Irak und die Anschläge auf Christen

Irak und die Anschläge auf Christen

Beitragvon Seteney » Mi 10. Nov 2010, 15:29

http://www.katholisches.info/?p=10030

Okay, ich weiß eine katholische Website. Aber ich fand die Überschrift dieses Artikels etwas krass.
Jeden Tag (oder jede Woche, vielleicht übertreibe ich mal, obwohl wer weiß) werden ebenso viele wenn nicht mehr Muslime getötet, von ihren Glaubensgenossen und auch von Besatzung, juckt aber keinen.
Finde beides gleich schrecklich. Aber von Ausrottung der Christen zu reden, während nebenan Muslime sterben finde ich :irre:
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Re: Irak und die Anschläge auf Christen

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 10. Nov 2010, 15:55

So etwas ähnliches habe ich mir heute früh auch gedacht, als in den Radionachrichten "bedrohlich" von 3 Toten berichtet wurde. Meines Wissens sterben regelmäßig täglich mehrere Menschen durch "Terrorismus" (den es vor dem "Krieg für äh gegen Terorrismus" nicht so gab) im Irak, war aber sonst nicht von Interesse, außer die sensationslüsterne Presse konnte einen "Rekord" vermelden.
"Man" braucht einen Aufhänger und politisches Kalkül mag bei manchen auch dahinter stecken.
Seteney hat geschrieben:Aber von Ausrottung der Christen zu reden, während nebenan Muslime sterben finde ich
Naja, ich glaube schon dass da vermutlich "ethnische/religiöse Säuberungen" stattfinden. Sunniten, Schiiten, Araber, Kurden, Christen, Clans ... alles dürfte inzwischen ein Kriterium sein, dass man sich in bestimmten Gebieten eher nicht aufhält und in anderen eher relativ sicher ist.
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Grund: Fehlendes n nachgetragen
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Re: Irak und die Anschläge auf Christen

Beitragvon Nanna » Do 11. Nov 2010, 00:17

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Naja, ich glaube schon dass da vermutlich "ethische/religiöse Säuberungen" stattfinden.

Ich glaube da fehlt ein "n", sonst wäre das sehr bedrohlich.

Die Wahrnehmung ausländischer Konflikte im Inland (ich sage bewusst nicht "Deutschland", weil wir mit diesem Problem keineswegs alleine dastehen) ist leider trotz freier Presse immer sehr tendentiös. Dass alle Menschen grundsätzlich denselben Wert haben, ist eine sehr unterstützenswerte Idee, die milde gesagt noch sehr viel Verankerung in den Hirnen der Menschen benötigt und leider machen da die Katholiken im Allgemeinen keine Ausnahme. Besonders schlimm und bezeichnend für die Banalität von Religion finde ich, dass eine christliche Website hier christliche Prinzipien (Barmherzigkeit, Nächsten- und Feindesliebe) derart verdreht und missachtet und die eigenen Leute derart in den Fokus rückt, anstatt Menschen generell zu unterstützen. Eigentlich sollten gerade die Christen bezüglich ihres Anspruchs an sich selbst solches Revierverhalten bekämpfen anstatt es selbst zu betreiben.

Ich verstehe ja das grundsätzliche Interesse der Berichterstattung. Warum macht es aber für Christen einen Unterschied, ob Christen oder Muslime gestorben sind? Jesus, zumindest der idealisiert gedachte Messias, hätte den üblichen Schilderungen nach jedenfalls über beide gleich getrauert. Anspruch und Wirklichkeit, es klafft einfach auseinander.
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Re: Irak und die Anschläge auf Christen

Beitragvon musicman » Do 11. Nov 2010, 09:57

Nanna hat geschrieben:
1von6,5Milliarden hat geschrieben:Naja, ich glaube schon dass da vermutlich "ethische/religiöse Säuberungen" stattfinden.

Ich glaube da fehlt ein "n", sonst wäre das sehr bedrohlich.

Die Wahrnehmung ausländischer Konflikte im Inland (ich sage bewusst nicht "Deutschland", weil wir mit diesem Problem keineswegs alleine dastehen) ist leider trotz freier Presse immer sehr tendentiös.


Wobei sich da keine Seite etwas schenkt, stell Dir mal die Reaktion umgekehrt vor, da werden schon mal Botschaften abgefackelt und Todesurteile verhängt, wenn einer ein Bildchen malt.


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Re: Irak und die Anschläge auf Christen

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Do 11. Nov 2010, 16:44

Nanna hat geschrieben:
1von6,5Milliarden hat geschrieben:Naja, ich glaube schon dass da vermutlich "ethische/religiöse Säuberungen" stattfinden.

Ich glaube da fehlt ein "n", sonst wäre das sehr bedrohlich.
Ist auch so bedrohlich, ich habe das fehlende "n" mal nachgetragen, es sind natürlich unethische ethnische "Säuberungen", wobei der Euphemismus "Säuberung" (deshalb auch die Anführungszeichen durch mich) m.E. schon unethisch ist.

musicman hat geschrieben:Wobei sich da keine Seite etwas schenkt, stell Dir mal die Reaktion umgekehrt vor, da werden schon mal Botschaften abgefackelt und Todesurteile verhängt, wenn einer ein Bildchen malt.
Ja, und "unsere Überlegenheitsgefühle", weil wir ja so etwas nicht machen - wobei ich den (einen) Verzicht auf Gewalt durchaus einen Schritt in die richtige Richtung finde. Aber es ist kein Grund zum Ausruhen und zum Klopfen auf die eigen Schulter, solange man seine eigene Subjektivität abstreitet und nicht erkennen will. Ganz ableghen kann man sie sicher nicht und es ist - solange man sich ihrer bewusst ist - auch nicht nur schlecht.
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Re: Irak und die Anschläge auf Christen

Beitragvon ujmp » Di 16. Nov 2010, 12:39

Dass der Tot von Muslimen und Christen logisch dasselbe ist, nach welcher Logik auch immer - mag ja sein. Man muss aber die Wirklichkeit vor Ort kennen, um das qualitativ beurteilen zu können. Jedenfalls würde ich das nicht so runterspielen. Ich habe zufällig mal eine irakische Familie kennen gelernt, die als Christen (Katholiken) im Irak schwer verfolgt wurden (noch unter Sadam) und deshalb hier Asyl genießen. Aber auch was sie von ihren Angehörigen im Irak heute berichten, ist teilweise haarsträubend. Es ist ganz klar, dass den Christen im Irak eine religiös motivierte Feindseligkeit entgegen schlägt. Die Muslime dort schmeißen sich ja sogar gegenseitig Bomben ins Wohnzimmer. Die Intoleranz hat dort ein mörderisches Ausmaß wie kaum sonst irgendwo auf der Welt.
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Re: Irak und die Anschläge auf Christen

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 16. Nov 2010, 12:58

Die westlich-christlichen Medien regen sich über christliche Opfer mehr auf, als über moslemische Opfer. Dies ist der Knackpunkt und eine Art Rassismus, Moslems erscheinen - oder sind eher - medial weniger wert. Wobei diese Konnotation gar nicht tatsächlich bei allen Medien so "rassistisch" begründet sein muss, es geht auch bei Nachrichten ums Verkaufen. Und täglich den Tod von x Irakern kann man nicht so gut verkaufen, wie eine aufgeregte Meldung von x Irakern besonderer Prägung. Und dass man da nicht nur bei tumben Fundamentalchristen mit dem Terminus "Christ" punkten kann ist auch klar.
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Re: Irak und die Anschläge auf Christen

Beitragvon Seteney » Fr 26. Nov 2010, 22:23

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Re: Irak und die Anschläge auf Christen

Beitragvon Tobi444 » Mo 6. Dez 2010, 17:55

Irgendwo in "Der Gotteswahn" heißt es (sinngemäß): Religion ist zweifellos eine spaltende Kraft. Ein simpler, aber weiser Satz, denn die aktuellen religiös motivierten Verbrechen sind nur ein kleiner Teil einer langen, schrecklichen Liste. Religion mag nicht der einzige Grund für derartige Verbrechen sein, aber zumindest ist der Glaube immer wieder als Vorwand gut. Ohne die Religion müssten die Kriegstreiber dieser Welt oftmals sehr kreativ sein, um Gründe für Konflikte zu finden, die eigentlich gar keine Gründe haben.
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Re: Irak und die Anschläge auf Christen

Beitragvon Nanna » Di 7. Dez 2010, 11:55

Tobi444 hat geschrieben:Ohne die Religion müssten die Kriegstreiber dieser Welt oftmals sehr kreativ sein, um Gründe für Konflikte zu finden, die eigentlich gar keine Gründe haben.

Das ist meiner Meinung und meines Wissens nach um Potenzen zu simpel gedacht, genauer gesagt: falsch.

Historische Prozesse sind hyperkomplexe Abläufe, in denen unzählige Systeme und Subsysteme aufeinander einwirken. Es ist nicht so, dass es auf der Welt ein paar Leute gäbe, die zufällig Lust am Krieg und die Mittel, ihn umzusetzen, besitzen würden und dann ganz bewusst nach einer Ausrede suchen, weil sie aus einer aus dem Nichts entstandenen Eingebung h eraus einfach mal ein paar Panzer losschicken wollen. Natürlich wird Religion instrumentalisiert, aber das heißt weder, dass die Mächtigen dies immer gezielt tun (also eigentlich heimliche Atheisten sind, die sich ins Fäustchen lachen angesichts der Leichtgläubigkeit des einfachen Volkes) oder gar wüssten, welchen Effekt dies am Ende hat. Für die Päpste der Kreuzfahrerzeiten dürfte zwischen der Überzeugung, das Richtige zu tun, und dem willkommenen Nebeneffekt wirtschaftlicher und politischer Zugewinne keinerlei für sie wahrzunehmender Bruch bestanden haben, genausowenig, wie G. W. Bush die Welt mit seinem göttlichen Missionsgeschwafel bewusster Propaganda unterzogen hat. Diese Dinge zu trennen und zu behaupten, Kriegslust wäre von selbst entstanden und dann hätte jemand sich den Kopf zerbrochen, aus welchem Grund man eigentlich Soldaten und Geld verheizen soll, ist so simplifizierend, das darin keinerlei Erkenntnisgehalt mehr steckt.

Als Naturalist ist es völlig unmöglich, die Aussage zu akzeptieren, ein Konflikt hätte keinen Grund. Und gerade im Bezug auf den Irak (und auch die USA) fallen mir auf Anhieb mindestens zwanzig gute Gründe ein, weshalb die Leute dort der Überzeugung sein könnten, sich die Köpfe einschlagen zu müssen. Es kann sein, dass du einen Grund wie den begehrenswerten Ölreichtum des Landes oder ideologische Differenzen nicht als Gründe akzeptieren willst, weil DU dich deshalb mit niemandem duellieren würdest (oder dieses lautere Selbstbild zumindest gerne vor dir selbst aufrechterhältst). Das heißt aber nicht, dass es keine Gründe gäbe, oder dass diese Gründe "schlecht" wären. Sie mögen es aus normativer Sicht sein, aus deskriptiver Sicht geht es einfach um Aktion und Reaktion: Achmed, Kind von irakischen Sunniten, wächst unterernährt und mit mangelhafter, aber dafür ideologisch durchtränkter Schulbildung auf, seine Gesellschaft ist in Orientierungslosigkeit, Minderwertigkeitsgefühlen gegenüber einem kulturell, wirtschaftlich und militärisch als stark überlegen wahrgenommenen Westen gefangen und erstarrt im Glauben an die Notwendigkeit der Einhaltung strenger sozialer und ritueller Vorschriften, die zumindest das Gefühl von Kontrollfähigkeit über eine an und für sich unkontrollierbare Situation geben. Alle in Achmeds Umfeld sind wütend und aufgrund ganz banaler sozialer Prozesse wird diese Wut auf jemanden gelenkt, in diesem Fall auf den schiitischen Nachbarn, dessen größeres Ladengeschäft man ihm schon immer geneidet hat. Nun kommen die Amerikaner, übrigens auch nicht "ohne Grund", sondern wegen der regionalen Vorherrschaft, wegen des Öls, wegen der Hoffnung auf willfährigere Regime im Nahen Osten, leider aufgrund einer übertriebenen Technikbegeisterung von D. Rumsfeld mit viel zu viel Elektronik, viel zu wenig Fachleuten und viel zu wenig Soldaten, das Land versinkt im Chaos, in der Nachbarstraße reißt eine smart bomb einen kompletten Häuserzug weg, alle sind wütend, hasserfüllt, traumatisiert, erschöpft und von Ohnmachtsgefühlen überwältigt. Wie immer, wenn Menschen diese Erfahrungen machen (übrigens, auch du wirst aggressiv, wenn du nichts zu essen hast. Mach mal den Selbsttest: faste mal zwei Tage bei erhöhter Arbeitsbelastung und sag deinen Arbeitskollegen vorher, sie sollen notieren, wann du das erste Mal ausfallend wirst.), suchen ihre Gehirne verzweifelt nach Rettungsstrategien, nach Sündenböcken, nach Kontrolle und Übersicht. Achmed erschlägt zwei Wochen später den schiitischen Nachbarn aufgrund eines Anlasses, der ihnen zu anderen Zeiten Anlass zum Scherzen gegeben hätte. That's life. Und da soll es keine Gründe geben? Da soll jemand Religion vorschieben? Die meisten Leute, auch Politiker, haben weder die Kompetenz, noch die Zeit, sich grand strategies für derart komplexe Situationen zu überlegen. Religion ist Religion, ein komplexes soziales Phänomen, also brich es bitte nicht darauf herunter, es sei simple Propaganda für Konflikte ohne Gründe. Sowas gibt es nicht.
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