Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema?

Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema?

Beitragvon AngelM90 » Do 4. Nov 2010, 00:16

Über die Bürger wird hinweggegangen, sie sollen keine Probleme mit Atomkraftwerken, Stuttgart 21 oder den von Sarrazin angesprochenen Themen haben, aber viele haben doch Probleme damit. Und Volksentscheide über alle diese Themen wird niemand ernsthaft machen ausser der http://Sarrazin-Partei.beepworld.de , die scheinen es ernst zu meinen. Oder glaubt Ihr, dass Parteien, die, als sie regierten, nichts für Volksentscheide taten, plötzlich zu Demokraten werden? Was wählt Ihr und warum?
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema?

Beitragvon stine » Do 4. Nov 2010, 14:21

Hallo AngelM90, willkommen im Forum!
Der Link ist mir ein wenig suspekt und wirkt auch nicht sehr professionell, auch habe ich von der Partei selbst sonst noch nie was gehört.
Einer Partei für Volksentscheide würde ich meine Stimme jedenfalls nicht geben. Da würde man ja glatt vom Regen in die Traufe kommen. Da habe ich mehr Vertrauen in das Parteiengerangel und die Arbeit der Ausschüsse. Alles andere ist wilder Populismus.

LG stine
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema?

Beitragvon Nanna » Do 4. Nov 2010, 14:35

Liebe(r) AngelM90, sei bitte vorsichtig, dass deine Beiträge hier nicht nur Parteienwerbung beinhalten.
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema?

Beitragvon Sappy » Do 4. Nov 2010, 20:51

Volksentscheide sollte man nicht überbewerten. Schließlich leben wir in einer Gesellschaft, in der die meisten nur an ihren eigenen Vorteil denken. Deswegen denke ich, dass zu viele Volksentscheide letzen Endes mehr Schaden als Nutzen.
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema?

Beitragvon musicman » Fr 5. Nov 2010, 08:45

stine hat geschrieben:Einer Partei für Volksentscheide würde ich meine Stimme jedenfalls nicht geben. Da würde man ja glatt vom Regen in die Traufe kommen. Da habe ich mehr Vertrauen in das Parteiengerangel und die Arbeit der Ausschüsse. Alles andere ist wilder Populismus.

LG stine



In Deutschland wird es das nicht geben, weil die Deutschen sich selbst nicht trauen und vielleicht ist das auch ganz gut so, also kein Grund zur Sorge, liebe Stine :mg:

Polemikmodus aus

Ansonsten würden ein paar Fakten dieser Debatte auch mal ganz gut tun. Nehmen wir das Beispiel Schweiz - nicht :( Nanna - das gerne als abschreckendes Beispiel seit der Minarettdebatte angeführt wird.

Volksentscheide gibt es in der Schweiz auf Bundesebene seit 1891, die Schweiz ist also eine der ältesten Demokratien in Europa und es sieht nicht danach aus, daß sich das in absehbarer Zeit ändert.

Bevor es zu einem Volksentscheid kommt ist ein langwieriges Prozedere zu absolvieren, es ist nicht so, wie es gerne in der mainstream Presse ( Bild/Zeit/FAZ - ja ich nienne sie in einem Satz ) bei uns dargestellt wird, daß ein paar Populisten Stimmung machen und hop hop wird im Überschwang der Emotionen mal schnell abgestimmt.

Von seither gestarteten 376 Volksiniativen wurden nur 17 angenommen, also knapp 10%
Es ist also keineswegs so, daß mal schnell abgestimmt wird und hinterher ist der Katzenjammer da, das Volk ist durchaus in der Lage abzuwägen, diese Kompetenz wird ja hierzulande gerne bestritten.

Ein weiteres Argument der Linken, daß Minderheitenrechte eingeschränkt werden, ist ebenfalls nicht haltbar, von 13 Initiativen die Minderheitenrechte berührten wurden nur die 2 angenommen, die deren Rechte erweiterten, die anderen 11 kamen erst gar nicht ins Abstimmungsstadium. Die Minarettabstimmung ausgenommen, aber ob das diese Rechte beschneidet wird in Straßburg demnächst erst entschieden werden und das Ergebnis der Entscheidung ist abzuwarten.

Alles in allem kann man konstatieren, daß bei uns von linker Seite ein Pophans aufgebaut wird, der jeder Grundlage entbehrt.

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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema?

Beitragvon musicman » Fr 5. Nov 2010, 10:01

Korrektur zu den Zahlen der Volksiniativen:

376 gestartet
280 zustande gekommen
Abgestimmt wurde über 172
Angenommen wurden 17

Daher die 10%

Quelle: http://www.admin.ch > Volksiniativen> Übersicht in Zahlen

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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema?

Beitragvon Nanna » Fr 5. Nov 2010, 21:34

musicman hat geschrieben:Von seither gestarteten 376 Volksiniativen wurden nur 17 angenommen, also knapp 10%
Es ist also keineswegs so, daß mal schnell abgestimmt wird und hinterher ist der Katzenjammer da, das Volk ist durchaus in der Lage abzuwägen, diese Kompetenz wird ja hierzulande gerne bestritten.

Du hast überhaupt nicht gesagt, was es bedeutet hätte, wären die Initiativen angenommen worden. ;-) Wie soll man ohne Analyse des Inhalts beurteilen, ob das Volk nun tatsächlich abgewägt hat? Allein aus den Zahlen sind nur Zahlen ersichtlich bis auf eines, und das stimmt exakt mit dem überein, was ich schon an anderer Stelle zu dem Thema gesagt habe:

Volksentscheide tendieren zum Konservatismus.

Wenn nur in 10% der Fälle für eine Veränderung - völlig irrelevant welcher Art - gestimmt wurde, dann belegt das exakt dies. Das muss nicht nur schlecht sein: Natürlich kann es Reformstau bedeuten, und sieht man sich Themen wie das Frauenwahlrecht in der Schweiz an, scheint dies auch diesen Effekt zu haben, andererseits, das beruhigt wieder etwas, wird die Situation aber ausgehend vom status quo wohl auch selten schlimmer (wie es beispielsweise durch die plebiszitär unterstützte fatale Steuerpolitik in Kalifornien tatsächlich gekommen ist, sicherlich eines der abschreckendsten Beispiele für ein Versagen basisdemokratischer Elemente).
Der Volksentscheid hat also anscheinend im Durchschnitt weder ausgeprägte progressive noch restaurative bzw. reaktionäre Tendenzen, sondern tendiert zur Stabilisierung des Bestehenden - und das ist ja nun auch nicht das schlimmste, wenn man eine Gesellschaftsordnung favorisiert, die relativ stabil in sich ruht. Ich halte die Besorgnis, dass Volksentscheide generell fortschrittshemmend wirken, aber gerade deshalb für begründet und gerade in den Fällen Sarrazin und S21 werde ich den starken Eindruck nicht los, dass Angst vor Veränderung eine wichtige Konstante des Protests ist, auch und gerade wenn man sich ansieht, wie viele ältere Menschen den Protest so sehr unterstützen.
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema?

Beitragvon ujmp » Sa 6. Nov 2010, 10:11

Die Krux mit dem Volk ist, dass es einfach denkt und einfach entscheidet. Auf nicht-einfache Fragen gibt es aber gelegentlich keine einfachen Antworten, jedenfalls keine seriösen. Volksbewegungen laufen u.U. aber auch ohne venünftigen Grund. Bezüglich Stuttgart 21 scheinen die meisten Demonstranten schlicht von einem Wir-sind-das-Volk-Mem virusartig befallen worden zu sein - die reden doch im Fieber.

Der Konservatismus ist auch so ein Ding: Wenn Bäume gefällt werden, gibt es eine aufgeregte Demo - aber hat es schon mal irgendwo eine Demo dafür gegeben, das Bäume gepflanzt werden? Protest hat einfach eine günstigere Energiebilanz. Er kann sich "entladen". Dass sich Fleiß "entlädt" hab ich dagegen noch nie gehört. Verhindern ist immer einfacher als Aufbauen.
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema?

Beitragvon stine » Sa 6. Nov 2010, 15:47

ujmp hat geschrieben:Bezüglich Stuttgart 21 scheinen die meisten Demonstranten schlicht von einem Wir-sind-das-Volk-Mem virusartig befallen worden zu sein - die reden doch im Fieber.
Dieser Eindruck hat sich mir auch schon mal aufgedrängt. :wink:

Die Möglichkeit des Einspruchs gegenüber geplanter Baumaßnahmen mag manchmal vielleicht berechtigt sein, aber mindestens genauso oft wird unberechtigt demonstriert. Hier vor Ort streitet man sich seit über 10 Jahren darüber, ob man eine stauige, enge Drecksecke durch einen alternativen Autobahnzubringer entlastet. Diejenigen, die sich den Grund für ihre Reihenhäuschen vor Jahren schon genau im Hinblick auf den Autobahnzubringer erheblich günstiger kaufen konnten, wehren sich nun schon ebenso viele Jahre erfolgreich gegen den geplanten Durchstich. Ihr Interesse dürfte begründet sein, aber ebenso war das Interesse, den alten Dorfkern zu entlasten, auch begründet und zwar schon lange bevor die Reihenhäuschen der Durchstichsgegner überhaupt gebaut wurden. Mich wundert hier ehrlich gesagt schon ein wenig, dass man diesen ungerechtfertigten Aufstand so lange duldet und nicht einfach mit dem Bagger anrollt.
Ich halte die Pläne für halbherzig.

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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema?

Beitragvon Lumen » Sa 6. Nov 2010, 16:20

Es gibt bei den Themen eventuell noch eine andere Komponente. Für viele Bürger stellt es sich so dar, dass die Interessen des Allgemeinwohls nicht berücksichtigt werden. Das wird vielleicht mit Vor-Ort Interessen verrührt. Gemein ist bei S21 und Atomaustieg aber, dass sie den Anschein erwecken, als würden Politiker ihren Buddies in der Wirtschaft aushelfen.

Es entsteht häufig dieser Eindruck: Firma X kann eine Leistung günstiger anbieten als eine andere, bekommt damit also den behördlichen Zuschlag und darf loslegen. Irgendwie explodieren die Kosten im Laufe des Projektes und rückblickend war Firma X auf keinen Fall mehr wettbewerbsfähig — ja, das ganze Projekt erscheint dubios. Strafen und andere Sanktionen gibt es entweder nicht, oder sie tauchen medial nicht wirklich auf. Die Leute ahnen, das dies bedeutet, dass die Vergabepraxis an sich dubios ist, weil sie willkürlich ist. Ein Unternehmen kann beliebige Preise festlegen und muss dabei wohl eher auf eine gewisse Zahlenästhetik achten, als auf die tatsächlichen Kosten. Somit wird die Nähe zu Entscheidern in der Politik der entscheidende Faktor. Unter dem Strich ist der Widerstandes ein Ausdruck des gefühlten allgemeinen »Verarschungslevels«. Sarrazin passt insofern hinein, weil auch hier Politiker bekannte Probleme unter den Mantel ihrer Ideologie kehrten und sich stattdessen der Interessenpflege ihrer Kumpels in den Vorstands- und Aufsichtsratsebenen kümmerten.

Die Symptome sind verschieden, die Ursache scheint aber massiver Vertrauensverlust in die Politik zu sein.
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon AngelM90 » So 7. Nov 2010, 21:08

Das freut mich aber, dass hier auch so ein nachdenklicher Beitrag wie der von lumen gekommen ist. Sonst wäre ich schon ziemlich deprimiert. Für mich bedeuten alle wissenschaftlichen Überlegungen zu diesem Thema, dass Deutschland eine reine Diktatur ist, die sich als Demokratie tarnt.

Ausserdem will die Sarrazin-Partei nicht eine Flut von Volksentscheiden, sondern Mini-Volksentscheide, die erstmals demokratisch die Kandidaten aufstellen statt der bisherigen korruptionsartigen Aufstellung in den Kungelparteien.
Und diese Mini-Volksentscheide entscheiden auch über die Vorschläge, große Volksentscheide zu machen.

Wenn erstmals die Leute von den Bürgern hochgewählt werden, die die Bürger wollen und nicht irgendwelche Lobbyisten, dann werden die Bürger auch nicht mehr den realitätsgemässen Eindruck haben, dass die Politische Kaste gegen die Bürger und für die Lobbyisten handelt.

[MOD]Bitte mache keinen TOFU,
unnötiges Vollzitat des kompletten Vorbeitrages entfernt, 1v6,5M[/MOD]
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon Zappa » So 7. Nov 2010, 21:16

AngelM90 hat geschrieben:Für mich bedeuten alle wissenschaftlichen Überlegungen zu diesem Thema, dass Deutschland eine reine Diktatur ist, die sich als Demokratie tarnt.


Welche Wissenschaft(en?) käme(n) denn zu solch simplen Schlüssen?
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon AngelM90 » So 7. Nov 2010, 21:37

Letztlich als wichtigste die Evolutionsbiologie, soweit sie eine Weiterentwicklung der Arbeit der Promis Darwin und Richard Dawkins darstellt und die mittlerweile hinterfragt, welche Evolutionsprozesse in Wirtschaftszusammenhängen und politischen Zusammenhängen ablaufen.

Und alle Selektionsprozesse in der politischen Welt wirken darauf hin, dass ausschließlich Korrupte nach oben kommen können, bürgerfreundliche kompetente Reformer werden systematisch selektiert. (Buch vom Darwin-/Dawkins-Nachfolger: http://www.buchhandel.de/detailansicht.aspx?isbn=978-3-89783-512-2 )
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon Nanna » So 7. Nov 2010, 23:11

AngelM90 hat geschrieben:wissenschaftliche[n] Überlegungen

...sind genau NICHT soetwas:
AngelM90 hat geschrieben:Wenn erstmals die Leute von den Bürgern hochgewählt werden, die die Bürger wollen und nicht irgendwelche Lobbyisten, dann werden die Bürger auch nicht mehr den realitätsgemässen Eindruck haben, dass die Politische Kaste gegen die Bürger und für die Lobbyisten handelt.

Ich empfehle dir zur Einführung: Rudzio, Wolfgang: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 2006 (7. Auflage).
Außerdem, damit du ein bisschen Ahnung davon kriegst, was "wissenschaftliche Überlegungen" zu Politik ausmachen und nicht dieses Ideologiegeschwafel von bösen Lobbyisten und betrogenen Bürgern weiterhin runterbetest, empfehle ich dir wärmstens: Patzelt, Werner J., Einführung in die Politikwissenschaft, Passau 2007 (6. Auflage)

Der Wissenschaftsbetrieb mag irren, aber der Buchtitel, den du nennst, ist eine Beleidigung für wissenschaftliches Denken und es wundert mich nicht, dass Google mir bei der Eingabe desselbigen erstmal die Esoterikabteilung von amazon.de ausspuckt. Wer mir nicht Glauben schenken will, darf gerne die Beepworld-Seite des Buchverfassers aufsuchen, die die Weltfremdheit und Konfusität des Erstellers nicht einmal zu kaschieren versucht. Wenn das deine Vorstellung von bürgerfreundlichen und kompetenten Reformern ist, AngelM90, dann bin ich selbst für den rechten Flügel der CSU noch dankbar.
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon AngelM90 » So 7. Nov 2010, 23:28

Tja, so ist das mit der Unterschiedlichkeit von Meinungen.

Meine Meinung ist da eben anders. Ich sehe immer die Politikwissenschafts-Professoren im Fernsehen und bin jedesmal baff, wie naiv und inkompetent man sein kann, obwohl man eine Wissenschaftsdisziplin studiert hat. Mich überzeugen eher die Bücher von Prof. von Arnim, der eben zeigt, wie sich die Parteien den Staat zur Beute gemacht haben usw.

Für mich ist es klar, dass systemkonforme Wissenschaftler mit Freunden in der Politik natürlich nicht durchschauen können und dürfen, dass wir es faktisch mit einer Diktatur zu tun haben.

Aber das ist eben der Vorzug der Evolutionsbiologie, dass sie das Instrumentarium liefert, die Illusionen von Politikwissenschaftlern von der vermeintlichen Demokratie ganz grundsätzlich und vollständig zu hinterfragen.

Und die Homepages (es gibt viele), die genannt wurden, habe ich teilweise gelesen, und genau das hat mich eben überzeugt, aber so ist das halt mit der Unterschiedlichkeit der Meinungen. Übrigens hier einige der Professorenstatements, damit man mal sieht, wem hier alles die Kompetenz abgesprochen wird.
http://spv-fuer-volksentscheide.beepwor ... -profs.htm
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon Nanna » Mo 8. Nov 2010, 00:16

AngelM90 hat geschrieben:Und die Homepages (es gibt viele), die genannt wurden, habe ich teilweise gelesen, und genau das hat mich eben überzeugt, aber so ist das halt mit der Unterschiedlichkeit der Meinungen. Übrigens hier einige der Professorenstatements, damit man mal sieht, wem hier alles die Kompetenz abgesprochen wird.

Ich darf diese süße kleine Partei, die sich für ein Gallisches Dorf hält, doch sicher mal kurz zitieren:
Helfen Sie mit bei der einzigen Partei, die über den Willen und die Sachkompetenz verfügt, die riesigen Probleme sofort zu lösen!

Wow. Sie lösen unsere Probleme. Jetzt. Sofort. Alleine. Und sie sind - als einzige! - sachkompetent, weil zwei oder drei Feld-, Wald- und Wiesen-Uniprofessoren sich zu positiven Statements hinreissen haben lassen. Um bei der Polemik zu bleiben: Die RAF hatte deutlich mehr Uniprofessoren, die mit ihr sympathisierten, es hat ihr weder etwas genützt noch ihre Position verbessert.

Was meine Politikprofessoren mir versuchen beizubringen, ist, in meinem Kopf Alarmglocken gegen alles und jeden zu installieren, der mir erzählt, er hätte die Gründe (meistens ist es sogar nur einer) sämtlicher Probleme der Gesellschaft analysiert, eine Patentlösung entwickelt und alles, was ihm leider fehle, sei die politische Macht, das durchzusetzen. Vielleicht überlegst du dir mal, ob nicht genau das der, zum Glück ziemlich dilletantisch ausgeführte, Versuch einer Meinungsdiktatur ist. Normalerweise werben nämlich genau Diktatoren um das blinde Vertrauen des Volkes, da sie schließlich diejenigen seien, die "Willen und Sachkompetenz" besäßen, um "die riesigen Probleme zu lösen". Sofort natürlich. Und wenn es dann doch nicht gleich klappt, dann sind es natürlich die Quertreiber gewesen, die Uneinsichtigen, die Lobbyisten, die feindlichen Agenten, egal, irgendein Sack findet sich schon, in den man alle stopfen kann, die einem nicht beipflichten, dann macht man ein Label drauf, drischt auf sie ein und währenddessen vergessen die meisten Leute, nachzufragen, ob da nicht einer einfach nur davon ablenken will, dass seine Konzepte pure Konzeptlosigkeit sind.
Es ist immer wieder dasselbe mit den Erlösungsphantasien, man sollte eigentlich annehmen dürfen, dass das irgendwann mal Allgemeinwissen ist...
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon AngelM90 » Mo 8. Nov 2010, 00:49

zwei oder drei Feld-, Wald- und Wiesen-Uniprofessoren sich zu positiven Statements hinreissen haben lassen.

Danke, das bestätigt mich, dass ich mit meiner Meinung völlig richtig liege. Prof. Vogel war, jedem wissenschaftlich Fundiertem bekannt, der Nachfolger des Nobelpreisträgers Konrad Lorenz in Deutschland. Habe kurz gegoogelt:

Die Soziobiologie gewinnt in Publikationen, die sich an das wissenschaftliche oder das wissenschaftlich interessierte Publikum wenden, zunehmend Einfluß, so zum Beispiel in den Studienbriefen des Funkkollegs Der Mensch - Anthropologie heute oder denen des Funkkollegs Psychobiologie - Verhalten bei Mensch und Tier. Im Einleitungstext des Funkkollegs Anthropologie ist zu lesen:
"Um die Eigenheiten des Menschen herauszufinden und zu verstehen, muß man ihn mit den Tieren vergleichen und seine evolutive Vergangenheit kennen. Deshalb ist das gesamte Funkkolleg stark evolutionsbiologisch ausgerichtet" (Schiefenhövel/Vogel/Vollmer 1992, S. 5).
Christian Vogel, Direktor des Instituts für Anthropologie an der Universität Göttingen und einer der führenden Soziobiologen Deutschlands, war bei beiden Funkkollegs Mitglied des wissenschaftlichen Teams und hat mehrere Beitrage selbst verfaßt. Auch andere Beiträge stammen von renommierten Biologen, die dem soziobiologischen Gedankengut verpflichtet sind.

http://www.rlp-forschung.org/public/facilities/1/people/Werner_Zohlnhoefer
war Kollege von Prof. Pfeffekoven, Rat der Wirtschaftsweisen der Bundesregierung usw...

Da ist leider keinerlei Verständigung möglich, wenn die führenden Denker Deutschlands als Wald- und Wiesenprofessoren verunglimpft werden. Da kann mich dann nichts mehr überzeugen, was danach kommt.
Besonders, da für mich feststeht, dass sich jede Diktatur damit festigt, dass sie immer wieder betont, es gäbe keinerlei grundsätzliche Lösung oder Patentrezept. Wer das glaubt, lässt die Diktatoren weiter an der Macht...

Charles Darwin hatte das Problem des Lebens gelöst, das Unzählige für völlig unlösbar hielten, und was Diktatoren für unlösbar erklären lassen, ist aber eben doch lösbar.
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon Nanna » Mo 8. Nov 2010, 02:20

Mich interessiert es herzlich wenig, wer der Meinung ist, dass es sich dabei um "Autoritäten" handelt, auch wenn ich die Feld-, Wald- und Wiesenprofessoren in diesem Fall gerne zurücknehme. Wer allerdings einer solcher Erlöserpartei anhängt, darf sich auch nicht wundern, wenn sich ein gewisser Eindruck nach außen hin hängebleibt. Ich bin nunmal nicht für die konfuse Außendarstellung dieser Gruppierung verantwortlich. Dass man auf einem Spezialgebiet reüssiert sagt ferner überhaupt nichts darüber aus, wie erkenntnisreich man andere Bereiche beackern kann. Ich habe auch die beiden Grundlagenbücher nicht empfohlen, weil sie von anerkannten Spezialisten des Gebietes verfasst wurden, sondern weil ich sie gelesen habe und gut finde.

AngelM90 hat geschrieben:Auch andere Beiträge stammen von renommierten Biologen, die dem soziobiologischen Gedankengut verpflichtet sind.

Genau das ist das Problem: Es sind Biologen, Leute, die von soziologischen und politischen Strukturproblemen im Allgemeinen so viel verstehen, wie Soziologen und Politikwissenschaftler von Vorgängen in Termitenstaaten, auch wenn es gewisse Anknüpfungspunkte gibt. Wer zudem einem Gedankengut "verpflichtet" ist, hat seine kritische Haltung längst aufgegeben. Gerade im politischen Bereich, wo es immer um Macht geht, ist das ein Kardinalfehler, gerade das macht politikwissenschaftliche Politikberatung übrigens so schwierig. Wer sich als Wissenschaftler so bereitwillig vor den Karren einer politischen Partei spannen lässt, zeigt damit leider nur zu deutlich, wie wenig er vom politischen Betrieb verstanden hat - auch, wenn er das Gegenteil vorgibt.

AngelM90 hat geschrieben:http://www.rlp-forschung.org/public/facilities/1/people/Werner_Zohlnhoefer
war Kollege von Prof. Pfeffekoven, Rat der Wirtschaftsweisen der Bundesregierung usw...

Ach wie interessant... wenn das Establishment den Auserwählten mag, wird es plötzlich zur moralischen Unterstützung angezogen, ansonsten aber als "politische Kaste" abgekanzelt und mit Verschwörungstheorien überzogen. Wenn das mal keine selektive Wahrnehmung ist.

AngelM90 hat geschrieben:Da ist leider keinerlei Verständigung möglich, wenn die führenden Denker Deutschlands als Wald- und Wiesenprofessoren verunglimpft werden. Da kann mich dann nichts mehr überzeugen, was danach kommt.

Ich nehme diese zugegebenermaßen abwertende Äußerung wie gesagt gerne zurück. Ich bin aber hier nicht derjenige, der diese Vorlage dafür ausnutzt, sich nicht mehr mit der Argumentation der anderen Seite beschäftigen zu müssen. Immunisierungstaktiken sind wirklich nervig.

AngelM90 hat geschrieben:Besonders, da für mich feststeht, dass sich jede Diktatur damit festigt, dass sie immer wieder betont, es gäbe keinerlei grundsätzliche Lösung oder Patentrezept. Wer das glaubt, lässt die Diktatoren weiter an der Macht...

Na, wenn es für dich feststeht, brauchen wir das ja auch nicht zu diskutieren, oder? Zumal hier "grundsätzliche Lösungen" für nichtdefinierte Probleme angeboten werden, was jegliche Problemlösungsversuche konterkariert, aber wir scheinen ja sowieso gegensätzliche Auffassungen davon zu haben, was exaktes wissenschaftliches Arbeiten angeht.

AngelM90 hat geschrieben:Charles Darwin hatte das Problem des Lebens gelöst, das Unzählige für völlig unlösbar hielten, und was Diktatoren für unlösbar erklären lassen, ist aber eben doch lösbar.

Darwin hat eine Lösung für eine bestimmte biologische Fragestellung angeboten, er hat mitnichten "das Problem des Lebens" gelöst, und zwar aus zwei äußerst simplen Gründen:
1. "Problem des Lebens" ist ein undefinierter Begriff, eine völlig leere Begriffshülse. Ich verwette dieses Forum darauf, dass du keinerlei vollständige Beschreibung dieses angeblichen Problems liefern kannst. Und ein Problem, das man nicht kennt, kann man nunmal auch nicht lösen.
2. Ein Problem lösen im wissenschaftlichen Sinne ist etwas komplett anderes, als ein Problem im politischen Sinne lösen. Darwin kann noch so viel biologische Mechanismen erklärt haben, WIE eine gute Gesellschaftsordnung aussieht, ist NICHT mit den Mitteln der Naturwissenschaft erklärbar, dieses philosophische Problem ist ganz klassisch der "naturalistische Fehlschluss". Du kannst noch so viele Parteien und prämierte Soziobiologen anhimmeln, das ändert daran nichts.

Was hältst du davon, zur Abwechslung mal nicht Parteien- und Buchwerbung zu betreiben, sondern das von dir so verehrte Konzept etwas umfassender zu erläutern. Damit würdest du nebenher auch belegen, dass es überhaupt eines gibt. Und bitte nicht wieder eine von unbelegten Prämissen überschwemmte Aussage wie "alle Selektionsprozesse in der politischen Welt wirken darauf hin, dass ausschließlich Korrupte nach oben kommen können". Sowas ist klassische Empörungsliteratur wie bei Sarrazin, das ist nichts, was Aufmerksamkeit verdient. Könntest du erschöpfend erläutern und empirisch belegen DASS und WARUM das mit den "Korrupten" so ist, würde die Sache schon vieeeeel interessanter. Solange du das nicht anbieten kannst, sage ich nur ein Wort: Hybris.

P.S. Als Biologe hätte ich nichts dagegen, "Feld-, Wald- und Wiesenprofessor" genannt zu werden.
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon stine » Mo 8. Nov 2010, 09:45

Also ehrlich gesagt ist für mich das, was die Atomgegener gearde mal wieder betreiben die reinste Anarchie. Gestern in den Nachrichten meldete sich ein Demonstrant zu Wort mit der Ansicht, dass er nicht verstünde, weshalb die Polizei hier "solche Mittel" auffahren würde, um solch gewaltfreie Demo niederzuschlagen.
Ich hätte gerne die Gegenfrage gestellt, wie er sich die Auflösung der Demo denn sonst vorgestellt hätte. Also ich würde den Güterzug einfach dort an Ort und Stelle stehen lassen, solange die Menschen auf der Schiene sitzen. Vielleicht ist es das, was die Atomgegner wollen. Kastoren im Wald und Nachtlager außenherum.
Also manchmal habe ich schon den Eindruck, vielen geht es wirklich nur noch um Randale.

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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon AngelM90 » Mo 8. Nov 2010, 21:12

Ja, ich bin halt anderer Meinung. Für mich ist die Evolutionsbiologie der Gene und Meme die einzige Basis, um über Staaten und Politik etwas auszusagen, alles andere ist für mich Pseudowissenschaft. Leider kann ich hier nicht aus dem Buch zitieren, da ich es nicht dabei habe, aber ein Zitat aus der SPV-Homepage füge ich am Ende an.

zu stine: Auch ich fürchte, dass es Vielen nur um Randale geht, denn jetzt ist mit der SPV die erste Partei mit realer Chance da, die absolut glaubwürdig Volksentscheide über Atom usw. durchführen wird, aber anstatt sich darum zu kümmern, wird lieber Randale gemacht. Vielleicht will man auch keinen Volksentscheid über Sarrazins Reformen. Demokratie dann, wenns um die eigenen Vorstellungen geht, wenn die Bürger vielleicht etwas entscheiden würden, was einem selber nicht gefällt, will man dann lieber doch keine Demokratie...

Aus der SPV-Seite:

Der größte Fehler aller üblichen Verfassungen ist, dass sie naiv optimistisch davon ausgehen, dass die Parteien repräsentative Wählerstichproben seien, die reformkompetente, für die Bürger nützliche Spitzenkandidaten aufstellen würden.

Das Gegenteil ist der Fall:
In größere Parteien werden von Konzernen Lobbyisten geschickt mit dem Ziel, herauszufiltern, wer für Lobbyistengeschenke empfänglich ist,
Kleinlobbyisten tauschen ihre innerparteiliche Stimme gegen Bauaufträge ein,
Karrierelobbyisten interessieren sich ausschließlich für Posten und überhaupt nicht für die Bürger.
So können ausschließlich Lobbyistenfreunde Spitzenkandidaten werden, und niemals kompetente Reformer.

Der Wähler hat so immer nur die Wahl zwischen Pest und Cholera, kompetente Reformer kann er so gar nicht kennenlernen. Nimmt man alle Demokratie-verhindernden Aspekte Deutschlands zusammen, muss man Deutschland bezeichnen als:

"Sich als Demokratie tarnende Diktatur"

Genau das spüren die Menschen, wenn sie gegen Atom, Stuttgart 21 usw. protestieren: Nämlich dass hier eine Diktatur am Werke ist, die nicht die Bedürfnisse der Mehrheit der Bevölkerung berücksichtigt.

Dementsprechend will die SPV Deutschland in die ERSTE ECHTE DEMOKRATIE DER ERDE verwandeln:

Wird die SPV gewählt, so stellen zukünftig Mini-Volksentscheide = vom Bundes- oder Landeswahlleiter zusammengestellte repräsentative Wählerstichproben alle Spitzenkandidaten auf.
Kommt eine neue reformkompetentere Person, die gegen alle anderen Kandidaten gewonnen hat, muss der Kanzler dagegen antreten, und wenn der Kanzler verliert, gibt es in der Mitte der Legislaturperiode Neuwahlen.

Am Ende jedes dieser Mini-Volksentscheide dürfen diejenigen Redner sprechen, die einen großen Volksentscheid wollen. Bejahen den großen Volksentscheid mehr als 50% der anwesenden Wähler, findet der große Volksentscheid baldmöglichst statt.

(Egal ob Kandidat oder Volksentscheid-Beantrager, wer nur knapp verliert, kann schon bald wieder bei einem Mini-Volksentscheid sein Glück probieren, wer ganz hoch verliert, erst viel später.)

Die Lobbyistenfreunde, die typischerweise über keinerlei Reformkompetenz verfügen, verschwinden so ganz schnell aus der Politik und machen kompetenten Reformern Platz, wie sie von den Minivolksentscheiden gewählt werden. Der Bürger hat erstmals eine echte Wahl! Und: "Wir sind das Volk!" gilt so erstmals wirklich.




Dadurch wird eine Entwicklung der Gesellschaft Richtung mehr Gesundheit und mehr Wohlfühlen sehr wahrscheinlich.
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