Agnostizismus vs. Atheismus

Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon ingenieur90 » Mi 25. Mär 2009, 13:20

sprechweise hat geschrieben: Existiert Gott?

Es sind ja nur zwei Worte. Nur was sollen sie bedeuten?
"Gott" ist ja nur ein Name, oder mathematisch ein Platzhalter!

Die Frage müßte sich also genau so beantworten lassen wie die Frage
"Existiert X". Offensichtlich ist diese Frage so Unfug.

Das ist ja genau meine Auffassung: "Gott" ist ein Wort mit 4 Buchstaben, aber was steckt dahinter: Ich habe neulich gelesen, daß es ca. 1560 Götter (besser gesagt Gottesvorstellungen) gibt. Die allermeisten davon sind mir allerdings unbekannt, und wer hat schon die Zeit, sich mit allen zu beschäftigen :irre: ?!
Die meisten bekennenden Atheisten, die ich kenne, beziehen ihre Ablehnung auf die Vorstellung von Gott, die sie halt kulturell bezogen kennengelernt haben (sind also streng genommen "partielle" Atheisten).

sprechweise hat geschrieben:Allmächtigkeit, Allwissenheit können leicht widerlegt werden. Ich behaupte, dass alle Eigenschaften die mit "All-" beginnen zu Widersprüchen führen.

Für ein "All-" gilt das nicht: die Allgegenwart (und lückenlose Gültigkeit) von Naturgesetzen und Naturkonstanten - das ist ja genau die Annahme, daß alles mit rechten Dingen zugeht, also ein Grundsatz im Denken eine-r/-s Bright!

sprechweise hat geschrieben:Logisch kann ich jedoch nicht ausschliessen, das irgendjemand seinen existierendes X (z.B.Teddybär, Katze, Fussball, Onkel Otte, Tante Frieda) Gott nennt.

Genau deswegen ziehe ich meine Argumentation vom anderen Ende her auf: Ich sage nicht "Es gibt keinen Gott", sondern "Egal, wen oder was die Leute für Gott halten, er kann gewisse Eigenschaften nicht haben." Was Gott nicht sein kann, ist
- der Schöpfer der Natur (Natur ist einfach da und umfaßt alles),
- jenseits der Natur existierend,
- den Kosmos manipulierend (damit meine ich Naturkonstanten und -gesetze einführen, verändern, abschaffen).

Das Entscheidende - worauf ich hinaus will - ist doch, daß m.E. Transzendenz nur imaginär existiert, also nur in den Köpfen, aber nicht außerhalb davon. Und Gehirne unterliegen nun mal den Naturgesetzen, genau wie alles andere auch.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 25. Mär 2009, 16:34

ingenieur90 hat geschrieben:Die meisten bekennenden Atheisten, die ich kenne, beziehen ihre Ablehnung auf die Vorstellung von Gott, die sie halt kulturell bezogen kennengelernt haben (sind also streng genommen "partielle" Atheisten).


Die theistische Vorstellung von Gott ist die folgende:

"[T]heism is the belief that there is an all-powerful, all-knowing perfectly good immaterial person who has created the world, has created human beings ‘in his own image,’ and to whom we owe worship, obedience and allegiance."

"Der Theismus besteht in dem Glauben, dass es eine allmächtige, allwissende, vollkommen gute immaterielle Person gibt, die die Welt erschaffen hat, die menschliche Wesen 'nach ihrem Bilde' erschaffen hat, und der wir Verehrung, Gehorsam sowie Ergebenheit schulden." [© meine Übers.]

(Plantinga, Alvin. "Religion and Science.")


"[Theism] affirm[s] the existence of a being with one or more of the following properties: being a person without a body (i.e. a spirit), present everywhere, the creator and sustainer of the universe, a free agent, able to do everything (i.e. omnipotent), knowing all things, perfectly good, a source of moral obligation, immutable, eternal, a necessary being, holy, and worthy of worship."

"Der Theismus behauptet die Existenz eines Wesens mit einer oder mehrerer der folgenden Eigenschaften: x ist eine Person ohne Körper (d.i. ein Geist), allgegenwärtig, der Schöpfer und Bewahrer des Universums, ein freier Akteur, fähig, alles zu tun (d.i. allmächtig), allwissend, vollkommen gut, eine Quelle moralischer Verpflichtung, unwandelbar, ewig, ein notwendiges Wesen, heilig, anbetungswürdig." [© meine Übers.]

(Swinburne, Richard. The Coherence of Theism. Oxford: Oxford University Press, 1977. p. 2)


"In asserting the existence of God, traditional Western theism asserts the existence of a purely spiritual being. According to this form of theism, God is a nonphysical spirit, or soul, with the power to affect physical things."

"Indem er die Existenz Gottes behauptet, behauptet der traditionelle westliche Theismus die Existenz eines rein geistigen Wesens. Dieser Form des Theismus zufolge ist Gott ein nichtphysischer Geist, oder eine [nichtphysische] Seele, mit der Macht, physische Dinge zu beeinflussen." [© meine Übers.]

(Hoffman, Joshua, and Gary S. Rosenkrantz. The Divine Attributes. Oxford: Blackwell, 2002. p. 39+)

ingenieur90 hat geschrieben:Genau deswegen ziehe ich meine Argumentation vom anderen Ende her auf: Ich sage nicht "Es gibt keinen Gott", sondern "Egal, wen oder was die Leute für Gott halten, er kann gewisse Eigenschaften nicht haben."


"If someone seemingly tells us that God exists, and then goes on to tell us that 'God' denotes the evolutionary-historical process that has brought us into being, and if we ourselves think that this evolutionary-historical process is far from deserving the name he gives it, then we should count him as an atheist. We may report that he says the words 'God exists', but we would be wrong to say that he says that God exists. (Or at least we would be wrong to say it without immediate qualification.) He believes in something that he thinks deserves the name 'God'. But if we are right and he is wrong about what it takes to deserve the name, then he does not believe in anything that would in fact deserve that name, and we would be wrong to say otherwise."

"Wenn uns jemand scheinbar sagt, dass Gott existiere, und als Nächstes sagt, dass sich 'Gott' auf den evolutionär-historischen Prozess beziehe, der uns hervorgebracht hat, und wenn wir selbst denken, dass dieser evolutionär-historische Prozess beileibe nicht den Namen verdient, den er ihm gibt, dann sollten wir ihn zu den Atheisten zählen. Wir können zwar berichten, dass er die Wörter 'Gott existiert' ausspricht, aber es wäre falsch zu sagen, dass er sage, dass Gott existiere. (Oder zumindest wäre es falsch, dies ohne sofortige Einschränkung zu sagen.) Er glaubt an etwas, wovon er denkt, dass es den Namen 'Gott' verdiene. Aber wenn wir im Hinblick auf die Frage, was erfüllt sein muss, damit etwas den Namen verdientermaßen trägt, recht haben und er unrecht, dann glaubt er an nichts, was jenen Namen tatsächlich verdient, und dann wäre es falsch von uns, es anders darzustellen."

(Lewis, David. "Noneism or Allism." In David Lewis, Papers in Metaphysics and Epistemology, 152-163. Cambridge: Cambridge University Press, 1999. p. 153)


"Compare the foolish suggestion that all of us at least agree that God exists, although we disagree about His nature: some say He's a supernatural person, some say He's the cosmos in all its glory, some say He's the triumphal march of history, ... . Given that much disagreement about 'His' nature, there's nothing we all believe in."

"Nehmen wir als Vergleich die törichte Unterstellung, dass wir alle der Meinung seien, dass Gott existiert, obwohl wir in Bezug auf seine Beschaffenheit unterschiedlicher Meinung seien: Einige sagen, er sei eine übernatürliche Person, einige sagen, er sei der Kosmos in all seiner Pracht, einige sagen, er sei der Triumphmarsch der Geschichte, ... . Angesichts derartiger Meinungsunterschiede hinsichtlicher 'seiner' Beschaffenheit gibt es nichts, woran wir alle glauben."
[© meine Übers.]

(Lewis, David. On the Plurality of Worlds. Oxford: Blackwell, 1986. p. 140)
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Macks » Sa 31. Jul 2010, 23:50

Ein personeller Gott, der allmächtig und allwissend ist, existiert nicht.
Allwissend und allmächtig müsste er nicht nur in unserer Lebenswelt, sondern auch in seiner sein.
Hier würde bereits die Logik scheitern.

Ein allumfassender Gott, also ein pantheistischer, ist eigentlich keiner.
Wie Schopenhauer schon sagte, ist der Pantheismus nur eine Euphemie des Atheismus.

Die einzige Möglichkeit für eine Art Gott ist lediglich ein intelligenteres Wesen, das uns erschaffen hat.
Dies lebt aber auch in einer Gesellschaft, etc. Es ist in seiner Lebenswelt nicht allmächtig und allwissend.
Folglich könnten wir das auch irgendwann. Wären wir dann Götter? Ich denke eher nicht. Also passt hier das Wort Gott nicht, obwohl dieses Wesen uns erschaffen hätte können und theoretisch in unser Leben sogar eingreifen könnte. Hier habe ich das Bild eines Programmierers im Kopf. Aber es wäre kein Gott im eigentlichen Sinne, sondern nur intelligenter als wir.

Folglich gibt es gar keinen Gott. Darum ATHEISMUS 100 %.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon stine » So 1. Aug 2010, 09:35

Dein Verstand ist ein menschlich irdener und deshalb kannst du nicht sagen, es gäbe nichts außerhalb deiner Denkweise.
Wir wissen nicht, was außerhalb unseres Systems ist. Gar nichts wissen wir!

Der personelle Gott der Bibel, war und ist ein Versuch sich den Ursprung des Lebens zu erklären, mit dem Verstand einer Menschheit vor ca. 2000 Jahren. Wenn wir unseren heutigen Verstand einsetzten, kämen wir vielleicht weiter, als nur zu sagen: Die damals waren ganz schön verrückt!

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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Nanna » So 1. Aug 2010, 12:11

stine hat geschrieben:Dein Verstand ist ein menschlich irdener und deshalb kannst du nicht sagen, es gäbe nichts außerhalb deiner Denkweise.
Wir wissen nicht, was außerhalb unseres Systems ist. Gar nichts wissen wir!

Und genau deshalb kann es uns wurschtegal sein, weil für uns nur das zählt, was innerhalb unseres Systems auf uns Einfluss nimmt und dass da ein personaler Gott mitmischt ist allen wissenschaftlichen Erkenntnissen über unser System nach ein äußerst unwahrscheinliches Szenario.

Warum ich aber eigentlich nörgeln wollte: "Irden" ist etwas, was aus gebranntem Ton besteht. :motz: ;-)
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon stine » So 1. Aug 2010, 13:15

Nanna hat geschrieben:Warum ich aber eigentlich nörgeln wollte: "Irden" ist etwas, was aus gebranntem Ton besteht. :motz: ;-)
Darüber sollten wir uns mal echt Gedanken machen... :wink:

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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon stine » So 1. Aug 2010, 13:23

Nanna hat geschrieben:...weil für uns nur Einfluss nimmt, was innerhalb unseres Systems auf uns Einfluss nimmt ...
Das wäre eben zu überprüfen, ob wirklich nur Einfluss nimmt, was innerhalb unseres Systems ist. Man kann DAS glauben oder was anderes glauben. Das ist ja genau der Punkt, worüber sich Wissenschaftler und Esoteriker Uneins sind!

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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Bionic » So 1. Aug 2010, 13:25

stine hat geschrieben:Der personelle Gott der Bibel, war und ist ein Versuch sich den Ursprung des Lebens zu erklären, mit dem Verstand einer Menschheit vor ca. 2000 Jahren. Wenn wir unseren heutigen Verstand einsetzten, kämen wir vielleicht weiter, als nur zu sagen: Die damals waren ganz schön verrückt!

Waren sie das denn nicht auch?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Angesichts dieser Vielfalt, auf der Erde, einen Schöpfer geben kann! Nur mal vom theoretischen betrachtet.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Macks » So 1. Aug 2010, 20:37

Ist es denn überhaupt wichtig, auf welcher Ebene der Existenz wir uns befinden? Ob wir jetzt auf der obersten sind oder irgendwo mittendrin ist doch irrelevant für uns Menschen und sollte keinen Einfluss auf unsere Wertesysteme haben. Ob wir jetzt erschaffen wurden und dann unser Erschaffer ebenfalls erschaffen wurde, etc. Letztlich sollte das doch keine Rolle spielen. Wir müssen unsere irdischen Regeln unabhängig davon aufstellen.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon ujmp » So 1. Aug 2010, 21:47

stine hat geschrieben:Wir wissen nicht, was außerhalb unseres Systems ist. Gar nichts wissen wir!

Das ist eine wunderschöne Aussage, aber leider unglaubwürdig, wenn sie von christlichen Apologeten kommt. Da geht es meist darum, willkürliche religiöse Anschauungen mit Errungenschaften einer mühevollen Suche nach Wissen und Wahrheit gleichzusetzen. "Wir wissen ja alle eigentlich nichts, also könnt ihr mir auch meine Märchen abkaufen."

Aber wenn wir schon nichts wissen, gibt es doch für Vieles einen begründeten Verdacht. Es gibt aber Null Anlass, an Gott zu glauben.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon stine » Mo 2. Aug 2010, 08:08

ujmp hat geschrieben:... von christlichen Apologeten ...
Wen meinst du damit? :skeptisch:

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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon arcalexx » Mi 4. Aug 2010, 16:06

Macks hat geschrieben:Ein personeller Gott, der allmächtig und allwissend ist, existiert nicht.
Allwissend und allmächtig müsste er nicht nur in unserer Lebenswelt, sondern auch in seiner sein.
Hier würde bereits die Logik scheitern.


Wieso eigentlich? Was spricht dagegen, dass er in seiner Welt allwissend und allmächtig wäre?
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » So 17. Okt 2010, 21:53

Ein brandneues englischsprachiges Büchlein über den Agnostizismus:

* Le Poidevin, Robin. Agnosticism: A Very Short Introduction. Oxford: Oxford University Press, 2010.


Aus der gleichen Serie:
* Baggini, Julian. Atheism: A Very Short Introduction. Oxford: Oxford University Press, 2003.
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Re: Brights: Angriff verboten

Beitragvon Myron » So 17. Okt 2010, 22:29

Myron hat geschrieben:Streng genommen, d.h. ihrer Etymologie gemäß, bezieht sich die Bezeichnung "Agnostizismus" nur auf die Wissensebene; doch im allgemeinen Sprachgebrauch erstreckt sie sich auch auf den Glaubensebene. Von daher ist es angebracht, zwischen dem ''Wissensagnostizismus'' ("epistemischer Agnostizismus") und dem ''Glaubensagnostizismus'' ("doxastischer Agnostizismus") zu unterscheiden:
1) Ein Wissensagnostiker ist jemand, der bezüglich der Aussage "A" glaubt, dass man nicht (mit Sicherheit) weiß oder nicht (mit Sicherheit) wissen kann, ob "A" wahr bzw. falsch ist.
2) Ein Glaubensagnostiker ist jemand, der bezüglich der Aussage "A" weder glaubt, dass "A" wahr ist, noch dass "A" falsch ist, und sich somit eines Urteils enthält.


Ein Glaubensagnostiker bezüglich des Theismus ist ein Neutralist bezüglich desselben.

1. Theismus
(Glaube an die Existenz Gottes oder von Göttern)

2. Atheismus/Nontheismus
(Fehlen des Glaubens an die Existenz Gottes oder von Göttern)

2.1 Neutralismus [wegen epistemischem Agnostizismus oder Indifferentismus]
(Fehlen des Glaubens an die Existenz Gottes oder von Göttern ohne Glauben an die Nichtexistenz Gottes oder von Göttern)

2.2 Antitheismus
(Fehlen des Glaubens an die Existenz Gottes oder von Göttern mit Glauben an die Nichtexistenz Gottes oder von Göttern)


Wenn man den doxastischen Agnostizismus mit dem Neutralismus gleichsetzt, dann kann man den epistemischen Agnostizismus (den Agnostizismus im etymologischen Wortsinn) mit dem Agnostizismus schlechthin gleichsetzen. Und dann kann man sinnvollerweise sowohl von einem agnostischen/agnostizistischen Theismus als auch von einem agnostischen/agnostizistischen Antitheismus sprechen.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon ganimed » Di 19. Okt 2010, 16:31

Ich verstehe immer noch nicht die Position "2.1 Neutralismus".
Ist es wirklich realistisch, für Gottes Existenz genau so viele Hinweise zu finden wie man Hinweise gegen seine Existenz findet?

Gibt es nicht zigtausende Hinweise? Erfahren wir nicht jeden Tag hunderte von neuen Eindrücken, machen hunderte neuer Erfahrungen, die entweder ein wenig mehr für Gott oder ein wenig gegen Gott sprechen? Ich kann nicht glauben, dass jemand ehrlicherweise in seiner Abschätzung, ob es einen Gott gibt oder nicht, wirklich immer genau in der Mitte landet, bei genau und exakt 50 zu 50.

Mir scheint, das ist eher eine theoretische Demarkationslinie, deren Position in der Realität niemand wirklich einnimmt. Oder habe ich irgendwas noch nicht richtig verstanden?
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Di 19. Okt 2010, 18:10

ganimed hat geschrieben:Ich verstehe immer noch nicht die Position "2.1 Neutralismus".


Neutrale Atheisten sind entweder explizite Atheisten, die sich nach reiflicher Überlegung ganz bewusst für die agnostizistische Urteilsenthaltung entschieden haben, oder implizite Atheisten, die aus unreflektierter Indifferenz heraus weder pro noch contra Theismus bzw. Antitheismus eingestellt sind.

ganimed hat geschrieben:Ist es wirklich realistisch, für Gottes Existenz genau so viele Hinweise zu finden wie man Hinweise gegen seine Existenz findet?


Dies ist eine Begründung für die Urteils- oder Glaubensenthaltung. Es gibt noch andere:

viewtopic.php?p=43052#p43052

ganimed hat geschrieben:Gibt es nicht zigtausende Hinweise? Erfahren wir nicht jeden Tag hunderte von neuen Eindrücken, machen hunderte neuer Erfahrungen, die entweder ein wenig mehr für Gott oder ein wenig gegen Gott sprechen? Ich kann nicht glauben, dass jemand ehrlicherweise in seiner Abschätzung, ob es einen Gott gibt oder nicht, wirklich immer genau in der Mitte landet, bei genau und exakt 50 zu 50.
Mir scheint, das ist eher eine theoretische Demarkationslinie, deren Position in der Realität niemand wirklich einnimmt. Oder habe ich irgendwas noch nicht richtig verstanden?


Weltanschauliche Einstellungen und Neigungen lassen sich natürlich nicht genau messen. Der Sache wohnt zwangsläufig eine gewisse Unschärfe inne. Die Mitte ist also eher ein vages Intervall als ein exakter Punkt. Selbst wenn man, sagen wir, bei 60:40 pro Theismus bzw. Antitheismus liegt, kann man sich dafür entscheiden, diesen (noch) nicht zu bejahen, weil man für sich festgelegt hat, dass man ihn z.B. erst ab 75:25 bejaht.
Theodore Drange (siehe obiger Link!) spricht hier von "Daten-vs.-Prinzip-Agnostikern".
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Di 19. Okt 2010, 18:28

Myron hat geschrieben:Dies ist eine Begründung für die Urteils- oder Glaubensenthaltung. Es gibt noch andere:
viewtopic.php?p=43052#p43052


Noch mal knapp zusammengefasst:

1. Es gibt keine guten Argumente für oder gegen die Aussage, dass Gott existiert/Götter existieren.

1.1 Es kann keine guten Argumente für oder gegen die Aussage geben, dass Gott existiert/Götter existieren.

2. Es gibt gute Argumente sowohl für als auch gegen die Aussage, dass Gott existiert/Götter existieren, doch diese sind gleich gut.

3. Es gibt gute Argumente für die Aussage, dass Gott existiert/Götter existieren, bzw. für die Aussage, dass Gott nicht existiert/Götter nicht existieren, doch diese reichen (noch) nicht aus, um die Aussage zu bejahen.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Arathas » Mi 20. Okt 2010, 07:55

arcalexx hat geschrieben:Wieso eigentlich? Was spricht dagegen, dass er in seiner Welt allwissend und allmächtig wäre?


Ein Logik-Problem: Wenn Gott allwissend ist, dann weiß er um alles, was irgendwann irgendwo geschieht. Das allein nimmt ihm schon die Möglichkeit, etwas Neues zu tun mit seiner Allmacht. Allmacht schließt ein, dass er spontan etwas machen könnte, von dem er zuvor noch nichts wusste. Aber dank seiner Allwissenheit geht das nicht.

Allwissen lässt keine Allmacht zu, und Allmacht schließt Allwissen aus.


Aber allein schon das Wort Allmacht beinhaltet Logikfehler: Wer allmächtig ist, kann nicht Nicht-existent sein und auch nicht sterben. Denn wer gar nicht existiert oder irgendwann stirbt, der ist nicht allmächtig. Aber wer nicht Sterben kann, der kann nicht allmächtig sein, denn sogar jedes furzkleine Lebewesen auf der Erde kann sterben.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 20. Okt 2010, 08:22

Du hast Dich vor einiger Zeit mit Darwin Upheaval über Ontologie gekabbelt. Darwin Upheaval vertritt die Ontologie von Mahner, nach der gibt es gar keinen Agnostizismus.

Das Argument lautet in etwa wie folgt: eine Ontologie ist im Prinzip eine Liste aller Entitäten und deren Eigenschaften, die in einem Weltbild vorkommen ('the world's furniture'). Wenn in dieser Liste ein Gott enthalten ist, so ist man Theist (oder Deist, je nach Art des Gottes), falls nicht, ist man Atheist. Allerdings ist der Agnostizismus 'eingepreist': Die gesamte Ontologie steht unter Fallibilitätsvorbehalt. Dieser 'Agnostizismus' ist dann umfassend, er geht so weit, dass die Existenz einer unabhängig vom Subjekt existierenden Welt lediglich als (allerdings extrem plausible) Hypothese vertreten wird ('hypothetischer Realismus'). Die Gottesfrage ist dann nur eine unter vielen, streng genommen nicht einmal eine besonders wichtige.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Zappa » Mi 20. Okt 2010, 10:50

Ist das nicht eine sehr theoretisch Sicht auf die Dinge?

Ein Naturwissenschaftler würde wohl eher sagen es kommt entscheidend darauf an, wie wir die Liste aufstellen und selber wie folgt arbeiten:

1. Es gibt Messdaten für die wir eine Theorie haben (Dinge),
2. Messdaten für die wir keine Theorie haben (mögliche Dinge oder Messfehler),
3. theoretische Aussagen die prinzipiell nicht messbar/falszifizierbar sind (mögliche Wunder oder einfach ein Unding) und
4. theoretisches Aussagen, die prinzipielle falszifizierbar sind die wir derzeit aber noch nicht messen können (da muss erst der neue Linearbeschleuniger fertig sein ....). (Die eigentlich spannenden Theorien).

Gott würde unter 3 fallen und zunehmend mehr fällt unter die anderen Punkte (insofern wird 3 immer weniger relevant/wahrscheinlich). Das solche Theoreme "noch nicht einmal falsch sind" , interessiert sich der Wissenschaftler nur wenig dafür.

Es gibt natürlich auch Leute, dies sich die Liste der Entitäten zusammen denkt oder zusammen liest, aber die ist dann natürlich beliebig.
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