Einfache Frage: Was ist Gott?

Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon ujmp » Do 26. Nov 2009, 11:44

stine hat geschrieben:Daher: Nein, eine Existenz Gottes lässt sich weder wissenschaftlich beweisen noch wissenschaftlich widerlegen und wird daher immer eine Frage des Glaubens oder Nicht-Glaubens sein.


Nein, das stimmt nicht. Es kommt darauf an, wie du Gott definierst. Spätestens seit die Kirche verstanden hat, dass es Gott nicht gibt, definiert sie Gott so, dass man die Definition schon rein logisch nicht widerlegen kann und ist händeringend auf der Suche nach philosophischen Argumenten, die das ermöglichen. Das Gerede von der Außerwissenschaftlichkeit Gottes dient nur dazu, die Religion der Kritik zu entziehen. Die Kirche will auf einer Ebene mit der Wissenschaft stehen oder sogar darüber.
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Do 10. Dez 2009, 00:53

"Irrthum einer falschen Ursächlichkeit. - Man hat zu allen Zeiten geglaubt, zu wissen, was eine Ursache ist: aber woher nahmen wir unser Wissen, genauer, unsern Glauben, hier zu wissen? Aus dem Bereich der berühmten "inneren Thatsachen", von denen bisher keine sich als thatsächlich erwiesen hat. Wir glaubten uns selbst im Akt des Willens ursächlich; wir meinten da wenigstens die Ursächlichkeit auf der That zu ertappen. Man zweifelte insgleichen nicht daran, dass alle antecedentia einer Handlung, ihre Ursachen, im Bewusstsein zu suchen seien und darin sich wiederfänden, wenn man sie suche - als "Motive": man wäre ja sonst zu ihr nicht frei, für sie nicht verantwortlich gewesen. Endlich, wer hätte bestritten, dass ein Gedanke verursacht wird? dass das Ich den Gedanken verursacht? ... Von diesen drei "inneren Thatsachen", mit denen sich die Ursächlichkeit zu verbürgen schien, ist die erste und überzeugendste die vom Willen als Ursache; die Conception eines Bewusstseins ("Geistes") als Ursache und später noch die des Ich (des "Subjekts") als Ursache sind bloss nachgeboren, nachdem vom Willen die Ursächlichkeit als gegeben feststand, als Empirie ... Inzwischen haben wir uns besser besonnen. Wir glauben heute kein Wort mehr von dem Allen. Die "innere Welt" ist voller Trugbilder und Irrlichter: der Wille ist eins von ihnen. Der Wille bewegt nichts mehr, erklärt folglich auch nichts mehr - er begleitet bloss Vorgänge, er kann auch fehlen. Das sogenannte "Motiv": ein andrer Irrthum. Bloss ein Oberflächenphänomen des Bewusstseins, ein Nebenher der That, das eher noch die antecedentia einer That verdeckt, als dass es sie darstellt. Und gar das Ich! Das ist zur Fabel geworden, zur Fiktion, zum Wortspiel: das hat ganz und gar aufgehört, zu denken, zu fühlen und zu wollen! ... Was folgt daraus? Es giebt gar keine geistigen Ursachen! Die ganze angebliche Empirie dafür gieng zum Teufel! Das folgt daraus! - Und wir hatten einen artigen Missbrauch mit jener "Empirie" getrieben, wir hatten die Welt daraufhin geschaffen als eine Ursachen-Welt, als eine Willens-Welt, als eine Geister-Welt. Die älteste und längste Psychologie war hier am Werk, sie hat gar nichts Anderes gethan: alles Geschehen war ihr ein Thun, alles Thun Folge eines Willens, die Welt wurde ihr eine Vielheit von Thätern, ein Thäter (ein "Subjekt") schob sich allem Geschehen unter. Der Mensch hat seine drei "inneren Thatsachen", Das, woran er am festesten glaubte, den Willen, den Geist, das Ich, aus sich herausprojicirt, - er nahm erst den Begriff Sein aus dem Begriff Ich heraus, er hat die "Dinge" als seiend gesetzt nach seinem Bilde, nach seinem Begriff des Ichs als Ursache. Was Wunder, dass er später in den Dingen immer nur wiederfand, was er in sie gesteckt hatte?- Das Ding selbst, nochmals gesagt, der Begriff Ding, ein Reflex bloss vom Glauben an's Ich als Ursache ... Und selbst noch Ihr Atom, meine Herren Mechanisten und Physiker, wie viel Irrthum, wie viel rudimentäre Psychologie ist noch in Ihrem Atom rückständig! - Gar nicht zu reden vom "Ding an sich", vom horrendum pudendum der Metaphysiker! Der Irrthum vom Geist als Ursache mit der Realität verwechselt! Und zum Maass der Realität gemacht! Und Gott genannt! -" (F.W.N. Götzendämmerung)
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon ujmp » Do 10. Dez 2009, 10:43

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Die älteste und längste Psychologie war hier am Werk, sie hat gar nichts Anderes gethan: alles Geschehen war ihr ein Thun, alles Thun Folge eines Willens, die Welt wurde ihr eine Vielheit von Thätern, ein Thäter (ein "Subjekt") schob sich allem Geschehen unter. Der Mensch hat seine drei "inneren Thatsachen", Das, woran er am festesten glaubte, den Willen, den Geist, das Ich, aus sich herausprojicirt,)

So ist es, aber was sollen wir mit dieser Erkenntnis?

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Das Ding selbst, nochmals gesagt, der Begriff Ding, ein Reflex bloss vom Glauben an's Ich als Ursache ... Und selbst noch Ihr Atom, meine Herren Mechanisten und Physiker, wie viel Irrthum, wie viel rudimentäre Psychologie ist noch in Ihrem Atom rückständig!

Nietzsche fehlte die nötige Gelassenheit, mit der Wirklichkeit klar zu kommen. Dass es keine Gewissheit geben kann, macht ungewisse Ansichten über die Wirklichkeit ja nicht wertlos.
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Do 10. Dez 2009, 12:46

Genealogische Widerlegungen sind endgültige.

Was man mit jener Erkenntnis kann, ist z.B. aufhören damit, unlauter zu abstrahieren, nicht nur in Hinblick auf Gott.
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon ujmp » Do 10. Dez 2009, 13:44

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:unlauter zu abstrahieren


"Selber!" (Es gibt kein Denken ohne Abstraktion)

Wir können ja nicht gar nichts denken, bloß weil wir wissen, dass unsere Gedanken möglicherweise falsch sind. Irgendwie läuft es doch, es ist reine Geschmackssache ob man dies als "gut" oder "mangelhaft" bezeichnet. Man sollte sich fragen "Im Vergleich zu wem?". Der Glaube an ein perfektes göttliches Wesen macht da möglicherweise depressiv. Bei Nietzsche habe ich manchmal das Gefühl, dass er besonders darunter gelitten hat, dass es Gott nicht gibt. Er ist ihm wirklich auf den nich Grund gegangen. Sein Übermensch scheint mir ein verzweifelter Ausweg der Gottessehnsucht zu sein.

Karl Popper hat in seiner Plato-Kritik sehr schön dargelegt, dass es zwei Formen des Idealismus gibt. Ich nenne sie mal "Zurück zu den Wurzeln" und "Bestimmung erfüllen". Beides beruht auf abstrakten Idealen, an die die Wirklichkeit angepasst werden soll. Beides fällt unter die Kritik Nietzsches - aber ihm unterläuft, wie mir scheint, der selbe Fehler.
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon stine » Do 10. Dez 2009, 14:09

ujmp hat geschrieben:Sein Übermensch scheint mir ein verzweifelter Ausweg der Gottessehnsucht zu sein.

"Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?"

Nietzsche hat dabei ganz vergessen, dass er sowieso nur die menschliche "Gottesvorstellung" töten konnte.
Er hätte viel weniger leiden müssen, wenn er nicht krampfhaft versucht hätte, die menschliche Vorstellung von Gott in der Welt vorfinden zu wollen.

LG stine
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Do 10. Dez 2009, 14:27

Nein, nicht einmal das nur. Sogar die Wahrnehmung ist heute so unvergleichlich abziehend. Ja, dieser Akt des Festhaltens ist uns so sehr in den Leib gekrochen, dass wir ein Haus, einmal von vorn und einmal von hinten betrachtet, trotzdem aus den verschiedenen Bildern, die wir sehen, eben für ein und dasselbe Haus halten; nimmt Linien wahr, wo keine sind...

Ich weiß nun schlecht, worauf du dich konkret bei Nietzsche beziehst. Schlicht auf den Übermenschen? Der hat ja mit einem Gott wenig gemein. Sein Wille zur Macht, ja, der ist so übergeneralisiert wie schon die Teleologie des Aristoteles.

Es gibt nicht zwei Arten von Idealismen.

Stine, du hast Gott getötet - es ist eines der wenigen "wir", die nicht ihn und seine Freunde meinen. Glaubst du denn redlich? Schränkst du nicht deinen Gott immer weiter ein, nur um ihn irgendwie noch ein Stück weiter behalten zu können? Schleifst du ihn nicht vielmehr durch den Dreck der geringsten Zweifel? Erträgt dein Glaube denn keinen Zweifel? Ist er so schwach, dass er weit weg von den Zweifeln geborgen sein muss? Indem du Gott einfach überall hineinsteckst? Indem du ihm sophistizierst? Als causa primae und Weltseele auslegen musst, damit er dir nicht fortflattert? Dass du diese Vernünfteleien anstellen musst, damit "die Welt" ihn dir nicht nimmt, deinen Gott?
Stine, ich meine doch stark, du habest Gott getötet.
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon lorenz » Mo 14. Dez 2009, 12:25

stine hat geschrieben:Nietzsche hat dabei ganz vergessen, dass er sowieso nur die menschliche "Gottesvorstellung" töten konnte.
Er hätte viel weniger leiden müssen, wenn er nicht krampfhaft versucht hätte, die menschliche Vorstellung von Gott in der Welt vorfinden zu wollen.

Welche wenn nicht die menschliche hätte er denn suchen sollen?
Beschreibe mal eine nicht-menschliche Vorstellung von Göttern! Es wird dir nicht gelingen.
Oder hätte er gar nicht (in der Welt, wo sonst?) nachsehen sollen??
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon stine » Mo 14. Dez 2009, 16:03

lorenz hat geschrieben:Oder hätte er gar nicht in der Welt, ... nachsehen sollen??
Vermutlich.
lorenz hat geschrieben:(...wo sonst??)
Keine Ahnung.
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon platon » Mo 14. Dez 2009, 18:50

stine hat geschrieben:Nietzsche hat dabei ganz vergessen, dass er sowieso nur die menschliche "Gottesvorstellung" töten konnte.

Und Du hast vergessen, dass Nietzsche psychisch krank war. Das relativiert (mindestens) seine Spätwerke.
Einen Gott, der nicht existiert, kann man nicht töten!
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Di 15. Dez 2009, 23:33

Naturalismus wird da unglaubwürdig, wo er gegen das Leben blind wird.

Für einige Menschen gibt es Götter, ihre physische Repräsentation ist dabei ohne Bedeutung. Ich bezweifle, dass du die einfachsten Entscheidungen energetisch/dynamisch/materialistisch zu beschreiben vermagst.

Ein "Gott existiert nicht" auf den Satz "Gott ist tot" anzuwenden ist eine Vermischen von Gebieten die nicht zueinander gehören. Hat man Ethnologen je die Energiepotentiale von Völkern ausrechnen sehen? Hier ist es klar, weswegen eine reduktionistische Sichtweise fehlgeleitet wäre - aber weswegen ist das nicht klar, wenn es um das Leben des Einzelnen geht? Wenn dich ein Gewissenbiss plagt, fragst du dich dann zu allererst nach der Übertragunsweise? Alle Achtung, wenn du es tust! Aber dann hat der Begriff Gott keine Bedeutung in deinem Munde und dann verbietet es sich, davon zu sprechen.
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon Sabrist » Mi 16. Dez 2009, 19:52

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Für einige Menschen gibt es Götter, ihre physische Repräsentation ist dabei ohne Bedeutung.

Das nennt man dann "Halluzination", bzw Wahnvorstellung.
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mi 16. Dez 2009, 19:54

Sabrist hat geschrieben:Das nennt man dann "Halluzination", bzw Wahnvorstellung.


Welche Gründe sind es denn, aus denen Du handelst?
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon Sabrist » Mi 16. Dez 2009, 19:57

Was, bitte, willst du von mir?

Ach ja, richtig: wenn man nicht weiß, was man schreiben soll, dann einfach mal dem anderen eine dumme Frage stellen. Billige Rhethorik, lass es.
:down:
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mi 16. Dez 2009, 20:12

Erfahren wollte ich von dir, wo bei dir die Grenze liegt, zwischen richtig und falsch vorgestelltem Grund. An welcher Stelle bei dir die Wahnvorstellung anfängt - ob du es, z.B., nach Art der größten Zahl von Übereinstimmung unter den Menschen erheben magst; ob du es aufgrund naturwissenschaftlicher Beschreibungen bestimmen magst; oder... denn selbst wenn sich alle Menschen einig wären, dass sie aus Gründen handeln, kann es immer noch falsch sein, und ich bin der Überzeugung, dass Menschen nicht aus Gründen handeln. Noch weniger, dass das Gehirn eine Nutzen/Schaden-Kalkulator ist und Entscheidungen eine Rechenknechtsübung seien. Ich finde, dass du dich zu sehr auf bewusste Phänomene beschränkst und bestimmter auf die Physiologie einer solchen Behauptung eingehen solltest.

Deswegen die Frage. Denn ich glaube, dass du nicht minder Wahvorstellungen in Art von Göttern anhängst - nicht als Gott, aber den Gottesvorstellungen ähnlich, als hinzugelogene Gründe.
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Do 17. Dez 2009, 12:05

Falls du nicht weisst, was ich damit meine, hier noch einmal:

- der Kreis der Wahnvorstellungen ist schlicht arbiträr gezogen
- man könnte es naturwissenschafltich überprüfen , jedoch erfolglos, da man schon vorher weiss, was man zu belegen versucht
- ein Verweis auf das, was allen Menschen gemeinsam ist, macht Wahrhaftigkeit, doch keine Wahrheit aus
- Menschen glauben, dass sie aus Gründen handeln viel fester und verbreiteter als an einen gemeinsamen Gott
- dieser Allgemeinglaube wurde unter anderem zu hintergehen versucht durch die Annahme, das Gehirn sei ein komplexer Mechanismus, eine biologische Maschine
- ich hänge beiden Glauben nicht an
- ohne vorher sich je Gedanken darüber gemacht zu haben, ob Gründe nicht vllt nur "Wahnvorstellungen" seien, ist der Glaube an Gründe in gleicher Weise ein Glaube wie ein Götterglaube
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Also hängt Sabrist Wahnvorstellungen an, in dem Sinne, wie er Götter für Wahnvorstellungen hält, wenn er an Gründe glaubt.
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon ujmp » Do 17. Dez 2009, 12:48

ich find zwar Sabrists unkomplizierten Atheismus erfrischend, aber meine auch, dass er es sich philosophisch zu einfach macht.

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Also hängt Sabrist Wahnvorstellungen an, in dem Sinne, wie er Götter für Wahnvorstellungen hält, wenn er an Gründe glaubt.


Das ist allerdings nicht ausgemacht. Ein Glaube an einen Gott ist etwas vollkommen anderes als der Glaube an die Richtigkeit von sinnlichen Erfahrungen. Über das Wasser zu gehen, wie Jesus, kann ich überhaupt nicht erfahren, ich kann es mir bestenfalls vorstellen. Ob der Fußboden mich trägt, wenn ich morgens aus dem Bett steige, kann ich täglich neu erfahren. Diese tägliche Erfahrung akkumuliert sich seit ich Laufen lernte zu dem, was ich Gewissheit nenne. Es ist m.E. unmöglich auf den Begriff Gewissheit zu verzichten, er ist so wenig entbehrlich wie Raum und Zeit . Auch wenn wir wissen, dass unsere Raum- und Zeitvorstellungen nur in bestimmten Rahmen hinreichend korrekt sind, handhaben wir diese Begriffe dennoch, als seien sie korrekt - wir können auch gar nicht anders und es läuft doch auch prima! An Gott zu glauben (man kann es ja mal probieren!), z.B. dass er auf Gebete reagiert, müsste eigentlich auf die Dauer zu der Kritik führen, dass seine Nichtexistenz so gewiss ist, wie der Stuhl auf dem ich gerade sitze. Wenn nicht, wird wohl so etwas wie ein "Wahn" vorliegen.
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Do 17. Dez 2009, 13:37

O, was ich meinte war ganz und gar nicht das Problem dessen ob wir nun die empirische Welt "an sich" wahrnehmen oder nicht. Es geht mir nicht um die Sinnenreizverarbeitung als solcher, sondern deren Interpretation, so wie Nietzsche es in dem oben angeführten Zitat schildert.
Wir machen uns Gründe aus und meinen, sie seien in irgendeiner Art und Weise der Ursprung unseres Handelns. Dies soll nun nicht direkt auf das Problem des freien Willens führen (für mich bedeutet Freiheit des Willens, in einer Situation mindestens zwei Optionen handeln zu können zu haben; auch hier finde ich die Suche nach der Repräsentation des "freien Willen" im Kopf sei eine fehlgeleitete Übergeneralisierung. So wie ich den freien Willen begreife, ist er natürlich arg verpflichtend, denn niemand kann sich dann hinter den Umständen verkriechen).
Das worauf ich hinaus wollte ist also nicht das Eleatenproblem vom scheinbar gebrochenen Stecken im Wasser. Sondern ich wollte auf die Bewusstheit, nicht auf die Gewissheit, hinaus. Ein abstrakt gegebener Handlungsgrund (nicht im Sinne der eigentlichen Motivation verstanden, sondern als jenen Grund, den man angibt, wenn man gefragt wird, weswegen man etwas getan habe und sich damit Recht zu schaffen versucht); er hat verdammt viele Ähnlichkeiten mit Gott:

- beim Ausdenken von Gründen, lässt man das Allermeiste, was die Erfahrung lehrt, außer Acht
- es gibt Gründe, welche aus Tradiertheit genannt werden; so z.B. etwas tun "jemanden zuliebe", "mit gutem Willen/ guter Absicht/ gut gemeint", usw.
- dass diese Gründe wirklich sind und Handlungen motivieren können, wird meistens schlicht geglaubt
- dass diese Gründe zuerst sind, und nicht erst nachträglich untergeschoben werden, wird meistens schlicht geglaubt
- beide Male wird abstraktes Sein in das lebendige Werden projeziert (top-down), was die Beliebigkeit charakterisiert, so wie die Göttervorstellungen beliebig sind
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon lorenz » Do 17. Dez 2009, 14:20

platon hat geschrieben:Einen Gott, der nicht existiert, kann man nicht töten!

Wenn irgendwelche Götter zwar nicht real aber als Vorstellung existieren, dann kann man sie in genau der Daseinsform töten, die sie haben, nämlich als Vorstellung.
Illusionen zu ermorden, um klarer zu sehen, ist beinahe eine Verpflichtung, wenn man sich menschlich entwickeln möchte.

Oder eben in diesem Sinn: Gott ist so tot, wie eine Theorie tot ist, wenn sie durch bessere ersetzt ist. Die Äthertheorie z. B. ist EIGENTLICH ziemlich mausetot. Wenn es Kirchen oder kirchenähnliche Strukturen gäbe (mit Leuten, deren Existenz von der Äthertheorie abhängt), dann wäre die Äthertheorie immer noch "im Gespräch". Es ist nicht allzu schwer, irgend eine tote Theorie im Gespräch zu halten.
==> http://de.wikipedia.org/wiki/Äthertheorie
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Re: Einfache Frage: Was ist Gott?

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Fr 18. Dez 2009, 03:06

lorenz hat geschrieben:Wenn irgendwelche Götter zwar nicht real aber als Vorstellung existieren, dann kann man sie in genau der Daseinsform töten, die sie haben, nämlich als Vorstellung.


Zwar hast du mit deinem Post dargestellt, wie Gott auch mit getötet wurde; aber Gott ist nicht das, wofür du ihn damit hältst, zumindest nicht, wenn du es im Kontext eines "Gott ist tot" verstehen magst.

Um das darzustellen:
Die Äthertheorie sagt nichts über das Höchste, Beste und Erstrebenswerteste deines menschlichen Daseins aus. Die Äthertheorie gibt dir auch keine Anweisungen über die Lebensführung und zeigt dir keinen "goldenen Weg zum Glück" auf. Ja, eigentlich beschäftigt sich die Äthertheorie überhaupt nicht mit dem, was jeden Menschen angeht; zumindest ist die Anzahl der Menschen relativ gering, die sich näher mit den die Äthertheorie betreffenden Phänomenen auseinandergesetzt haben. Die meiste Zeit des Menschen hindurch(und nicht nur die letzten paar Jährchen, aus denen wir Schriftquellen haben) gingen ihn Betrachtungen darüber, wie das Licht sich im Raum fortpflanzt, eher weniger etwas an.

Dass du aber von Gott redest, wie von einer Theorie, zeigt, wie sehr dir Glauben fremd ist. Das war ja die Entwicklung, die der Glaube "an den alten Gott" genommen hat, dass Gott irgendwann so ein jämmerlicher Lückenfüller wurde. Götter sind nicht aus der Not entstanden, irgendetwas erklären zu müssen. Wie niedrig, würdelos und unmächtig ist denn auch ein Gott, der nur für die Lücken herhalten sollte, die bei der Erklärung von irgendeiner Erscheinung sich ergeben! ("Der Mensch denkt - und Gott lacht!" ein jüdisches Sprichwort)
Damals war Gott keine Theorie, nichts das irgendwie nur zur Erklärung herhalten sollte; es ging bei den Göttern um all das, was das Leben ausmacht: Entscheidungen, Sitten, Zielsetzungen, Hoffnungen, Gefühle und was euch noch alles einfällt.
Dass man heute Gott als eine Theorie versteht, um die Welt zu erklären: das zeigt es nur, dass Gott tot ist. Niemand glaubt mehr richtig! Gott irgendwo einsetzen ist kein Glaube, das ist... ich will jetzt nicht ausfällig werden.

"Der alte Gott" ist also tot. Dass es als Angst nicht jederman in die Knochen fährt, fürderhin ohne den vorgegebenen Horizont, der durch Gott gesetzt wurde, weiterleben zu müssen und nun all seines Fatums ledig sich zu befinden, liegt daran, dass all das, was auf jenem "Glauben an den alten Gott" sich gründetete - immer noch in uns fortlebt! Vielmehr zeigt sich auch, dass der spezielle Gottesglauben etwas nachträgliches ist und die eigentlichen Glaubenssätze, welche ihn möglich machten, durch den Verlust des "alten Gottes" nicht angegriffen wurden. Welche Glaubenssätze aber sind es denn, die den "alten Gott" möglich machten? - Und hier hakt Nietzsche eben weiter nach! Vor diesem Hintergrund ergibt vllt auch der Text aus der Götzendämmerung, welchen ich oben anführte, noch einmal mehr für euch her.
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