Marx und der Kommunismus

Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon n0b0dy » Sa 14. Aug 2010, 17:50

Zappa hat geschrieben:Tja und lass dir von einem Mitmenschen sagen: Genau das ist die Entscheidung, die Du treffen musst. Der Rest deines Postings war für mich Geschwurbel ...

Wieso muss ich mich da entscheiden? Weil sich was anderes bisher nicht durchsetzen konnte? Gerade deshalb sollte man sich doch dafür einsetzen.
Und wieso Geschwurbel? Wenn du was nicht verstanden hast, kannste gern nachfragen. Kann schon sein, dass ich mich manchmal etwas kompliziert ausdrücke und wie gesagt ich bin nunmal an die Marxschen Begriffe gewöhnt.
Zappa hat geschrieben:War mir schon klar, dass Du eher anarchistischen Ideen nachhängst. Dazu kann ich Dir aus meiner fast 50 jährigen Lebenserfahrung nur sagen: 80% der Leute sind Idioten und Arschlöcher und ich bin froh, dass die nicht die gleichen Einfluss, die gleiche Macht wie Leute meines Schlages haben. Insofern sind Machtstrukturen doch logisch nachvollziehbar, oder?

Die Leute die sich heutzutage Anarchisten nennen kann ich ehrlich gesagt auch nicht ab und oft wissen die auch gar nicht mehr, dass es mal sowas wie nen politischen Anarchismus als Bewegung gab. Außerdem stört mich die Naivität & Theoriefeindlichkeit. Die Anarchisten damals haben aber intuitiv vieles richtig gemacht und waren ironischerweise dem Kommunismus 1000x näher als der gesamte Realsozialismus in seiner Geschichte. Informier dich doch bitte erstmal bissl:
Spanien:
Wikipedia, Doku1, Doku2
Ukraine:
Anarchopedia
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon Bionic » Sa 14. Aug 2010, 17:53

He der Kommunismus wie er sich schlussendlich manifeszierte war schlecht! Wie weit dies von der ursprünglichen Idee abgekommen ist, spielt dabei keine Rolle!
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon n0b0dy » Sa 14. Aug 2010, 17:55

Bionic hat geschrieben:He der Kommunismus wie er sich schlussendlich manifeszierte war schlecht! Wie weit dies von der ursprünglichen Idee abgekommen ist, spielt dabei keine Rolle!

Demnach ist Jesus überholt wegen Kreuzzügen? Sry, diese Logik erschließt sich mir einfach nicht. Vll. magste es etwas näher begründen? :up:
Die Anarchisten nannten sich übrigens auch libertäre Kommunisten.
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon Zappa » Sa 14. Aug 2010, 18:03

n0b0dy hat geschrieben:
Bionic hat geschrieben:He der Kommunismus wie er sich schlussendlich manifeszierte war schlecht! Wie weit dies von der ursprünglichen Idee abgekommen ist, spielt dabei keine Rolle!

Demnach ist Jesus überholt wegen Kreuzzügen?


Als Naturwissenschaftler würde ich sagen: Zweimal ja :mg:

Wenn die Anwendung einer Theorie Scheisse produziert, ist für mich zuerst einmal die Theorie fehlerhaft und nicht die "Wirklichkeit" widerborstig. Manche Dinge sind einfacher, als manche sie machen ...
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon Bionic » Sa 14. Aug 2010, 18:06

n0b0dy hat geschrieben:Demnach ist Jesus überholt wegen Kreuzzügen? Sry, diese Logik erschließt sich mir einfach nicht. Vll. magste es etwas näher begründen? :up:

Hab ich das etwa gesagt? Die Idee mag ja gut gewesen sein, nur war es deren Umsetzung eben eher nicht! Gilt für das Christentum genaus, wie für den Kommunismus. Alles Klar?
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon n0b0dy » Sa 14. Aug 2010, 19:34

Zappa hat geschrieben:Wenn die Anwendung einer Theorie Scheisse produziert, ist für mich zuerst einmal die Theorie fehlerhaft und nicht die "Wirklichkeit" widerborstig. Manche Dinge sind einfacher, als manche sie machen ...

Tatsächlich war ja auch die Theorie fehlerhaft, aber eben nicht die Kapitalismuskritik von Marx, sondern die Fehlinterpretationen von Engels und die autoritären unwissenschaftlichen Frühschriften von Marx! So, bin erstmal weg. Weiteres morgen.
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon Bionic » Sa 14. Aug 2010, 21:36

n0b0dy hat geschrieben:Weiteres morgen.

Na denn.
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon n0b0dy » So 15. Aug 2010, 21:19

So. Also sowas lässt sich nunmal nur inhaltlich feststellen.
Wie ich hier schon angedeutet habe, hat zwar Marx kein ausformuliertes Staatsverständnis hinterlassen, aber im Rahmen der Neuen Marx-Lektüre wurde mit der Staatsableitungsdebatte parallel zur Vorgehensweise von Marx im Kapital ein marxscher Staatsbegriff rekonstruiert. Dieser besagt u.a., dass Sozialismus/Kommunismus nur per Abschaffung des Staates möglich ist. Außerdem bezog sich der Leninismus d.h. die Grundideologie des Realsozialismus wesentlich auf frühe Schriften wie das kommunistische Manifest. Speziell das Staatsverständnis wurde aber später explizit von Marx revidiert.
So Schreibt Engels zur 4. Auflage des kommunistischen Manifests:
"[...] gegenüber den praktischen Erfahrungen, zuerst der Februarrevolution und noch weit mehr der Pariser Kommune, wo das Proletariat zum ersten Mal zwei Monate lang die politische Gewalt innehatte, ist heute dies Programm stellenweise veraltet. Namentlich hat die Kommune den Beweis geliefert, dass die Arbeiterklasse nicht(!) die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann. - Siehe Karl Marx, "Der Bürgerkrieg in Frankreich", London 1871, wo dies weiter entwickelt ist." (MEW 21, S. 358 )
Marx schreibt nun in "Der Bürgerkrieg in Frankreich" (1871):
"Alle Revolutionen vervollkommneten [...] nur die Staatsmaschinerie, statt diesen ertötenden Alp abzuwerfen. " (MEW 17, S.539)
...ganz zentral war für ihn:
"Beseitigung der Staatshierarchie überhaupt und Ersetzung der hochfahrenden Beherrscher des Volkes durch jederzeit absetzbare Diener, der Scheinverantwortlichkeit durch wirkliche Verantwortlichkeit, da sie dauernd unter öffentlicher Kontrolle arbeiten."(MEW 17, S.544)
"Staatssozialismus ist eine der Kinderkrankheiten des proletarischen Sozialismus." (MEW 39, S. 215)

Ein weiterer Punkt betrifft die Methodik des Marxschen Kapital. Das ist leider etwas komplizierter, aber ich versuchs mal. Der traditionelle Marxismus (Sozialdemokratie + Leninismus) ging in Anschluss an Engels davon aus, dass Marx im Kapital die historische Entstehung des Kapitalismus analysiere (sog. logisch-historische Methode). Ab den 1960er Jahren setzte sich durch, dass Marx aber in Wirklichkeit den bereits entwickelten Kapitalismus in seinem "idealen Durchschnitt" kritisch analysiert. Also erst etwa 100 Jahre nach der Veröffentlichung des Kapital wurde überhaupt verstanden was Marx im Kapital eigentlich macht. Man kann sich schon vorstellen wieviele Missverständnisse aus sowas resultieren können. Beispielsweise meint Engels und entsprechend der Traditionsmarxismus, dass Marx eine vorkapitalistische einfache Warenproduktion darstelle, in der nach absoluten Arbeitszeitmengen getauscht wird. Den Kommunismus begreift Engels (und wiederum entsprechend Lenin & co) dann als Wiederkehr dieser einfachen Warenproduktion nur auf Basis von Gemeineigentum und sozusagen auf höherer Stufenleiter. Dieses falsche Verständnis legt nun aufgrund der simplifizierenden Vorstellung von gesellschaftlicher Vermittlung fatalerweise auch die Möglichkeit einer zentralen Planung nahe, während die sog. monetäre Werttheorie der Neuen Marx-Lektüre diese grundsätzlich ausschließt.

Man kann also festhalten, dass die Sozialismusvorstellung des Leninismus in seinen wesentlichen Punkten d.h. autoritäre Verstaatlichung und Zentralplanung nicht mit dem Marxschen Spätwerk vereinbar ist, sondern diesem sogar grundlegend widerspricht.
Wenn euch einzelne Punkte genauer interessieren, kann ich das noch ausführen. Unklare Begrifflichkeiten erklär ich auch gerne.

Literatur & Quellen:
- Michael Heinrich "Kritik der politischen Ökonomie - Eine Einführung" (240 S./10€) (Online Ebook: PDF/Text)
- Michael Heinrich "Die Wissenschaft vom Wert: Die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie zwischen wissenschaftlicher Revolution und klassischer Tradition" (410 S./25€)
- Ingo Elbe "Marx im Westen: Die neue Marx-Lektüre in der Bundesrepublik seit 1965" (640 S./50€)
- Ingo Elbe "Marx vs. Engels – Werttheorie und Sozialismuskonzeption" (Onlinetext)
- Ingo Elbe "Zwischen Marx, Marxismus und Marxismen. Lesarten der Marxschen Theorie" (Onlinetext/Audio-Vortrag)
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon Mark » Mo 16. Aug 2010, 11:38

Jetzt wissen wir aber immernoch nicht wie genau sich ein moderner Kommunist die Abläufe in der Volkswirtschaft vorstellt..
Wie konkret sollte denn alles organisiert sein ?
Man kann doch nicht einfach nur sagen "das zeigt sich dann empirisch im Laufe der Zeit" , man braucht doch ein Konzept !!
Wie werden die Unternehmen im "utopischen" Kommunismus geführt ? Wie wird das Geld gehandhabt ? Wer entwickelt die Produkte und nach welchen Vorgaben ? Gibt es dann überhaupt Vorgaben ? Keine Planwirtschaft ?
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon n0b0dy » Mo 16. Aug 2010, 14:54

Vollzitat des Vorbeitrags entfernt, 1v6,5M
Eins nachm anderen.^^
Wenn erstmal klar ist, dass sich Marx & die Idee des Kommunismus nicht mit dem Realsoz. erledigt hat, dann können wir gern genauer über Konsequenzen diskutieren. Hab ja schon eingangs erklärt, dass es nicht DEN Kommunismus als vorgefertigtes Konzept ausm Systembaukasten gibt, sondern dieser im wesentlichen negativ definiert ist. Ist man sich einig in Kritik & Analyse des Kapitalismus ergeben sich notwendige Grundprinzipien des Kommunismus von selbst. In der verlinkten Einführung von Heinrich sind auch einige Schlussfolgerungen erwähnt.
12. Kommunismus – Gesellschaft jenseits von Ware, Geld und Staat (link)
Da werden auch einige Missverständnisse klargestellt und es sollte insofern eine gute Grundlage zur Diskussion darstellen.
Bini Adamzcak formuliert das in ihrem Kinderbuch über den Kommunismus (übrigens sehr zu empfehlen) so:
"Es ist wie bei der Heilung einer Krankheit. Wenn der Kapitalismus eine Krankheit wäre - was er nicht ist -, dann wäre derjenige Kommunismus das beste Medikament, der die Menschen ganz gesund machen kann und nicht nur zu einem Drittel oder zur Hälfte."
Um die Probleme aus der Welt zu schaffen, muss man sie aber erstmal begrifflich fassen und im Zusammenhang begreifen.
Ich wiederhol mich langsam, aber ich glaube nicht, dass hier allgemein anerkannt ist, dass Ausbeutung, Krisen etc. nur abschaffbar sind wenn man folgendes aus der Welt schafft bzw. durch andere Formen ersetzt: Privateigentum an Produktionsmitteln, Warentausch, Geld, Kapital & Staat
Insofern muss die Grundlage des Kommunismus in jedem Fall das Gemeineigentum (an PM) und kollektive Selbstverwaltung auf allen Ebenen sein.
Das imho bisher überzeugenste Konzept, welches auch das Moment der Subjektivität deutlich stärker betont ist die Peer-Economy von Christian Siefkes. Er skizziert ausgehend von der freien Software-Bewegung eine postkapitalistische Gesellschaft, in welcher der Warentausch zugunsten bewusster Aufwandsteilung aufgehoben ist und welche ohne zentrale Planinstanz auskommt. Soweit ich es kenne, ist es mit der Marxschen Kritik recht gut vereinbar, was wirklich selten der Fall ist.
Ich war auch letztens auf verschiedenen marxistischen Tagesseminaren u.a. von Ingo Elbe ("Marx im Westen") und Hermann Lueer ("Warum verhungern täglich 100.000 Menschen? Argumente gegen die Marktwirtschaft") und beide haben, genau wie der Veranstalter, in Bezug auf eine Alternative auf das Konzept von Siefkes verwiesen. Man sollte sich dennoch immer bewusst sein, dass Emanzipation nicht erreicht werden kann, indem man die zukünftigen Vergesellschaftungsformen doktrinär vorschreibt, sondern diese nur in der Praxis entwickelt werden können. Vorschläge wie jene von Siefkes bieten aber die Chance, eine Gesellschaft jenseits Markt & Staat denkmöglich zu machen und alte Fehler zu vermeiden. Wäre auch sehr an einer Diskussion darüber interessiert inwiefern dabei wirklich die Ansprüche erfüllt werden, damit man von einem Kommunismus nach Marx sprechen kann. Hier also nun extra für dich ein ausformuliertes Modell in einem einführenden Artikel dazu:
http://peerconomy.org/text/prokla-commonismus.pdf
Wären sich auch breitere gesellschaftliche Gruppen über die Marxsche Kritik einig, dann könnte man solche Ansätze sicher noch ausbauen und verfeinern. Ansonsten beschäftigen sich bisher halt nur einzelne Leute in ihrer Freizeit mit solchen Sachen, wobei angesichts der zunehmenden Krisentendenzen des Kapitalismus eine breitere Diskussion über Alternativen wirklich dringend angesagt wäre.
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon Bionic » Mo 16. Aug 2010, 16:16

Könntest du mal bitte in ein par kurzen Sätzen sagen was du überhaupt genau willst? Ich zB, würde statt Besitz, Nutzungsrechte wollen
und die Zinsen würde ich auch weg haben wollen.
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon n0b0dy » Mo 16. Aug 2010, 16:32

unsinniges Vollzitat des Vorbeitrags entfernt, 1v6,5M
Besitz ist ja gleichbedeutend mit Nutzungsrecht. Der Mieter ist der Besitzer des Hauses, der Vermieter ist der Eigentümer.
Insofern würde ich Besitz dem Eigentum entgegenstellen bzw. genauer das Gemeineigentum und entsprechende Regelungen für Besitz/Nutzungsrechte anstatt dem Privateigentum an Produktionsmitteln. Genau wie im verlinkten Artikel das dargestellt ist. Zinsen gehören sicher abgeschafft, aber zum Zins gehört nach Marx nunmal ebenso Geld, Kapital und Tausch d.h. das muss auch alles weg.
Ein erster Schritt wäre die Besetzung jeglicher Betriebe, wie es beispielweise in Argentinien teilweise passiert ist:
Argentinien: Fabriken ohne Chef [Youtube]
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon Mark » Di 17. Aug 2010, 13:29

Also erstmal Anarchie und dann sehen wir weiter ? Das klingt nach jemanden der viele Strafzettel hat und sie auf diesem Weg schnell loswerden möchte..bekommst Du oft Vorwürfe wegen angeblich mangelnder Ernsthaftigkeit ?
Dass Kapitalismus Scheisse ist wissen wir schon lange.. aber das ist halt wie mit der Demokratie.. von allen denkbaren in Frage kommenden Regierungsformen ist sie die schlechteste, weil einzige die überhaupt in Frage kommt..
Was mich zu Deinem Demokratieverständnis bringt : Was, wenn die Mehrheit den Kapitalismus behalten möchte ? Umerziehung ?
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon n0b0dy » Di 17. Aug 2010, 14:38

unsinniges Vollzitat des Vorbeitrags entfernt, 1v6,5M
Öhm ich glaub wir haben ein anderes Verständnis von Anarchie, wobei ich mich ja selber explizit als libertärer Kommunist verstehe. Sagmal hast du meine Beiträge überhaupt gelesen? Ich krieg übrigens eher Vorwürfe wegen zuviel Ernsthaftigkeit. Hast du dich über die spanische & ukrainische Revolution informiert? Was gibt es daran auszusetzen? Ich hab ja selbst gewisse Kritik daran, aber die ist eher sekundär.
Was gibts gegen Betriebsbesetzungen und Arbeiterselbstverwaltung (z.B. Argentinien) einzuwenden? Was gegen den staatlich unterstützen Aufbau eines Rätesystems in Venezuela, um sich weder dem Diktat des Kapitals noch irgendwelchen Bürokraten unterzuordnen?
Ohne Mehrheiten kann man Sozialismus/Kommunismus logischerweise vergessen. Eine Betriebsbesetzung kann man schlecht von oben anordnen. Da hilft nur langwierige Überzeugungsarbeit.
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon Mark » Di 17. Aug 2010, 15:08

Wer soll denn einem Betrieb Rohstoffe liefern der keine liquiden Konten mehr hat, oder willst Du die Banken mitbesetzen ?
Und wer kontrolliert dann die neuen Chefs ? Die Gesellschaft würde im Chaos versinken.. woher sollte die neue "Führung" wissen wovon sie wieviel herzustellen hat ? Wer soll das kaufen ? Das sind doch nur Protestaktionen aber keinen langfristigen Konzepte.
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon n0b0dy » Di 17. Aug 2010, 15:27

unsinniges Vollzitat des Vorbeitrags entfernt, 1v6,5M
Logisch gehören auch die Banken & die Rohstoffproduktion unter Kontrolle der Beschäftigten. Chefs gibts nicht mehr, da es keine ausschließlichen Eigentümer mehr gibt, die deswegen die exklusive Verfügungsmacht hätten. Befähigte für Verwaltungsaufgaben lassen sich ganz einfach wählen und wieder absetzen, sofern sie Müll machen. In den Räten in Venezuela gibt es außerdem gewählte Kontrollkomissionen, welche die Verwendung der Gelder überwachen. Da ist vieles denkbar. Richtig ist, dass isolierte Kooperativen keine langfristige Lösung sind, sondern diese gesellschaftlich koordiniert werden müssen, etwa wie in Venezuela per organisierter Community d.h. über die kommunalen Räte, welche am ehesten den Überblick haben was benötigt wird und entsprechende Kooperativen gründen können während bestehende in die Rätestruktur eingegliedert werden. Nochmal: Wie willst du sowas von vornherein festschreiben? Die hatten vor 10 Jahren auch noch keine Ahnung dass das so funktioniert und haben per Try & Error-Verfahren (und sicher auch per reflektieren früherer Erfahrungen wie Jugoslawien) zunächst die Form der kommunalen Räte entdeckt, dann die Wichtigkeit einer Koordnierung der isolierten Arbeiterkooperativen etc.
Außerdem nochmal der Verweis auf das IMHO bisher vielversprechenste Modell postkapitalistischer Wirtschaft:
Kurzer Überblick von Hermann Lueer: http://www.whyhunger.com/deutsch/assets ... eglich.pdf
Einführender Artikel von Siefkes: http://peerconomy.org/text/prokla-commonismus.pdf
Einzelheiten kann man sicher diskutieren, aber es macht deutlich, dass libertäre Alternativen zum Kapitalismus durchaus denkbar & möglich sind. Vll. wären wir heute auch schon viel weiter wenn man nicht jeden Ansatz einer libertär-kommunistischen bzw. anarchistischen Revolution blutig zerschlagen hätte.
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon Zappa » Di 17. Aug 2010, 17:20

n0b0dy hat geschrieben: Wenn erstmal klar ist, dass sich Marx & die Idee des Kommunismus nicht mit dem Realsoz. erledigt hat ...


Die Idee des Kommunismus hat sich aber nun mal leider weitestgehend erledigt und das aus historischen Gründen. Zumindest liegt die Beweislast mal bei Euch und auf Experimente wird sich auch so leicht keiner mehr einlassen.

Das eigentliche Problem ist es die Exzesse des Kapitalismus in den Griff zu bekommen ohne Besitz, Freiheit, Demokratie abzuschaffen und jeglichen Egoismus und damit jegliche Kreativität der Leute abzuwürgen. Kollektivistische Ideen sind bezüglich all dieser Probleme kontraproduktiv und einen neuen Menschwen wollen wir alle auch nicht mehr schaffen!

Das Leben kann hart sein :joint:
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon n0b0dy » Di 17. Aug 2010, 17:39

Die Sozialdemokratie versucht ja nun seit über 100 Jahren den Kapitalismus zu einem sozialen, krisenfreien und gerechten System zu reformieren. Den Reformismusversuchen ist entgegenzuhalten:
Erstens bedeutet der Kapitalismus prinzipiell extreme Ungleichheit und da wirtschaftliche Macht auch politische Macht heißt, sind Regulationen extrem instabil und schwer durchzusetzen. Dennoch sind sind sie kurz- und mittelfristig natürlich anzustreben, müssen aber mit einer radikalen Überwindungsperspektive verbunden werden.
Zweitens bedeutet die Krisenhaftigkeit des Systems, dass erkämpfte Errungenschaften in Krisenzeiten leicht wieder abgebaut werden können und somit nie besonders stabil sind.
Drittens sieht man am Zustand der internationalen Sozialdemokratie, dass man die enormen Anpassungsmechanismen des Systems und "Sachzwänge" nicht unterschätzen darf. Der Staat ist eben keine unabhängige neutrale Instanz zur Gesellschaftsgestaltung, sondern selbst integraler Bestandteil des Systems.
Viertens meinte schon Marx, dass das Privateigentum "dadurch [existiert], daß es für neun Zehntel nicht existiert". Entsprechend besitzen 10% über 85% des Weltvermögens. Und das nach all den Regulierungsversuchen...

Man kann darüber diskutieren ob der Begriff des Kommunismus noch tauglich ist und ob man nicht lieber Anarchismus (wobei der mit Chaos konnotiert ist) oder demokratischen/libertären Sozialismus verwenden sollte, der laut Umfragen erstaunlich gut wegkommt im Gegensatz zu vorherigen.
Ich würd aber hier die inhaltliche Diskussion vorziehen.
Also erklär mir doch mal wieso Gemeineigentum an Produktionsmitteln notwendigerweise mit Staatsdiktatur oder Altruismus einhergehen müsse. Produktionsmittel sind gesellschaftlich relevant und sollten entsprechend gesellschaftlich kontrolliert werden. Die klassische These der "Tragik der Allemende" wurde von der bürgerlichen Wissenschaft mittlerweile selbst widerlegt:
Letztens hat die "Commons"-Forscherin Elinor Ostrom dafür soger den Wirtschaftsnobelpreis bekommen. "Sie kam zu dem Ergebnis, dass für eine angemessene und nachhaltige Bewirtschaftung von lokalen Allmenderessourcen in vielen Fällen eine institutionalisierte lokale Kooperation der Betroffenen sowohl staatlicher Kontrolle als auch Privatisierungen überlegen sei." (wiki)
Das ganze ist durchaus verallgemeinerbar, muss aber auf der Selbstorganisation der Beteiligten beruhen, um Herrschaft & Ausbeutung durch Kapitalisten genau wie durch Staatsfunktionäre überflüssig zu machen. Ich weiß außerdem immernoch nicht wo bei den anarchistischen Revolutionen es totalitäre Tendenzen oder sonstwas schlechtes gegeben haben soll.
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 17. Aug 2010, 18:03

n0b0dy hat geschrieben:Ich weiß außerdem immernoch nicht wo bei den anarchistischen Revolutionen es totalitäre Tendenzen oder sonstwas schlechtes gegeben haben soll.
Natürlich nicht, denn wenn es irgendwas nicht in deinem Sinn gegeben hat, dann wird es wohl schnell zu einer nichtanarchistischen Revolution erklärt.
Zähl doch mal die anarchistischen Revolutionen auf, bei denen es keine "totalitäre Tendenzen oder sonstwas schlechtes gegeben" hat und die zumindest eine Zeit lang Bestand hatten (denn bei schnell fehlgeschlagenen Experimenten kann man immer behaupten, "hätte ... wenn")
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Re: Marx und der Kommunismus

Beitragvon n0b0dy » Di 17. Aug 2010, 18:12

Ich muss da garnix definieren. Es reicht völlig vom jeweiligen Selbstverständnis auszugehen.
Es gab leider nur zwei, die sich selbst auch als anarchistisch bezeichneten. Alle anderen waren im Weitesten Sinne leninistische Revolutionen d.h. hatten die Oktoberrevolution zum Vorbild und endeten in entsprechender Diktatur.
Spanien:
http://de.wikipedia.org/wiki/Anarchismu ... n_von_1936
Ukraine:
http://deu.anarchopedia.org/Machno-Bewe ... 4nderungen
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