Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon Entität » Fr 29. Okt 2010, 16:00

ganimed hat geschrieben:Aber vielleicht ist der Versuch, die Arten zu erhalten ebenfalls ein unumkehrbarer Fehler. Möglicherweise kostet uns diese Erhaltung große Ressourcen, worunter vermutlich viele arme Menschen leiden müssten. Und hinterher stellt man vielleicht fest, dass es nicht geklappt hat und die meisten Arten dennoch aussterben. Oder sie nie gebraucht werden. In diesem Falle könnte man den Fehler, die Anstrengungen unternommen zu haben, ebenfalls nicht mehr rückgängig machen.

Vielleicht und möglicherweise... wenn du die Biodiversität zerstörst wirst du mit Sicherheit der gesamten Menschheit schaden - den Armen viel mehr als den Industrieländern. Wir könnten sicher industriell unsere Ernten befruchten (unter hohem Kostenaufwand), Entwicklungsländer sind viel mehr auf die Arbeit der Natur angewiesen... wenn du keinen Artenschutz betreibst wirst du du diesen Menschen ihre Existenzgrundlage nehmen...

ganimed hat geschrieben:Nein, das ist in der Tat kein Grund. Der Grund ist, dass der Erhalt der Methode recht teuer ist. Und weil sich langsam eine zweite Methode abzeichnet, wird dein Argument relativiert, in dem du von der unbedingten Notwendigkeit der ersten Methode ausgegangen warst.

Ich denke dir ist nicht klar wie teuer und aufwändig die computergestütze Forschung ist, es ist immer einfacher ein Enzym aus der Natur zu nehmen das durch mehrere Milliarden Jahren Evolution spezifiziert und optimiert wurde.

ganimed hat geschrieben:Das ist MEINE Argumentation: ich werfe dir ja gerade vor, dass der Wert "unschätzbar" ist. Könnte sein, dass der Wert groß ist. Könnte aber auch sein, dass er Peanuts ist und man getrost auf Biodiversität verzichten können wird. Man kann ihn nicht beziffern. Wieso also ist sich scheinbar alle Welt so sicher, dass Biodiversität mehr Nutzen bringt als der Erhalt derselben kostet? An dieser Stelle argwöhne ich, dass Pro-Diversität nur eine Mode ist und sich die meisten gar keine Gedanken um die genaue Abwägung gemacht haben.

Unschätzbar bedeutet keine genaue Abwägung machbar...

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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon ganimed » Fr 29. Okt 2010, 21:51

Entität hat geschrieben:Unschätzbar bedeutet keine genaue Abwägung machbar

Und obwohl dir eine genaue Abwägung also nicht zur Verfügung steht, scheinst du dir über einige Dinge im Folgenden sehr sicher zu sein.

Entität hat geschrieben:wie teuer und aufwändig die computergestütze Forschung ist, es ist immer einfacher ein Enzym aus der Natur zu nehmen das durch mehrere Milliarden Jahren Evolution spezifiziert und optimiert wurde.

Wenn das Enzym aus der Natur aber mit dem Artensterben verschwände, und wenn das Aufhalten (Verlangsamen, Verhindern) des Artensterbens ebenfalls teuer und aufwändig wäre, woher nimmst du die Sicherheit, zu meinen, dass es einfacher ist als die computergestützte Forschung?

Entität hat geschrieben:wenn du die Biodiversität zerstörst wirst du mit Sicherheit der gesamten Menschheit schaden - den Armen viel mehr als den Industrieländern. Wir könnten sicher industriell unsere Ernten befruchten

1) Wieso setzt du Biodiversität mit bestäubenden Insekten gleich? Könnte es nicht sein, dass das Artensterben weitergeht und dennoch Bienen und Co überleben, weil deren Lebensraum und -grundlage eben nicht gefährdet ist? Ich glaube, das ist sogar außerordentlich wahrscheinlich. Es gibt zwar diese Berichte vom mysteriösen Bienensterben, aber mir scheint es verkehrt, das in den Topf "Artensterben" zu werfen.
2) Ich zerstöre die Biodiversität nicht, sondern ich (die Menschheit) unternimmt nur nicht besondere (ausreichend große) Anstrengungen, um das Artensterben aufzuhalten. Und das spart jede Menge Kosten. So viel müsste die Entwicklung von Bestäubungsalternativen erstmal kosten. Auch hier fehlt es deiner Argumentation eigentlich an jeder Abwägungsgrundlage der alternativen Aufwände.

Ich frage mich also, woher kommt deine scheinbare Sicherheit (und die der Umweltschützer), mit der du die Biodiversität als besonders wertvoll und die Aufwände, sie zu erhalten, als besonders gering einschätzt. Meine Theorie ist immer noch: das ist teilweise ideologische Blindheit. Oder wie 1von6,5Milliarden es formulierte:
1von6,5Milliarden hat geschrieben:Die zweite Komponenten ist durchaus auch eine romantische, weltanschauliche, möglicherweise das, was dich zur der Frage gebracht hat. Nach den Jahrtausenden in denen der Mensch faktisch oder ideologisch dogmatisiert versucht hat sich die Welt Untertan zu machen, versucht er nun die Welt auch in und mit den kleinsten Nischen zu erhalten und will nichts verlieren.

Von romantischen Gefühlen und einem schlechten Gewissen geleitet fällt das rationale Abwägen zwischen zwei Übeln sicher relativ schwer.
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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon musicman » Sa 30. Okt 2010, 09:29

ganimed hat geschrieben:[ Meine Theorie ist immer noch: das ist teilweise ideologische Blindheit. Oder wie 1von6,5Milliarden es formulierte:
1von6,5Milliarden hat geschrieben:Die zweite Komponenten ist durchaus auch eine romantische, weltanschauliche, möglicherweise das, was dich zur der Frage gebracht hat. Nach den Jahrtausenden in denen der Mensch faktisch oder ideologisch dogmatisiert versucht hat sich die Welt Untertan zu machen, versucht er nun die Welt auch in und mit den kleinsten Nischen zu erhalten und will nichts verlieren.

Von romantischen Gefühlen und einem schlechten Gewissen geleitet fällt das rationale Abwägen zwischen zwei Übeln sicher relativ schwer.


Und beim Abwägen stell sich hinterher auch oftmals heraus, daß man falsch abgewogen hat. Vor ca 20 Jahren wurden außer unserer, alle Ortschaften in dem Tal in dem wir wohnen mit einer Umgehungsstraße versehen. Damals stellte eine engagierte Naturschützerin fest, daß exakt da, wo die Straße durch sollte, ein Schmetterling wohnt, den es angeblich sonst nirgends in Deutschland gibt. Sie prozessierte durch alle Instanzen, am Schluß bekam sie recht und die Straße wurde nicht gebaut, mit dem Ergebnis, das sich heute der um ein vielfaches gestiegene LKW und Berufsverkehr durch die Stadt quält mit den bekannten Folgen. Die Dame ist mittleweile weggezogen, es wurde ihr zu stickig und auch der Schmetterling wurde nicht mehr gesehen. Wieviele Arten jetzt evtl durch den vermehrten, durch Stop and Go veursachten Schadstoffausstoß, vom Lärm mal abgesehen, ausgestorben sind weiß keiner.

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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon stine » Sa 30. Okt 2010, 09:42

musicman hat geschrieben:Die Dame ist mittlerweile weggezogen, es wurde ihr zu stickig ...
Genau deswegen ja die Diskussion, ob Umweltschutz auch eine (Ersatz)Religion sein könnte. Ich denke nämlich auch, dass manche Gegenwehr nur Prestige-Sache ist und es heute zum guten Ton einer übersatten Gesellschaft gehört einfach mal wieder etwas zu boykottieren.
Umgehungsstraßen und Autobahnanbindungen, werden immer wieder gerne blockiert, obwohl man sich dann an anderer Stelle wieder darüber beschwert, dass der gesuchte Arbeitsplatz nicht vor der Haustüre zu finden ist.

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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon Entität » Sa 30. Okt 2010, 22:39

ganimed hat geschrieben:Und obwohl dir eine genaue Abwägung also nicht zur Verfügung steht, scheinst du dir über einige Dinge im Folgenden sehr sicher zu sein.

Nur weil man für etwas keine exakte Abwägung erstellen kann heißt das nicht das man keine Tendenz ableiten kann. Umgekehrt würdest du ja behaupten das das Ausrotten von Arten keinerlei Schaden verursacht...

ganimed hat geschrieben:Wenn das Enzym aus der Natur aber mit dem Artensterben verschwände, und wenn das Aufhalten (Verlangsamen, Verhindern) des Artensterbens ebenfalls teuer und aufwändig wäre, woher nimmst du die Sicherheit, zu meinen, dass es einfacher ist als die computergestützte Forschung?

Dazu ein Beispiel von Rosetta@home, was ein Rechennetzwerk zur Berechnung von Proteinstrukturen darstellt an dem ich auch beteiligt bin.

rosetta@home hat geschrieben:Warum ist es so schwierig, die native Struktur eines Proteins zu bestimmen?
Schon ziemlich kleine Proteine können aus 100 Aminosäuren bestehen. Die Anzahl möglicher Konformationen, die selbst ein so (relativ) kleines Protein einnehmen kann, ist geradezu astronomisch, weil es so viele Freiheitsgrade gibt. Die Energie jedes möglichen Zustands zu berechnen (und so herauszufinden, welcher davon der stabilste ist), ist ein rechnerisch unlösbares Problem. Das Problem wächst außerdem exponentiell mit der Größe des Proteins. Einige menschliche Proteine sind geradezu riesig (1000 Aminosäuren).

http://boinc.bakerlab.org/rosetta/rah_science_faq.php
Und das allein ist nur die Faltungsberechnung eines bestehendes Proteins, ein wirkliches Protein aus dem nichts mathematisch zu berechnen, damit es XY Randbedingungen erfüllt ist noch um einiges Rechenintensiver. Wenn man Proteine aus Lebewesen extrahiert hat man direkt biologisch funktionale Bausteine, da sie eben durch die Evultion für spezifische Aufgabe konzipiert sind.

ganimed hat geschrieben:1) Wieso setzt du Biodiversität mit bestäubenden Insekten gleich? Könnte es nicht sein, dass das Artensterben weitergeht und dennoch Bienen und Co überleben, weil deren Lebensraum und -grundlage eben nicht gefährdet ist? Ich glaube, das ist sogar außerordentlich wahrscheinlich. Es gibt zwar diese Berichte vom mysteriösen Bienensterben, aber mir scheint es verkehrt, das in den Topf "Artensterben" zu werfen.


Wie kommst du auf die Idee das bestäubende Insekten verschont bleiben sollen. Artensterben bedeutet ja genau das keine Gruppe gesondert ist, sondern eben alle Arten von Arten sterben. Und wenn alles stirbt außer ein paar bestäubende Insekten und unsere Felder, dann wird früher oder später eine Bakterie, Virus oder sonstiger Schädling kommen und deiner Monokultur oder den bestäubenden Insekten ziemlich schnell den gar ausmachen.

ganimed hat geschrieben:Ich frage mich also, woher kommt deine scheinbare Sicherheit (und die der Umweltschützer), mit der du die Biodiversität als besonders wertvoll und die Aufwände, sie zu erhalten, als besonders gering einschätzt.

Und woher kommt deine absolute Sicherheit das wir Menschen in der Welt alles kaputt machen könnenund dabei sicher sein das das keine Konsequenzen haben wird (bzw. wirtschaftlich tragbare Konsequenzen). Das ist wie bei den Kosten mit dem Klimawandel, umso früher du etwas dagegen tust desto günstiger wird es...

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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon ganimed » So 31. Okt 2010, 00:39

Entität hat geschrieben:Wie kommst du auf die Idee das bestäubende Insekten verschont bleiben sollen. Artensterben bedeutet ja genau das keine Gruppe gesondert ist, sondern eben alle Arten von Arten sterben.

Wieso sterben denn alle Arten von Arten aus? Die Ursache ist doch in der Regel, dass bestimmten Arten der Lebensraum abhanden kommt, oder das Wasser zu sauer wird, oder die Nahrungsquellen weniger werden oder meinetwegen noch Umweltgifte. Bestäubende Insekten haben Lebensraum und Nahrung auf unseren Feldern ohne Ende. Das ließ mich so optimistisch sein, sie nicht zu den gefährdeten Arten zu zählen.

Entität hat geschrieben:Nur weil man für etwas keine exakte Abwägung erstellen kann heißt das nicht das man keine Tendenz ableiten kann.

Meine Frage war ja und ist es noch: worauf beruht denn deine Ableitung einer Tendenz? Wie begründest du die Annahme, dass Artenschutz billiger und weniger folgenreich wäre als die Alternative: kein Artenschutz und mit den Folgeproblemen dann umgehen, sobald sie auftreten.

Entität hat geschrieben:Umgekehrt würdest du ja behaupten das das Ausrotten von Arten keinerlei Schaden verursacht...

Das stimmt nicht. Ich sehe ein, dass ein Schaden entsteht. Ich zweifle nur daran, dass dieser Schaden größer wäre als der Aufwand, den man für nachhaltiges Artenretten betreiben müsste.

Entität hat geschrieben:Und wenn alles stirbt außer ein paar bestäubende Insekten und unsere Felder, dann wird früher oder später eine Bakterie, Virus oder sonstiger Schädling kommen und deiner Monokultur oder den bestäubenden Insekten ziemlich schnell den gar ausmachen.

Da ist sie wieder, diese mir unerklärliche Sicherheit, mit der du das Unheil voraussagst. Wieso hat denn bisher kein Virus alle unsere Bienen hinweggerafft? Warum wird er es angeblich früher oder später tun? Was ändert sich durch das Sterben anderer Arten in Bezug auf Bienenvirus/Biene?

Entität hat geschrieben:Das ist wie bei den Kosten mit dem Klimawandel, umso früher du etwas dagegen tust desto günstiger wird es...

Tja, für so richtig früh ist es wohl bereits zu spät. Wenn ich den Statistiken glauben darf sterben schon einige Zeit lang jeden Tag bis zu 120 Arten aus http://www.artenschutz.info/einfuehrung/artensterben.htm Vielleicht ist es zwar umso günstiger, je früher man mit der Verhinderung beginnt. Aber vielleicht ist es inzwischen so ungünstig, dass die andere Strategie möglicherweise günstiger ist (also Artensterben zulassen und dafür lieber die sich daraus ergebenen Probleme beheben). Tendenzielle, relative Aussagen helfen eben auch hier nicht weiter, zumindest wenn sie so pauschal erfolgen.

Ich habe beim Stöbern eben nochmal die Erwähnung einer Studie zur Bezifferung der Ökowerte gefunden: http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,724332,00.html
    "Die Studie gibt Ökosystemen einen konkreten Wert und fordert Staaten auf, diesen bei volkswirtschaftlichen Rechnungen einzubeziehen. Den Berechnungen eines internationalen Forscherteams zufolge, bieten allein die Insekten jedes Jahr - rein theoretisch - 153 Milliarden Dollar an Bestäubungsleistung. Die Korallenriffe liefern den Berechnungen zufolge pro Jahr 172 Milliarden Dollar an Einkommen, Nahrung und weiteren Gewinnen."
Die Bestäubungsleistung sehe ich nicht gefährdet. Der Wegfall von Korallenriffen kommt einem herkömmlichen Strukturwandel gleich, wo ganze Branchen eben verschwinden und sich die Leute andere Verdienstmöglichkeiten suchen müssen. Und mehr größere Posten werden nicht erwähnt. Wenn ich die Studie überfliege, sehe ich große Werte in der Klimawirkung des Regenwaldes. Den Regenwald sollte man offenbar wirklich nicht abholzen. Aber nicht, weil dadurch Biodiversität gerettet würde, sondern weil wir die Klimawirkung der Bäume brauchen.

Biodiversität also doch nur was für Romantik-Konservisten?
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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon Arathas » So 31. Okt 2010, 11:38

ganimed hat geschrieben:Die Bestäubungsleistung sehe ich nicht gefährdet.


Sagst du das, weil du dich auf dem Fachgebiet besonders gut auskennst, oder ist das einfach nur ins Blaue hinein geraten? Weißt du, welche Pflanzen von welchen Insekten bestäubt werden (können)? Es ist nicht so, dass einfach jeder Brummer auf der Wiese auch das tun kann, was ein anderes, ähnliches Insekt tut - viele Pflanzen und Insekten sind spezialisiert, und wenn man ein Glied in der Kette entfernt, dann brechen mehrere andere Glieder ebenfalls weg, was dazu führt, dass wieder andere wegbrechen ... und so weiter und so fort. Je mehr Artenvielfalt vorhanden ist, desto besser kann der Effekt abgefangen werden. Wir wissen nicht, wo der Break-Even-Point bei der Geschichte ist. Es ist aber kein Zeichen von Vernunft, in Kauf zu nehmen, dass wir bald herausfinden, wo er liegt.
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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon stine » So 31. Okt 2010, 13:47

War es nicht so, dass sich über einen längeren Zeitraum hinweg, die Blüten nach ihren Bestäubern richten?
Stirbt eine Art Bestäuber aus, evolutioniert die Pflanze und macht sich damit fit für eine andere Gattung von Bestäubern, es ändern sich ihre Duftstoffe, Blütenform und Blütenfarbe, es wird sich natürlich angepasst, es entstehen neue Symbiosen. Ich denke, dass es auf der Erde solange funktionierendes Leben geben wird, wie die Bedingungen dazu passsen. Und wenn es nur Bakterien sein werden, die über ein paar Millionen Jahre hinweg hier die Stellung halten.
In der Natur alles genauso beibehalten zu wollen wie es derzeit ist, halte ich ehrlich gesagt für sehr konservativ. (Kreidet man an anderer Stelle immer sehr negativ an)
Was uns Menschen betrifft, so haben einige wenige einfach die Sorge, ihren Wohlstand über die nächsten Generationen nicht mehr halten zu können. Das sind übrigens oft sogar die gleichen, die dafür sorgen, dass Golfplätze den natürlichen Lebensraum der Brennnessel einschränken. Die Hauptsorge ist doch, dass das Artensterben irgendwann mal den Menschen selbst betrifft.

Um das zu verhindern treffen sich an wichtigen Orten viele wichtige Männer in teuren Anzügen und führen viele wichtige Gespräche. Das Catering kostet Tausende und die Flüge und Hotels auch. Neue Naturschutzgebiete zu definieren macht Spaß, solange nicht die eigene Ernährung und Energieversorgung dadurch gefährdet ist.
Wir schützen gerne die Tiger in Indonesien, wenn wir hier keine Braunbären mehr haben müssen, die die Mountainbiker auf dem alpinen Ausflug bedrohen könnten.

Biodiversität ist für mich so gesehen nur eine Modeerscheinung und ein neues Buzzword. Naturschutzgebiete werden schneller aufgelöst sein als geschaffen, wenn es darum gehen wird den Wohlstand der westlichen Welt nachhaltig zu sichern.

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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon ganimed » So 31. Okt 2010, 16:59

Arathas hat geschrieben:Sagst du das, weil du dich auf dem Fachgebiet besonders gut auskennst, oder ist das einfach nur ins Blaue hinein geraten? Weißt du, welche Pflanzen von welchen Insekten bestäubt werden (können)?

Ich habe nur geraten. Nicht ins Blaue hinein, sondern mit solidem Halbwissen, das jeder hat. Unsere Kulturpflanzen müssen bestäubt werden von bestimmten Insektenarten, zu denen auch die Bienen gehören. Wieso sollten diese Insektenarten aussterben, solange wir diese Kulturpflanzen in großen Menge anbauen?

Arathas hat geschrieben:Es ist nicht so, dass einfach jeder Brummer auf der Wiese auch das tun kann, was ein anderes, ähnliches Insekt tut - viele Pflanzen und Insekten sind spezialisiert, und wenn man ein Glied in der Kette entfernt, dann brechen mehrere andere Glieder ebenfalls weg

Bist du da jetzt auch am raten? Oder hast du mal ein konkretes Beispiel, wo die Bestäubung einer gängigen Anbaupflanze durch eine selten gewordene Insektenart gefährdet ist? Stimmt meine Annahme nicht, dass ein Insekt nur dann ausstirbt, wenn sein Lebensraum oder seine Nahrung weg sind? Welche Aussterbeursachen übersehe ich deiner Meinung nach?
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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon Arathas » So 31. Okt 2010, 17:15

stine hat geschrieben:War es nicht so, dass sich über einen längeren Zeitraum hinweg, die Blüten nach ihren Bestäubern richten?


Es ist durchaus so, dass die Natur sich durch Evolution zu behelfen weiß, wenn sich die äußeren Umstände verändern. Aber der Mensch zerstört und verändert viel schneller, als dass natürliche Schutzmechanismen greifen können.

stine hat geschrieben:Ich denke, dass es auf der Erde solange funktionierendes Leben geben wird, wie die Bedingungen dazu passsen. Und wenn es nur Bakterien sein werden


Ist das das, worum es hier geht? Niemand zieht ernsthaft in Erwägung, dass wir die Erde komplett unfruchtbar machen und alles Leben auslöschen. Darum geht's doch überhaupt nicht. Selbst ein weltweiter Atomkrieg würde nicht jegliches Leben auslöschen. Aber ist ein Atomkrieg deshalb erstrebenswert?

stine hat geschrieben:In der Natur alles genauso beibehalten zu wollen wie es derzeit ist, halte ich ehrlich gesagt für sehr konservativ.


Es genauso beibehalten zu wollen, wie es derzeit ist, hieße, die Natur weiter in dem rücksichtslosen Tempo zu zerstören wie bisher. Eine Abkehr davon wäre also progressiv, nicht konservativ.

Und wenn du "Konservativ" in seiner ursprünglichen Bedeutung meinst, nämlich, zu erhalten und zu bewahren: Ja, es ist durchaus konservativ, wenn man die Biodiversität der Erde gern so bewahren würde. Aber das Gegenteil, nämlich progressives Vorgehen, ist doch nicht, die Biodiversität zu zerstören, oder sehe ich da was falsch?

stine hat geschrieben:wenn es darum gehen wird den Wohlstand der westlichen Welt nachhaltig zu sichern.


Den Wohlstand nachhaltig zu sichern ist zum einen ein Ding der Unmöglichkeit (obwohl: Was ist für dich "nachhaltig"? Für mich bedeutet es, dass man generationenübergreifend rechnet), zum anderen: Inwiefern kann man Wohlstand nachhaltig sichern, wenn man das, was man für Nachhaltigkeit benötigt, schneller abbaut und verbraucht, als es wiedergewinnbar ist?
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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon stine » So 31. Okt 2010, 17:31

Arathas hat geschrieben:Es genauso beibehalten zu wollen, wie es derzeit ist, hieße, die Natur weiter in dem rücksichtslosen Tempo zu zerstören wie bisher. Eine Abkehr davon wäre also progressiv, nicht konservativ.
Dazu gehört aber nicht nur Wildtiere und Pflanzen zu schützen, sondern auch den Menschen selbst, notfalls vor sich selbst. Zu einer progressiven Verhaltensweise gehörte auch, als Mensch wieder in einem intakten Rudel groß werden zu dürfen und nicht zur Fremdversorgung freigegeben zu werden. Tut mir aufrichtig leid, dass ich wieder damit anfange, aber viele Menschen in den "zivilisierten" Regionen schaffen es doch derzeit nicht einmal für ihre eigenen Kinder zu sorgen, weshalb dann sich für irgendwelche Vögel oder Schmetterlinge stark machen?

Arathas hat geschrieben:Den Wohlstand nachhaltig zu sichern ist zum einen ein Ding der Unmöglichkeit (obwohl: Was ist für dich "nachhaltig"? Für mich bedeutet es, dass man generationenübergreifend rechnet), zum anderen: Inwiefern kann man Wohlstand nachhaltig sichern, wenn man das, was man für Nachhaltigkeit benötigt, schneller abbaut und verbraucht, als es wiedergewinnbar ist?
Darunter verstünde ich, wenn jeder intelligent genug wäre, nur soviel zu konsumieren und zu verbrauchen, wie er für sich und die seinen unbedingt benötigt. Wer Haifischflossensuppe schlürft und Singvogeleier an gefüllten Wachteln bestellt, garantiert besstimmt nicht die künftige Biodiversität. Da darf man sich doch berechtigt fragen: MUSS DAS SEIN?

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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon Arathas » So 31. Okt 2010, 17:39

ganimed hat geschrieben:Bist du da jetzt auch am raten? Oder hast du mal ein konkretes Beispiel, wo die Bestäubung einer gängigen Anbaupflanze durch eine selten gewordene Insektenart gefährdet ist?


Das ist einfach: Das aktuell akute Bienensterben beispielsweise. An die 100 Nutzpflanzen werden von Bienen bestäubt, und wenn uns, wie es nunmal gerade ist, die Bienen massenhaft wegsterben, stehen viele Bäume und Gemüsesorten ohne Früchte da. Es ist auch schon in der Diskussion, ob man Hummeln statt Bienen für die Bestäubung nutzen und züchten kann - das wäre dann eine von Xanders vorgeschlagenen Lösungen, die man erst dann benötigt, wenn es so weit ist, dass irgendwo Probleme auftreten.

Ich finde halt, dass diese Vorgehensweise unüberlegt ist: Wir wissen auf der einen Seite nicht, ob unsere neue Lösung so gut funktioniert wie die alte, und wir sorgen nicht dafür, dass es von selbst wieder besser werden könnte.

ganimed hat geschrieben:Stimmt meine Annahme nicht, dass ein Insekt nur dann ausstirbt, wenn sein Lebensraum oder seine Nahrung weg sind? Welche Aussterbeursachen übersehe ich deiner Meinung nach?


Die, von denen wir nicht wissen, weil wir überhaupt nicht alle Mechanismen der Natur umreißen. Auch hier kann man das Bienensterben als gutes Beispiel anführen: Die einen behaupten, es wäre eine Milbe daran Schuld, die nächsten behaupten was anderes, und dann gibt's noch weitere Fraktionen, die da ihre Theorien zu haben. Ergo: Niemand weiß mit Sicherheit, was am Massensterben der Bienen Schuld ist. Sie haben Lebensraum, sie haben Nahrung. Es sollte alles passen. Aber irgendwas passt nicht (mehr?).

Ich hab mir ne schöne Metapher ausgedacht: Stell dir vor, die Natur wäre ein Computer, an dem Menschen sitzen und arbeiten können. Man kann ein paar der Programme bedienen, aber das Betriebssystem ist in einer Programmiersprache geschrieben, die keiner völlig versteht, wobei manche Leute ansatzweise ein paar Sachen kapieren oder wenigstens glauben, sie zu kapieren, weil die Programme sich dementsprechend "verhalten".

Es ist für mich nur logisch, wenn man nun versucht, den Computer so gut es geht in Schuss zu halten, wie er ist: Never change a running system. Denn da de facto niemand die Programmiersprache wirklich versteht, wäre es möglicherweise fatal, wenn es nicht nur, wie bisher, mal hier und da einen kleinen Programmfehler geben würde, sondern das ganze System abstürzt, weil jemand aus Versehen eine essentiell wichtige Datei gelöscht hat.

In ner Firma kann man in so nem Fall den Admin anrufen, der wird's schon wieder richten. Wir können aber leider nicht die Hotline der Natur anrufen ...
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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon Nanna » So 31. Okt 2010, 18:38

ganimed hat geschrieben:
Arathas hat geschrieben:Sagst du das, weil du dich auf dem Fachgebiet besonders gut auskennst, oder ist das einfach nur ins Blaue hinein geraten? Weißt du, welche Pflanzen von welchen Insekten bestäubt werden (können)?

Ich habe nur geraten. Nicht ins Blaue hinein, sondern mit solidem Halbwissen, das jeder hat. Unsere Kulturpflanzen müssen bestäubt werden von bestimmten Insektenarten, zu denen auch die Bienen gehören. Wieso sollten diese Insektenarten aussterben, solange wir diese Kulturpflanzen in großen Menge anbauen?

Hast du nicht selber das Gefühl, dass du da ein bisschen arg einfach argumentierst? Diese Annahme klappt doch so einfach nur in einem statischen System.

Kulturpflanzen werden massenhaft in Monokulturen angebaut, mit all den negativen Folgen, die man von Monokulturen her kennt (übrigens das Gegenteil von Biodiversität, womit die Frage, ob Biodiversität wichtig ist, für mich schon beantwortet ist, sieht man sich die kaum vorhandene Robustheit von Monokulturen an). Geht an einer Stelle etwas schief, bricht das ganze System zusammen und es gibt keine alternativen Faktoren (andere Pflanzen oder Arten), die den Verlust kompensieren können. In einer Monokultur ist der Verlust einer beteiligten Art in der Regel gleichbedeutend mit dem Verlust eines sehr großen Prozentsatzes, weil es eben keine "Backupsysteme" gibt. Stirbt der Weizen auf einem reinen Weizenfeld, sind 100% der Pflanzen tot, auf einer Mischwiese hat eine Art dagegen einen viel kleineren Anteil (ich schätze mal ohne näheres Hintergrundwissen nicht mehr als 20% maximal), daher ist auch nicht die ganze Wiese hinüber, selbst wenn die entsprechende Art komplett flöten geht.

Natürlich sterben die Bienen nicht an Nahrungsmangel, solange es genug bienengeeignete Nutzpflanzen gibt. Da wir uns aber NUR auf Bienen verlassen, haben wir keine Alternativen in der Tasche, falls die Bienen aus einem anderen Grund als Nahrungsmangel draufgehen, das ist das eigentliche Problem.

ganimed hat geschrieben:Stimmt meine Annahme nicht, dass ein Insekt nur dann ausstirbt, wenn sein Lebensraum oder seine Nahrung weg sind? Welche Aussterbeursachen übersehe ich deiner Meinung nach?

Umweltgifte, Eindringen konkurrierender Arten, Fressfeinde, Krankheiten? Und was verstehst du unter Verlust des Lebensraumes? Es sollte klar sein, dass bereits leichte Modifikationen des Lebensraumes ausreichen, um die Überlebenschancen einer Art zu senken, das kann durch die Änderung der angebauten Nutzpflanzen geschehen, oder durch Klimawandel, durch eine Änderung des Grundwasserspiegels, der zu verändertem Wachstum der Pflanzen führt.
In allen Fällen gilt, dass Biotope mit höherer Artenvielfalt mehr Chancen haben, entsprechende Gegenstrategien zu entwickeln. Haben wir ein monokulturelles System, müssen alle beteiligten Arten sich zweitnah in einer zueinander kompatiblen Weise verändern, damit das System an sich aufrechterhalten werden kann. Die Wahrscheinlichkeit ist viel geringer, dass das passiert, als das ein System mit vielen verschiedenen Beteiligten einige Arten in petto hat, die die entsprechende Strategien bereithalten.

Davon abgesehen weise ich auch darauf hin, dass viele Wirkstoffe für Medikamente und andere chemische Anwendungen zuallererst in der Natur gesucht und gefunden werden und danach synthetisiert werden. Wenn die Biodiversität sinkt, gibt es folglich auch weniger Arten, deren spezifische Fähigkeiten der Mensch für sich nutzbar machen kann.
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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon Lumen » So 31. Okt 2010, 23:59

Da verschiedene Kreisläufe ineinander greifen und wir an verschiedenen Stellen mit drinhängen, wäre es töricht, etwas aussterben zu lassen. Vielleicht braucht man keine Makis auf Madagaskar, aber dann gibt es zum Glück noch andere Maßstäbe als nur zweckdienlicher Nutzen.
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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon stine » Mo 1. Nov 2010, 11:35

Nanna hat geschrieben:Wenn die Biodiversität sinkt, gibt es folglich auch weniger Arten, deren spezifische Fähigkeiten der Mensch für sich nutzbar machen kann.
Wenn Lumen das nicht geschrieben hätte, hätte ich das getan:
Lumen hat geschrieben:Da verschiedene Kreisläufe ineinander greifen und wir an verschiedenen Stellen mit drinhängen, wäre es töricht, etwas aussterben zu lassen. Vielleicht braucht man keine Makis auf Madagaskar, aber dann gibt es zum Glück noch andere Maßstäbe als nur zweckdienlicher Nutzen.


Wenn die ganze Begeisterung um die Biodiversität nur den Sinn verfolgen würde, des Menschen Weiterleben so lange wie möglich sicher zu stellen, dann wäre das schon sehr traurig. Wie ich hier schon des öfteren eingeflochten habe, sind viele Zweibeiner hier auf der Erde gar nicht an künftiger Biodiversität interessiert, allenfalls dann, wenn sie in weitabgelgenen Erdteilen durchzusetzen wäre.
Es ist unlauter wenn man die natürliche Vielfalt propagiert, aber dann mittels EU-Fördergelder die Bauern hier zur Monokultur treibt.
Was soll das?
Biodiversität beginnt im eigenen Garten oder auf der Wiese vor der Stadt. Brennesseln statt englischem Rasen und Spitzwegerich statt Begonienrabatte.

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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon Arathas » Mo 1. Nov 2010, 13:48

stine hat geschrieben:Biodiversität beginnt im eigenen Garten oder auf der Wiese vor der Stadt. Brennesseln statt englischem Rasen und Spitzwegerich statt Begonienrabatte.


Jo, ich mag "Unkraut" auch lieber als Gärten voller Orchideen oder so. Ich weiß gar nicht, was der Name "Unkraut" eigentlich soll - er macht gar keinen Sinn, denn wie definiert man Unkraut? Kann höchstens Willkür (da Geschmackssache) sein.

Ich hab es gehasst, wenn ich als Kind im Garten helfen musste Unkraut entfernen - habe nie verstanden, warum die eine Pflanze leben darf, während die andere sterben muss. Pflanzen sind alle schön, jede auf ihre Weise.
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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon musicman » Mo 1. Nov 2010, 21:06

Arathas hat geschrieben:[Ich hab es gehasst, wenn ich als Kind im Garten helfen musste Unkraut entfernen - habe nie verstanden, warum die eine Pflanze leben darf, während die andere sterben muss. Pflanzen sind alle schön, jede auf ihre Weise.


Manchmal will man, dass ein bestimmtes "Kraut" mehr Sonne abbekommt, als seine von Natur aus schneller wachsenden Nachbarn, deshalb müssen die dann sterben, man kann sie aber auch vorsichtig ausgraben und woanders wieder einsetzen, dann kann man das "Kraut" guten Gewissens geniessen. :wink:

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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon ganimed » Di 2. Nov 2010, 20:55

Arathas hat geschrieben:Es ist für mich nur logisch, wenn man nun versucht, den Computer so gut es geht in Schuss zu halten, wie er ist: Never change a running system.

Das ist Konservismus in Reinkultur. Hast du denn keine Angst, dass damit auch jeder Fortschritt, jede Entwicklung gestoppt oder gebremst werden würde?

Arathas hat geschrieben:wäre es möglicherweise fatal, wenn es nicht nur, wie bisher, mal hier und da einen kleinen Programmfehler geben würde, sondern das ganze System abstürzt

Hier finde ich deine Analogie etwas unpassend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Natur abstürzt. Bisher sind ja noch nicht einmal die Bienen ausgestorben.
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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon ganimed » Di 2. Nov 2010, 21:18

Nanna hat geschrieben:Kulturpflanzen werden massenhaft in Monokulturen angebaut, mit all den negativen Folgen, die man von Monokulturen her kennt (übrigens das Gegenteil von Biodiversität, womit die Frage, ob Biodiversität wichtig ist, für mich schon beantwortet ist

Monokultur ist, zumindest laut Wikipedia, die Anbauweise, wo auf einer Fläche immer nur eine Pflanze angebaut wird. Das hat nichts mit dem Gegenteil von Biodiversität zu tun. Es kann ja mehrere Flächen mit jeweils verschiedenen monokulturell angebauten Pflanzen geben. Oder es kann eine Fruchtfolge geben (verschiedene Pflanzen nacheinander, was übrigens nach meinem Verständnis der übliche Standard hier in Deutschland ist). Der Ertrag einer Monokultur ist aus Anfälligkeitsgründen tendenziell geringer, was aber in der Regel durch Vorteile (einfachere Bearbeitung und Pflege) wettgemacht wird.

Nanna hat geschrieben:Stirbt der Weizen auf einem reinen Weizenfeld, sind 100% der Pflanzen tot, auf einer Mischwiese hat eine Art dagegen einen viel kleineren Anteil (ich schätze mal ohne näheres Hintergrundwissen nicht mehr als 20% maximal), daher ist auch nicht die ganze Wiese hinüber, selbst wenn die entsprechende Art komplett flöten geht.

Du verwechselst hier Artenreichtum auf einer Wiese und Artenreichtum in der Welt. Wenn 100% der Pflanzen auf einem Weizenfeld sterben, ist deshalb noch keine Art gestorben. Es gibt die Ebene der Arten und es gibt die Ebene der einzelnen Pflanzen-Individuen. Monokultur als Anbauverfahren hat meiner Ansicht nach nur sehr wenig mit dem Thema Biodiversität zu tun.

Nanna hat geschrieben:Geht an einer Stelle etwas schief, bricht das ganze System zusammen und es gibt keine alternativen Faktoren (andere Pflanzen oder Arten), die den Verlust kompensieren können.

Da malst du das Bild ja wirklich maximal schwarz. Demzufolge wäre Biodiversität absolut nötig (weil an irgendeiner Stelle geht ja immer was schief). Aber diese Aussage wäre doch erst möglich, wenn du die einzelnen Risikofaktoren nennen könntest. Wie wahrscheinlich ist es, dass etwas schief geht? Wie wahrscheinlich ist es, dass bei Artenarmut keine andere Pflanze oder Art den Verlust kompensieren kann? Wie wahrscheinlich ist es, dass der Mensch den Verlust dann nicht irgendwie anders kompensieren kann? Erst wenn alle diese Wahrscheinlichkeiten jeweils knapp 100% betragen, kannst du folgern, dass wir Biodiversität unbedingt brauchen. Bei geringeren Wahrscheinlichkeiten kann die Aussage nur lauten: Biodiversität wäre besser.

Aber die Frage ist ja eben: wie viel besser? Und wiegt dieses "Besser" dann die Anstrengungen auf, die zum Erhalt der Biodiversität nötig wären?

Nanna hat geschrieben:Es sollte klar sein, dass bereits leichte Modifikationen des Lebensraumes ausreichen, um die Überlebenschancen einer Art zu senken

Wieso das? Wieso können Modifikationen die Überlebenschancen nicht auch erhöhen? Oder unverändert lassen? Du scheinst den Pessimismus bei diesem Thema derart verinnerlicht zu haben, dass du zu merkwürdig einseitigen Schlussfolgerungen gelangst.

Nanna hat geschrieben:In allen Fällen gilt, dass Biotope mit höherer Artenvielfalt mehr Chancen haben, entsprechende Gegenstrategien zu entwickeln.

Diese Aussage ist richtig. Aber es ist nur eine tendenzielle Aussage. Wie viel mehr Chancen genau? Das wäre wichtig zu wissen, um abschätzen zu können, wie wichtig Biodiversität ist und wie viel Artenerhalt wir uns leisten können/sollten.

Nanna hat geschrieben:Davon abgesehen weise ich auch darauf hin, dass viele Wirkstoffe für Medikamente und andere chemische Anwendungen zuallererst in der Natur gesucht und gefunden werden und danach synthetisiert werden. Wenn die Biodiversität sinkt, gibt es folglich auch weniger Arten, deren spezifische Fähigkeiten der Mensch für sich nutzbar machen kann.

Wieder richtig. Aber auch hier benutzt du nur relative Wertungen. Wie viele Medikamente werden bei welchen Diversitäts-Sinkraten nicht gefunden? Und wie viel von diesem Verlust könnte durch billigere Maßnahmen in alternativer Forschung kompensiert werden?

Ich finde ja auch, dass Biodiversität aus den bisher genannten Gründen besser ist als keine. Aber ich finde es blind, sie so gut zu finden, dass man ihren Erhalt um jeden Preis fordert, ohne auch nur annähernd quantifizieren zu können.
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Re: Biodiversivität: nur Mode und Ideologie?

Beitragvon ganimed » Di 2. Nov 2010, 21:30

Lumen hat geschrieben:Da verschiedene Kreisläufe ineinander greifen und wir an verschiedenen Stellen mit drinhängen, wäre es töricht, etwas aussterben zu lassen.

Auch wenn die Kosten dafür (weil große Flächen nicht genutzt werden können, weil strukturell einiges umgestellt werden muss, etc.) etwa 10 Billiarden Dollar betrügen? Auch dann wäre es töricht etwas aussterben zu lassen? Ich finde nicht.

stine hat geschrieben:Wenn die ganze Begeisterung um die Biodiversität nur den Sinn verfolgen würde, des Menschen Weiterleben so lange wie möglich sicher zu stellen, dann wäre das schon sehr traurig.

Ich fände es aber auch traurig, wenn eine ökonomisch nutzlose Art nur aus romantischen Gründen wie Nostalgie, schlechtes Gewissen, blinder Konservismus, Angst vor Veränderungen, etc. erhalten würde und wir dafür beispielsweise 10 Billiarden Dollar bezahlen würden. Wenn es andere Gründe für die Biodiversität gibt, dann hoffentlich gute.
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