Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon ujmp » Di 16. Mär 2010, 23:47

Qubit hat geschrieben:Das Problem liegt tiefer..
Es gibt keine validen Aussagen über das "Ding an sich", es ist überflüssig, es macht keinen Sinn, weil es eine Schimäre ist.
Insofern gibt es auch kein Apriorie "abstrakter Dinge". Es ist abhängig von unserer Vorstellung über die Welt, also von dem Kontext, in dem du über die Dinge sprichst.
Das geht freilich über Kant hinaus =)

Da hört sich für einen Besoffenen nach Obskuratnismus an. Ich tippe, dass es alles Schrott ist, was du sagst, das kann ich aber heute nicht mehr entscheiden. Na, sicher gibt es keine abstrakten Dinge a priori, da es überhaupt keine abtsrakten "Dinge" gibt, es gibt nur abstrakte Gedanken. Exakt diese Vermischung von Ding und Vorstellung verschwurbelt deine Weltanschauung. Das Ding an sich ist keineswegs eine Schimäre. Selbst wenn es eine Illusion wäre, würde ich doch diese Illusion als Ding behandeln müssen. Sobald ich nämlich untersuche, was mir "Wohl oder Wehe" (so nennt M.Schmidt Salomon das Ding an sich) verschafft, stelle ich fest, dass einige Erwartungen mit meiner Erfahrung übereinstimmen und andere nicht. Und genau an dieser Nicht-Übereinstimmung erkenne ich das Ding an sich und an nichts sonst. Es muss etwas außerhalb meiner selbst geben und es ist der abgefahrendste Beschiss, den ich mir vorstellen kann, dies zu leugnen. Warum sollte ich meinen Erfahrungen nicht trauen? - Weil ich beschissen werden soll!
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon Mark » Mi 17. Mär 2010, 10:21

Und überdies : Woraus bestehen denn die "Dinge" ? Es "gibt" doch nur das, woraus etwas besteht.. die Formation dann als etwas neues spezifisches zu bewerten ändert ja nichts daran, daß es eigentlich nur aus vielen kleineren "Dingen" besteht..und diese auch wiederum, und das auch wiederum..immer kleiner.. da verliert sich das menschliche Denken genauso wie im Nihilismus.
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon xander1 » Mi 17. Mär 2010, 17:13

Alle Naturgesetze sind falsch und erstunken und erlogen, nur die Religionen haben Recht und zwar alle und die Esoteriker und das kann man alles mit der Quantenphysikdings beweisen!
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon ujmp » Sa 10. Apr 2010, 19:54

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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon laie » Fr 16. Apr 2010, 13:57

Naturgesetze sind Sätze mit einem Sinn und einem Geltungsbereich. Viele meinen, dass der Geltungsbereich der Naturgesetze das gesamte Universum umfasst. Diese Auffassung ist jedoch problematisch. Folgendes Illustrationsbeispiel findet sich in Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie: Nehmen wir eine einfache Theorie, die "Archimedische Statik": eine Balkenwaage mit zwei Körpern darauf, je einer auf der jeweils anderen Seite vom Drehpunkt. Die Waage ist im Gleichgewicht, wenn das Produkt aus dem Gewicht der Körper und ihrem jeweiligen Abstand zum Drehpunkt gleich ist: g(k1)*d1=g(k2)*d2 mit den beiden Körpern k1 und k2 und den jeweiligen Abständen vom Drehpunkt d1 und d2. g bezeichnet die Gewichtsfunktion. Es sei überdies g(k1) = g(k2). Nun erscheint es logisch, dass wenn man die beiden Körper vertauscht und an die jeweilige Position des anderen setzt, die Waage wiederum im Gleichgewicht ist.

Logisch zwingend ist dies nicht. Es könnte eine Welt geben, in der sich das Gewicht der Körper beim Wechsel der Position ändert. Dass sich das Gewicht der Körper beim Übergang von einem System A in das System B nicht ändert, ist kein Naturgesetz, sondern eine Forderung, die explizit an die Theorie herangetragen werden muss. Diese Forderung schliesst eben solche "skurrilen Fälle" aus, in denen sich das Gewicht ändern könnte. Die Forderung lautet positiv: das Gewicht eines Körpers in einer Archimedischen Statik A soll sich beim Übergang in eine Archimedische Statik B nicht ändern.

Hier nachträglich die Literatur: http://books.google.de/books?id=XL845iM ... q&f=false; Stichwort Querverbindung
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon Nanna » Fr 16. Apr 2010, 14:29

Natürlich ist so etwas möglich, aber ist es auch wahrscheinlich? Für die wenigsten Naturalisten ist der Stand unseres Wissens über den Kosmos etwas, was in Stein gehauen ist, d.h. wenn es Anzeichen für eine Nicht-Allgemeingültigkeit von Naturgesetzen gäbe, dann würden die meisten Naturalisten das auch akzeptieren und wahrscheinlich sogar spannend finden. Solange diese Anzeichen aber nicht entdeckt werden, macht es keinen Sinn, etwas anderes anzunehmen (annehmen != dogmatisch vertreten), als dass die Naturgesetze für das gesamte Universum gelten (was dahinter kommt ist uns mangels Einsichtbarkeit sowieso ziemlich egal).
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon ujmp » Fr 16. Apr 2010, 14:30

@nanna genau

laie hat geschrieben:Naturgesetze sind Sätze mit einem Sinn und einem Geltungsbereich. Viele meinen, dass der Geltungsbereich der Naturgesetze das gesamte Universum umfasst. Diese Auffassung ist jedoch problematisch. ...
Logisch zwingend ist dies nicht.

Niemand behauptet, dass Naturgesetze logisch zwingend im gesamten Universum gleich sind. Es gibt nur einfach keinen logisch zwingenden Grund, daran zu zweifeln, da alle bisher gemachten Beobachtungen darauf hindeuten - oder genauer gesagt: da es keine Beobachtungen gibt, die dieser Vorstellung widersprechen. Deine ortsabhängigen Gewichte sind eine Zusatzannahme, die wir machen könnten, sobald eine derartige Beobachtung ohne diese Annahme nicht mehr zu erklären wäre. Ansonsten gehören solche Vorstellungen in das Reich der Einbildung, zusammen mit Gott und Schneewittchen.
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon laie » Fr 16. Apr 2010, 14:34

ujmp hat geschrieben:Niemand behauptet, dass Naturgesetze logisch zwingend im gesamten Universum gleich sind. Es gibt nur einfach keinen logisch zwingenden Grund, daran zu zweifeln,


Aha ...

Ok, bisschen kurz. Ich denke, ich weiss was Du und Nanna meint. Stimme ich ja auch zu. Aber: die Naturgesetze sind eben keine logischen Wahrheiten. Daher ist die Rede von der Allgemeingültigkeit von Naturgesetzen schlicht falsch.
Zuletzt geändert von laie am Fr 16. Apr 2010, 14:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Fr 16. Apr 2010, 14:37

laie hat geschrieben: das Gewicht eines Körpers in einer Archimedischen Statik A soll sich beim Übergang in eine Archimedische Statik B nicht ändern.
Es geht (wohl) nicht um Gewicht sondern Masse, das Gewicht ändert sich auf Grund vieler Faktoren quasi ständig.
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon Myron » Fr 16. Apr 2010, 15:34

laie hat geschrieben:Aber: die Naturgesetze sind eben keine logischen Wahrheiten. Daher ist die Rede von der Allgemeingültigkeit von Naturgesetzen schlicht falsch.


Niemand behauptet, dass die Naturgesetzaussagen logische Wahrheiten sind. Es gibt ontologisch mögliche Welten, in denen andere Naturgesetze herrschen. Wenn wir von physikalischer Möglichkeit und Notwendigkeit sprechen, dann beziehen wir uns nur auf unsere Welt. Unter der Allgemeingültigkeit der Naturgesetzaussagen wird nicht deren logisch notwendige Wahrheit, d.i. deren Wahrheit in allen möglichen Welten verstanden. Denn was in unserer Welt physikalisch unmöglich ist, kann in einer anderen durchaus physikalisch möglich sein. Dagegen kann etwas in unserer Welt logisch Unmögliches nicht in einer anderen Welt logisch möglich sein—höchstens in einer unmöglichen Welt.
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon laie » Fr 16. Apr 2010, 15:35

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Es geht (wohl) nicht um Gewicht sondern Masse, das Gewicht ändert sich auf Grund vieler Faktoren quasi ständig.


In der Literatur wird eine Querverbindung für den Begriff Masse und den des Gewichts postuliert. Einerlei. Wenn Naturgesetze nicht universell gültig sind, dann sollte man vielleicht etwas demütiger gegenüber Andersdenkenden sein. Du kannst jetzt sagen, "ja, gut, aber wenigstens geht es in Naturwissenschaft sauber zu" und meinst damit: frei von nicht beobachtbaren Klimbim. Da hast Du freilich recht. Die Positivisten dachten, dass sich alle Sachverhalte in einer sog. Beobachtungssprache beschreiben lassen. Die Beobachtungssprache enthält dann, so die Hoffnung keinen Verweis mehr auf nicht-beobachtbare Sachverhalte, die in einer theoretischen Sprache ausgedrückt werden müssen. Kurz: Beobachtbar - theoretisch (nicht beobachtbar). Das ist eine Illusion.

Dass es sich um eine Illusion handelt, geht daraus hervor, daß zunächst der Begriff "beobachtbar" sehr dehnbar ist. Beobachtbar ist zunächst alles was ich sehen kann. Dann hören. Und schmecken. Kurz, alles was ich mit den Sinnen erfahren kann. Dazu noch alles, was nicht durch meine Sinne, sondern durch Apparate vermittelt wird. Auf diese Weise sagen wir, dass auch die Temperatur im Inneren der Sonne beobachtbar sei. Dann wiederum gibt es Situationen, in denen weder meine Sinne noch ein Apparat etwas Beobachtbares aus dem Hut zaubern, sondern in denen die vermeintliche Empirie berechnet wird. Und das ist wohl die Regel: die Naturwissenschaft schafft pausenlos neue Begriffe, die aus zwei oder mehr Begriffen "abgeleitet" werden.

Hinzu kommt, dass es theorieunabhängiges Beobachten nicht gibt. Also nicht: man sammelt die Fakten und interpretiert dann. Jede Forschung ist theoriengeleitet. Auf die Kritik Putnams, dass man beim positivistisch-empirischen Dichtomie beobachtbar-theoretisch nicht klar werde, wie die Begriffe von der Theorie herkommen, möchte ich hier nicht weiter eingehen.

Jetzt mein Punkt: wenn schon Naturwissenschaften zu einem theoretischen Vokabular Zuflucht nehmen müssen, warum akzeptiert man nicht einfach, dass sich eine Weltanschauung wie das Christentum nicht auf Beobachtbares stützen muss, um legitim zu sein. Man muss nicht immer alles begrapschen, um Wahres zu sagen. Oder liege ich falsch?
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon laie » Fr 16. Apr 2010, 15:40

Myron hat geschrieben:
laie hat geschrieben:Aber: die Naturgesetze sind eben keine logischen Wahrheiten. Daher ist die Rede von der Allgemeingültigkeit von Naturgesetzen schlicht falsch.


Niemand behauptet, dass die Naturgesetzaussagen logische Wahrheiten sind. Es gibt ontologisch mögliche Welten, in denen andere Naturgesetze herrschen. Wenn wir von physikalischer Möglichkeit und Notwendigkeit sprechen, dann beziehen wir uns nur auf unsere Welt. Unter der Allgemeingültigkeit der Naturgesetzaussagen wird nicht deren logisch notwendige Wahrheit, d.i. deren Wahrheit in allen möglichen Welten verstanden. Denn was in unserer Welt physikalisch unmöglich ist, kann in einer anderen durchaus physikalisch möglich sein. Dagegen kann etwas in unserer Welt logisch Unmögliches nicht in einer anderen Welt logisch möglich sein—höchstens in einer unmöglichen Welt.


D'accord
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon ujmp » Fr 16. Apr 2010, 17:39

laie hat geschrieben:Jetzt mein Punkt: wenn schon Naturwissenschaften zu einem theoretischen Vokabular Zuflucht nehmen müssen, warum akzeptiert man nicht einfach, dass sich eine Weltanschauung wie das Christentum nicht auf Beobachtbares stützen muss, um legitim zu sein. Man muss nicht immer alles begrapschen, um Wahres zu sagen. Oder liege ich falsch?

Alles menschliche Denken ist selbstverständlich theoretisch - wo ist das Problem? Es gibt aber Theorien, die praktischen Nutzen haben, da sie uns helfen, Prognosen über die Welt abzugeben. Dabei ist es ganz unerheblich und auch überhaupt kein Mangel, dass unsere Beobachtungen theoriegeleitet sind (diese Kritik entspringt vermutlich einem religiösen Wahrheitskonzept, nämlich das die Wahrheit eine Aussage, ein Text sei). Als Newton von fallenden Gegenständen auf eine Gravitationskraft geschlossen hatte, war die wissenschaftliche Arbeit nicht beendet, er hatte erstmal nur einen Einfall gehabt. Die klare mathematische Formulierung seiner Theorie ermöglichte es aber in der Folge die Bahnen der Planeten sehr genau vorherzuberechnen. Mit anderen Worten, seine Theorie beantwortete seine Fragen an die Natur - ziemlich exakt! Und insofern wir die selben Fragen stellen, beantwortet Newtons Theorie sie für uns ebenso exakt.

Die Frage ist, worauf sich die Theologie denn stützt, wenn nicht auf Beobachtung - es kann eben nur Willkür sein. Ok, im Kino schaue ich mir gerne mal ein kunstvoll erdichtetes Märchen an, das kann durchaus erbaulich sein. Ich kann auch einigen biblischen Passagen Erbauliches abgewinnen. Die Theologie sollte nur nicht versuchen, sich als Philosophie oder gar Wissenschaft hinzustellen - das wäre Betrug.
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon Nanna » Fr 16. Apr 2010, 18:06

laie hat geschrieben:Jetzt mein Punkt: wenn schon Naturwissenschaften zu einem theoretischen Vokabular Zuflucht nehmen müssen, warum akzeptiert man nicht einfach, dass sich eine Weltanschauung wie das Christentum nicht auf Beobachtbares stützen muss, um legitim zu sein. Man muss nicht immer alles begrapschen, um Wahres zu sagen. Oder liege ich falsch?


Teile der christlichen Glaubensinhalte, wie Teile jeder Religion, sind in sich widersprüchlich oder nicht mit beobachtbaren Inhalten übereinstimmend. Das heißt, Teile dieser Lehren sind durchaus durch Beobachtungen oder das Aufzeigen logischer WIdersprüche widerlegbar. Das sind auch die Teile, die den Alter-Mann-mit-Bart-tut-Wunder-Ideen am nächsten kommen.

Lassen wir also diesen Teil der Überzeugungen - für viele, auch prominente Gläubige, wie die Bewohner des Vatikans allerdings durchaus wichtige Inhalte - weg, und stellen nur das gegenüber mit der naturwissenschaftlichen Lehrmeinung (und nehmen verallgemeinernd an, dass es soetwas als einheitliche Instanz gibt). Dann stellt sich die Frage, wenn Gott also soweit aus der Welt verdrängt wurde, dass er nur noch ein unspezifischer Gott im Sinne des Pantheismus ist, was an den Überzeugungen der Christen noch spezifisch christliches ist. Übrigens ist der Pantheismus ein Glaube, mit dem man durchaus den Brights beitreten kann, weil er nichts Übernatürliches enthält. Trotzdem bleibt die Frage, warum man diesen Gott noch für relevant befinden sollte. Gott hat entweder Einfluss auf unsere Welt - dann ist er mit naturwissenschaftlichen Mitteln erforschbar - oder er hat ihn nicht - dann ist er als eigentständige Entität irrelevant und nur noch als virtuelles Wesen für den individuellen Gläubigen relevant. Etwas, womit wir Brights übrigens im Gegensatz zu manch anderem Atheistenschlag auch keine Probleme haben.
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon laie » Sa 17. Apr 2010, 08:40

ujmp hat geschrieben:Dabei ist es ganz unerheblich und auch überhaupt kein Mangel, dass unsere Beobachtungen theoriegeleitet sind (diese Kritik entspringt vermutlich einem religiösen Wahrheitskonzept, nämlich das die Wahrheit eine Aussage, ein Text sei).


Nein. Kein religiöses Wahrheitskonzept. Ganz einfach: es gibt keine wahren oder falschen Sachverhalte, sondern nur Sätze über diese Sachverhalte. Und nur diese Sätze können wahr oder falsch sein. Auch glaube ich nicht, dass man Disziplinen aus dem Kanon der Wissenschaften ausschliessen sollte, wenn sie keine Prognosen erzeugen.
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon Myron » Sa 17. Apr 2010, 14:27

laie hat geschrieben:Ganz einfach: es gibt keine wahren oder falschen Sachverhalte, sondern nur Sätze über diese Sachverhalte. Und nur diese Sätze können wahr oder falsch sein.


In der Philosophie wird üblicherweise zwischen bestehenden und nicht bestehenden bzw. wirklichen und unwirklichen Sachverhalten unterschieden, wobei ein bestehender, wirklicher Sachverhalt auch als Tatsache bezeichnet wird.
(Manche Philosophen setzen hingegen Tatsachen mit wahren Aussagen gleich.)
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon smalonius » Sa 17. Apr 2010, 17:44


Wußte gar nicht, daß er so verschmitzt-kauzig ist. :up:

Eins möchte ich noch hinzufügen. Gell-Mann erwähnt die Analogie zwischen elektrischer Kraft und Gravitation. Beides sind 1/r²-Beziehungen. Letztlich steckt das selbe dahinter: die kugelförmige Ausbreitung einer Wellenfront. Eine Wellenfront verteilt sich auf einer Kugeloberfläche und die geht mit r². Deshalb nehmen Kräfte dieser Art im dreidimensonalen Raum mit 1/r² ab.

In einer zweidimensionalen Welt würden wir 1/r-Gesetze sehen.

laie hat geschrieben:Naturgesetze sind Sätze mit einem Sinn und einem Geltungsbereich. Viele meinen, dass der Geltungsbereich der Naturgesetze das gesamte Universum umfasst. Diese Auffassung ist jedoch problematisch. Folgendes Illustrationsbeispiel findet sich in Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie: Nehmen wir eine einfache Theorie, die "Archimedische Statik": eine Balkenwaage mit zwei Körpern darauf, [...]

Logisch zwingend ist dies nicht. Es könnte eine Welt geben, in der sich das Gewicht der Körper beim Wechsel der Position ändert.

Das Beispiel ist auch nicht logisch zwingend. :mg:

Du schreibst, Naturgesetze haben einen Geltungsbereich. Dann bringst du ein Beispiel, bei dem absichtlich gegen den Geltungsbereich verstoßen wird. Die Balkenwaage funktioniert nur in einem homogenen Schwerefeld und bei Körpern gleicher Dichte (Auftriebskraft durch Luftverdrängung). Das ist so selbstverständlich, daß man es gemeinhin nicht dazuschreibt. Deshalb kann man das Prinzip der Balkenwaage nicht "aushebeln" in dem man ein inhomogenes Schwerefeld postuliert - und genau das haben wir wenn der Tausch von A nach B das Gewicht ändert. Dazu muß man nur den Mount Everest neben die Balkenwage stellen, und schon hat man so einen Fall.

Außerdem - Myron hat's schon angedeutet - ist das Hebelgesetz nur eine "Naturgesetzaussage". Der Stand unseres Wissens hat aber keinen Einfluß auf die tatsächlichen Naturgesetze.

Wenn sich herausstellte, daß in 10 Mrd Lichtjahren etwas anders läuft, als bei uns, dann haben wir eine tiefere Wahrheit gefunden und einen neuen Aspekt der unteilbaren Naturgesetze. Letztlich muß es einen Grund haben, warum es bei uns so und dort anders läuft.

Die Naturgesetze haben immer recht, egal ob wir sie kennen und mit unseren Naturgesetzaussagen vollständig beschreiben.

Myron hat geschrieben:Niemand behauptet, dass die Naturgesetzaussagen logische Wahrheiten sind.

Dann mach ich den Anfang. ;-)

Ich hab lange geglaubt, daß man durch reines Nachdenken nichts über die Welt herausfinden kann. Man muß hingehen und nachsehen. Dachte ich. Inzwischen kommen mir aber einige Zweifel, weil es ein paar schöne Beispiele gibt, wie man durch Nachdenken zu Aussagen über die Welt kommt. Eigentlich müßte man für diese Aussagen eine neue Klasse aufmachen, systemische Naturgesetze etwa. :ka:

Hier die Beispiele, vielleicht habe ich ja irgendwo einen Denkfehler und sehe ihn nur nicht.


Zweiter Hauptsatz

Nehmen wir an, wir haben Bälle unterschiedlicher Farbe, weiß und schwarz. Sonst sind die Bälle genau gleich. Diese Bälle geben wir in eine Schachtel, die schwarzen unten, die weißen oben. Dann schütteln wir die Kiste. Jeder durchgeschüttelte Ball kann tausende von Wegen nehmen. Nur sehr wenige dieser Wege führen zu einem Zustand, in dem die schwarzen von den weißen Bällen getrennt sind; die meisten Wege führen zu einem vermischten Zustand.

Das ist das Prinzip der Entropie, und es ist zumindest in dieser Formulierung rein logisch durch statistische Überlegungen ableitbar.


Evolution (Selektion)

Der Darwinschen Evolution wurde und wird oft vorgeworfen, sie sei eine Tautologie: die Fitten überleben und wer überlebt ist fit. Als ob eine Tautologie eine Schande wäre - im Gegenteil, sie ist eine logische Wahrheit, und man muß "nur" noch nachsehen, ob die Vorraussetzungen erfüllt sind.

Interessanter Weise ist auch die Kovarianzgleichung von Price - sie beschreibt Selektionsvorgänge - algebraisch ableitbar und damit mathematisch beweisbar.


Benford's Law

Dieses Gesetz beschreibt die Wahrscheinlichkeit von Anfangsziffern in Zahlen gewisser Verteilungen. Zum Beispiel Zahlen, wie sie in Unternehmensbilanzen auftauchen oder in einer Tabelle mit der Länge von Flüssen. Und zwar ist es so, daß nicht alle Ziffern 1 - 9 gleich häufig auftreten. Die 1 kommt am häufigsten vor, die 2 etwas weniger, die 3 noch weniger und so weiter.

Letzlich hat das was mit der Exponentialfunktion und mit unserem Zahlensystem zu tun. Wenn ich 100 000 EUR Umsatz mache und mich um 25% steigere auf 125 000 EUR, dann habe ich immer noch die 1 vorne dran. Wenn ich aber 500 000 EUR Umsatz mache, lande ich mit 25% Steigerung bereits bei einer anderen Anfangsziffer.

Benfords Gesetz lieferte übrigens Anhaltspunkte, daß bei der letzten Wahl im Iran "getürkt" wurde.


Biologische Skaleneffekte

(Das Zeug hat einen Namen, er will mir nur nicht einfallen.) Denken wir uns Tiere verschiedener Körpergröße. Bekanntlich geht die Oberfläche eines (annähernd kugelförmigen) Körpers mit r², sein Volumen mit r³. Deshalb haben kleine Tiere eine verhältnismäßig große Körperoberfläche im Vergleich zum ihrem Körpervolumen. Sie kühlen rascher aus und brauchen eine Ausgleichsmaßnahme, zum Beispiel eine höhere Stoffwechselrate.

Hoppla! Jetzt haben wir aus einer logischen Überlegung und aus mathematischen Tatsachen eine Aussage über warmblütige Tiere abgeleitet. :erschreckt:


Die Beispiele sollten für's erste reichen. Sie erscheinen mir so universell, daß sie sogar in hypothetischen anderen Universen gelten sollten.

Geht's also doch, daß man auch durch Nachdenken etwas über die Welt herausfindet?
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon ujmp » Sa 17. Apr 2010, 19:02

smalonius hat geschrieben:Geht's also doch, daß man auch durch Nachdenken etwas über die Welt herausfindet?

Jetzt haben wir nur leider damit zu kämpfen, dass wir uns unermesslich viel ausdenken können, was überhaupt nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat -obwohl es in sich logisch ist. M.E. sieht man daraus, dass Überlegungen nur Modelle liefern können. Deren Gültigkeit muss ein anderes Kriterium als die Logik liefern. Für ein Modell in diesem Sinne ist nicht einmal Logik erfordelich, es genügt ein Einfall.

Ein beachtenswertes Phänomen ist sicher, dass die Gesetze der Logik irgendwas mit den Gesetzen der Wirklichkeit gemeinsam haben. Aber gerade dieses Irgendwas führt auch zu sehr vielen Trugschlüssen, insbesondere durch die Verwechslung von Kausalitäts-, Seins- und Vernunftgründen (plus Schopenhauers Willensgründen).

smalonius hat geschrieben:Zweiter Hauptsatz

Nehmen wir an, wir haben Bälle unterschiedlicher Farbe, weiß und schwarz. Sonst sind die Bälle genau gleich. Diese Bälle geben wir in eine Schachtel, die schwarzen unten, die weißen oben. Dann schütteln wir die Kiste. Jeder durchgeschüttelte Ball kann tausende von Wegen nehmen. Nur sehr wenige dieser Wege führen zu einem Zustand, in dem die schwarzen von den weißen Bällen getrennt sind; die meisten Wege führen zu einem vermischten Zustand.

Das ist das Prinzip der Entropie, und es ist zumindest in dieser Formulierung rein logisch durch statistische Überlegungen ableitbar.

Deine Logik ist m.E. eine Tautologie ( im Sinne von "etwas mit sich selbst erklären") Warum?- Weil du schon vorraussetzt, "dass der seltenere Fall der unwahrscheinlichere ist" - aber genau das weißt du nur durch Beobachtung.

Ein logischer Schluss braucht doch immer Prämissen - wenn wir die Naturgesetze ohne Beobachtung herleiten könnten, müssten diese Prämissen apriori in uns sein. Ein gewagter Gedanke...
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon smalonius » So 18. Apr 2010, 18:42

ujmp hat geschrieben:Jetzt haben wir nur leider damit zu kämpfen, dass wir uns unermesslich viel ausdenken können, was überhaupt nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat -obwohl es in sich logisch ist.

Das ist ein gutes Argument. :up:

Eine Überlegung mag noch so logisch aussehen, sie könnte falsch sein. Im Nachhinein läßt sich vieles leicht erklären, bevor man nicht nachgesehen weiß man nicht, ob man falsch lag.

Und oft kommt man erst durch Nachsehen auf eine Idee. Siehe Darwin. Siehe Benfords Gesetz - da ist jemandem aufgefallen, daß Bücher mit Logarithmentafeln bei niedrigen Nummer abgegriffener waren, als bei hohen.

ujmp hat geschrieben:M.E. sieht man daraus, dass Überlegungen nur Modelle liefern können.

Ich weiß nicht. Benfords Gesetz ist kein Modell, sondern eine beweisbare mathematische Aussage über Zahlen, wie sie bei Wachstumsprozessen auftreten.

Eher könnte man einwenden, daß Benfords Gesetz keine Aussage liefert, ob exponentielle Wachstumsprozesse tatsächlich existieren.

ujmp hat geschrieben:Deine Logik ist m.E. eine Tautologie ( im Sinne von "etwas mit sich selbst erklären") Warum?- Weil du schon vorraussetzt, "dass der seltenere Fall der unwahrscheinlichere ist" - aber genau das weißt du nur durch Beobachtung.

Selten = unwahrscheinlich. Das muß man nicht beobachten. Das ergibt sich aus der Semantik. Das ist eben das Schöne an einer Tautologie: sie versteht sich von selbst. (Sobald man sich die nötigen Begriffe zurechtgelegt hat. :pfeif:)

ujmp hat geschrieben:Ein logischer Schluss braucht doch immer Prämissen - wenn wir die Naturgesetze ohne Beobachtung herleiten könnten, müssten diese Prämissen apriori in uns sein. Ein gewagter Gedanke...

Moderne Logik ist noch nicht so alt. Gerade mal hundert und noch ein paar Jahre.

Ich habe oben erwähnt, daß man für solche Dinge eine neue Klasse von Naturgesetz(formulierung) aufmachen müßte. Es gibt 6 x 6 verschiedene Möglichkeiten, wie zwei (perfekte) Würfel fallen können. Nur eine davon ist zweimal die 1. Ist das jetzt ein Naturgesetz oder nicht? :ka:

Hat so eine Aussage überhaupt einen Sinn in einer physikalischen Welt, in der es keinen perfekten Würfel gibt?
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Re: Allgemeingültigkeit der Naturgesetze

Beitragvon ujmp » Mo 19. Apr 2010, 07:28

smalonius hat geschrieben: Das ist eben das Schöne an einer Tautologie: sie versteht sich von selbst. (Sobald man sich die nötigen Begriffe zurechtgelegt hat. :pfeif:)?

Das denkst du bloß. Weißt du was ein "Steintulp" ist? Wenn ich dir sage "Ein Steintulp ist steinig und tulpig, das sagt doch schon die Semantik." hilft dir das nicht sehr weit. "Tautologie" ist eigentlich ein Begriff aus der Rhethorik und bedeutet abwertend, das man sich wiederholt ohne weitere Informationen zu geben. Ich meine, Wittgenstein hat ihn für die Logik entlehnt. In der Logik ist er eine Aussageform, deren Wert nicht von den Prämissen abhängt - es kommt immer dasselbe raus. Dass Mathemathik eigentlich "nur" aus Tautologien besteht, beweist m.E. dass sie eigentlich "nur" eine Sprachkonvention ist, aber nichts Wirkliches darstellt.

Ein mathematischer Ausdruck ist nur ein Modell, dass auch falsch sein kann. Dabei muss man zwei Dinge unterscheiden. Der Ausdruck "10 -1= 15" ist ein mathematischer Fehler, er enstpricht nicht den Sprachkonventionen - es sei denn man meint ihn hexadezimal. Ausdrücke mit Variablen wie "A - B = C" oder "E=mc3" sind Modelle, die an der Wirklichkeit scheitern können. Deshalb macht die Mathematik für sich genommen keine Aussagen über die Wirklichkeit, sie ist sozusagen nur eine gewiefte Grammtatik, um sie zu beschreiben.

smalonius hat geschrieben:Ich habe oben erwähnt, daß man für solche Dinge eine neue Klasse von Naturgesetz(formulierung) aufmachen müßte. Es gibt 6 x 6 verschiedene Möglichkeiten, wie zwei (perfekte) Würfel fallen können. Nur eine davon ist zweimal die 1. Ist das jetzt ein Naturgesetz oder nicht? :ka:
.
Darin sind zwei Fragen: a) ist es ein Naturgesetz, dass unter 36 möglichen Kombinationen nur eine ist die Eins-Eins lautet. Diese Frage ist qualitativ das selbe wie "Ist es ein Naturgesetz, dass 1+1 = 2 ist?" Ich würde sagen, Nein. Es ist ein "analytisches Urteil", genau wie "Wenn die Sonne scheint, ist Tag". Dies ist keine Erkenntis von kausalen Ursachen, sondern ein Vernunftgrund. Denn der Begriff "Tag" beinhaltet, dass die Sonne scheint genau wie der Begriff "Zwei" das "Eins und Eins" beinhaltet.
b) Was ist Zufall? Ist der Zufall gesetzmäßig? Murray Gell-Mann spricht von Gesetz und Zufall. Super interessante Fragen, hab aber grad keine Zeit mehr...
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