Kulturwandel

Kulturwandel

Beitragvon stine » So 10. Jan 2010, 12:53

Mit zunehmender Areligiösität ist in Mitteleuropa auch ein heftiger Kulturwandel zu erwarten, der teilweise auch heute schon spürbar ist. Traditonelle Lebensformen werden in Frage gestellt, verteufelt und neue Modelle ersonnen und sogar gefördert. Der Mensch als wandelbares Modell für unterschiedlichste Lebensgestaltungen.
Kann der Humanismus dem Egoismus ebenso die Stirn bieten, wie eine religiöse Erziehung dies kann?
Kann der Humanismus bleibende Werte schaffen oder unterliegt er nicht dem Wandel der Zeit, lässt sich biegen und formen, steckt seine Ziele nach Gutdünken fest und schadet letztlich den Menschen indem er die Freiheit des Einzelnen über die notwendigen Grenzen hinweg duldet?

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Re: Kulturwandel

Beitragvon xander1 » So 10. Jan 2010, 13:47

Das ist ja mal wieder ein interessantes Thema.

Was mir dabei gleich einfiel war, dass die Menschenrechte http://de.wikipedia.org/wiki/Menschenrechte http://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeine ... chenrechte http://de.wikipedia.org/wiki/Menschenrechtsabkommen ein zentraler Bestandteil des Humanismuses sind. Dann kommt mir der Gedanke, was die Werte der modernen Gesellschaft von den alten Werten unterscheidet. Kann man das abstahieren, insofern:

Die alten Werte betreffen kleine Personenkreise wie die Familie, die Ehe (Monotheismus)
Die neuen Werte sind globaler, betreffen die Gesellschaft als Ganzes. (Humanismus)

Aber was ist eigentlich wichtiger, das eigene Umfeld oder die Gesellschaft. Beides hat etwas mit einer unterschiedlichen Art eines unechten Altruismusses zu tun. Tatsächlich ist die Gesellschaft eine Konkurrenz zum Umfeld und zu einem selbst. Welcher Moral unterwirft man sich am ehesten?
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Re: Kulturwandel

Beitragvon platon » So 10. Jan 2010, 15:55

stine hat geschrieben:Kann der Humanismus dem Egoismus ebenso die Stirn bieten, wie eine religiöse Erziehung dies kann?

Wann und bei wem hat eine religiöse Erziehung je "dem Egoismus die Stirn geboten"?
Die Religionen haben den Menschen immer als etwas besonderes herausgestellt und ihm damit eine Handhabe gegeben, mit dem Rest der Natur zu machen, was ihm beliebt.
Das ist Egoismus pur! Mit dem Segen der Religionen!
Oder hast Du Angst - wie andere Religiöse - dass in einer atheistischen Gesellschaft zu Mord und Totschlag aufgefordert wird?
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Re: Kulturwandel

Beitragvon ujmp » So 10. Jan 2010, 19:04

stine hat geschrieben:Mit zunehmender Areligiösität ist in Mitteleuropa auch ein heftiger Kulturwandel zu erwarten, der teilweise auch heute schon spürbar ist. Traditonelle Lebensformen werden in Frage gestellt, verteufelt und neue Modelle ersonnen und sogar gefördert. Der Mensch als wandelbares Modell für unterschiedlichste Lebensgestaltungen.
Kann der Humanismus dem Egoismus ebenso die Stirn bieten, wie eine religiöse Erziehung dies kann?
Kann der Humanismus bleibende Werte schaffen oder unterliegt er nicht dem Wandel der Zeit, lässt sich biegen und formen, steckt seine Ziele nach Gutdünken fest und schadet letztlich den Menschen indem er die Freiheit des Einzelnen über die notwendigen Grenzen hinweg duldet?

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Das ist mal wieder so eine Sammlung von Suggestivfragen mit denen eine christliche Fundamentalistin den Leuten ihre Vorurteile unterjubelt.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon JustFrank » So 10. Jan 2010, 19:27

Merkwürdig, was Stine dem Christentum so alles zuschanzt, nicht wahr? Seltsam nur, dass wir all die Werte und Eigenschaften, die für Stine christlich sind, in allen anderen Gesellschaftsformen genauso vorkommen.

Handelt es sich etwa ganz einfach um menschliche Werte? Und sollten die etwa auch ohne Christentum funktionieren? Und wenn wir uns die ach so furchtbare, areligiöse Gesellschaft einmal anschauen; ist sie nicht viel offener, tolertanter und effektiver, als irgendeine Gesellschaft davor?

Wer sind denn die Fundamentalisten von heute? Die Dödel in Mekka, Teheran, Texas und Rom fielen mir da zuerst ein.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon xander1 » So 10. Jan 2010, 20:31

Im Christentum wird dem Menschen eine Gottesfurcht eingebläut.
Man soll sich an Regeln halten, weil man sonst durch Gott bestraft wird.
Die Regeln entsprechen einer speziellen Moral.
Die Moral soll für die ganze Gruppe gelten.
Damit gibt es ein festes Regelwerk und keine schwammige Moral wie im Atheismus.
Deshalb lässt es sich daran besser halten und weil den Menschen etwas eingeredet werden.
Die Christen halten sich wenn dann nur an die Moral, um nicht von anderen erwischt zu werden und falls sie wirklich an den Kram glauben, dann auf Grund der Gottesfurcht, vor Gott der alles sehen kann.

Damit sind Christen nicht moralischer, sondern findiger.
Eine unterdrückte Sexualität kann nur ausarten, in sowas wie die Mißbrauchsfälle in Irland z.B.

Damit glaubt sich die Kirche darin moralischer zu sein, weil sie an ihre Beeinflussungsstrategien glaubt. Es ist aber nicht für jeden ersichtlich wohin das ganze in der Realität alles führt.

Kommunistische und Christliche Ethik ist aufgezwungene. Und wenn jemand meint, dass so etwas nötig ist, dann nur weil er ein wenig Lebenserfahrung hat und Not zur aufgezwungenen Tugend erkennen will.

Atheistische Ethik ist auf freiwillgenbasis, liberal. Wir haben keine Predigten, die uns ständig eine Moral einreden wollen. Wobei ich sowieso nicht glaube, dass predigten wirklich moralischer machen, wenn man ein gewisses Alter erreicht hat.

Deswegen fangen die Christen schon bei Kleinkindern mit der Christenlehre an und Taufen Kinder früh. So verankert sich die Moral der Kirche besser in den Köpfen.

Aber sind die Atheisten wirklich so liberal? Die Menschenrechte sind teilweise in unserem Grundgesetz verankert. Man kann sie einklagen. Das kann man mit kirchlicher Moral nicht machen.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon stine » So 10. Jan 2010, 21:50

Der von mir so genannte Kulturwandel bezieht sich auf die Strukturauflösung traditioneller Werte wie Ehe und Familie.
Im christlichen Glauben sind das fundamentale Werte und auch nur hier finde ich das Wort fundamental angebracht. Eine Kultur die auf humanistische Vielfalt aufbaut sieht beliebige Verhaltensweisen für menschliches Miteinander vor.
Aus meiner Sicht müsste erst mal naturalistisch geklärt werden, für welche Art des Zusammenlebens der Mensch, durchaus als Tier betrachtet, eigentlich geschaffen ist: Rudel? lebenslange Einehe? Staatenbildendes Getier?
Taugt der Mensch für alle Zusammenlebensformen oder wird die eine oder andere eine ganze Generation scheitern lassen?

Christlich vorprogrammierte Menschen brauchen da nicht lange nachzudenken, denn Ehe und Familie gelten als Sakrament und sind daher untrennbar miteinander verbunden, es ist für sie kulturell die einzig richtige Lebensform. Mit dem Wegfall der christlichen Normen wird humanistisch herumprobiert und gutgeheißen, was auf den ersten Blick glücklich macht. Aber trägt das auch in die Zukunft?

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Re: Kulturwandel

Beitragvon smalonius » So 10. Jan 2010, 23:45

stine hat geschrieben:Kann der Humanismus dem Egoismus ebenso die Stirn bieten, wie eine religiöse Erziehung dies kann?

Ah, moment mal. Es heißt: "Liebe den Nächsten wie dich selbst."

Es heißt nicht: "Liebe dich selbst nicht." Und es heißt auch nicht: "Liebe den anderen mehr als dich selbst."

Ein gesunder Egoismus ist Voraussetzung für Humanismus. Egoismus ist dann gesund, wenn er auch den Egoismus anderer als statthaft ansieht. Daraus folgt unmittelbar der Humanismus.

stine hat geschrieben:Christlich vorprogrammierte Menschen brauchen da nicht lange nachzudenken, denn Ehe und Familie gelten als Sakrament und sind daher untrennbar miteinander verbunden, es ist für sie kulturell die einzig richtige Lebensform.

Wenn du von "Christen" sprichst, wen meinst du dann? Meinst du Leute, die sich auf die Evangelien beziehen? Oder meinst du Leute, die sich zur üblichen kirchlichen Interpretation bekennen?

Zumindest in meiner Ausgabe der Bibel kommt Familie eher schlecht weg bei dem, was so an Sprüchen Jesu überliefert ist. :ka:
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Re: Kulturwandel

Beitragvon platon » Mo 11. Jan 2010, 00:55

stine hat geschrieben:Christlich vorprogrammierte Menschen brauchen da nicht lange nachzudenken, denn Ehe und Familie gelten als Sakrament und sind daher untrennbar miteinander verbunden,

Ja, träum weiter. Wie viele Christen gibt es denn Deiner Meinung nach in Deutschland? 10000? Dann magst Du Recht haben. Die Anzahl der Scheidungen unter den "Christlich vorprogrammierten" unterscheidet sich nicht signifikant von denen, deren Speicher nicht vollgemüllt ist. Du machst Dir gewaltig was vor.
Die Anzahl der streng christlich erzogenen jugendlichen Mütter ist sogar deutlich höher als die der anderen.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon Mark » Mo 11. Jan 2010, 01:15

Das interessante an der Diskussion ist doch die Ursache der Ansichten auf religiöser Seite. Warum sind die humanistischen Werte so "unsichtbar" obwohl sie grösstenteils mit den Grundlehren der meisten Religionen übereinstimmen ?
Liegt das an der jenseitigen Straffreiheit ? Weil irdische Richter nicht als Wächter der Moral anerkannt werden ?
Die Kirchen haben doch stets versucht auf die irdische Gesetzgebung Einfluss zu nehmen...ist das nicht ein krasser Widerspruch zu der Beobachtung daß säkulare Gesetze auf laizistischer Basis in einem offiziell laizistischen Staat garnicht für "voll" genommen werden ? Muss es für die Kirchen also dringend eine Kombination aus religiösen Lehren und irdischen Regeln/Strafen sein ?
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Re: Kulturwandel

Beitragvon stine » Mo 11. Jan 2010, 07:48

Mark hat geschrieben:Das interessante an der Diskussion ist doch die Ursache der Ansichten auf religiöser Seite. Warum sind die humanistischen Werte so "unsichtbar" obwohl sie grösstenteils mit den Grundlehren der meisten Religionen übereinstimmen ?
Seit ich hier bin ist genau dies das Problem, das ich ansprechen möchte!
Ich "sehe" nicht, dass die Erziehung zum Humanismus irgendwo stattfindet. Stattdessen "sehe" ich, dass christliche Schulen den jungen Menschen "Werte" wie Hilfsbereitschaft, Respekt und Wahrheitsliebe beibringen, in humanisteischen Schulen jedoch das Chaos herrscht.
Ich vermisse immer noch die Alternative zur christlichen Erziehung. Der Wegfall religiöser Normen zieht so viel nach sich, dass man erst überlegen sollte, wie man dieses Loch stopfen möchte, bevor man es aufreißt. Nur Naturalist zu sein ist mir zu wenig. Ich finde, da fehlt noch etwas Grundlegendes, etwas, was aus dem Tier einen Menschen macht.

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Re: Kulturwandel

Beitragvon stine » Mo 11. Jan 2010, 08:32

smalonius hat geschrieben:Wenn du von "Christen" sprichst, wen meinst du dann? Meinst du Leute, die sich auf die Evangelien beziehen? Oder meinst du Leute, die sich zur üblichen kirchlichen Interpretation bekennen?
Wenn ich von Christen spreche, meine ich ganz "normale" Menschen, die weiter nichts anderes hinter sich haben, als eine dem christlichen Abendland entsprechende Erziehung: Taufe, Religionsunterricht und Kirchgang an Weihnachten und Ostern und die ihren Kindern auch mal eine kleine Bibelgeschichte zum Schlafengehen vorlesen, zB David und Goliath.

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Re: Kulturwandel

Beitragvon xander1 » Mo 11. Jan 2010, 14:49

stine hat geschrieben:die ihren Kindern auch mal eine kleine Bibelgeschichte zum Schlafengehen vorlesen, zB David und Goliath.

Ja und die Welt-Entstehungsgeschichte der Bibel, anstelle der einem Kinderlexikon. Ich frag mich wie man sich dann fühlt wenn man älter geworden ist und in der Schule Biologie hat und etwas anderes gelehrt wird.

Die Bibel kann gar nicht ernsthaft dessen Werte vertreten, wenn sie eigentlich schon lange widerlegt worden ist, nur will das niemand von den Christen wahr haben. Und hier im Forum streitet man sich darum wie man den Christen am Besten erzählen kann, dass etwas an ihrem Glauben nicht stimmt. Das ist doch lächerlich.

Die Bibel ist obsolet und das schon seit mehr als hundert Jahren. Deshalb ist der Humanismus eine Notwendigkeit geworden. Nur ob er so wie er ist gut ist, kann man natürlich in Frage stellen.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon Nanna » Mo 11. Jan 2010, 18:50

stine hat geschrieben:Ich "sehe" nicht, dass die Erziehung zum Humanismus irgendwo stattfindet. Stattdessen "sehe" ich, dass christliche Schulen den jungen Menschen "Werte" wie Hilfsbereitschaft, Respekt und Wahrheitsliebe beibringen, in humanisteischen Schulen jedoch das Chaos herrscht.

Woher die Information mit dem Chaos kommt, würde mich jetzt aber brennend interessieren. Ich habe jahrelang neben einer humanistischen Schule gelebt und von da auch Freunde gehabt, die mir alle recht normal erzogen vorkamen. Dann lass mal Quellen sehen. ;-)
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Re: Kulturwandel

Beitragvon Twilight » Mo 11. Jan 2010, 21:31

stine hat geschrieben:Der von mir so genannte Kulturwandel bezieht sich auf die Strukturauflösung traditioneller Werte wie Ehe und Familie.
Im christlichen Glauben sind das fundamentale Werte und auch nur hier finde ich das Wort fundamental angebracht. Eine Kultur die auf humanistische Vielfalt aufbaut sieht beliebige Verhaltensweisen für menschliches Miteinander vor.
Aus meiner Sicht müsste erst mal naturalistisch geklärt werden, für welche Art des Zusammenlebens der Mensch, durchaus als Tier betrachtet, eigentlich geschaffen ist [...]


Denkst du nicht, dass du die Ehe etwas überbewertest? Es mag ja ganz schön sein, wenn sich zwei Menschen ein Versprechen geben, füreinander da zu sein, sich gegenseitig zu unterstützen und das alles, denn das sind nicht nur sehr gute Fundamente für eine erfolgreiche Nachkommenaufzucht, sie praktischerweise obendrein auch das ganz alltägliche Leben und machen es angenehmer.
Aber was, wenn es eines Tages nicht mehr funktioniert? Ein Versprechen auf Lebenszeit halten zu können ist eine Frage des Zufalls. Demnach bedeutet ein solches Versprechen Heuchlerei, bestenfalls Ahnungslosigkeit. Glaubst du, jedes fundamentalistisch-christliche Ehepaar bleibt mehrere Jahrzehnte lang glücklich? Tut die Kirche etwas Gutes, wenn sie Menschen, für die die Anwesenheit des jeweils Anderen ein konstanter Störfaktor geworden ist, zwingt zusammenzubleiben?
Und wenn eine solche Beziehung berechtigt beendet werden darf, wo ist dann der Vorteil zu einer sogenannten "wilden Ehe", in der zwei Menschen sich einfach umeinander kümmern, solange sie sich noch etwas zu sagen haben und das auch wissen?

Abgesehen davon: Du suggerierst im Eröffnungsbeitrag, dass unveränderliche Werte gut, wandelbare dagegen schlecht sind. Zumindest verstehe ich die Frage
stine hat geschrieben:Kann der Humanismus bleibende Werte schaffen oder unterliegt er nicht dem Wandel der Zeit [...]?

so. Nun ist es aber nun mal leider Gottes so, dass sich die Randbedingungen immer wieder, mal stetig und kaum wahrnehmbar langsam, mal mit katastrophaler Geschwindigkeit ändern. Anpassbare Wertemodelle, deren einziges Fundament "Funktionsfähigkeit" heißt, sind hierbei die einzige Möglichkeit, Gesellschaften (nicht Gesellschaftsformen) aufrecht zu halten.
Traditionen halte ich zwar für durchaus nützlich, aber ich denke, man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass Traditionen nur abstrakte Werte sind, die das Leben verschönern können. Wenn sie nicht haltbar sind, sollte sich niemand gezwungen fühlen, sich ihnen unterwerfen zu müssen.

stine hat geschrieben:Ehe und Familie gelten als Sakrament und sind daher untrennbar miteinander verbunden

Ich würde dir fast zustimmen, wenn ich nicht glauben würde, dass du meinst, dass eine Familie nicht ohne Ehe sein kann. Was aber ist eine Ehe für dich? Ein Versprechen zweier Menschen, sich gegenseitig zu unterstützen? In dem Fall ist es ziemlich einfach. Viele Leute machen so etwas ohne Kirche oder Standesamt. Oder zählt der gesellschaftliche, bzw. religiöse Druck von außen mehr?

platon hat geschrieben:Die Religionen haben den Menschen immer als etwas besonderes herausgestellt und ihm damit eine Handhabe gegeben, mit dem Rest der Natur zu machen, was ihm beliebt.
Das ist Egoismus pur! Mit dem Segen der Religionen!

Ich würde das eher Egozentrik nennen. Während ein Egoist andere einfach als Rivalen um Ressourcen ansieht, kommt der Egozentriker (im Extremfall) noch nicht einmal auf die Idee, dass andere auch Bedürfnisse haben und Ansprüche anmelden könnten.
Die viel vertretene Ansicht vom Unterschied zwischen Menschen und Tieren deutet auf eine solche Ignoranz hin.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon xander1 » Mo 11. Jan 2010, 21:51

Das Problem was ich beim Humanismus sehe ist, dass wenn man dessen Moral anwendet weniger zurückbekommt, als wenn man eine monotheistische Moral anwendet, denn eine monotheistische Moral bezieht sich mehr auf die Menschen, die unmittelbar um einen herum sind.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon pluto » Di 12. Jan 2010, 00:25

xander1 hat geschrieben:Das Problem was ich beim Humanismus sehe ist, dass wenn man dessen Moral anwendet weniger zurückbekommt, als wenn man eine monotheistische Moral anwendet, denn eine monotheistische Moral bezieht sich mehr auf die Menschen, die unmittelbar um einen herum sind.


Hmmm, das ist doch eine (von mehreren) unhaltbare Hypothese die du hier aufstellst. Damit setzt du ohne die geringsten Belege voraus, dass 'Moral' monotheistisch induziert ist.
Schon mal dran gedacht, dass moralisches Empfinden vielleicht von Religionen aller Art - egal wie viele Götter im jeweiligen Pantheon rumlungern -instrumentalisiert wurde?

Für die Anwesenheit von z.B. Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeitsempfinden, Empathie, Loyalität oder Altruismus auch ohne jede Gläubigkeit gibt es sehr wohl wissenschaftliche Belege und Theorien wie sich das entwickelt haben kann - vor allem wenn es um Mitglieder der eigenen Gruppe geht.
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Re: Kulturwandel

Beitragvon Mark » Di 12. Jan 2010, 02:17

Auf welcher Grundlage sollte denn auch schon ein Gott seine Moral gründen welche er den Menschen beibringen möchte ?
Hat er sich das auf der grünen Wiese ausgedacht bevor er den irgendwie einigermaßen passenden Menschen dazu ersann oder umgekehrt an die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten eines angeblich willensfreien Menschen angepasst den er zuvor erschaffen hatte ? Muss denn nicht die Moral wandelbar sein an die veränderlichen Absichten und Bedürfnisse der Menschen in den jeweiligen Kontexten / Zeitaltern ?
Ein sich entwickelnder Mensch in einem göttlich vorgegebenen und absolut unveränderlichen Moralkäfig... so pervers muss man erst mal drauf sein um sich sowas auszudenken...
Wenn wenigstens mal fortschrittlichere Theologen anfangen würden von der Moral der Moralveränderung zu sprechen, von den Regeln der Regelanpassung. Aber wer auf Metaebene denken kann gibt sich wohl nur selten mit Theologie ab. Wird Reflektion in christlicher Demutdenke als Eitelkeit angesehen ? Oder schon als Blasphemie ?
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Re: Kulturwandel

Beitragvon stine » Di 12. Jan 2010, 07:42

pluto hat geschrieben:Für die Anwesenheit von z.B. Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeitsempfinden, Empathie, Loyalität oder Altruismus auch ohne jede Gläubigkeit gibt es sehr wohl wissenschaftliche Belege und Theorien wie sich das entwickelt haben kann - vor allem wenn es um Mitglieder der eigenen Gruppe geht.
Diese Eigenschaften sind immer religiösen Ursprungs. Es kann sich dabei auch durchaus um Naturreligionen handeln. Sie sind Folge tieferen Denkens.
Das Tier (Mensch) an sich ist nämlich immer nur an seinem eigenen Fortkommen, maximal an dem seiner eigenen Sippschaft interessiert.

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Re: Kulturwandel

Beitragvon stine » Di 12. Jan 2010, 08:25

Mark hat geschrieben:Wenn wenigstens mal fortschrittlichere Theologen anfangen würden von der Moral der Moralveränderung zu sprechen, von den Regeln der Regelanpassung. Aber wer auf Metaebene denken kann gibt sich wohl nur selten mit Theologie ab.
Das würde ich nicht sagen. Viele Theologen sind heute sehr wohl in der Lage zu erkennen, dass das starre Gerüst oft nicht mehr zeitgemäß ist. Aber es ist ein Gerüst - ein Rahmen - Ideale. Innerhalb dieser Vorgaben ist es möglich seine Welt zu gestalten.

Es ist wie mit den Steuern: Klar kann man sich um einiges herumschummeln, aber bezahlt werden müssen sie, sonst funktioniert das System nicht mehr. Am besten funktionierte es, wenn jeder zahlte, was er zahlen müsste, denn wo hinterzogen wird bezahlt ein anderer für ihn.

Je enger die Grenzen, umso weniger Schaden bei Grenzüberschreitungen. Das kann für Theologen nur bedeuten, dass das Ideal strikt weiter gepredigt werden muss.

Twilight hat geschrieben:Denkst du nicht, dass du die Ehe etwas überbewertest?
Die Ehe ist ein Gesetzeskonstrukt, das zwei Menschen zur Familie macht. Das ist mehr, als nur Freundschaft oder Liebesbeziehung. Natürlich ist auch mir bewusst, dass es nicht einfach ist ein ganzes Leben miteinander zu verbringen, denn heutzutage ist Sport, Spiel, Spannung angesagt und das möglichst rund um die Uhr. Wer nicht mehr funktioniert wird abgesägt und ist damit selber schuld. Arbeitgeber machen das vor und wir machen das nach. Eine Ehe sollte aber wenigstens dafür halten, Kindern die notwendige Sicherheit zu geben, die sie zum Wachsen und Gedeihen brauchen.

Hier wird viel von Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeitsempfinden, Empathie, Loyalität gesprochen, alles anscheinend urmenschliche Eigenschaften die keinerlei Anerziehung benötigen, die einfach jeder mitbringt. Wäre es so, dann stellte sich die Frage, wie kann es sein, dass es heute soviele Alleinerziehende gibt und warum soviele Ehen in die Brüche gehen sobald Probleme oder Nachbars Töchterlein aufkreuzen?
Diese Eigenschaften sind also nicht per se menschliche Eigenschaften und wenn, dann schlummern sie wohlverborgen unter der rauhen Schale und müssen erst an die Oberfläche befördert werden. Verantwortung für sich und andere übernehmen ist ein Zeichen des erwachsen werdens und das ist heute vielen abhanden gekommen.

Wer von Kindheit an keine Regeln beachten muss und nicht lernt gewisses Kulturgut, Rituale zu pflegen, wer sich durch alles hindurchwinden kann und keinen Respekt anerzogen bekommt, der kann als Erwachsener auch nur schlecht Verantwortung übernehmen und sich selber mal zurückstellen.
Wir haben inzwischen eine Elterngeneration die selbst schon im Wohlstand erzogen wurde und Konsumgüter als Liebesersatz im Kinderzimmer hatte, sie wollen und können teilweise gar nicht empfinden, was ihre Kinder wirklich brauchen. Bildung und Förderung der Fähigkeiten bei den Kleinstkindern dient nur der Selbstdarstellung und ist kein liebevoller Umgang und kein Ersatz für Geborgenheit. Ehe und Familie mögen veraltet sein, aber sie gelten immer noch als Fundament, das Kindern Sicherheit gibt und liebevolle Atmosphäre.

Eine Konsumgütergesellschaft die nicht mehr stillsitzen kann, bezahlte Leistung zur eigenen Anerkennung braucht, kann nicht behaupten, dass für Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeitsempfinden, Empathie, Loyalität noch Raum bleibt, wenn sie nicht explizit diese Eigenschaften bewusst weitergibt.

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