lorenz hat geschrieben:Wenn irgendwelche Götter zwar nicht real aber als Vorstellung existieren, dann kann man sie in genau der Daseinsform töten, die sie haben, nämlich als Vorstellung.
Zwar hast du mit deinem Post dargestellt, wie Gott auch mit getötet wurde; aber Gott ist nicht das, wofür du ihn damit hältst, zumindest nicht, wenn du es im Kontext eines "Gott ist tot" verstehen magst.
Um das darzustellen:
Die Äthertheorie sagt nichts über das Höchste, Beste und Erstrebenswerteste deines menschlichen Daseins aus. Die Äthertheorie gibt dir auch keine Anweisungen über die Lebensführung und zeigt dir keinen "goldenen Weg zum Glück" auf. Ja, eigentlich beschäftigt sich die Äthertheorie überhaupt nicht mit dem, was jeden Menschen angeht; zumindest ist die Anzahl der Menschen relativ gering, die sich näher mit den die Äthertheorie betreffenden Phänomenen auseinandergesetzt haben. Die meiste Zeit des Menschen hindurch(und nicht nur die letzten paar Jährchen, aus denen wir Schriftquellen haben) gingen ihn Betrachtungen darüber, wie das Licht sich im Raum fortpflanzt, eher weniger etwas an.
Dass du aber von Gott redest, wie von einer Theorie, zeigt, wie sehr dir Glauben fremd ist. Das war ja die Entwicklung, die der Glaube "an den alten Gott" genommen hat, dass Gott irgendwann so ein jämmerlicher Lückenfüller wurde. Götter sind nicht aus der Not entstanden, irgendetwas erklären zu müssen. Wie niedrig, würdelos und unmächtig ist denn auch ein Gott, der nur für die Lücken herhalten sollte, die bei der Erklärung von irgendeiner Erscheinung sich ergeben! ("Der Mensch denkt - und Gott lacht!" ein jüdisches Sprichwort)
Damals war Gott keine Theorie, nichts das irgendwie nur zur Erklärung herhalten sollte; es ging bei den Göttern um all das, was das Leben ausmacht: Entscheidungen, Sitten, Zielsetzungen, Hoffnungen, Gefühle und was euch noch alles einfällt.
Dass man heute Gott als eine Theorie versteht, um die Welt zu erklären: das zeigt es nur, dass Gott tot ist. Niemand glaubt mehr richtig! Gott irgendwo einsetzen ist kein Glaube, das ist... ich will jetzt nicht ausfällig werden.
"Der alte Gott" ist also tot. Dass es als Angst nicht jederman in die Knochen fährt, fürderhin ohne den vorgegebenen Horizont, der durch Gott gesetzt wurde, weiterleben zu müssen und nun all seines Fatums ledig sich zu befinden, liegt daran, dass all das, was auf jenem "Glauben an den alten Gott" sich gründetete - immer noch in uns fortlebt! Vielmehr zeigt sich auch, dass der spezielle Gottesglauben etwas nachträgliches ist und die eigentlichen Glaubenssätze, welche ihn möglich machten, durch den Verlust des "alten Gottes" nicht angegriffen wurden. Welche Glaubenssätze aber sind es denn, die den "alten Gott" möglich machten? - Und hier hakt Nietzsche eben weiter nach! Vor diesem Hintergrund ergibt vllt auch der Text aus der Götzendämmerung, welchen ich oben anführte, noch einmal mehr für euch her.