Der "Fall" Sarrazin

Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon donquijote » Di 2. Nov 2010, 21:30

Nanna hat geschrieben: Sprich, (fast) alle Abiturienten kriegen immer intelligentere Kinder, die (theoretisch) immer höhere Schulabschlüsse erzielen, während in der Unterschicht genau das gegenteilige Prinzip greift.

Hat das irgendjemand behauptet? Ist das erforderlich?

Die simple (evolutionstheoretische) Behauptung ist doch: Kinder ähneln statistisch gesehen ihren Eltern. Wäre das nicht so, würde kaum jemand Kinder in die Welt setzen. Eltern erwarten so etwas.

Die nächste Generation ist also (gewichtet mit der jeweiligen Kinderzahl) ein Abbild derjenigen Menschen, die Eltern geworden sind. Darüber sollte man mal in Ruhe nachdenken, was das heißt.

Nanna hat geschrieben: Erstmal gibt es die berühmte Regression zur Mitte, d.h. zwei Sonderschüler haben mit großer Wahrscheinlichkeit ein Kind, das intelligenter ist, als sie, und Hochbegabte mit großer Wahrscheinlichkeit eines, das dümmer ist als sie. Die schlichte Formel, dass Intelligenz oder Dummheit sich akkumulieren, stimmt meines Wissens so einfach nicht.


Und dennoch: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Hochbegabten intelligenter sind als die der Sonderschüler liegt nahe bei 1.

Nanna hat geschrieben: Ich halte einfach diese starre Fokussierung auf Intelligenz als Determinante für beruflichen Erfolg und damit für die durchschnittliche Kinderanzahl für grob unzureichend, um irgendetwas zu erklären.


Ist ein wichtiger Indikator. Das Bruttosozialprodukt ist auch nur ein Indikator. Wenn es sinkt, bekommt man es dennoch zu spüren. Und wenn der mittlerwe IQ der Bevölerkung sinkt dann ist das eine Katastrophe.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon ujmp » Di 2. Nov 2010, 21:48

Nanna hat geschrieben:
donquijote hat geschrieben:Das Gerede über eine Entwicklung von IQ hin zur Mitte ist Gerede von Leuten, die davon nichts verstehen.

Du kannst das entweder belegen oder die Großspurigkeit aus deiner Rhetorik nehmen. Ich lasse mich gern belehren und inspirieren, aber nicht so!

Immerhin gibt es bei er Hautfarbe keine Regression zur Mitte. Und übrigens: die genetischen Unterschiede zwischen Mensch und Affe sind auch nicht besonders groß. Aber was besagt das schon? - Nichts!
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon xander1 » Di 2. Nov 2010, 22:40

Um nochmal etwas zu Sarrazin zu sagen. Ich habe folgendes gefunden in einem Artikel

Titel: Sozialdarwinismus wird hoffähig:

Neben dem sofortigen Einwanderungsstopp aus Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten sind somit Maßnahmen zur Familienförderung, die insbesondere die Oberschicht als Träger der Intelligenz zur Fortpflanzung animieren, notwendig. Dazu schlägt Sarrazin eine Art Gebärprämie in Höhe von 50.000 Euro für jedes vor dem 30. Lebensjahr geborene Kind vor, allerdings nur "für jene Gruppen, bei denen eine höhere Fruchtbarkeit zur Verbesserung der sozioökonomischen Qualität der Geburtenstruktur besonders erwünscht ist".
(http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33219/1.html)


Mersch ist nicht nur ein Evolutionstheoretiker. Er ist auch ein Sozialdarwinist und nachdem ich gelesen habe was donquijote geschrieben hat, stelle ich auch fest, dass er auch so einer ist. Ist es möglich, dass die Theorie von Mersch nur ein Versuch ist Sozialdarwinismus hoffähig zu machen?
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon donquijote » Di 2. Nov 2010, 23:22

xander1 hat geschrieben:Um nochmal etwas zu Sarrazin zu sagen. Ich habe folgendes gefunden in einem Artikel

Titel: Sozialdarwinismus wird hoffähig


Der Vorschlag von Sarrazin ist wenig sinnvoll, aber er ist kein Sozialdarwinismus. Bettina Röhl wies richtigerweise im Spiegel darauf hin, dass sein Vorschlag geltendes Recht ist:
http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... -2,00.html

Ich finde die Debatte ohnehin blöd. Anteilsmäßig immer mehr Kinder wachsen in Bildungsferne und Armut auf. Die Armutsrate unter Kindern hat sich seit 1965 alle 10 Jahre verdoppelt. Das ist Sozialdarwinismus! Der Gleichheitsfeminismus ist Sozialdarwinismus. Da solltest du mal ansetzen.

Seit wann ist die Forderung, die Gesellschaft sollte dafür sorgen, dass auch gebildete Menschen Kinder bekommen können, Sozialdarwinismus? Wären die Geburtenraten umgekehrt, d.h. die Bildungsfernen hätten eine Geburtenrate wie die Gebildeten und die Gebildeten eine wie aktuell die Bildungsfernen, dann müsste man sich den ganzen Tag Opern über die Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft anhören.

Aktuell werden gebildete Menschen in der Nachwuchsfrage diskriminiert.

xander1 hat geschrieben:Mersch ist nicht nur ein Evolutionstheoretiker. Er ist auch ein Sozialdarwinist und nachdem ich gelesen habe was donquijote geschrieben hat, stelle ich auch fest, dass er auch so einer ist. Ist es möglich, dass die Theorie von Mersch nur ein Versuch ist Sozialdarwinismus hoffähig zu machen?


Mersch ist das genaue Gegenteil eines Sozialdarwinisten. Er hat meiner Meinung nach überhaupt erstmalig beschrieben, was der wahre Gedankenfehler des Sozialdarwinismus war und was das mit dem Darwinismus zu tun hat.
Darwinismus und Sozialdarwinismus

Liest man nämlich die Wikipedia-Seite zum Sozialdarwinismus, dann wird einem nicht klar, warum der Darwinismus gut sein soll und der Sozialdarwinismus schlecht.

Einer der großen Vorteile der Systemischen Evolutionstheorie ist, dass sie keine sozialdarwinistischen Züge trägt.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon donquijote » Di 2. Nov 2010, 23:28

xander1 hat geschrieben:Mersch ist nicht nur ein Evolutionstheoretiker. Er ist auch ein Sozialdarwinist und nachdem ich gelesen habe was donquijote geschrieben hat, stelle ich auch fest, dass er auch so einer ist. Ist es möglich, dass die Theorie von Mersch nur ein Versuch ist Sozialdarwinismus hoffähig zu machen?


Bist du ein Anhänger Pol Pots? Es hört sich fast so an.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon Nanna » Mi 3. Nov 2010, 00:00

In aller Deutlichkeit und bei allem Verständnis dafür, dass man sich gerne der vollen Bandbreite rhetorischer Möglichkeiten bedienen möchte, aber Diffamierungen tragen nicht zum gegenseitigen Verständnis bei. In der causa Sarrazin wird genug unterhalb der Gürtellinie gearbeitet, da müssen wir hier jetzt nicht auch noch anfangen.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon AngelM90 » Mi 3. Nov 2010, 00:43

Die evolutionsbiologische Frage, wie das mit den Auswirkungen des Kinderkriegens von Eltern unterschiedlicher IQs ist eine sehr wichtige Frage, besonders wo jetzt die Sarrazin-Partei im März zur Wahl antritt.
http://Sarrazin-Partei.beepworld.de

Viele Menschen haben keine Ahnung von der Evolution und verstehen nicht, dass die Welt gar nicht anders kann als zu züchten (Darwin: natürliche Zuchtwahl /Selection), und dass unsere Ur-Ur.....Großeltern in den letzten 6 Millionen Jahren von 400 Gramm Hirngewicht mit entsprechend geringer kognitiver Leistungsfähigkeit auf ca. 1400 Gramm Hirngewicht gezüchtet wurden, und zwar nicht von Sozialdarwinisten, sondern schlicht und einfach von der Welt, die alles hat aussterben lassen, was eine geringere Hirnleistungsfähigkeit aufwies.

Die, die sich empören über die Problematisierung der heutigen Züchtungsrichtung, die laut Sarrazin in Richtung weniger leistungsfähige Gehirne geht, werden mit uns allen gemeinsam aussterben. Die Intelligenteren sterben sowieso aus, da sie laut Sarrazin viel zu wenig Kinder haben, und die anderen sterben aus, weil keine Intelligenteren mehr da sind, die sie ernähren könnten.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon musicman » Mi 3. Nov 2010, 11:45

Es wäre gut möglich, daß wir auf ein 6Parteien System zusteuern. Die Zustimmung zu Teilen von Sarrazin`s Thesen scheint größer zu sein, als es die mainstream Presse zu vermitteln versucht, diesen Eindruck gewinne ich jedenfalls, wenn ich so aus dem Fenster schaue.
Sarrazin ist ein Oskar von der anderen Seite, ein Leimrutenausleger der einerseits an niedrigste Instinkte apelliert, andererseits aber Stimmungen aufnimmt und sie in seinem Sinn artikuliert.
Die Gefahr ist, dass sich da etwas zusammenbraut, das die meisten Leute gar nicht wollen, auch die nicht, die sagen gut daß mal einer den Finger rührt und Probleme beim Namen nennt.

Denn machen wir uns nichts vor, die bisherige Einwanderungspolitik war eine Katastrophe - wenn es überhaupt eine gab, ich habe mehr den Eindruck man hat gewurstelt und gedacht das wird schon.
Es kann es einfach nicht sein, daß ganze Klassen vor dem Lehrer sitzen und dessen Sprache nicht verstehen, das ist ein Unding und da wurde gewaltig gepennt. Diesen Mißstand gilt es abzustellen durch Einführung von flächendeckendem Sprachunterricht für Kinder. Wenn die in die Schule kommen müssen sie Deutsch verstehen - Punkt. Das so etwas möglich ist, macht die Schweiz seit 40 Jahren vor - Punkt. Wenn man das gelöst hat, hat sich der Großteil der Ausländerproblematik von alleine erledigt- Punkt. Die sind nicht dümmer als wir- Punkt.
Und wenn manche Eltern nicht in der Lage sind, das zu kapieren, muß man ihnen helfen das zu verstehen, wenn nötig auch mit finanziellen Sanktionen.

Das nächste Problem ist nicht, daß einige hochqualifizierte Akademikerinnen nicht gebärfreudig genug sind, der Haken ist, daß - ich nenn es mal den Mittelstand - der Normalverdiener, sagen wir mit Einkommen von 20-60tsd im Jahr (darunter dürfte der Großteil der Akademiker und Facharbeiter/Angestellte fallen) im Endeffekt die Deppen sind, wenn sie Kinder bekommen - jedenfalls in finanzieller Hinsicht. Die Eigenheimzulage war so ein Instrument, die dieser Gruppe das Leben etwas angenehemr machte, das war nicht die Welt, aber kam Leuten zugute, die nach vielleicht 10 Jahren Berufstätigkeit etwas auf der Seite hatten um eine Familie auf ökonomisch gesunder Grundlage zu gründen, nur mal so als Beispiel.
Diese Gruppe ist noch die breite Masse, die über ihre Steuerabgaben die ganze Geschichte am laufen hält und diese Leute sehen sich zunehmend nicht mehr in der Politik repräsentiert und massiv benachteiligt. Wenn aus dieser Gruppe aus Frustration genug umfallen - politisch, dann gute Nacht.
Man sollte die Kuh nicht schlachten, die man melken will ist ein alter Spruch, aber es hat was.

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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon stine » Mi 3. Nov 2010, 14:08

Ist es nicht so, dass sich die Natur wie immer selber hilft?
Als Ganzes betrachtet haben Generationen von Akademikern aus ihren Kindern wieder Akademiker gemacht, ob mit Nachhilfe oder Naturbegabung sei mal dahingestellt, doch plötzlich wollen die Akademiker-Ururenkel keine Kinder mehr oder nur noch ganz wenige und die Mehrzahl der Kinder werden wieder in Familien geboren, die nichts weiter haben, als sich selbst und die den Kindern nichts weiter mitgeben können, als Fleiß, Durchsetzungsvermögen und Widerstandskraft.
Im Gegenteil zu Sarrazin sehe ich nicht, dass eine Gesellschaft sich selber abschafft, wenn die Bildungselite sich aus der Reproduktion zurückzieht, sondern im Gegenteil: Die Gesellschaft bleibt gleich derer, die sie früher auch schon war.

Die Gesellschaft, die Menschen, die Familien, das natürliche Forwärtskommen bleibt gleich: Es verändert sich nichts, wenn die Vorwärstgestrebten aussterben und von "unten" Neues emporkommt. Man könnte sogar sagen, es hält sich alles im natürlichen Gleichgewicht.

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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon donquijote » Mi 3. Nov 2010, 16:15

musicman hat geschrieben:Und wenn manche Eltern nicht in der Lage sind, das zu kapieren, muß man ihnen helfen das zu verstehen, wenn nötig auch mit finanziellen Sanktionen.

Ich habe jedenfalls schon einen Kindergeburtstag erlebt, bei dem deutsche Türkeiurlauber einer bereits mehr als 10 Jahre in Deutschland lebenden Türkin erklärten, um wieviel Uhr sie ihre Tochter (Kindergartenfreundin des Geburtstagskindes) wieder abholen soll. Ich finde so etwas geht einfach nicht.

musicman hat geschrieben:Das nächste Problem ist nicht, daß einige hochqualifizierte Akademikerinnen nicht gebärfreudig genug sind, der Haken ist, daß - ich nenn es mal den Mittelstand - der Normalverdiener, sagen wir mit Einkommen von 20-60tsd im Jahr (darunter dürfte der Großteil der Akademiker und Facharbeiter/Angestellte fallen) im Endeffekt die Deppen sind, wenn sie Kinder bekommen - jedenfalls in finanzieller Hinsicht.


Exakt das ist das Problem. Und da kann Stine noch 100x was anderes schreiben und ihre Untergang-ist-schön-Beiträge posten: Es sind nicht immer nur die Armen die Armen. Die Interessen des Mittelstandes werden sträflich ignoriert.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon stine » Mi 3. Nov 2010, 17:27

Was ist denn das Interesse des Mittelstandes?
Maximal das Interesse einmal kein Mittelstand mehr zu sein, weil nach oben abgehoben?
Oder ist das Interesse eine gleichbleibende Mittelmäßigkeit?
Oder ist das Interesse sich zu freuen, dass man nicht ganz unten ist?

Ich sehe kein Problem darin, dass nicht alle Mitteleuropäer Wissenschaftler werden und ich sehe auch kein Problem darin, dass nicht alle Menschen gleichermaßen begabt sind - im Gegenteil. Das Problem dürfte eher sein, dass wir so tun, als würden wir all unsere "niederen" Arbeiten outcourcen können und künftig nur noch überlegen müssen, wohin uns unsere Bildung treiben soll.
Sarrazin hat recht damit, dass wir uns überlegen müssen, wie wir unsere Migranten künftig an der Gesellschaft teilhaben lassen, aber er hat unrecht damit, wenn er denkt, dass ein Großteil derer einfach zu dumm für unsere Gesellschaft ist. Viele haben einfach eine andere Auffassung davon, was das Leben ausmacht. Einen (finanziellen) Niedergang unseres Mittelwestens sähe ich nur dann, wenn wir es nicht schafften, für alle Begabungen wieder ausreichend Möglichkeiten zur Selbstversorgung zu schaffen.

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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon donquijote » Mi 3. Nov 2010, 18:14

stine hat geschrieben:Einen (finanziellen) Niedergang unseres Mittelwestens sähe ich nur dann, wenn wir es nicht schafften, für alle Begabungen wieder ausreichend Möglichkeiten zur Selbstversorgung zu schaffen.


Dann wird der Niedergang kommen.

Wenn die Devise lautet: Eine ausreichende Möglichkeit zur Selbstversorgung findet man bei einer Erwerbsarbeit in der Wirtschaft, während Familienarbeit grundsätzlich kostenlos zu erbringen ist, dann werden wir scheitern.

Grundsätzlich kostenlos zu erbringende Familienarbeit setzt zwingend voraus, dass Frauen nicht gleichberechtigt sind und sie in der Regel Mutter und Hausfrau werden. Streben aber auch Frauen primär nach Erwerbsarbeit und Selbstversorgung, dann muss es einen Beruf für Familienarbeit mit eigenen Kindern geben. Das ist eigentlich so banal, dass ich jedes Mal zwischendurch einschlafe, wenn ich's eintippe.

Man könnte ja auch bei Männern den folgenden Versuch starten:
- Wehrdienst ist freiwillig.
- Die Wehrdienstleistung ist von jungen Männern kostenfrei zu erbringen.

Wetten, dass sich höchstens gering gebildete junge Männer mit fehlender beruflicher Perspektive zum Wehrdienst melden werden?

Warum erwartet man, dass es bei der Familienarbeit anders sein sollte? Nur weil man annimmt, Frauen seien irgendwie blöder?
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon musicman » Mi 3. Nov 2010, 20:11

donquijote hat geschrieben:Ich habe jedenfalls schon einen Kindergeburtstag erlebt, bei dem deutsche Türkeiurlauber einer bereits mehr als 10 Jahre in Deutschland lebenden Türkin erklärten, um wieviel Uhr sie ihre Tochter (Kindergartenfreundin des Geburtstagskindes) wieder abholen soll.


Auf Deutsch oder auf Türkisch ?

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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon musicman » Mi 3. Nov 2010, 20:41

stine hat geschrieben:Was ist denn das Interesse des Mittelstandes?
Maximal das Interesse einmal kein Mittelstand mehr zu sein, weil nach oben abgehoben?
Oder ist das Interesse eine gleichbleibende Mittelmäßigkeit?
Oder ist das Interesse sich zu freuen, dass man nicht ganz unten ist?


Es geht nicht um die Interessen die der Mittelstand hat, sondern darum, welche Schwerpunkte in der Familienpolitik gesetzt werden. Wenn den Leuten signalisiert wird, ihr seid schön blöd, wenn ihr Kinder in die Welt setzt und dazu noch arbeiten geht, werden sie es irgendwann sein lassen. Gut - wenn man das so will ist es ja Ok, aber dann soll man das sagen, die Leute merken es eh, so blöd sind sie auch nicht.
Mir persönlich ist das auch wurst, ich bin, wenn man so will aus sentimentalen Gründen in Deutschland und auch schnell wieder weg, aber ich wundere mich schon, wie man hier diejenigen, die den Karren ziehen behandelt.

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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon donquijote » Mi 3. Nov 2010, 22:01

musicman hat geschrieben: Auf Deutsch oder auf Türkisch ?


Auf Türkisch. Die Türkei-Urlauber konnten besser Türkisch als die gute Dame Deutsch (nämlich gar nicht).
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon stine » Mi 3. Nov 2010, 22:55

musicman hat geschrieben:Wenn den Leuten signalisiert wird, ihr seid schön blöd, wenn ihr Kinder in die Welt setzt und dazu noch arbeiten geht, werden sie es irgendwann sein lassen.
Wer signalisiert das denn?
Ich für meinen Teil empfange ganz andere Signale, nämlich, du bist schön blöd, wenn du dich um deine Kinder selber kümmerst und nicht weiter arbeiten gehst, weil Leistung in diesem Land monetär gemessen wird und was nichts kostet ist nichts wert. Abgesehen von der nicht eingezahlten Rente. Jackle (äh - donquijote) schreibt das ja immer wieder mal, dass die Familienarbeit eigentlich bezahlt werden sollte. Was er/sie allerdings immer wieder falsch sieht ist, Familienarbeit sollte nicht als Arbeit im herkömmlichen Sinn betrachtet werden, sondern aus Liebe zum Nachwuchs gemacht werden. Kinder die die ersten Lebensjahre mehrere Bezugspersonen hatten, leiden oft an psychischen Störungen.

musicman hat geschrieben:...aber ich wundere mich schon, wie man hier diejenigen, die den Karren ziehen behandelt.
Die, die hier den Karren ziehen werden immer mehr ausgenommen, das ist wahr. Aber sie lassen es auch mit sich machen. Sie drängen geradezu in den Wettbewerb untereinander und wer nicht seine Töchter wenigstens mit Ballet und Klavier und die Söhne mit Fussball und Saxophon piesakt, gehört nicht dazu. Der Mittelstand hat sich nun mal in den Kopf gesetzt, zu strampeln, was das Zeug hält, und findet das besser, als kürzer zu treten. Er liebt es zu Leisten und Steuern zu bezahlen, er liebt es seine Kinder in den Wirtschaftskreislauf zu bringen, je eher je besser und er liebt es kurz vor dem Burnout nochmal in die Staaten zu fliegen, weil, wer noch nicht "drüben" war, gehört auch nicht dazu.
Und wenn er (der Mittelstand) dann plötzlich feststellt, dass es Menschen gibt, die sich diesem Irrsin nicht aussetzen und trotzdem leben und zwar von seinen Steuergeldern, dann darf er sich auch schon mal den Hut hochgehen lassen.
Ja, ich gebe zu, mich ärgert das auch, dass ich ständig am zahlen bin und andere immer nur bekommen. Aber was solls, derzeit jammern noch alle Steuergebeutelten (auch der Mittelstand) auf sehr hohem Niveau, weil viele Dinge ihres täglichen Lebens noch verzichtbar sind.

Der Sinn der sozialen Marktwirtschaft ist genau der, dass alle vom allgemeinen Wohlstand profitieren und ich würde sagen, bei uns klappt das noch einigermaßen. Wenn wir allerdings weiterhin die Jobchancen höher und höher aufhängen, einfache Arbeiten mehr und mehr outcourcen und die Lehrer weiterhin überlasten, dann werden die Leister immer weniger und die Aufderstreckegebliebenen immer mehr und das hat nichts mit zunehmender Volksverdummung zu tun, sondern nur damit, dass wir uns (der Mittelstand) gegenseitig mehr und mehr antreiben.

Die Konservativen und die Linken werden sich weiterhin über ein gängiges Konzept streiten, aber eins ist jetzt schon sicher: Die Zeche zahlt immer die große Mitte, weil das anders gar nicht möglich ist. Und auch wenn du hier weggehen würdest, musicman, woanders geht es dem Mittelstand auch nicht besser und in Ländern wo der hiesige Mittelstand zu den Reichen gehört, da sind Stacheldrahtzäune um das Anwesen keine Seltenheit.

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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon donquijote » Mi 3. Nov 2010, 23:53

stine hat geschrieben: Was er/sie allerdings immer wieder falsch sieht ist, Familienarbeit sollte nicht als Arbeit im herkömmlichen Sinn betrachtet werden, sondern aus Liebe zum Nachwuchs gemacht werden. Kinder die die ersten Lebensjahre mehrere Bezugspersonen hatten, leiden oft an psychischen Störungen.


Ach wenn das doch bloß irgendwann einmal verstanden würde: Gefordert wird, dass Mütter (ggf. Väter) unter bestimmten Voraussetzungen den Beruf des Familienmanagers (der Familienmanagerin) ergreifen können. Sie werden dann für das Aufziehen ihrer eigenen (!) Kinder bezahlt. Mehrere Bezugspersonen für ihre Kinder gäbe es gerade dann nicht, da Mama (Papa) die Krippe ist.

Ich wüsste nicht, warum solche Mütter ihre Kinder weniger lieben sollten als andere Mütter, die kaum wissen, wie sie ihre Kinder durchbekommen, und vielleicht darüber hadern, von einem Mann ein Kind zu haben, der sie aber schon bald verlassen hat, und jetzt sitzen sie da mit ihrem Kind und können abends nicht auf die Piste gehen und mit dem Beruf ist es auch schwierig.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon AngelM90 » Do 4. Nov 2010, 00:06

Ich glaube, musicman hat etwas ganz wesentliches angesprochen: Der Staat ermöglicht es fähigen Frauen nicht, mit dem Baby dabei einfach weiterzuarbeiten, so dass viele sich ganz gegen Kinder entscheiden. Dabei ist es so einfach, wie es die Sarrazin-Partei vorschlägt: Der Staat bezahlt alles, um es möglich zu machen, dass Frauen mit dem Baby dabei weiterarbeiten, z.B. Assistentin (Kinderpflegerin plus Sekretärin), Räume im Raum mit Videotechnik, da kann das Baby auch mal schreien, ohne die Arbeitsprozesse zu stören, der Unternehmer bekommt Geld vom Staat, falls die Leistung wegen des Babys unter 100 % liegt usw.
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon donquijote » Do 4. Nov 2010, 03:11

AngelM90 hat geschrieben:Dabei ist es so einfach, wie es die Sarrazin-Partei vorschlägt: Der Staat bezahlt alles, um es möglich zu machen, dass Frauen mit dem Baby dabei weiterarbeiten, z.B. Assistentin (Kinderpflegerin plus Sekretärin), Räume im Raum mit Videotechnik, da kann das Baby auch mal schreien, ohne die Arbeitsprozesse zu stören, der Unternehmer bekommt Geld vom Staat, falls die Leistung wegen des Babys unter 100 % liegt usw.


Es ist nicht einfach. Haben die Leute, die das vorschlagen, mal in der Industrie gearbeitet?
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Re: Der "Fall" Sarrazin

Beitragvon musicman » Do 4. Nov 2010, 09:59

AngelM90 hat geschrieben:Ich glaube, musicman hat etwas ganz wesentliches angesprochen: Der Staat ermöglicht es fähigen Frauen nicht, mit dem Baby dabei einfach weiterzuarbeiten, so dass viele sich ganz gegen Kinder entscheiden. Dabei ist es so einfach, wie es die Sarrazin-Partei vorschlägt: Der Staat bezahlt alles, um es möglich zu machen, dass Frauen mit dem Baby dabei weiterarbeiten, z.B. Assistentin (Kinderpflegerin plus Sekretärin), Räume im Raum mit Videotechnik, da kann das Baby auch mal schreien, ohne die Arbeitsprozesse zu stören, der Unternehmer bekommt Geld vom Staat, falls die Leistung wegen des Babys unter 100 % liegt usw.


So weit bin ich nicht einmal gegangen mit meiner Überlegung, ich denke auch daß die Versprechen von Parteien- egal welche - hinterher nicht dem entsprechen was umgesetzt wird, mir ging es lediglich darum, daß diejenigen, die Kinder haben und arbeiten finanziell bestraft werden.

Die Anreize nicht zu arbeiten und Kinder zu haben sind wesentlich größer, als umgekehrt. Das "Einkommen" steigt im ersten Fall pro Kind an, im zweiten sinkt es. Das kann sich jeder mit einem Lohnsteuer/Hartz4 Rechner mal durchrechnen. Um es gleich klarzustellen, ich bin nicht der Meinung, daß man Kinder haben sollte um damit Geld zu verdienen, aber die momentane Situation ist so und sendet mE die falschen Signale aus.

Man muß sich dann nicht wundern, wenn die Leute irgendwann genug haben und einen wählen, der ihnen das blaue vom Himmel verspricht. Bei Kohl hat das auch funktioniert, während Lafontaine (damals Kandidat der SPD) von einem Zeitraum von 25 Jahren ausging, bis sich die Verhältnisse Ost/West in etwa angelichen haben, versprach ersterer es in 3-4 Jahren geschafft zu haben, das Ergebnis ist bekannt. Nur Sarrazin und Co sind nicht Kohl, ich sehe daher eine reelle Gefahr, daß diese Leute Zuspruch in einem Maße bekommen könnten, den man sich nicht gerade wünscht, wenn man am Fortbestand einer einigermaßen zivilen Gesellschaft interessiert ist.

@stine,

ich habe in Ländern gelebt, in denen das so ist, wie du beschreibst. In Kenya hatte ich 3 watchman rund um die Uhr beschäftigt, damit das Haus nicht leer ist wenn wir zurückkommen, in Uganda nützen Dir auch die nichts mehr, das ist nicht erstrebenswert und kennzeichned ist in diesen Ländern, daß es keine Mittelschicht gibt, sondern nur arm und reich und ich kann daher nur dringend davor warnen, das wegbrechen der Mittelschicht auf die leichte Schulter zu nehmen und diese Leute noch mit Hähme zu überziehen. In San Diego, wo ich einen Teil des Jahres lebe und arbeite mußt Du nachts auch nicht durch downtown laufen, wenn Dir an deiner Gesundheit gelegen ist, aber mittlerweile ist das in Berlin auch nicht viel besser, nur da gibt es keinen Ocean, die Wahl fällt also nicht schwer.
Aber keine Angst, den Großteil des Jahres bin ich hier im Schwarzwald, da ist die Welt noch in Ordnung und die Wälder sind grün. :up:

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