Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon Nanna » Fr 19. Feb 2010, 20:08

Dissidenkt hat geschrieben:Genau da haben wir ein Hauptproblem unserer Schulen. Sie sind eben nicht Schülerzentriert, sondern Lernstoffzentriert. 30 Kinder werden zum Zeitpunkt xy in einen Raum gesperrt und gezwungen sich für etwas zu interessieren, was in der Regel mit ihrer Neugier und Lebenswirklichkeit gar nichts zu tun hat. 45 Minuten müssen sie sich für Algebra begeistern, dann 45 Minuten für Napoleon, dann 45 Minuten Nildelta, etc...


Die Grundschulen gehen bereits solche Wege, oftmals gibt es kaum mehr Frontalunterricht und viele Kinder können sich ihre Aufgaben innerhalb einer Woche frei einteilen.
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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon smalonius » Fr 19. Feb 2010, 21:26

Nanna hat geschrieben:Du kannst zwar sehr schön Einzelfälle zitieren, die demonstrieren, dass es Fehlentwicklungen gibt, aber worauf ich warte, ist, dass du mir prinzipiell aufzeigst, warum Heimunterricht dem Ziel, dass JEDES Kind sich frei entfalten kann, dienlicher ist, als staatlicher Unterricht, der im Gegensatz zu ersterer Unterrichtsform öffentlich überwacht werden kann. Es heißt NICHT, dass jeder staatliche Unterricht dazu geeignet ist.

Hausuntericht könnte man ebenfalls staatlich überwachen. Sollte man sogar durch standardisierte Leistungstests.

Bundesweit einheitliche Bewertung von Schulleistungen steht jedenfalls immer noch aus. :pfeif:

Ich hab mich über das Thema schon mal ausgelassen. Und meine Ami-Freunde zitiert.
viewtopic.php?f=29&t=3270&p=60907


Nanna hat geschrieben:Solche Normen sind immer ein Kompromiss zwischen den Bedürfnissen des Individuums und des Kollektivs.

Ich sehe nur, daß sich das Kollektiv erlaubt, einzelnen - und vernünftigen - Menschen vorzuschreiben, was sie zu tun haben.

Nanna hat geschrieben:Der Staat - zumindest ein Staat wie die BRD muss diesen Anspruch haben - muss außerdem sicherstellen, dass seine Mitglieder sich im Rahmen der Möglichkeiten, die innerhalb des gesetzlichen Rahmens geboten werden können, frei und nach individueller Vorliebe entwickeln können. Nach eigener Vorliebe bedeutet nicht nach Vorliebe der Eltern!

Die Kinder sind nämlich als individuelle Menschen und nicht als halbmenschliche Anhängsel ihrer Erzeuger in erster Linie Staatsbürger und in zweiter Linie die Kinder ihrer Eltern, nicht andersherum!

Kinder sind nicht in erster Linie Staatsbürger. Kinder sind in erster Linie Menschen. Weder der Staat noch die Eltern haben hier ein Zugriffsrecht.

Man muß verhindern - soweit möglich - daß Eltern zuviel Macht über Kinder ausüben. Man sollte auch verhindern, daß der Staat Kinder zwangserzieht.

Nanna hat geschrieben:Der Staat als Insititution, die keinerlei persönliche Vorlieben für Einzelpersonen haben darf und alle seine Staatsbürger gleichermaßen schützen muss - zur Not auch vor den eigenen Eltern - hat daher das Recht, verbindliche Erziehungsstandards nach seinen Regeln in einem demokratischen Prozess und flankiert von Grundgesetz und Menschenrechten festzulegen. Das individuelle Entfaltungsrecht des Kindes wiegt viel höher als das Interesse der Eltern ihre Meinung auf die nächste Generation zu prägen.

Das Grundgesetz ist für'n Arsch. Viele Staatsmänner haben es ignoriert.

Keine Macht für niemanden. ;-) Weder für den Staat über Eltern, noch für den Staat über Kinder, noch für Eltern über Kinder.

Nanna hat geschrieben:Ich hätte auch noch ein paar Fragen:
Woher kommt der Glaube, einmal "erfolgreich" Geschlechtsverkehr zu haben und ein Kind auf die Welt zu bringen, befähige dazu, selbiges auch erfolgreich zu erziehen?

Woher kommt der Glaube, daß ein erfolgreiches Lehramtsstudium Leute dazu befähigt Kinder zu erziehen? Da gibt es ebenfalls genügend Gegenbeispiele.
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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon Nanna » Sa 20. Feb 2010, 12:50

smalonius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Du kannst zwar sehr schön Einzelfälle zitieren, die demonstrieren, dass es Fehlentwicklungen gibt, aber worauf ich warte, ist, dass du mir prinzipiell aufzeigst, warum Heimunterricht dem Ziel, dass JEDES Kind sich frei entfalten kann, dienlicher ist, als staatlicher Unterricht, der im Gegensatz zu ersterer Unterrichtsform öffentlich überwacht werden kann. Es heißt NICHT, dass jeder staatliche Unterricht dazu geeignet ist.

Hausuntericht könnte man ebenfalls staatlich überwachen. Sollte man sogar durch standardisierte Leistungstests.

Bundesweit einheitliche Bewertung von Schulleistungen steht jedenfalls immer noch aus. :pfeif:

Es geht nicht nur um Leistungen. Wie stellst du sicher, dass Eltern ihren Kindern keinen Mist einimpfen? Dass ein Kind eine Frage richtig beantwortet hat, heißt noch lange nicht, dass es zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Stoff angehalten wurde. Ein Hausunterricht ist eben inhaltlich NICHT kontrollierbar.

smalonius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Solche Normen sind immer ein Kompromiss zwischen den Bedürfnissen des Individuums und des Kollektivs.

Ich sehe nur, daß sich das Kollektiv erlaubt, einzelnen - und vernünftigen - Menschen vorzuschreiben, was sie zu tun haben.

Ja - und? Das Kollektiv schreibt dem Individuum auch vor, dass nicht gemordet werden darf, dass man rechts fahren muss und wie man seine Steuererklärung auszufüllen hat. Wenn das Zusammenleben in einer Gesellschaft funktionieren soll, sind solche Normen nötig. Es zählt ja nicht überall der Wille des Kollektivs, denn das Kollektiv hat auch entschieden, dass es individuelle Freiheiten achtet, nicht so stark, wie du das vielleicht gerne hättest, aber im Westen wesentlich stärker als jemals zuvor in der Geschichte. Das Spannungsverhältnis zwischen kollektiven und individuellen Interessen kann man nicht auflösen, auch wenn libertäre Ideologien sich das Gegenteil herbeiphantasieren.

Aber vielleicht wäre ja die Balkanisierung eine Lösung für das Problem? :veg:

smalonius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Der Staat - zumindest ein Staat wie die BRD muss diesen Anspruch haben - muss außerdem sicherstellen, dass seine Mitglieder sich im Rahmen der Möglichkeiten, die innerhalb des gesetzlichen Rahmens geboten werden können, frei und nach individueller Vorliebe entwickeln können. Nach eigener Vorliebe bedeutet nicht nach Vorliebe der Eltern!

Die Kinder sind nämlich als individuelle Menschen und nicht als halbmenschliche Anhängsel ihrer Erzeuger in erster Linie Staatsbürger und in zweiter Linie die Kinder ihrer Eltern, nicht andersherum!

Kinder sind nicht in erster Linie Staatsbürger. Kinder sind in erster Linie Menschen. Weder der Staat noch die Eltern haben hier ein Zugriffsrecht.

Interessant, wie anders man mich anscheinend verstehen kann, wenn man, wie du als Quasi-Anarchist, völlig auf das Denken in negativen Freiheitskategorien gepolt ist.
Vielleicht liest du nochmal: Ich habe geschrieben, dass Kinder als individuelle Menschen zuallererst Staatsbürger sind. Unter Staatsbürger verstehe ich ein souveränes Mitglied des Staatsvolks, nicht Verfügungsmasse des Staates! Ich denke in positiven Freiheitskategorien, d.h. für mich zählt die Freiheit zur Mitwirkung am Staat mehr als die Freiheit von der Beteiligung am Staat, weil Demokratie nicht funktioniert, wenn man sich vom öffentlichen Leben und Diskurs abschottet. Als Teil einer Gemeinschaft muss man an deren Entscheidungsprozessen teilnehmen - alles andere ist in einer sich zunehmend vernetzenden Welt auch völlig unrealistisch.

Kinder müssen deshalb in einer Umgebung aufwachsen, die ihnen die individuelle Entfaltung UND die Beteiligung am Kollektiv ermöglicht und ihnen die sozialen Kompetenzen vermittelt, beides möglichst effektiv zu verbinden. Das ist in einer öffentlich-demokratischen Einrichtung aber prinzipiell einfacher zu realisieren, als in der abgeschlossenen Zelle einer Familie, die ihre Privatideologie völlig ohne äußeren Filter weiterträgt.
Der Zugriff des Staates lässt sich nämlich durch Öffentlichkeit regulieren (etwa, weil Menschen wie du sehr sensibel sind, wenn staatlicher Zugriff ausgeweitet wird, weshalb wir euch als Korrektiv auch brauchen. :mg: ), der Zugriff der Familie nicht.

smalonius hat geschrieben:Man muß verhindern - soweit möglich - daß Eltern zuviel Macht über Kinder ausüben. Man sollte auch verhindern, daß der Staat Kinder zwangserzieht.

Ich habe nichts gegen Privatschulen als Kompromiss. Da können öffentliche Kontrolle und bestimmte Wünsche der Eltern bezüglich Lernatmosphäre und Tagesablauf miteinander in Verbindung gebracht werden. Aber Heimunterricht bedeutet die völlige Unmöglichkeit einer effektiven öffentlichen Kontrolle. Wenn der Lehrer in der Schule Mist baut gibt es Eltern von 25 Kindern, die sofort auf die Barrikaden gehen, wenn Eltern Mist bauen, werden Kinder indoktriniert und keiner merkt was. Ich plädiere ja nicht für staatliche Erziehungscamps, wo es keinen Zugriff der Eltern gibt, aber es muss eben beides geben, dann bildet das, wenn es richtig gemacht wird, ein effektives System von checks and balances.

smalonius hat geschrieben:Das Grundgesetz ist für'n Arsch. Viele Staatsmänner haben es ignoriert.

Es ist neben der amerikanischen Verfassung der beste Verfassungstext der Welt. Was besseres haben wir nicht. Libertärer Biedermeier ("Ach wie gut, dass ich nicht weiß, was vor meiner Tür passiert und alle anderen lassen mich in Ruhe, am Ende müsste ich mich ja noch mit denen auseinandersetzen und Kompromisse finden") bringt uns da nicht weiter.

smalonius hat geschrieben:Keine Macht für niemanden. ;-) Weder für den Staat über Eltern, noch für den Staat über Kinder, noch für Eltern über Kinder.

In welcher Welt lebst du gleich nochmal?

smalonius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Ich hätte auch noch ein paar Fragen:
Woher kommt der Glaube, einmal "erfolgreich" Geschlechtsverkehr zu haben und ein Kind auf die Welt zu bringen, befähige dazu, selbiges auch erfolgreich zu erziehen?

Woher kommt der Glaube, daß ein erfolgreiches Lehramtsstudium Leute dazu befähigt Kinder zu erziehen? Da gibt es ebenfalls genügend Gegenbeispiele.

Ja, das derzeitige Lehramtsstudium ist viel zu theorielastig und beinhaltet zuwenig praktische Didaktik und Pädagogik. Außerdem müsste viel mehr selektiert werden, denn derzeit wählt ein Drittel der Lehramtsstudenten das Studium aus Unfähigkeit sich etwas anderes vorzustellen und ähnlichen, den Schülern gegenüber unverantwortlichen, Gründen. Prinzipiell ist eine wissenschaftliche (d.h. von den Interessen des Staates wenigstens halbwegs unabhängige) Ausbildung zusammen mit praktischer pädagogischer Schulung aber wesentlich solider, als die Hoffnung, die Liebe würde schon ausreichen, damit die Eltern das richtige für ihre Kinder tun. Selbst wenn wirklich guter Wille da ist, reicht das eben nicht.
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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon smalonius » Sa 20. Feb 2010, 16:37

Nanna hat geschrieben: Wie stellst du sicher, dass Eltern ihren Kindern keinen Mist einimpfen? [...] Ein Hausunterricht ist eben inhaltlich NICHT kontrollierbar.

Alltägliche Erziehung läßt sich ebenfalls kaum kontrollieren. :ka: Wenn's zu krass wird, dann schaltet sich das Jugendamt ein.

Hausunterricht sollte kein Freifahrschein damit Eltern ihren Kindern Mist einimpfen können.

Mein Argument ist: man sollte Hausunterricht nicht verbieten, nur weil es Mißbrauchen geben könnte, geben würde, und natürlich bereits gibt. Damit würde man auch die Gerechten mit den Übeltäter hängen. Nochmal zu meinem Ami-Zitat: wenn die beiden sagen, sie wollen selbst unterrichten - und es sind beides vernünftige, verständige, und gemäßigte Menschen - dann weiß ich nicht, mit welchem Recht es man ihnen verbieten kann.

Nanna hat geschrieben:Das Spannungsverhältnis zwischen kollektiven und individuellen Interessen kann man nicht auflösen, auch wenn libertäre Ideologien sich das Gegenteil herbeiphantasieren.

Ich würde Schulpflicht eher mit Wehrpflicht vergleichen. Obama hat kürzlich die "Don't ask, don't tell"-Regel im US-Militär aufgehoben. Sie besagte, daß Homosexuelle geduldet werden, solange sie die Sache für sich behalten. Ein Kommentator meinte, Obamas Erlass sei ok, denn auch für Soldaten gelten die Bürgerrechte. Bei uns heißt es, für den Eingezogenen sind die Bürgerrechte vorübergehend aufgehoben.

Ähnliches könnte man über Schulpflicht sagen. Unterrichtspflicht, ja. Schulpflicht. Ein großes Fragezeichen.

Nanna hat geschrieben:Aber vielleicht wäre ja die Balkanisierung eine Lösung für das Problem? :veg:

Danke für den Tipp. Aber aus der Ecke komme ich nicht. ;-)

Nanna hat geschrieben:Vielleicht liest du nochmal: Ich habe geschrieben, dass Kinder als individuelle Menschen zuallererst Staatsbürger sind. Unter Staatsbürger verstehe ich ein souveränes Mitglied des Staatsvolks, nicht Verfügungsmasse des Staates!

Nochmal gelesen. Hast schon recht.

Nanna hat geschrieben:Wenn der Lehrer in der Schule Mist baut gibt es Eltern von 25 Kindern, die sofort auf die Barrikaden gehen, wenn Eltern Mist bauen, werden Kinder indoktriniert und keiner merkt was.

Da habe ich noch andere Erfahrungen gemacht. Eine unserer Lehrerinnen hatte noch einen Stock, und sie hat ihn auch benutzt. Da ist niemand von den Eltern auf die Barrikaden gegangen. Einmal hat sie den Stock durch's Klassenzimmer geworfen, weil zwei nicht Ruhe geben wollten. "Lehrerin wirft Schüler das Auge aus" - das wäre eine Schlagzeile gewesen. :pfeif:

Heutzutage wäre das in der Form sicher nicht mehr möglich. Aber was ich so höre, gibt es immer noch Lehrer, die nicht so toll sind. Und denen schwer beizukommen ist durch Eltern und Elternbeirat.

Nanna hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Das Grundgesetz ist für'n Arsch. Viele Staatsmänner haben es ignoriert.

Es ist neben der amerikanischen Verfassung der beste Verfassungstext der Welt. Was besseres haben wir nicht.

Leider hilfts manchmal nicht viel.

Schäuble hat damals verhindert, daß CIA-Beamte angeklagt werden, weil sie einen deutschen entführt hatten. Die Italiener haben das übrigens durchgezogen.

Man könnte die Liste fortsetzen.

Nanna hat geschrieben:das Kollektiv hat auch entschieden, dass es individuelle Freiheiten achtet, nicht so stark, wie du das vielleicht gerne hättest, aber im Westen wesentlich stärker als jemals zuvor in der Geschichte.

Da bin ich ganz deiner Meinung.

Mal sehen, ob sich die westliche Methode der gegenseitigen und scharfen Kritik irgendwann mal zum Exportschlager entwickelt. :/

Nanna hat geschrieben:In welcher Welt lebst du gleich nochmal?

:pfeif:
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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon platon » Sa 20. Feb 2010, 17:30

smalonius hat geschrieben:Bundesweit einheitliche Bewertung von Schulleistungen steht jedenfalls immer noch aus.

Darauf wirst Du auch bis zum St. Nimmerleinstag warten dürfen. Glaubst Du, ein Länderkultusminister lässt sich vom Bund vorschreiben, wie er seine Unterrichtsgestaltung vorzunehmen hat? Keine Chance. Da kocht jeder sein eigenes Süppchen.
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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon Dissidenkt » Sa 20. Feb 2010, 17:43

Nanna hat geschrieben:Indoktrination funktioniert in gleichgeschalteten Gesellschaften, nicht aber in einer offenen und pluralen Gesellschaft. Dass Deutschland nicht das Nonplusultra dafür ist, behaupte ich gar nicht, aber die Situation halte ich längst nicht für derart katastrophal, wie du sie darstellst.


Indoktrination funktioniert in Deutschland wunderbar. Wie wenig offen und plural wir sind, zeigt u.a. die Vertreibung der harmlosen Jesusfreaks, die ihre Kinder vor Alkohol, Pornographie, Gewalt und bestimmten Lehrinhalten schützen wollen.
Wieso haben die Amish oder andere Kapitalismus/Fortschrittsverweigerer kein Recht ihr Leben so zu gestalten wie sie es wollen? Das schliesst die Erziehung ihrer Kinder ein.
Der Zwang zu schulischer Erziehung und einer bestimmten wissenschaftlichen Weltsicht für alle ist Totalitarismus.
Indoktrination ist eine Frage der Medien. Was meinst du, warum bei uns allenthalben freundliche Homestories des netten Herrn Obama, seiner eleganten Frau und der süssen Kinder veröffentlicht werden, während der Mann weltweit Menschen töten, verschleppen und foltern lässt?
http://www.hintergrund.de/index.php/hintergrund/medien/medien-macht-manipulationen.html

Nanna hat geschrieben:Du kannst zwar sehr schön Einzelfälle zitieren, die demonstrieren, dass es Fehlentwicklungen gibt, aber worauf ich warte, ist, dass du mir prinzipiell aufzeigst, warum Heimunterricht dem Ziel, dass JEDES Kind sich frei entfalten kann, dienlicher ist, als staatlicher Unterricht, der im Gegensatz zu ersterer Unterrichtsform öffentlich überwacht werden kann. Es heißt NICHT, dass jeder staatliche Unterricht dazu geeignet ist.


Es geht im Schulunterricht nicht um die freie Entfaltung der Persönlichkeit, sondern um die genormte Produktion systemkompatibler Arbeitskräfte und Konsumenten. Ein religiös-fundamentalistisch erzogenes Kind kann durchaus ein glückliches und erfülltes Leben führen, wenn es die Chance hat dieses Leben in einer Gemeinschaft zu führen, die seine Weltsicht teilt und respektiert.

Nanna hat geschrieben:Wir könnten jetzt sehr viel über Staatstheorie, Gesellschaftsverträge usw. reden, aber kurz gesagt: Der Staat hat dieses Recht, weil es seine Grundaufgabe ist, ein geregeltes Zusammenleben zu sichern und zwar sinnvollerweise gewichtet nach der Maslowschen Bedürfnispyramide. Dazu müssen seine Mitglieder gewisse soziale Kompetenzen erwerben, sonst wird das System instabil. Jede soziale Gemeinschaft strebt nach einer gewissen inneren Konformität, nach geregelten sozialen Normen. Solche Normen sind immer ein Kompromiss zwischen den Bedürfnissen des Individuums und des Kollektivs.


Da werden dir die Christen entgegenhalten, dass ein Staat, der Kinder in Schulen mit Alkohol, Pornographie und Gewalt in Berührung bringt, kein Recht auf Erziehung hat. Ein großer Teil der gesellschaftlichen Misstände, die wir derzeit sehen, kommt aus schulischen Brutstätten. Diese Religiösen haben ein Recht ihre Kinder davor zu schützen. Und wenn jemand kommt und sagt, so ist aber doch die Realität auf die man die Kinder vorbereiten muss, dann ist das ein Zirkelschluss und kein vernünftiger Grund.

Nanna hat geschrieben:Die staatliche Schule hat also prinzipiell die viel besseren Möglichkeiten, Individuen mit eigenständiger Meinung heranzuziehen, weil beim Heimunterricht Kontroversen gar nicht die ausreichende Grundlage haben, um überhaupt zu entstehen.


Kontroversen zwischen Eltern und Kindern gibt es überall, auch bei religiösen Fundamentalisten und eine staatliche Schule ist kein Garant für die Erziehung unabhängiger Individuen. Im Gegenteil, sie ist ein prima Instrument zur Verbreitung einer genormten Weltsicht. Wie gesagt bin ich nicht grundsätzlich gegen staatliche Schulen, ich bin aber gegen den ZWANG zu staatlichen Schulen und gegen das kaputte Schulsystem wie wir es hier haben.

Nanna hat geschrieben:Der Staat - zumindest ein Staat wie die BRD muss diesen Anspruch haben - muss außerdem sicherstellen, dass seine Mitglieder sich im Rahmen der Möglichkeiten, die innerhalb des gesetzlichen Rahmens geboten werden können, frei und nach individueller Vorliebe entwickeln können. Nach eigener Vorliebe bedeutet nicht nach Vorliebe der Eltern!


"Freie" Entwicklung gibt es nicht und was du mit "eigener Vorliebe" bezeichnest ist die Vorliebe, die der Staat den Bürgern zugesteht. Wer z.B. mit Vorliebe bis 10 Uhr schlafen möchte, wird sehr schnell an die Grenzen seiner "Freiheit" stoßen.

Nanna hat geschrieben:Die Kinder sind nämlich als individuelle Menschen und nicht als halbmenschliche Anhängsel ihrer Erzeuger in erster Linie Staatsbürger und in zweiter Linie die Kinder ihrer Eltern, nicht andersherum!


Hallooooooo? Bist du in der DDR aufgewachsen? Du predigst ja reinen Totalitarismus!
Mir scheint die Indoktrination hat bei dir gut funktioniert :mg:
Kinder gehören zweifellos ihren Eltern und der Staat muss schon SEHR gute Gründe haben, wenn er sich in Familienangelegenheiten einmischt. Zwangsbeschulung ist in meinen Augen kein Recht des Staates. Und die Flucht und das Asyl in den USA zeigen, dass man dem deutschen Obrigkeitsstaat zum Glück noch entkommen kann.

Nanna hat geschrieben:Der Staat als Insititution, die keinerlei persönliche Vorlieben für Einzelpersonen haben darf und alle seine Staatsbürger gleichermaßen schützen muss - zur Not auch vor den eigenen Eltern - hat daher das Recht, verbindliche Erziehungsstandards nach seinen Regeln in einem demokratischen Prozess und flankiert von Grundgesetz und Menschenrechten festzulegen. Das individuelle Entfaltungsrecht des Kindes wiegt viel höher als das Interesse der Eltern ihre Meinung auf die nächste Generation zu prägen.


Der Staat hat mehr Recht seine Bürger zu prägen, als die Eltern? Wie kommst du auf diese abstruse Idee? Der Staat darf ein Angebot machen, aber wenn er seine Schergen schicken würde, um meine Kinder zu holen, würde ich ganz amerikansich die Flinte aus dem Schuppen holen, wenn ich eine hätte :mg:

Nanna hat geschrieben:Das Heimschulsystem scheitert dagegen prinzipiell, weil es nicht öffentlich auf die Einhaltung dieser Zielvorstellungen zu überprüfen ist. Im staatlichen System muss das auch nicht passieren, aber es KANN und das ist der Knackpunkt.


Das "kann" selbstverständlich auch im Heimunterricht passieren. Deine Ansichten über Zielvorstellungen und "überprüfen" zeigen das Streben nach Normung, dass man dir eingepflanzt hat. Der Sinn dieser ganzen Tests, Schul und Ländervergleiche, der Sinn des Turbo-Abis und des Bologna-Schwachsinn liegen ausschliesslich in der Normung globaler Konsumenten/Produzenten oder glaubst du dort wird persönliches Glück, Zufriedenheit, kritisches Denken oder Kreativität untersucht?

Nanna hat geschrieben:Woher kommt der Glaube, einmal "erfolgreich" Geschlechtsverkehr zu haben und ein Kind auf die Welt zu bringen, befähige dazu, selbiges auch erfolgreich zu erziehen?


Du definierst was erfolgreich ist, oder wer? Der Staat? Wenn der Erwachsene dann fleissig Steuern zahlt, Krematorien bedient oder am Hindukusch Bomben abwirft, war die Erziehung erfolgreich?
Es ist normalerweise das natürliche Interesse aller Eltern, dass ihre Kinder glückliche und zufriedene Individuen werden. Dem Staat und den beamteten Lehrern geht das am Arsch vorbei, die haben ganz andere Interessen. Die wollen brave Untertanen oder pflegeleichte Schüler.

Nanna hat geschrieben:Woher kommt es, dass fast 40% der Homeschooler in den USA religiöse Gründe für den Heimunterricht angeben - und was bedeutet das letztlich für die Zukunft einer offenen, pluralen Gesellschaft? http://en.wikipedia.org/wiki/Homeschooling#Motivations


Das kommt daher, dass die Religiösen sich mit Alkohol, Drogen, Bandenkriminalität, Pornographie und Sex vor der Ehe nicht wirklich anfreunden können. Das ist ihr gutes Recht.

Nanna hat geschrieben:Gibt es gerade in den USA eventuell einen Zusammenhang zwischen latentem Rassismus, religiösem Wahn und der Unfähigkeit weiter Teile der Öffentlichkeit, v.a. im Bible Belt, wo Homeschooling besonders verbreitet sein dürfte, wissenschaftliche Argumente in einer öffentlichen Debatte anzuerkennen?


Der religiöse Irre GW Bush (und seine Kumpane) wurden an staatlichen Schulen "ausgebildet".

Nanna hat geschrieben:Hat eventuell die haarsträubende Ungebildetheit, gut illustrierbar an den Mehrheitsmeinungen in den USA zu Evolution oder kosmologischen Fragen, eventuell etwas damit zu tun, dass ungebildete Religiöse ihre Ideologie filterlos an die nächste Generation weitergeben können, was zusammengenommen mit der höheren Fertilität der Religiösen die Gefahr der Etablierung eines religiösen Meinungstotalitarismus auf Dauer ziemlich real erscheinen lässt?


Die religiöse Weltsicht wird auch an staatlichen Schulen weitergegeben.
Wenn das hier auch der Fall wäre, würdest du deine Kinder dann nicht lieber zuhause unterrichten?

Nanna hat geschrieben:Wo dürfte die Gefahr eines solchen Meinungstotalitarismus größer sein: Im eher etatistischen und ziemlich bunten Berlin mit seinem verpflichtenden Ethikunterricht oder im eher religiösen, staatsfeindlichen Bible Belt mit Homeschooling? Wo wird man ein Kind eher seinen eigenen Weg gehen lassen bzw. wo wird das Kind überhaupt erst eher auf die Idee kommen, dass das möglich ist?


Die Meinungsvielfalt hätte im Homeschooling sicherlich bessere Chancen, als in Normschulen. Aber Meinungsvielfalt ist nicht das Ideal, sondern die Fähigkeit sich kritisch mit sich selbst und seiner Umwelt auseinanderzusetzen.

Nanna hat geschrieben:Und weil du auch was von Ständesystem erzählt hast: Heimunterricht lädt erst so richtig dazu ein, dass Milieus ihre eigenen privaten Schulsysteme entwickeln. Die Durchlässigkeit und soziale Mobilität in einer Gesellschaft wird ganz sicher nicht dadurch gefördert, dass man den Milieus, die es sich leisten können, Tür und Tor öffnet, sich durch eklusive Programme vom Rest der Gesellschaft abzuschotten.


http://daserste.ndr.de/panorama/media/panorama408.html
Die Eliten hier haben über Jahrzehnte ihr ständisches Schulsystem gepflegt und verteidigen es gerade mal wieder mit Klauen und Zähnen. Wenn die ihren Kindern keine Hauptschule zumuten wollen, schicken sie die auf eine Privatschule oder ins Internat anstatt selber zu unterrichten. Wer sich sowas nicht leisten kann, muss halt zugucken, wie der Nachwuchs an Hauptschulen fertig gemacht wird, oder auswandern...
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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon Nanna » Mo 22. Feb 2010, 01:42

smalonius hat geschrieben:Mein Argument ist: man sollte Hausunterricht nicht verbieten, nur weil es Mißbrauchen geben könnte, geben würde, und natürlich bereits gibt. Damit würde man auch die Gerechten mit den Übeltäter hängen. Nochmal zu meinem Ami-Zitat: wenn die beiden sagen, sie wollen selbst unterrichten - und es sind beides vernünftige, verständige, und gemäßigte Menschen - dann weiß ich nicht, mit welchem Recht es man ihnen verbieten kann.

Das Problem dabei ist, dass es kaum definierbar ist, wer nun "vernünftig, verständig und gemäßigt" ist und wer nicht. Eine solche Regelung öffnet der staatlichen Willkür eigentlich erst recht Tür und Tor, weil das Jugendamt letztlichnach Gutdünken entscheiden kann, wer zum Heimunterricht geeignet ist und wer nicht. Von einer öffentlich überwachten Ausbildung und Unterrichtsausübung der Lehrenden: keine Spur. Von den horrenden Kosten für Kontrollen und Gutachter wollen wir an der Stelle auch erst gar nicht mal anfangen. Bei einem Kind, das in den Kindergarten und die öffentliche Schule geht, wird physische und psychische Misshandlung statistisch wohl häufiger auffallen, als wenn es daheim abgeschottet wird und nur zu zwei bis vier zentralen Prüfungen pro Jahr antreten muss.

Zudem gibt es andere Gründe: Ein Kind braucht mehr als zwei Bezugspersonen, es lernt nicht, über seinen Tellerrand hinauszublicken und dabei möglicherweise eine alternative Zukunft zu finden, die für den eigenen Charakter besser geeignet ist, als das, was die Eltern vorgesehen haben, wenn es immer im Saft der eigenen Familie schwimmt. Es braucht, als Mitglied einer demokratischen Gesellschaft, außerdem auch Kontakt mit Menschen, die andere kulturelle, ökonomische und soziale Lebenshintergründe haben.
Ich kann mir gut vorstellen, dass das extreme Auseinanderdriften der Gesellschaft und die zunehmende Hysterisierung und Radikalisierung der öffentlichen Debatten, die wir in den USA beobachten, auch davon herrührt, dass manche Milieus es völlig verlernt oder nie gelernt haben, mit Menschen zu kommunizieren, die andere Kulturen pflegen. Das psychologische Paradox, dass Menschen am meisten vor dem Angst haben, was sie nicht kennen, ist ja hinlänglich bekannt. Heimunterricht dürfte ein guter Nährboden dafür sein, solche Komplexe an die nächste Generation zu vererben. Ich denke, wenn es öffentliche Schule UND private Erziehung gibt, dann ist das eine gute Machtteilung und auch ein guter Wettbewerb um die schlüssigeren Lebensentwürfe. Komisch, dass gerade die Liberalen so gerne ein Monopol in der Erziehung für die Eltern haben wollen, obwohl die doch sonst nichts von Monopolen halten. ;-)

smalonius hat geschrieben:Ein Kommentator meinte, Obamas Erlass sei ok, denn auch für Soldaten gelten die Bürgerrechte. Bei uns heißt es, für den Eingezogenen sind die Bürgerrechte vorübergehend aufgehoben.

Das Schwierige ist, dass Kinder eine gewisse Bevormundung brauchen. Das geht bei substantiellen Sachen wie "Iss die Tollkirsche nicht!" los bei denen wir uns alle einig sind, aber es wird schwierig, wenn wir in einen Bereich kommen, wo es letztlich darum geht, welche Art von Prägung wir dem Kind angedeihen lassen wollen und wem wir das Recht geben, darüber zu entscheiden.
Meiner Meinung nach ist es eben gerade ein Bürgerrecht, dass einem Kind die Freiheit gegeben wird, über seinen Lebensentwurf selbst zu entscheiden und ihn dann auch gezielt zu verfolgen. Dazu muss es aber mit solchen Lebensentwürfen in Berührung kommen. Mir ist klar, dass sich das schwer in einem Lehrplan festschreiben lässt, aber Eltern das als Aufgabe für den Heimunterricht zu übertragen spottet jedem Realismus. Wenn 40% der Eltern religiöse Gründe für Heimunterricht angeben (zweitgenannter Grund), dann dient Heimunterricht fast primär der Weitergabe geschlossener (totalitärer?) Weltbilder und das kann nicht das sein, was wir beide wollen.
Die Schulpflicht ist daher nötig, weil man nicht darauf bauen kann, dass Eltern die Bürgerrechte ihrer Kinder achten. Und der Knackpunkt ist und bleibt, dass öffentliche Schulen öffentlich kontrollierbar sind, während das mit privatem Heimunterricht einfach partout nicht geht.

smalonius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Wenn der Lehrer in der Schule Mist baut gibt es Eltern von 25 Kindern, die sofort auf die Barrikaden gehen, wenn Eltern Mist bauen, werden Kinder indoktriniert und keiner merkt was.

Da habe ich noch andere Erfahrungen gemacht. Eine unserer Lehrerinnen hatte noch einen Stock, und sie hat ihn auch benutzt. Da ist niemand von den Eltern auf die Barrikaden gegangen. Einmal hat sie den Stock durch's Klassenzimmer geworfen, weil zwei nicht Ruhe geben wollten. "Lehrerin wirft Schüler das Auge aus" - das wäre eine Schlagzeile gewesen. :pfeif:

Ich habe an meiner Schule andere Erfahrungen gemacht, auch wenn ich der Meinung bin, dass man Lehrer immer noch viel zu schwer feuern kann, sie aber auch zu wenig Unterstützung bei Überforderung erhalten und generell besser ausgebildet werden sollten (auch von Anfang an stärker nach pädagogischen Fähigkeiten und Belastungsfähigkeit selektiert, dann aber auch gern besser bezahlt, gerade Haupt- und Realschullehrer, für manche von denen der Grundwehrdienst ja vollkommen gereicht hätte). Ich verteidige nicht das derzeitige staatliche System, sondern fordere nur prinzipiell ein öffentlich überwachtes System und auch eines, das die sozialen Milieus etwas durcheinanderwirbelt, um der Fragmentierung der Gesellschaft entgegenzuwirken.

smalonius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Das Grundgesetz ist für'n Arsch. Viele Staatsmänner haben es ignoriert.

Es ist neben der amerikanischen Verfassung der beste Verfassungstext der Welt. Was besseres haben wir nicht.

Leider hilfts manchmal nicht viel.
Schäuble hat damals verhindert, daß CIA-Beamte angeklagt werden, weil sie einen deutschen entführt hatten. Die Italiener haben das übrigens durchgezogen.

Ja, das bestreite ich gar nicht. Aber stell dir, wie es vielleicht ohne regelmäßige Warnschüsse aus Karlsruhe hierzulande zugehen würde.



Dissidenkt hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Indoktrination funktioniert in gleichgeschalteten Gesellschaften, nicht aber in einer offenen und pluralen Gesellschaft. Dass Deutschland nicht das Nonplusultra dafür ist, behaupte ich gar nicht, aber die Situation halte ich längst nicht für derart katastrophal, wie du sie darstellst.


Indoktrination funktioniert in Deutschland wunderbar. Wie wenig offen und plural wir sind, zeigt u.a. die Vertreibung der harmlosen Jesusfreaks, die ihre Kinder vor Alkohol, Pornographie, Gewalt und bestimmten Lehrinhalten schützen wollen.
Wieso haben die Amish oder andere Kapitalismus/Fortschrittsverweigerer kein Recht ihr Leben so zu gestalten wie sie es wollen? Das schliesst die Erziehung ihrer Kinder ein.
Der Zwang zu schulischer Erziehung und einer bestimmten wissenschaftlichen Weltsicht für alle ist Totalitarismus.

Niemand wird in einer Schule zu einer wissenschaftlichen Weltsicht gezwungen.

Wer als Kind religiöser Eltern in eine staatliche Schule geht, wird SOWOHL mit den Ansichten der Wissenschaft ALS AUCH mit den religiösen der Eltern konfrontiert.
Wer als Kind religiöser Eltern Heimunterricht hat, wird NUR mit den religiösen Ansichten konfrontiert und das ist in meinen Augen viel eher Zwang. Zwang durch Alternativlosigkeit.

Die Amish können IHR Leben ja gestalten wie sie wollen, aber eben nicht das ihrer Kinder, zumindest nicht in totalem Ausmaß. Die Kinder haben das Menschenrecht (!) auf eine freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit, das geht aber nicht, wenn sie nie Alternativen kennenlernen. Wenn das Leben der Amish so viel besser ist, als das andere, dann kriegen sie das den Kindern auch so beigebracht und dagegen sagt keiner was.

Und mal im Ernst: Eine Religion, die beim geringsten Kontakt mit der Realität vor der Haustür nicht mehr funktioniert, hat den Praxistest nicht bestanden. epic fail.


Dissidenkt hat geschrieben:Indoktrination ist eine Frage der Medien. Was meinst du, warum bei uns allenthalben freundliche Homestories des netten Herrn Obama, seiner eleganten Frau und der süssen Kinder veröffentlicht werden, während der Mann weltweit Menschen töten, verschleppen und foltern lässt

Hier kommen wir schon eher zusammen.
Nun nehmen wir aber mal an, dass Heimschul-Eltern jeden Mist glauben, der in den Medien erzählt wird, dann lernen auch die Kinder keinerlei Kompetenz, damit umzugehen. Selbst in einer mittelmäßigen Schule sollte es möglich sein, soetwas wie eine Diskussion über verschiedene Meinungen zu führen und grundlegende Medienkompetenz zu erlernen. Ich sage nicht, dass das überall geschieht, aber es ist wesentlich leichter realisierbar, als dasselbe Ergebnis beim Heimunterricht zu erzielen. Dem fehlt es ja schon an der kritischen Masse der Diskussionspartner.

Dissidenkt hat geschrieben:Es geht im Schulunterricht nicht um die freie Entfaltung der Persönlichkeit, sondern um die genormte Produktion systemkompatibler Arbeitskräfte und Konsumenten. Ein religiös-fundamentalistisch erzogenes Kind kann durchaus ein glückliches und erfülltes Leben führen, wenn es die Chance hat dieses Leben in einer Gemeinschaft zu führen, die seine Weltsicht teilt und respektiert.

Ja, das ist der Idealfall - was, wenn es mit dieser Gemeinschaft nicht klarkommt und kein bisschen fit ist für das Leben außerhalb dieses Kokons?
Und dass es im Schulunterricht ausschließlich um die Reproduktion von Arbeitskräften geht, ist so auch nicht richtig, denn ein Mindestmaß an eigenem Denken muss eine Wissensgesellschaft den Kindern einimpfen, sonst gibt es keine kreativen Köpfe und Konsumenten, die nur den letzten chinesischen Billigschrott kaufen, sich von Fastfood ernähren und das Gesundheitssystem killen. Systemkompatibel bedeutet in einer wettbewerbsbasierten Wirtschaftsumgebung nicht unbedingt Gleichschaltung. Dass es nur um die Entfaltung der Persönlichkeit geht, so weit lehne ich mich natürlich nicht aus dem Fenster, an dem, was du sagst, ist schon was wahres dran.

Dissidenkt hat geschrieben:Da werden dir die Christen entgegenhalten, dass ein Staat, der Kinder in Schulen mit Alkohol, Pornographie und Gewalt in Berührung bringt, kein Recht auf Erziehung hat. Ein großer Teil der gesellschaftlichen Misstände, die wir derzeit sehen, kommt aus schulischen Brutstätten. Diese Religiösen haben ein Recht ihre Kinder davor zu schützen. Und wenn jemand kommt und sagt, so ist aber doch die Realität auf die man die Kinder vorbereiten muss, dann ist das ein Zirkelschluss und kein vernünftiger Grund.

Ich kann die Aussage, dass der Staat die Kinder damit in Berührung bringt, nicht so stehenlassen, denn es ist weder Intention des Staates, das zu tun, noch steht er dem tatenlos gegenüber. Ferner frage ich mich, ob "die Christen" wirklich ein so signifikant geringeres Problem mit Alkohol, Pornografie und Gewalt haben, oder ob dort einfach alles effizienter totgeschwiegen wird (ich glaube einfachmal folgendem Artikel, der eine Studie der Harvard Business School zitiert, die belegt, dass der Pornokonsum in den konservativsten Gegenden der USA am höchsten ist). Und ist es nicht eine christliche Schule, an der geradeeben einer der größten Misshandlungsskandale seit langem aufgedeckt wurde? Und haben wir dort nicht die größten Probleme mit Sexualität, wo sie maximal tabuisiert wird, belegt beispielsweise durch die hohe Rate an Teenagerschwangerschaften in religiös-konservativ dominierten Regionen? Probleme wie Sucht und Gewalt verschwinden nicht, indem man sich einbildet, man könne sie ausschließen und die Kinder davor "schützen", man muss den Kindern beibringen, mit ihnen umzugehen.
Nein, sorry, aber hier geht es nicht um Schutz gegen "Verwerfliches", sondern um den Schutz gegen das Andere, das Fremde, letztlich um Machtinteressen über das noch formbare Kind. Die Macht über die Erziehung eines Kindes darf nicht in den Händen weniger Personen gebündelt werden, sondern muss ausbalanciert sein zwischen Staat, Eltern und kritischer Öffentlichkeit. Gewaltenteilung ist ein altes Erfolgsrezept aus der Politie und sollte überall angewendet werden, wo es um Machtausübung geht.

Dissidenkt hat geschrieben:Kontroversen zwischen Eltern und Kindern gibt es überall, auch bei religiösen Fundamentalisten und eine staatliche Schule ist kein Garant für die Erziehung unabhängiger Individuen. Im Gegenteil, sie ist ein prima Instrument zur Verbreitung einer genormten Weltsicht. Wie gesagt bin ich nicht grundsätzlich gegen staatliche Schulen, ich bin aber gegen den ZWANG zu staatlichen Schulen und gegen das kaputte Schulsystem wie wir es hier haben.

Gegen das Schulsystem in seiner jetzigen Form gehe ich mit dir auf die Barrikaden, aber den Schulzwang befürworte ich aus o.g. Gründen vehement.

Dissidenkt hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Der Staat - zumindest ein Staat wie die BRD muss diesen Anspruch haben - muss außerdem sicherstellen, dass seine Mitglieder sich im Rahmen der Möglichkeiten, die innerhalb des gesetzlichen Rahmens geboten werden können, frei und nach individueller Vorliebe entwickeln können. Nach eigener Vorliebe bedeutet nicht nach Vorliebe der Eltern!


"Freie" Entwicklung gibt es nicht und was du mit "eigener Vorliebe" bezeichnest ist die Vorliebe, die der Staat den Bürgern zugesteht. Wer z.B. mit Vorliebe bis 10 Uhr schlafen möchte, wird sehr schnell an die Grenzen seiner "Freiheit" stoßen.

Wenn du als Kind religiöser Eltern am Sonntag statt Kirchgang ausschlafen willst, dürfte dir auch so eine Grenze blühen. Solche Grenzen sind natürlich, wenn verschiedene Interessen aufeinanderstoßen, aber man muss darauf achten, dass alle Beteiligten angemessen repräsentiert werden. Dazu müssen sie erstmal an einen Tisch, deshalb mein Plädoyer für das Kind als (so gut es eben geht) freien Staatsbürger und nicht als Prägewachs für den Stempel der Eltern.

Dissidenkt hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Die Kinder sind nämlich als individuelle Menschen und nicht als halbmenschliche Anhängsel ihrer Erzeuger in erster Linie Staatsbürger und in zweiter Linie die Kinder ihrer Eltern, nicht andersherum!


Hallooooooo? Bist du in der DDR aufgewachsen? Du predigst ja reinen Totalitarismus!
Mir scheint die Indoktrination hat bei dir gut funktioniert :mg:

Diese Antwort kann nur bedeuten, dass du nicht verstanden hast, was ich sagen wollte. Es geht um die Freiheit des Individuums ZUR Partizipation, um das Recht, Mitsprache im Kollektiv zu üben, in dem man nunmal aufgrund gewisser physikalischer und biologischer Notwendigkeiten gezwungenermaßen lebt.

Und nein, ich bin nicht in der DDR aufgewachsen...

Dissidenkt hat geschrieben:Kinder gehören zweifellos ihren Eltern und der Staat muss schon SEHR gute Gründe haben, wenn er sich in Familienangelegenheiten einmischt.

Na, das ist ja entlarvend. Was das für das individuelle Kind bedeutet, muss nicht weiter ausgeführt werden, keine weiteren Kommentare hierzu.

Dissidenkt hat geschrieben:Der Staat hat mehr Recht seine Bürger zu prägen, als die Eltern? Wie kommst du auf diese abstruse Idee? Der Staat darf ein Angebot machen, aber wenn er seine Schergen schicken würde, um meine Kinder zu holen, würde ich ganz amerikansich die Flinte aus dem Schuppen holen, wenn ich eine hätte :mg:

Wer bringt die Kinder nun mit Gewalt in Berührung? Die staatliche Schule oder der Papa mit der Schrotflinte?
Natürlich hat der Rechtsstaat als demokratisch kontrollierte Institution, als Gesetzgeber und als Inhaber des Gewaltmonopols das Recht, dafür zu sorgen, dass das Individuum mit den Kompetenzen ausgestattet wird, an der demokratischen Gesellschaft teilzunehmen und sich dagegen zu verwahren, dass einzelne Teile der Gesellschaft sich hermetisch abschotten. Niemand schreibt dem Kind in der Schule vor, dass es sozialistischer Atheist werden soll, lediglich, dass es sich mit seiner Meinung in die Gesellschaft einbringen soll - und wenn die Meinung dämlich ist, dann ist es legitim, dass es mit überlegeneren Meinungen anderer Schüler konfrontiert wird. Das kann durchaus auch mal bedeuten, dass der religiöse Schüler dem areligiösen die Meinung geigt.

Wenn du das Gewehr der politischen Einigung vorziehst, dann bin ich nicht derjenige, der hier die abstrusen Ideen äußert.
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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon Nanna » Mo 22. Feb 2010, 01:44

Yeah! Zeichengrenze gerissen! :kg:

Hier gehts weiter:


Dissidenkt hat geschrieben:Deine Ansichten über Zielvorstellungen und "überprüfen" zeigen das Streben nach Normung, dass man dir eingepflanzt hat. Der Sinn dieser ganzen Tests, Schul und Ländervergleiche, der Sinn des Turbo-Abis und des Bologna-Schwachsinn liegen ausschliesslich in der Normung globaler Konsumenten/Produzenten oder glaubst du dort wird persönliches Glück, Zufriedenheit, kritisches Denken oder Kreativität untersucht?

Was interessieren mich diese Tests? Mir geht es darum, dass die Kinder miteinander in Berührung kommen und dass sichergestellt wird, dass sie ein unabdingbares Grundwissen über diese Welt erlangen. Ich brauche keine Normierung, ich habe stocklibertäre, evangelikale, muslimische, atheistische, sexuell freizügige, monogame und kommunistische Freunde und viele davon habe ich an der Schule kennengelernt und mich dort mit ihnen und den Lehrern gefetzt. Wir haben unsere Differenzen und die können wir akzeptieren, aber nur, weil wir gelernt haben, mit verschiedenen Meinungen zu leben, was sicherlich nicht passiert wäre, wenn wir die nie kennengelernt hätten. Kreativität entsteht nur dort, wo es Reibung und Vielfalt gibt und das kann im Heimunterricht in 99% der Fälle einfach nicht klappen.

Dissidenkt hat geschrieben:Es ist normalerweise das natürliche Interesse aller Eltern, dass ihre Kinder glückliche und zufriedene Individuen werden. Dem Staat und den beamteten Lehrern geht das am Arsch vorbei, die haben ganz andere Interessen. Die wollen brave Untertanen oder pflegeleichte Schüler.

Das ist keine Frage von Eltern oder Lehrern, auf beiden Seiten gibt es solche und solche. Aber öffentliche Bildung ist nunmal überwachbar und daher gegen Missbrauch leichter zu schützen - eine kritische Öffentlichkeit vorausgesetzt, ohne die geht sowieso gar nichts.

Dissidenkt hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Woher kommt es, dass fast 40% der Homeschooler in den USA religiöse Gründe für den Heimunterricht angeben - und was bedeutet das letztlich für die Zukunft einer offenen, pluralen Gesellschaft? http://en.wikipedia.org/wiki/Homeschooling#Motivations


Das kommt daher, dass die Religiösen sich mit Alkohol, Drogen, Bandenkriminalität, Pornographie und Sex vor der Ehe nicht wirklich anfreunden können. Das ist ihr gutes Recht.

Das halte ich für Wunschdenken, s.o.

Dissidenkt hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Gibt es gerade in den USA eventuell einen Zusammenhang zwischen latentem Rassismus, religiösem Wahn und der Unfähigkeit weiter Teile der Öffentlichkeit, v.a. im Bible Belt, wo Homeschooling besonders verbreitet sein dürfte, wissenschaftliche Argumente in einer öffentlichen Debatte anzuerkennen?


Der religiöse Irre GW Bush (und seine Kumpane) wurden an staatlichen Schulen "ausgebildet".

Und wer hat ihn am begeistertsten gewählt?

Dissidenkt hat geschrieben:Die religiöse Weltsicht wird auch an staatlichen Schulen weitergegeben.
Wenn das hier auch der Fall wäre, würdest du deine Kinder dann nicht lieber zuhause unterrichten?

Nur in einem totalitären System, das mir keine Chance mehr lässt, den Kindern meinen Standpunkt zumindest klarzumachen. Das können Religiöse in Deutschland aber nicht ansatzweise glaubhaft behaupten. Ich habe kein Problem mit der Weitergabe an sich, sondern mit der völlig ungefilterten.

Dissidenkt hat geschrieben:Die Meinungsvielfalt hätte im Homeschooling sicherlich bessere Chancen, als in Normschulen. Aber Meinungsvielfalt ist nicht das Ideal, sondern die Fähigkeit sich kritisch mit sich selbst und seiner Umwelt auseinanderzusetzen.

Eben. Und wie soll das klappen, wenn man seine Umwelt und deren Standpunkte nicht kennenlernt? Wie soll man überzeugend gegen Sex vor der Ehe sein, wenn man nie die Argumente der Befürworter kennengelernt hat?

Dissidenkt hat geschrieben:http://daserste.ndr.de/panorama/media/panorama408.html
Die Eliten hier haben über Jahrzehnte ihr ständisches Schulsystem gepflegt und verteidigen es gerade mal wieder mit Klauen und Zähnen. Wenn die ihren Kindern keine Hauptschule zumuten wollen, schicken sie die auf eine Privatschule oder ins Internat anstatt selber zu unterrichten. Wer sich sowas nicht leisten kann, muss halt zugucken, wie der Nachwuchs an Hauptschulen fertig gemacht wird, oder auswandern...

Du zitierst einen öffentlich-rechtlichen Sender. Hat was, so eine staatliche protegierte kritische Öffentlichkeit, nicht? ;-)
Ob Radio Vatikan den katholischen Heimschülern kritische Gedanken zu den Machteliten der katolischen Kirche nahebringen würde...? Hm...
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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon Dissidenkt » Mo 22. Feb 2010, 23:01

Nanna hat geschrieben:Yeah! Zeichengrenze gerissen! :kg:


Hehe, ich geb auch auf!
Du hast natürlich Recht. Kinder müssen zwangsweise genormt werden. Was Eltern sich einbilden, die ihre Kinder selber unterrichten wollen, weiss ich auch nicht.
Eigentlich hab ich auch nichts gegen Sex, Drugs und RocknRoll.... :applaus:
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Erziehung und Anti-Erziehung

Beitragvon smalonius » Fr 26. Feb 2010, 00:48

dissidenkt hat geschrieben:Hehe, ich geb auch auf!

Ich noch nicht. Auch wenn mir klar ist, daß Nanna und ich uns heute *g* nicht mehr einig werden.

Deshalb werde ich das Thema auch nicht mehr groß vertiefen, bis auf ein paar kurze Nachträge und Abschweifungen.

Stattdessen ein paar Bemerkungen über Erziehung aus der Warte eines - Zitat Nanna - "quasi-Anarchisten".

Nanna hat geschrieben:Das Problem dabei ist, dass es kaum definierbar ist, wer nun "vernünftig, verständig und gemäßigt" ist und wer nicht.

Das Problem sehe ich beim Kultusministerium manchmal auch. :pfeif:

Nanna hat geschrieben:Bei einem Kind, das in den Kindergarten und die öffentliche Schule geht, wird physische und psychische Misshandlung statistisch wohl häufiger auffallen, als wenn es daheim abgeschottet wird und nur zu zwei bis vier zentralen Prüfungen pro Jahr antreten muss.

Das ist natürlich ein Argument.

Nanna hat geschrieben:Ich kann mir gut vorstellen, dass das extreme Auseinanderdriften der Gesellschaft und die zunehmende Hysterisierung und Radikalisierung der öffentlichen Debatten, die wir in den USA beobachten, auch davon herrührt, dass manche Milieus es völlig verlernt oder nie gelernt haben, mit Menschen zu kommunizieren, die andere Kulturen pflegen.

Da habe ich ein bißchen ein anderes Amerikabild. Gelegentlich schreibe ich in einem Ami-Forum. Die meisten Leute dort würden auch hier herein passen, sogar die religiösen. Aber das ist ein anderes Thema.

Nanna hat geschrieben:Die Schulpflicht ist daher nötig, weil man nicht darauf bauen kann, dass Eltern die Bürgerrechte ihrer Kinder achten.

Jetzt hast du die Unschuldsvermutung aufgehoben. ;-) Und mich obendrein in einen Topf mit Fanatikern gesteckt. :aufsmaul:

Dumme Frage - würdest du sagen, es darf keine Hausgeburten mehr geben, weil Eltern und Hebammen keine Ärzte sind? Ist Schulpflicht mit einer hypothetischen Krankenhausgeburtspflicht vergleichbar?

Nanna hat geschrieben:Aber stell dir, wie es vielleicht ohne regelmäßige Warnschüsse aus Karlsruhe hierzulande zugehen würde.

Völlig richtig. :up:

Nanna hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Kinder gehören zweifellos ihren Eltern und der Staat muss schon SEHR gute Gründe haben, wenn er sich in Familienangelegenheiten einmischt.
Na, das ist ja entlarvend.

Kinder gehören natürlich nicht ihren Eltern. Kinder sind eigenständige Personen, keine Ego-Verlängerung der Eltern.

Kinder haben genausoviel Würde wie Erwachsene oder Frauen, Schwarze, Schwule. Tatsächlich haben Kinder sogar noch mehr Würde, weil sie noch nicht verkorkst worden sind.

Aber was ist schon Würde? Ein Konjunktiv!

Nanna hat geschrieben:Komisch, dass gerade die Liberalen so gerne ein Monopol in der Erziehung für die Eltern haben wollen, obwohl die doch sonst nichts von Monopolen halten. ;-)

Keine Sorge, wenn ein Kind sagt, es will statt Hausuntericht lieber Schulunterricht, dann müßte man das natürlich respektieren.

Ich hänge eher einer "Anti-Erziehung" an, in der man Kinder Raum gibt, sich selbst zu erziehen.

Nanna hat geschrieben:Das Schwierige ist, dass Kinder eine gewisse Bevormundung brauchen. Das geht bei substantiellen Sachen wie "Iss die Tollkirsche nicht!" los bei denen wir uns alle einig sind, aber es wird schwierig, wenn wir in einen Bereich kommen, wo es letztlich darum geht, welche Art von Prägung wir dem Kind angedeihen lassen wollen


Die Worte "Bevormundung und Prägung" würde ich nicht verwenden, außer man gesteht Kindern ebenfalls zu, ihre Eltern zu bevormunden und zu prägen, wenn sich die Eltern wie instinktlose Trampel verhalten. Erziehung sollte keine Einbahnstraße sein.

Nanna hat geschrieben:und wem wir das Recht geben, darüber zu entscheiden.

Ein Elternschein wird sich wohl in absehbarer Zeit nicht durchsetzen. Würde ich auch nicht wollen. Obwohl, manchmal? :veg:

Zwei Anekdoten.

Vor einer Weile kam mir ein Paar entgegen, einen Kinderwagen vor sich herschiebend. Das Kind darin schrie fürchterlich. Sag ich zu meiner Begleitung: "Was denkst du dir bei sowas?" Die Antwort war: "Warum nehmen die das Kind nicht aus dem Wagen?"

Letzten Sommer, es war eine heiße Nacht, alle Fenster zum Hof standen offen. Aus der Wohnung gegenüber dringt Kinderklagen. "Mamma, Mamma, Mamma." So ging das etwa eine halbe Stunde. Ich hab mich schon gefragt, ob ich mit dem Kind sprechen soll, ob ich ihm solange Märchen erzählen soll, bis es einschläft. Mir hat dann die Zivilcourage gefehlt. Irgendwie kannte ich auch die Hintergründe nicht. War das Kind alleine zu hause? War es eine "Erziehungsmaßnahme", entweder aus Unkenntnis oder weil in manchen Erziehungsratgebern behauptet wird, man soll Kinder beibringen alleine einzuschlafen? Leben die Eltern getrennt, und das Kind war zu Besuch beim Vater und der neuen Freundin?

Wie geht man mit so etwas um?

Ganz gelegentlich habe ich Passanten schon angeraunzt, "Hey, Kinder schlägt man nicht." Ob's was geholfen hat - ich weiß es nicht.

Noch eine dumme Frage: was würde eigentlich passieren, wenn ein fünfjähriges Kind auf dem Polizeirevier erscheint, um seine Eltern anzuzeigen, weil sie es geohrfeigt haben? Eltern ist körperliche Züchtigung seit 2000 verboten - was sind wir doch für kollektive Schnellmerker! Ob das Verbot strafbewehrt ist, kann ich hier leider nicht herauslesen.

Gesetzliche Regelung (im Familienrecht)

Im November 2000 wurde § 1631 Absatz 2 BGB durch das Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung so gefasst:

Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.

§ 1631 Absatz 2 Satz 2 BGB stellt nun ein Verbot gegenüber den Eltern dar. Sie dürfen bei der Ausübung der Personensorge körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen nicht mehr verwenden.

Strafrecht

Eine Beschränkung der Strafbarkeit einer körperlichen Züchtigung durch Eltern kann daher nach überwiegender Meinung höchstens über das Kriterium der „Erheblichkeit“ der körperlichen Beeinträchtigung erreicht werden („Klaps auf den Po“).

Teile der strafrechtlichen Literatur bestreiten eine Strafbarkeit der körperlichen Züchtigung durch Eltern noch immer, auch aus der kriminalpolitischen Erwägung heraus, eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Kriminalisierung großer Teile der Elternschaft zu vermeiden.

http://de.wikipedia.org/wiki/Züchtigungsrecht
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Re: Erziehung und Anti-Erziehung

Beitragvon stine » Fr 26. Feb 2010, 09:44

smalonius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Kinder gehören zweifellos ihren Eltern und der Staat muss schon SEHR gute Gründe haben, wenn er sich in Familienangelegenheiten einmischt.
Na, das ist ja entlarvend.

Kinder gehören natürlich nicht ihren Eltern. Kinder sind eigenständige Personen, keine Ego-Verlängerung der Eltern.
Da sagst du was.
Ein typisches Beispiel für die verstellte Wahrnehmung mancher Eltern bezüglich "Eigentum" ist schon die Vornamensgebung. Am Vornamen eines Kindes kannst du schon erkennen, wie die Eltern ticken. Und ebenfalls haarsträubend sind körperliche Verstümmelungen wie Ohrlöcher im ganz frühen Kindesalter.


smalonius hat geschrieben:Zwei Anekdoten.

..."Warum nehmen die das Kind nicht aus dem Wagen?"

...Kinderklagen. "Mamma, Mamma, Mamma." ...
Wie geht man mit so etwas um?
Lieber smalonius, ich muss leider zugeben, dass ich ein hoffnungsloser Einmischer bin. Mich stört oft selber meine Spontanität, aber ich kann nicht anders. Mein Naturell ist so ausgelegt, dass ich auch fremdes Leid wahrnehme.

Der Spielraum zwischen wann ist es zu früh reagiert und wann hätte man reagieren sollen ist leider fließend. Die einzige Möglichkeit die da bleibt, ist das Wahrnehmen und das Anbieten von Hilfe ohne sofort den Eltern Unfähigkeit oder Gewalt zu unterstellen. Wenn ein Baby oder Kind im Haus besonders laut und ausgiebig weint und schreit, dann frägt man halt einfach mal interessiert nach, was der Kleine hat und ob man helfen kann. Meist erklärt sich das dann schon und man kann sehen, wie die Eltern auf die Frage reagieren.
Nachfragen kann man also immer, besonders, wenn die Leute im Umfeld bekannt sind. Da bräuchte keiner ein schlechtes Gewissen haben, das sollte er erst haben, wenn er nicht nachgefragt hätte und im nachhinein schlimme Folgen bekannt würden.

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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon Dissidenkt » Fr 26. Feb 2010, 13:05

smalonius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Kinder gehören zweifellos ihren Eltern und der Staat muss schon SEHR gute Gründe haben, wenn er sich in Familienangelegenheiten einmischt.
Na, das ist ja entlarvend.

Kinder gehören natürlich nicht ihren Eltern. Kinder sind eigenständige Personen, keine Ego-Verlängerung der Eltern.


Kinder gehören dennoch zweifellos ihren Eltern. Selbstverständlich nicht im Sinne einer Sache - wer kommt auf so eine abstruse Idee? - sondern im Sinne von Schutzbefohlenen.
Eltern bestimmen den Aufenthaltsort und die Erziehung. Wann immer der Staat sich einmischen will, muss er gute Gründe nachweisen und damit im Zweifelsfall ein Fehlverhalten der Eltern.
Semantische Diskussionen über das Wort "gehören" müssen wir hier doch nicht führen, oder?

Zur Vertiefung:
http://forum-kritische-paedagogik.de/start/request.php?565
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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon stine » Fr 26. Feb 2010, 13:24

Dissidenkt hat geschrieben:Kinder gehören dennoch zweifellos ihren Eltern.
Kinder gehören ZU ihren Eltern. :^^:

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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon Dissidenkt » Fr 26. Feb 2010, 14:02

stine hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Kinder gehören dennoch zweifellos ihren Eltern.
Kinder gehören ZU ihren Eltern. :^^: LG stine


Also doch die semantische Diskussion :mg:
Die Formulierung "gehören zu" ist mir nicht stark genug. Tatsächlich sehe ich es so, dass Kinder - was die Bestimmung ihres Aufenthaltsortes anbetrifft - ihren Eltern mehr gehören, als irgendetwas irgendwem gehört. Das impliziert selbstverständlich nicht das Recht mit Kindern nach "Gutdünken" umzugehen, sondern die Pflicht, Kinder nach bestem Wissen und Gewissen zu schützen und aufzuziehen. Mit den rechtlichen Begriffen Besitz und Eigentum hat das nichts zu tun.
Wann immer der Staat sich in dieses Naturrecht, das stärkste aller Rechte - einmischt, ist er in der Pflicht gute Gründe dafür nachzuweisen.
Ein Staat hat das Recht und die Pflicht bestmögliche Schulbildung anzubieten, aber nicht das Recht Kinder zu schlechter Schulbildung zu zwingen.
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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon stine » Fr 26. Feb 2010, 14:32

Dissidenkt hat geschrieben:Ein Staat hat das Recht und die Pflicht bestmögliche Schulbildung anzubieten, aber nicht das Recht Kinder zu schlechter Schulbildung zu zwingen.
Bin ich mit dir einer Meinung.
Aber was das den Besitz von Familienmitgliedern betrifft, so bin ich noch nicht eins mit dir, weil nach deiner Definition hätten die muslimischen Männer auch das Recht ihre angetrauten Frauen als Besitz zu sehen. Die Frau gehörte dann auch dem Mann und nicht zum Mann.

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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon Dissidenkt » Fr 26. Feb 2010, 14:44

stine hat geschrieben:Aber was das den Besitz von Familienmitgliedern betrifft, so bin ich noch nicht eins mit dir, weil nach deiner Definition hätten die muslimischen Männer auch das Recht ihre angetrauten Frauen als Besitz zu sehen. Die Frau gehörte dann auch dem Mann und nicht zum Mann. LG stine


Die Frau gehört zum Mann?
Du bist ja ein Chauvi. :mg:

Tatsächlich haben in vielen muslimischen Familien die Frauen die Hosen an und wenn der Alte nicht spurt gibts Saures. Ist also ähnlich wie in anderen Religionen oder bei Nichtreligiösen. Mit Vereinfachungen muss man da vorsichtig sein.

Davon ab schrub ich doch, dass "gehören" nicht in Kategorien von Besitz und Eigentum gedacht werden darf. Weder mit Blick auf die Kinder noch mit Blick auf Frau und Mann.

Besitz und Eigentum sind nach BGB ausschliesslich auf Sachen anwendbar, worunter allerdings auch Tiere fallen, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.
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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon stine » Fr 26. Feb 2010, 15:07

Du meinst wahrscheinlich, die Eltern haben die Pflicht, sich um die Kinder zu kümmern. Sie "gehören" rechtlich zu den Eltern.
Ich glaube, dass unsere (meine?) Sprache dafür nicht das richtige Wort hat.
Besitzen, haben, sein Eigen nennen, Anspruch erheben, passt alles nicht so richtig.

Kinder sind eigenständige Wesen, müssen aber, bis sie das leben können, geschützt, ernährt und beaufsichtigt werden.
Sind Pflicht und Freude :mg: .

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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon smalonius » Fr 26. Feb 2010, 22:03

stine hat geschrieben:Ein typisches Beispiel für die verstellte Wahrnehmung mancher Eltern bezüglich "Eigentum" ist schon die Vornamensgebung. Am Vornamen eines Kindes kannst du schon erkennen, wie die Eltern ticken.

Da ist was dran. Das Thema hatten wir diese Woche im Freundeskreis auch, und zwar hat jemand mit einem typisch bairischem Nachnamen sein Kind Finn genannt.

Den Nachnamen kann man nicht einfach ignorieren. Wer Eiglmeier heißt, oder Huber, sollte seinem Kind vielleicht keine zu exotischen Vornamen geben. Wer Glück hatte und einen etwas schwerer einzuordnenden Nachnamen, darf mutiger sein.

Aber auch da sind manche Vornamen etwas weit weg. Algirdas, aus dem Baltischen, finde ich super, aber ein bisschen gewagt. Esra ist auch geil, aber seit ich mal eine Türkin kannte, die so hieß, habe ich die Orientierung verloren, ob das ein Männer- oder ein Frauenname ist.

Es gibt einige altestamentarische Namen, die mir gut gefallen. Da klingen die Vokale und da reiben die Konsonanten. Aaron, Mearah, Rahab, Rachel, Rivkah. Wobei Rachel im südlichen Bayrischen Wald auch schlecht wäre, weil es dort einen gleichnamigen Berg gibt. Könnte man sein Kind ja gleich Arber oder Lusen nennen. (Wobei: wenn die Prominenz das kann?! :pfeif:)

Ein Allerweltsname ist aber auch nix. In der Arbeit haben wir 4 Stefans; die Martin-Schwemme ist mittlerweile etwas abgeebt. Noch früher hieß es: "Hans und Sepp heißt jeder Depp."

Ist Josef mittlerweile schon wieder rar geworden? Kenne ich eine Grete? Die Gretchenfrage wäre aktuell vielleicht eine Lena-Frage. Maria, Josef, Eva haben "kulturhistorisch" schwer zu tragen. Dann kann man auch gleich ein Statement machen und Luzifer wählen. :veg: Manche Namen haben sowieso nie einen Hype mitgemacht. Wer kennt einen Kilian oder eine Agnes?
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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon smalonius » Fr 26. Feb 2010, 22:14

stine hat geschrieben:Die einzige Möglichkeit die da bleibt, ist das Wahrnehmen und das Anbieten von Hilfe ohne sofort den Eltern Unfähigkeit oder Gewalt zu unterstellen. Wenn ein Baby oder Kind im Haus besonders laut und ausgiebig weint und schreit, dann frägt man halt einfach mal interessiert nach, was der Kleine hat und ob man helfen kann.

Die beiden Großen waren kein halbes Jahr in der Wohnung.

Ich hatte nicht den Eindruck, daß das Kind oft da war, vielleicht ein halbes Dutzend mal. Im Sommer kriegt man das mit, wenn nebenan ein Kind lebt. Ein Kind in dem Alter, das nicht gelegentlich mal quietscht und Krach macht, gibt's nicht. Da müßte man ihm schon Rohypnol ins Bier kippen. Ich nehme an, das Kind war gelegentlich mal da, hat bereits geschlafen, die Alten sind ausgegangen und das Kind ist aufgewacht und war alleine.

Irgendwann hat sich im Gespräch mit Nachbarn herausgestellt, daß ich nicht der einzige war, der das nächtliche Kindergejammere mitgekriegt hat. Gemacht hat niemand was, soweit ich weiß. Ganz schön traurig eigentlich, wenn eine (Haus)gemeinschaft solche Sachen nicht mehr zügig selber regelt und wir ein Herbstfest im Hof brauchten, um uns mal zu unterhalten.

Meist erklärt sich das dann schon und man kann sehen, wie die Eltern auf die Frage reagieren.

Bei denen war Hopfen und Malz verloren. Einmal war das Kind auf dem Balkon und hat was auf die Terasse darunter geschmissen. Da sagt die Frau, das dürfe man nicht, und beide verschwinden wieder in der Wohnung, Balkontür geht zu.

Dem Kind war halt langweilig, also hat es sich Unterhaltung gesucht. Wenn mit normalen Methoden keine Aufmerksamkeit mehr auf sich zieht, stellen Kinder halt gerne Unsinn an. Dann heißt's schnell, so ein böses, ungezogenes Kind.

Dissidenkt hat geschrieben:Zur Vertiefung:
http://forum-kritische-paedagogik.de/st ... st.php?565


Folgende Zitate aus dem Link:
ARTIKEL
Das Interesse des Staates bzw. der Nation an der Erziehung und Bildung der künftigen
Staatsbürger wurde zuerst in der Französischen Revolution formuliert.

Ha! Hatte ich doch Recht, als ich weiter oben Wehrpflicht und Schulpflicht zusammengebracht hatte. Beides "Errungenschaften" aus dem damaligen Frankreich. Die Idee einer Nation stammt auch von da, denke ich.

Bericht und Entwurf einer Verordnung über die allgemeine Organisation des öffentlichen Erziehungswesens
Marquis Antoine de Condorcet, 1792

In der Präambel schreibt er: Ziel sei es, „allen Angehörigen des Menschengeschlechts die Mittel zugänglich zu machen, dass sie für ihre Bedürfnisse sorgen, ihr Wohlergehen sichern, ihr Rechte erkennen und ausüben, ihre Pflichten begreifen und erfüllen können; jedem die Möglichkeit zu sichern, seine beruflichen Geschicklichkeiten zu vervollkommnen, sich für gesellschaftliche Funktionen vorzubereiten, zu denen berufen zu werden er berechtigt ist, den ganzen Umfang seiner Talente, die er von der Natur empfangen hat, zu entfalten und dadurch unter den Bürgern eine tatsächliche Gleichheit herzustellen und die politische Gleichheit, die das Gesetz als berechtigt anerkannt hat, zu einer wirklichen zu machen: das muss das erste Ziel eines nationalen Unterrichtswesens sein; und unter diesem Gesichtspunkt ist es für die öffentliche Gewalt ein Gebot der Gerechtigkeit.“

Das war damals eine wesentliche Erkenntnis und Neuerung. Zuvor hatte Jahrhunderte lang Ungleichheit zwischen Adel, Klerus, Bürgern und Bauern geherrscht. Bürger und Bauern war der Zugang zu Bildung verwehrt, abgesehen, von dem, was von Vater auf Sohn, Mutter auf Tochter, Meister zu Lehrling weitergegeben wurde. Damals war es effizienter, das Unterrichtswesen arbeitsteilig zu gestalten. Einige wenige Lehrer unterrichten viele Schüler. Die Eltern kümmern sich um ihre Alltagsgeschäfte.

Zwischendurch hatten wir ein bißchen Industrialisierung, dann ein bißchen Weltkrieg, nochmal ein bißchen Weltkrieg, Atomzeitalter, kalten Krieg, Europäische Union, örtlich auch heißen Krieg, 68, Mondflug, Wiedervereinigung, Informationszeitalter und jetzt endlich eine dreistellige Zahl von Fernsehsendern. Das heißt aber nicht, daß wir auch nur ein Jota von dem abrücken sollten, was die Leute damals gedacht haben. Die Leute damals waren klüger als wir und konnten Sachen schreiben, die man dreimal lesen muß, bis man es versteht. Deren Gedanken waren handwerkliche Meisterarbeit, mit Federkiel und ohne elektrischen Strom zu Papier gebracht. Das sollten wir schätzen. Und gerade die Deutschen hatten's nicht leicht mit Nation und mit Recht und Gesetz. Genießen wir das, anstatt gleich wieder ausmisten zu wollen. ;-)

In der Verfassung des Landes Baden-Württemberg heißt es daher:

Der Staat hat die Aufgabe, den Menschen dabei zu dienen, dass sie ihre „Gaben“ in Freiheit und zum Wohl der Allgemeinheit entfalten können (Art. 1)

Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung (Art. 11)

:lachtot: :/
Das ist ein schlechter Scherz. Eine Frechheit sogar. Leider kann ich das Fußnoten-Sternchen nicht finden. Neudeutsch, seitdem es Tarifdschungel gibt, schreibt man das so:

Jeder junge Mensch hat das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung. Nur 1 EUR *

*
Gilt nicht in Klassen mit mehr als 5 Kindern.
Gilt nicht für Kinder mit überdurchschnittlichem Interesse.
Gilt nicht für Fragen, die den Rahmen des Lehrplanes überschreiten oder seine zeitliche Umsetzung gefährden. Selbständiges Experimentieren in Chemie- und Physiksaal aus Haftungsgründen verboten.
Selbständiges Experimentieren am Nachmittag unter Beobachtung durch den Chemie- oder Physiklehrer nicht bezahlbar, da politisch nicht erwünscht, Geld bereits durch anderes Fenster hinausgeworfen.
Didaktisch wertvolle Chemiekästen im Fachhandel gegen Aufpreis erhältlich zum Selbststudium für interessierte Schüler.
Zahlungsfähige und zahlungswillige Eltern nicht in diesem Angebot enthalten.


Benjamin Kiesewetter (Name nicht geändert)

An den Fall kann ich mich erinnern. Hier unflätigste Haßtirade einsetzen.

Die Bürokraten meinen, daß sich ein moderner und freier Staat durch formalistische und buchstabengetreue Auslegung von Gesetzen ergibt. Sie meinen zu wissen, daß sie Benjamin Kiesewetter im Zweifelsfalle vor sich selbst schützen müssen.

Wo kämen wir da hin, wenn wir einem Zehntklässer zugestehen, ein besseres Argument zu haben, als der gesammelte Sachverstand der Behörden? Wenn wir zulassen, daß einer mit guten Argumenten kommt, dann kommen am Ende alle. Wer meint, daß Argumente zählen, macht einen Formfehler. Weiß dieser Kiesewetter eigentlich, in welcher Verwaltungsvorschrift die Details geregelt sind? Eben. Es geht um Gesetze. Die werden vom Staat gemacht, um die Rechte des Bürgers zu schützen. Notfalls auch gegen den Willen des Bürgers. Die Mehrzahl der Bürger hat doch nicht mal studiert, und ganz bestimmt nicht Verwaltungsrecht. :veg:


Den Artikel 1 Grundgesetz kennt ihr ja.

Die Bürde des Menschen ist unantastbar.

Hoppla, da hatt's mir eine Wechstabe verbuchselt. Verflixt! :mg:

Ursprünglich hätte Artikel 1 so heißen sollen:
Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen.


Das war wohl zu deutlich, deshalb hat man es mit der würdigen, aber hohlen Phrase ersetzt. Man muß es mit der Staatskritik als Politiker/Verfassungsgeber auch nicht übertreiben. Da würde man sich ja den Stuhl absägen, auf dem man sitzt.


PS: @stine, @Dissidenkt
Kinder ... Schutzbefohlene
Kinder nach bestem Wissen und Gewissen zu schützen
Kinder ... müssen ... geschützt ... werden.

Da will ich mal Nachfragen: wovor müssen Kinder eigentlich geschützt werden?

Vor'm Straßenverkehr?
Vor Fastfood?
Vor wohlmeinenden Verwaltungsbeamten?
Vor'm Staat, weil der Schulden aufbaut, die die Kinder eines Tages abbezahlen müssen?
Vor ihren Eltern?
Vor sich selbst?

Die Antworten sind so vielfältig und widersprüchlich, daß mir "Schutzbefohlene" wie eine leere Phrase erscheint, ohne Umschweife gesagt.
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smalonius
 
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Re: Asyl in den USA für deutsche Fundmentalisten

Beitragvon stine » Sa 27. Feb 2010, 07:34

smalonius hat geschrieben: Wer kennt einen Kilian oder eine Agnes?
Ich ! Und das ist kein Scherz!
Sind beide jetzt im Studentenalter.
=) LG stine
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stine
 
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