Gesundheitssystem

Gesundheitssystem

Beitragvon stine » Mi 10. Feb 2010, 07:59

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Unser Gesundheitssystem ist inzwischen zu einem Wirtschaftszweig geworden, der nicht mehr wegzudenken ist, längst geht die medizinische Versorgung über ein Mindestmaß der Überlebenssicherung hinaus.
Pharmazie und Apparatemedizin, Dienstleistung in allen Bereichen, das sind Arbeitsplätze ohne Ende, die im Lande bleiben müssen, wenn sie hier Sinn machen sollen.
Dass so ein komplexes System nicht über prozentuale Lohnabgaben einiger weniger bezahlt und aufrecht gehalten werden kann ist eigentlich logisch. Immer mehr kommt das Gefühl auf, dass nur noch Verwaltung und Pharmazie von den Beiträgen profitieren, denn längst muss sich der Patient viele Leistungen trotz hoher Kassenbeiträge selbst bezahlen.

Kann ein pauschaler Gesundheitsbeitrag der von allen verlangt wird dieses System noch retten?
Gesundheitssteuer für alle?

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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon stine » Mi 10. Feb 2010, 13:38

Zusätzliche Gesundheitssteuern auf Wintersportgeräte oder Liftkarten, auf Alkohol und Zigaretten, auf Sporträder und Sportautos, auf fette und zuckerhaltige Lebensmittel (Mindestgehalt), auf Fastfood, auf Urlaubsreisen in bedenkliche Länder, auf Discobesuche usw usf.
Auf alles was die Gesundheit beeinträchtigen könnte. Schließlich bedient man damit eine ganze Industrie.
Ich finde das durchaus eine Überlegung wert.

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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon Zappa » Mi 10. Feb 2010, 16:49

stine hat geschrieben: Kann ein pauschaler Gesundheitsbeitrag der von allen verlangt wird dieses System noch retten?


Dazu von mir ein klares Jein :mg:

Die Probleme sind komplex, sowohl auf Einnahme- als auch auf der Ausgabenseite. Außerdem drängen Lobbyisten heftig in die Entscheidungsprozeduren. Der Gesundheitsbeitrag ist ein Mosaiksteinchen, nicht mehr und nicht weniger.

Der pauschale Gesundheitsbetrag kann richtig angewendet Vorteile haben, insbesondere kann er sozial gerechter und unbürokratischer sein, als das jetzige System. Im Moment liegt das Hauptproblem darin, dass das System nicht so gerecht ist, wie es auf den ersten Blick ausschaut. Durch die Beitragsbemessungsgrenze, werden vor allem mittlere Löhne unangemessen hoch belastet. Die sehr hohen Einkommen tragen prozentual weniger bei. Bei einem Pauschbetrag mit einer steuerfinanzierten Gegenfinanzierung könnte man dem entgegenwirken. Vor allem aber würde man das Problem der lohnabhängigen Finanzierung dieses Sozialsystems lösen können, ein Hauptproblem der heutigen Sozialversicherungen. Dieses System muss zusammenbrechen, insofern sind Lösungen die die lohnabhängige Finanzierung ablösen zwingend.

Man kann das System aber auch wirkungsvoll ungerecht konstruieren, mal sehen wie es konkret aussieht.

Die Ausgaben sind ein weiteres Problem, insbesondere die Arzneimittelausgaben steigen offensichtlich unaufhaltsam. Hier gibt es - sachlich begründete - Auseinandersetzungen zwischen Regulierern ("mehr Staatsmedizin") und Anhängern des Marktes ("mehr Wettbewerb"). Ich bin für mehr Wettbewerb wo möglich.

Zu den "Gesundheitssteuern": Steuern erhebt man, weil man Geld braucht. Da braucht man nicht noch zu moralisieren.
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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon stine » Mi 10. Feb 2010, 17:15

Könnte es nicht auch sein, dass die privaten Kassen den öffentlichen Gemeinsinn unterwandern?
Ich denke, dass geprüft werden müsste, ob sich höhere Einkommen der gesetzlichen Kasse überhaupt entziehen dürfen, weil das System nur funktionieren kann, wenn ALLE im Boot sitzen. Beamte wie Unternehmer.

Sonst müsste man gerechterweise sämtliche Lohnnebenkosten daraufhin überprüfen, ob sie in "private" oder in staatliche Kassen fließen sollen.

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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon xander1 » Mi 10. Feb 2010, 18:53

stine hat geschrieben:Zusätzliche Gesundheitssteuern auf .... Zigaretten,.... zuckerhaltige Lebensmittel (Mindestgehalt), auf Fastfood, ....

Dem widerspreche ich. Schlanke Nichtraucher kosten dem Renten- und Krankenkassensystem am meisten und dicke und raucher sind am billigsten. Denn wer früher stirbt ist kürzer krank und im Alter kostets den Kassen in die eingezahlt wurde am meisten. Nachweis: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mens ... 57,00.html

Wenn es danach geht müsste man fette und zuckerhaltige Nahrung und Zigaretten subventionieren, damit mehr früher sterben und woanders Geld gesparrt wird.
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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon stine » Do 11. Feb 2010, 09:23

Ich wollte hier nicht wieder die Debatte auftun, wer mehr oder weniger zahlen soll, Gesunde gegen chronisch Kranke, das nervt nicht nur mich selber, sondern auch andere.

Ursprünglich ging es mir nur darum, dass es zu erkennen gilt, dass heute fast jeder dritte Arbeitsplatz unmittelbar mit der Gesundheit zusammenhängt. In der Nähe von großen Kliniken dürfte es sogar jeder zweite Arbeitsplatz sein. Das ist gut und wertvoll. Einzig die Art und Weise wie sich das finanzieren soll steht in Frage.
Ist das Prinzip gesetzliche Krankenkassenbeiträge überholt, wenn nicht alle einzahlen und schadet es unserer Wirtschaft, wenn wir Arbeitgeberanteile weiterhin gesetzlich festlegen?
Müsste das Gesundheitssystem nicht überhaupt ein steuerfinanziertes sein und Zusatzversicherungen freigestellt werden?
Kann man solch komplexes System überhaupt für alle gleichermaßen komfortabel aufstellen?

Prinzipiell geht es doch darum, einen kompletten Wirtschaftszweig total staatlich finanzieren zu wollen.
Und wenn das so ist, warum brauchen wir den Verwaltungsapparat Krankenkasse als Zwischenhändler?

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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon xander1 » Do 11. Feb 2010, 10:07

Wir brauchen einige wenige Krankenkassen damit es Konkurrenz gibt, aber es gibt zu viele.
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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon stine » Do 11. Feb 2010, 11:36

Wir brauchen im gesetzlichen Bereich vielleicht überhaupt keine Krankenkasse mehr, wenn der Gesetzgeber die Grundversorgung festlegt, was er ja zum Teil ohnehin schon macht, dann ist doch jede weitere Institution die zusätzlich von diesen Geldern zehrt völlig überflüssig. Ein Versicherungssystem, wie beim Auto, sozusagen zusätzliche Voll- oder Teilkasko, müsste dann jeder selber wählen. Hierzu bedarf es Krankenversicherungen auf freiwilliger Basis, die dann aber auch selbst bezahlt werden müssten.

Imgrunde läuft es doch eh schon so oder so ähnlich. Es fehlt einfach die letzte Konsequenz sich dies öffentlich einzugestehen und die gesetzliche Krankenkasse zu entlassen, die Zwangsbeiträge zu stoppen und die Bevölkerung zu informieren.

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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon ujmp » So 14. Feb 2010, 19:35

stine hat geschrieben:Kann ein pauschaler Gesundheitsbeitrag der von allen verlangt wird dieses System noch retten?

Das Konzept dient, wie alles was die FDP anfasst, der Umverteilung von untern nach oben.

M.E. sollten die Kassenbeiträge prozentual vom Einkommen abhängen, und zwar unbegrenzt. Kassenbeiträge sind eigentlich Solidarbeiträge und keine Privatinvestition. Wer mehr von der Gesellschaft profitiert, sollte auch mehr bezahlen. Der pauschale Gesundheitsbeitrag hebelt das Solidarprinzip aus.
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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon platon » Mo 15. Feb 2010, 11:32

stine hat geschrieben:Kann ein pauschaler Gesundheitsbeitrag der von allen verlangt wird dieses System noch retten?

Wer - außer der FDP - sind denn noch alle, die die Kopfpauschale fordern? Oder soll Deine Formulierung "der von allen verlangt wird" heißen: den alle zahlen müssen?
Kannst Du mir sagen, ob die FDP bereits ausgerechnet hat, wie hoch diese Kopfpauschale sein soll und wie die zumutbare Belastung aussehen soll? Das ist nämlich absolut entscheidend für die Höhe der Steuermittel, die in das System hineingepumpt werden müssen.
Im übrigen hat die Schweiz, die als einziges Land Europas die Kopfpauschale eingeführt hat, die höchsten privaten Gesundheitskosten zusätzlich zu den der Krankenkassenprämien, die ebenfalls exorbitant hoch sind und seit vielen Jahren deutlich stärker als die Löhne und das BIP steigen.
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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon Zappa » Mo 15. Feb 2010, 18:28

platon hat geschrieben:Im übrigen hat die Schweiz, die als einziges Land Europas die Kopfpauschale eingeführt hat, die höchsten privaten Gesundheitskosten zusätzlich zu den der Krankenkassenprämien, die ebenfalls exorbitant hoch sind und seit vielen Jahren deutlich stärker als die Löhne und das BIP steigen.


Wobei ich nicht denke, dass das eine mit dem anderen sehr viel zu tun hat. Die Gesundheitsprämie soll ja lediglich die Krankenversicherungskosten von den Löhnen abkoppeln, was ich prinzipiell für eine gute - wenn nicht unabdingbare - Idee halte.

Die Kosten eines Gesundheitswesens haben wenig mit der Finanzierungsgrundlage, aber sehr viel mit der Ausgabensteuerung zu tun. In einen geschickt austarierten System könnte die Einnahmeseite die Ausgabenseite lenken, ein solches System gibt es meiner Meinung nach aber nicht, da im Gesundheitssystem Marktmechanismen nur schlecht greifen. So schwanken die Systeme zwischen teurem, freien Markt mit schlechtem Service für arme (USA) bis hin zu preiswerteren, hochregulierten und daher in Teilbereichen sehr ineffizienten (NIH in GB) Strukturen.

Im übrigen zahlt die Schweiz (auch unter Berücksichtigung des anderen Steuersystems und der höheren Lebenshaltungskosten) deutlich besser, weswegen tausende von deutschen Ärzten in der Schweiz arbeiten.
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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon Kurt » Mo 15. Feb 2010, 18:29

stine hat geschrieben:Müsste das Gesundheitssystem nicht überhaupt ein steuerfinanziertes sein und Zusatzversicherungen freigestellt werden?


Ist doch de facto schon so. Die Krankenversicherung ist gar keine Versicherung sondern eine Steuer. Eine Versicherung berechnet die Prämie nach Schadenshöhe und -wahrscheinlichkeit. Eine Steuer bemisst sie am Einkommen.

stine hat geschrieben:Kann man solch komplexes System überhaupt für alle gleichermaßen komfortabel aufstellen?

Ja.

stine hat geschrieben:warum brauchen wir den Verwaltungsapparat Krankenkasse als Zwischenhändler?

Weil die Kassen in Wettbewerb zueinander stehen und unterschiedlich effezient arbeiten. Das sollte schon so bleiben.
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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon Kurt » Mo 15. Feb 2010, 18:34

ujmp hat geschrieben:M.E. sollten die Kassenbeiträge prozentual vom Einkommen abhängen, und zwar unbegrenzt. Kassenbeiträge sind eigentlich Solidarbeiträge und keine Privatinvestition. Wer mehr von der Gesellschaft profitiert, sollte auch mehr bezahlen. Der pauschale Gesundheitsbeitrag hebelt das Solidarprinzip aus.


Kann man schon so sehen. Sollte das deiner Meinung nach auch für die KFZ-Versicherung gelten? ;-) Der Arme kann sein Auto umsonst schrotten, der Reiche zahlt gleich den Neupreis des Wagens als Prämie.

Im Ernst: Ich finde, wir sollten einen verpflichtenden Grundtarif für alle machen, zum Einheitspreis. 200 Euro pro Monat fände ich angemessen. Die Kassen stünden dann im Wettbewerb zueinander, was sie zu diesem Preis liefern. Jeder "Kunde" muss genommen werden. Wem seine Gesundheit mehr wert ist, der kann sich privat zusatzversichern.
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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon ujmp » Mo 15. Feb 2010, 19:55

Kurt hat geschrieben:Im Ernst: Ich finde, wir sollten einen verpflichtenden Grundtarif für alle machen, zum Einheitspreis. 200 Euro pro Monat fände ich angemessen. Die Kassen stünden dann im Wettbewerb zueinander, was sie zu diesem Preis liefern. Jeder "Kunde" muss genommen werden. Wem seine Gesundheit mehr wert ist, der kann sich privat zusatzversichern.


Das Trick an diesem Konzept ist nicht die untere Grenze, sondern die obere. Diese Regelung hat das Ziel, denjenigen, die viel verdienen eine bessere Versorgung zu ermöglichen, da die sich neben den 200 Euro natürlich noch andere Versicherungen leisten können. Die einkommensabhängig höheren Beiträge fehlen in der Gemeinschaftskasse dann aber, so dass sich für sehr viele Menschen die Versorgung verschlechtern wird.

Die Konsequenz wird sein, das weniger betuchte Menschen an Krankheiten krepieren, deren Heilung sich die Besserverdiener leisten können. Dann heißt es eines Tages "Ja, die Medikamente gegen ihre Schmerzen gibt es, die sind aber bei ihnen nicht mit drin im Preis." - Und wenn eine Unterschichtenkind mit einem komplizierten Knochenbroch operiert werden soll, lässt man das halt einen machen, zu dem die Reichen nicht hinwollen, weil er so schlecht ist oder weil da an der OP nicht so viel zu verdienen ist, usw. usw..

Das ist - ganz im Ernst - etwas anderes, als ein kaputtes Auto. Bei der FDP kann man immer davon ausgehen, dass es ihnen nur um Umverteilung von Unten nach Oben geht - egal wie schön es erstmal klingt.
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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon Nanna » Mo 15. Feb 2010, 22:56

Einige haben hier etwas vom Wettbewerb der Kassen geschrieben: Dem ist entgegenzusetzen, dass es nur sehr wenige Wechselwillige gibt, der Wettbewerb unter den Kassen also wahrscheinlich nicht kompetetiv genug ist, um ihn funktionierend zu nennen. Hinzu kommt, dass die Unterschiede zwischen den Kassen oftmals nicht besonders groß sind, ein Wechsel sich daher meist, wenn überhaupt, nur kurzfristig rechnet.
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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon ujmp » Mo 15. Feb 2010, 23:12

Der Wettbewerb wird doch noch geringer, wenn Einheitsbeiträge eingeführt werden. Den Kassen kann es ja ganz egal sein, wieviel das Gesundheitswesen kostet, sie erhöhen einfach die Beiträge, wenn das Geld nicht langt. Deshalb gehen sie mit unsren Kassenbeiträgen auch nicht marktwirtschaftlich sinnvoll um. Eigentlich müssen die Kassen den Pharma-Lieferanten wegen ihrer Apothekenpreise auf die Finger klopfen - aber ganz im Gegenteil, sie lamentieren noch mit.
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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon Nanna » Mo 15. Feb 2010, 23:57

Nicht, dass das falsch verstanden wird: Ich bin für den Wettbewerb, die Frage ist nur, wie der sich mehr ankurbeln ließe.
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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon smalonius » Di 16. Feb 2010, 18:28

stine hat geschrieben:Ich wollte hier nicht wieder die Debatte auftun, wer mehr oder weniger zahlen soll, Gesunde gegen chronisch Kranke, das nervt nicht nur mich selber, sondern auch andere.

stine hat geschrieben:Ein Versicherungssystem, wie beim Auto, sozusagen zusätzliche Voll- oder Teilkasko, müsste dann jeder selber wählen. Hierzu bedarf es Krankenversicherungen auf freiwilliger Basis, die dann aber auch selbst bezahlt werden müssten.

Ich befürchte, daß ich mit folgendem Post ziemlich anecken werde. Vielleicht täusche ich mich auch. Mal sehen. Jedenfalls ist unser Gesundheitssystem etwas, über das ich mich fürchterlich aufregen kann.
:motz:

Kürzlich berichteten die Medien, daß die Deutschen im Jahr durchschnittlich 18 mal zum Arzt gehen. 18 mal? So oft gehe ich in einem Jahrzehnt nicht zum Arzt. Ich bin fast nie krank, und wenn ich mal krank bin, lege ich mich drei Tage ins Bett, dann ist es normalerweise wieder vorbei. Wie geht der Spruch? "Unbehandelt dauert ein Grippe zwei Wochen, mit Behandlung 14 Tage."

Und dafür soll ich drei- oder vierhundert Euro monatlich an die "Solidargemeinschaft" abdrücken? Wer ist mit mir solidarisch? Wer sagt: "hey, smallie geht kaum je zum Arzt, dem geben wir jetzt einen fetten Rabatt!"

Wenn ich mir vorstelle, solche monatlichen Beträge anzulegen, von 25 bis 65, dann hätte ich, mit Zins und Zinseszins ( :pfeif: ) bei Renteneintritt ein ansehnliches Vermögen angespart.

Krankenversicherung, so wie wir sie haben, ist ein Vollkasko-System. Das ist schlecht. Das führt zur Vollkasko-Mentalität. Wenn ich sowieso meine Beiträge zahlen muß, dann schröpfe ich das System, soweit es geht. Was das System natürlich irgendwann erschöpft. Tragedy of the Commons, schon wieder.

Das war mein erster Punkt.

Der zweite ist: unser Gesundheitssystem verträgt sich nicht mit meiner radikal-liberalen Weltanschauung.

Apothekenpflicht? Verschreibungspflicht? Geht's noch? Wieso kann mir irgendein Laffe vorschreiben - verschreiben - was ich zu tun und zu lassen habe? Es gibt genügend Mediziner, die homöopathische Mittel verschreiben. Und solchen Leuten soll ich ausgeliefert sein?

Ich zahle, also bestimme ich, wo's langgeht. Bild

Neuerdings ist sogar Johanniskraut ab einer gewissen Dosis verschreibungspflichtig. Das Argument bei diesem Beschluß war, wer Johanniskraut will, ist depressiv - und das muß ärztlich behandelt werden. Also Verschreibungspflicht.

Der dritte Punkt trifft die Pharmaindustrie und das Medizin-Business. Ex-Kanzler Schrödinger hat sich von der Industrie mit 400 Mio. bestechen lassen - nicht sich persönlich, die Summe wanderte in seinen Bundeshaushalt. Die geplante Ausschlußliste kassenfinanzierter Medikamente wurde daraufhin vertagt. Medikamentenpreise in Deutschland sind überdurchschnittlich hoch. (Diese Behauptung fordert eigentlich einen Beleg. :ops: Ebenso wie stines "jeder dritte Arbeitsplatz" einen Beleg fordern würde. :pfeif:)

In England gibt es ein System, das Medikamentenpreise und Behandlungsmethoden bewertet. In Deutschland wäre eine solche Forderung skandalös. Wir haben noch viel zu lernen. (Den Zustand des englischen NHS lasse ich als Gegenargument nicht gelten. :Präventivschlag: )

the NHS [National Health Service] budget is finite, and an extra year of life for a myeloma sufferer goes at the expense of others — it could mean a baby's life in an area with high infant mortality, no decent palliative care for other terminally ill patients, or no new diagnostic equipment for a hospital. It's hard to make fair decisions without some sort of rational measure, [...]

Using maths to place a value on life seems distasteful [...]

http://plus.maths.org/latestnews/may-au ... index.html

Letztlich ist es aber notwendig, irgendwo eine Grenze zu ziehen, was bezahlt werden soll. Wer meint, seine Kasse müsse alles medizinisch Mögliche finanzieren, soll seinen eigenen Klub aufmachen und mich nicht zwangsrekrutieren. Wenn ich mal am krepieren bin, dann lieber Palliativmedizin als nach der dritten Operation inmitten von Apparaten letzlich doch zu sterben.

Ein Beispiel, für Pseudo-Medizin, die gesellschaftlich durchsetzbar ist: Psychopharmaka sind nur zu 10% besser als Placebos. Großartig. Und ich muß diesen Unsinn mitfinanzieren. Ich sollte mir Pharma-Aktien kaufen, um wenigsten etwas von dem überreifen Rahm abzuschöpfen.
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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon Zappa » Di 16. Feb 2010, 18:40

ujmp hat geschrieben:
Das Trick an diesem Konzept ist nicht die untere Grenze, sondern die obere. Diese Regelung hat das Ziel, denjenigen, die viel verdienen eine bessere Versorgung zu ermöglichen, da die sich neben den 200 Euro natürlich noch andere Versicherungen leisten können.


Sorry, so einfach ist das nicht. Zunächst einmal soll ja ein Risiko abgesichert werden (das bei weniger gut Verdienenden übrigens höher ist und nicht nur, weil die Gesellschaft so gemein und ungerecht ist, sondern vielmehr, weil die Leute sich aus eigener Dumpfheit massiv selbst gefährden).

Nun kann man sich natürlich erst einmal fragen ob und in welchem Umfang jemand für die Risiken bezahlen soll, die ein anderer eingeht (Alkohol, Drogen, mit tiefergelegtem 3erBMW und 120 über die Landstrasse, Extremsport aller Art, Fettsucht, mangelnde Bewegung, Impfgegner etc. pp.). Ich denke jeder wird einsehen, dass hier die Solidarität irgendwann auch berechtigterweise ihre Grenzen hat.

Aber selbst wenn man sich entscheidet in Grenzen in dem System umzuverteilen, bleibt zu bedenken, dass dann nur die Lohnbezieher betroffen sind und nicht die Einkommen anderer Art und übrigens auch nicht die Beamten. Deswegen ist die Idee einer Gegenfinanzierung über Steuern wesentlich gerechter!

ujmp hat geschrieben:Bei der FDP kann man immer davon ausgehen, dass es ihnen nur um Umverteilung von Unten nach Oben geht - egal wie schön es erstmal klingt.


Klare Weltsicht aber etwas einseitig ...
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Re: Gesundheitssystem

Beitragvon Zappa » Di 16. Feb 2010, 18:50

smalonius hat geschrieben:Kürzlich berichteten die Medien, daß die Deutschen im Jahr durchschnittlich 18 mal zum Arzt gehen. 18 mal? ... Vollkasko-Mentalität.


So sieht es durchaus aus, manche reden von der Gesundheitsflatrate :mg:

smalonius hat geschrieben:In England gibt es ein System, das Medikamentenpreise und Behandlungsmethoden bewertet. In Deutschland wäre eine solche Forderung skandalös.


Gibt es (in Grenzen): http://www.iqwig.de/ und http://www.g-ba.de/

smalonius hat geschrieben:(Den Zustand des englischen NHS lasse ich als Gegenargument nicht gelten. :Präventivschlag: )


Feigling :down:

Allerdings weisst Du wohl auch warum, denn dass NHS ist als System gescheitert. Wartezeiten von mehreren Jahren auf OP, reiche Engländer, die sich für cash von eingeflogenen Ärzten am Wochenende operieren lassen oder ethisch hochproblematische Grenzziehungen (Operationen und Dialyse nur bis zu einem gewissen Alter) sprechen da ja wohl für sich. Auf jeden Fall ist DAS System qualitativ um Ecken schlechter als das unsere (OK, auch preiswerter).

smalonius hat geschrieben: Wenn ich mal am krepieren bin, dann lieber Palliativmedizin als nach der dritten Operation inmitten von Apparaten letzlich doch zu sterben.


Das sagen viele - vorher :veg:
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