die Muslime pauschal vorgehen, sondern wir müssen die Moderaten ganz gezielt einbinden. Das heißt nicht, dass man sie von Religionskritik verschont, aber dass man nicht andauernd so tut, als wären sie wegen der Verwurzelung in einem bestimmten Kulturkreis Ausgeburten des Bösen und Menschenverachtenden schlechthin.

Wenn diese Debatte etwas differenzierter geführt würde und nicht andauernd so viele Leute (auch hier, was mich besonders enttäuscht) von "den Muslimen" reden würden, als wären die eine monolithische Einheit, würde ich mich auch nicht andauernd genötigt fühlen, für die in die Bresche zu springen. Auf eine Minderheit undifferenziert einzuprügeln und seine gesammelten Ängste auf sie zu projizieren, das ist etwas, was wir hier in Deutschland schonmal hatten und das halte ich für mindestens genauso gefährlich, wie bestimmte islamische Denkweisen.
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Re: Minarettverbot

Beitragvon Nanna » So 13. Dez 2009, 00:49

Es gibt hier übrigens noch einen guten Text zum Thema Muslimfeindlichkeit, die sich als Islamkritik tarnt, der zwar schon vier Jahre alt ist, aber trotzdem nicht viel an Aktualität eingebüßt hat:
http://www.hagalil.com/archiv/2004/11/islamkritik.htm
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