Lasst uns aussterben

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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon Arathas » Do 11. Nov 2010, 12:33

donquijote hat geschrieben:ist vor allem das Reproduktionsinteresse des Lebewesens: Die eigenen Lebensraumkompetenzen zu bewahren (zu reproduzieren).


Das Reproduktionsinteresse kann der Antrieb des Überlebenswillens nicht sein. Ich jedenfalls habe kein Interesse daran, mich zu reproduzieren, aber ein gewaltiges Interesse daran, weiterhin zu leben. Und auch alle Menschen, die aus körperlichen, alterstechnischen oder sonstigen Gründen nicht in der Lage sind, sich zu reproduzieren, haben in der Mehrheit der Fälle ein großes Interesse am Leben selbst.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon donquijote » Do 11. Nov 2010, 23:23

Arathas hat geschrieben:Das Reproduktionsinteresse kann der Antrieb des Überlebenswillens nicht sein. Ich jedenfalls habe kein Interesse daran, mich zu reproduzieren, aber ein gewaltiges Interesse daran, weiterhin zu leben. Und auch alle Menschen, die aus körperlichen, alterstechnischen oder sonstigen Gründen nicht in der Lage sind, sich zu reproduzieren, haben in der Mehrheit der Fälle ein großes Interesse am Leben selbst.


Das ist das Gleiche. Reproduktion bezieht sich auf Kompetenzen (in der Systemischen Evolutionstheorie). Wenn ein Tier Nahrung sucht, versucht es seine Lebensraumkompetenzen während seines aktuellen Lebens zur reproduzieren.

Deshalb definiert die Systemische Evolutionstheorie bei Lebewesen:
1. Selbsterhalt = Reproduktion der Kompetenzen während des aktuellen Lebens
2. Fortpflanzung = Reproduktion der Kompetenzen über das Leben hinaus (in die nächste Generation hinein).

Angetrieben wird beides durch Reproduktionsinteressen. Die können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Einige Menschen haben z. B. ein großes Interesse daran, ihre kulturellen Kompetenzen in die nächste Generation zu bringen. Die arbeiten dann etwa wissenschaftlich oder komponieren tolle Sachen. Die Kinderfrage stellt sich für sie vielleicht gar nicht. Eventuell sind sie sogar homosexuell und interessieren sich auch deshalb nicht für eine Familie.

Andere Menschen möchten dagegen eher ihre genetischen Kompetenzen über ihr Leben hinaus bewahren. Sie haben dann ein hohes Fortpflanzungsinteresse (ein Spezialfall des Reproduktionsinteresses).

Noch anderen geht es nur darum, jetzt ein gutes Leben zu führen. Was mit der Nachwelt passiert, interessiert sie nicht. Wenn sie sterben, möchten sie an einem anonymen Ort verscharrt werden, sodass man sie möglichst bald vergisst. Sie haben dann ein hohes Reproduktionsinteresse bzgl. Selbsterhalt aber ein niedriges Reproduktionsinteresse für ihre Kompetenzen über ihr Leben hinaus.

Die Theorie der egoistischen Gene (Dawkins) lässt solche Feinheiten nicht zu. Derzufolge geht es stets vor allem um den Erhalt genetischer Kompetenzen (um Fortpflanzungserfolg). Das ist gemäß der Systemischen Evolutionstheorie eine unzweckmäßige Einschränkung.

Allerdings stellt sich weiterhin die Frage, wann unter solchen allgemeinen Bedingungen noch Evolution möglich ist. Das Prinzip der natürlichen Selektion, so wie es die Evolutionsbiologen formulieren, ist offenkundig zu eingeschränkt (es handelt nur von genetischen Kompetenzen), um die menschliche Situation erfassen zu können. Die Systemische Evolutionstheorie hat deshalb ein zusätzliches Prinzip in die Evolutionstheorie eingeführt, welches sich aus der Price-Gleichung herleiten lässt.

Sehr zu empfehlen ist meiner Meinung nach der Kommentar "Zu den Hintergründen der Theorie", den Mersch am unteren Ende des Knol-Artikels über die Systemische Evolutionstheorie selbst gepostet hat. Da erklärt er - auch im Zusammenhang mit der Unternehmenswelt, die keine Fortpflanzung kennt - warum "die Theorie so ist, wie sie ist", d.h. warum er von Reproduktionsinteressen spricht.

Wie auch immer: Das Reproduktionsinteresse (in Bezug auf Lebensraumkompetenzen, die nicht zwingend genetischer Art sein müssen, sondern auch kulturell sein können) ist das Hauptmerkmal, das Lebendiges von Nichtlebendigem unterscheidet. Wer vom Aussterben redet, sagt nichts anderes, als dass kein Interesse mehr daran besteht, die vorhandenen Kompetenzen (egal ob angeboren oder erworben) zu bewahren. Damit verabschiedet man sich endgültig vom Sinn des Lebens. Ist meine Meinung jedenfalls.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon stine » Fr 12. Nov 2010, 08:50

donquijote hat geschrieben:Damit verabschiedet man sich endgültig vom Sinn des Lebens.
Der demnach was wäre?
Nicht dass ich dich nicht verstehen würde, aber über den Sinn des Lebens wurde hier sogar schon diametral diskutiert.
Der Sinn des Lebens ist sicherlich der Erhalt des selbigen. Aber welcher Kompetenzerhalt darin liegen soll, bleibt fraglich. Weil, wie man sieht das Reproduktionsinteresse bei Kompetenzfortschritt nachlässt.

LG stine
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon donquijote » Fr 12. Nov 2010, 10:44

stine hat geschrieben: Der Sinn des Lebens ist sicherlich der Erhalt des selbigen.

Leben = Aufbau von Wissen/Kompetenzen. Dann ist der Sinn des Lebens eben der Erhalt bzw. der aus dem Erhalt unmittelbar folgende Ausbau der Kompetenzen. Bezogen auf das eigene Leben könnte man sagen: Leben ist lebenslanges Lernen. Man gibt aber einen Großteil seiner Kompetenzen an die Nachwelt weiter, selbst wenn man keine Kinder hat.

Der Fehler der biologischen Evolutionstheorie (und insbesondere der Theorie der egoistischen Gene) ist, dass sie die Kompetenzen quasi auf die genetischen Kompetenzen beschränkt. Es geht darin nur um Fortpflanzung und die Weitergabe von Genen. Kinder erhalten aber einen Großteil ihrer Kompetenzen von anderen Personen und Quellen als von ihren Eltern.
stine hat geschrieben:Aber welcher Kompetenzerhalt darin liegen soll, bleibt fraglich. Weil, wie man sieht das Reproduktionsinteresse bei Kompetenzfortschritt nachlässt.

Dieses scheinbare Problem ergibt sich nur, wenn man Reproduktion auf Fortpflanzung beschränkt. Das tut nur die gängige biologische Evolutionstheorie, nicht die systemische Evolutionstheorie. Früher wurden die kulturellen Kompetenzen überwiegend von Männern entwickelt und auch tradiert. Bzgl. der Fortpflanzung sagten sie sich: "Für uns ist das eine Sache von 10 Minuten. Den Rest erledigen die Frauen. Für den Erhalt der genetischen Kompetenzen sind also die Frauen da. Also können wir uns vor allem auf kulturelle Kompetenzen konzentrieren." Heute denken viele gebildete Frauen gezwungenermaßen das Gleiche. Soziologische Untersuchungen haben aber gezeigt, dass der ursprüngliche Kinderwunsch keine Frage der Bildung ist. Es gibt genauso viele hochgebildete Frauen, die bei Untersuchungen ankreuzen: "Am liebsten würde ich viele Kinder haben und Familienarbeit machen" wie wenig gebildete Frauen. Und es gibt sie - anders als bei den Männern - in nennenswerter Zahl. Auch aus diesem Grund schlägt Mersch den Beruf der Familienmanagerin vor: Wenn Frauen die Wahl zwischen Beruf und Familie haben, muss fokussierte Familienarbeit mit mehreren Kindern ebenfalls zum Beruf gemacht werden können, ist eine seiner Folgerungen und Forderungen.
Das hat aber nichts direkt mit den existenziellen Fragen hier zu tun. Bei denen geht es darum, was Leben ist und warum man menschliches Leben erhalten sollte. Das andere ist eher die Frage nach dem Wie unter den heutigen gleichberechtigten Bedingungen. Gemäß der Systemischen Evolutionstheorie besteht der Sinn des Lebens darin, die vorhandenen Lebensraumkompetenzen zu erhalten (und auszubauen) und etwas davon an die Nachwelt weiterzugegeben, denn die eigenen wurden ja auch von den vorherigen Generationen erworben. Beethoven z. B. ist eine solche Weitergabe gelungen, ohne eigene Kinder zu haben.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon stine » Fr 12. Nov 2010, 12:57

donquijote hat geschrieben:...Männer...Bzgl. der Fortpflanzung sagten sie sich: "Für uns ist das eine Sache von 10 Minuten.
:erschreckt: ...doch soo lang?

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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon donquijote » Fr 12. Nov 2010, 15:55

stine hat geschrieben: :erschreckt: ...doch soo lang?


Mit An- und Ausziehen meinte ich natürlich. :blush2:
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon ganimed » Fr 12. Nov 2010, 21:23

donquijote hat geschrieben:Das Reproduktionsinteresse (in Bezug auf Lebensraumkompetenzen, die nicht zwingend genetischer Art sein müssen, sondern auch kulturell sein können) ist das Hauptmerkmal, das Lebendiges von Nichtlebendigem unterscheidet. Wer vom Aussterben redet, sagt nichts anderes, als dass kein Interesse mehr daran besteht, die vorhandenen Kompetenzen (egal ob angeboren oder erworben) zu bewahren. Damit verabschiedet man sich endgültig vom Sinn des Lebens.

Ja was denn nun? Ist die Reproduktion nun das Hauptmerkmal des Lebendigen, oder ist es sein Sinn?
Oder gibt es da bei dir eine Herleitung: weil es das Hauptmerkmal ist, ist es der Sinn?
Wenn ja, verstehe ich diese Implikation noch nicht so ganz. Bitte begründen. Man könnte definieren, dass die rote Nase das Hauptmerkmal eines Clowns ist. Aber ist sie deshalb auch sein Sinn?


Und dann habe ich noch einen Einwand. Wenn wir beim Aussterben alle unsere Bücher für die Nachwelt konservieren (Bronzeplatten prägen oder so) und sie in trockene Höhlen stecken, damit die Schimpansen sie eines Tages, wenn sie sich weit genug entwickelt haben, finden. Dann würden wir doch unserem Reproduktionsinteresse frönen und gleichzeitig aussterben. Müsste das nicht nach deiner Argumentation ebenfalls sinnvoll sein? Denn deiner Meinung nach ist doch der Sinn des Lebens die Reproduktion, die ja durch die Bronzeplatten erfolgte.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon donquijote » Fr 12. Nov 2010, 22:25

ganimed hat geschrieben: Ja was denn nun? Ist die Reproduktion nun das Hauptmerkmal des Lebendigen, oder ist es sein Sinn?

Das ist das Gleiche.
ganimed hat geschrieben:Man könnte definieren, dass die rote Nase das Hauptmerkmal eines Clowns ist. Aber ist sie deshalb auch sein Sinn?

Nein, das Hauptmerkmal ist, komisch zu sein. Und das ist irgendwie auch sein Sinn.
ganimed hat geschrieben:Und dann habe ich noch einen Einwand. Wenn wir beim Aussterben alle unsere Bücher für die Nachwelt konservieren (Bronzeplatten prägen oder so) und sie in trockene Höhlen stecken, damit die Schimpansen sie eines Tages, wenn sie sich weit genug entwickelt haben, finden. Dann würden wir doch unserem Reproduktionsinteresse frönen und gleichzeitig aussterben. Müsste das nicht nach deiner Argumentation ebenfalls sinnvoll sein?

Nein, das ist keine wirkliche Reproduktion. Unternehmen reproduzieren ebenfalls ihre Kompetenzen, indem sie z. B. neue Produkte entwickeln und auf den Markt werfen. Sie könnten auch ihr ganzes Wissen auf eine Festplatte speichern. Das ist jedoch nur Speicherung, nicht Reproduktion. Denn die Entwicklung geht weiter. Wenn jemand in 200 Jahren das gespeicherte Wissen des per Selbstentscheid aus dem Leben gegangenen Unternehmens Nokia sichten würde, käme er schnell zu dem Urteil: Was soll der Scheiß? Das ist doch alles total veraltet. Speicherung ist also nicht Reproduktion. Sie ist die Voraussetzung für Reproduktion, aber sie ist nicht die Reproduktion selbst. Genauso nützt es auch nichts, die DNA eines Lebewesens zu konservieren. Denn wenn man sie 10 Millionen Jahre später reaktivierte, könnte es sein, dass sich die Bedingungen längst gewandelt haben. Dann wäre das Lebewesen vielleicht nicht mehr lebensfähig, sodass es defakto keine ausreichenden Komptenzen mehr besäße.

ganimed hat geschrieben:Denn deiner Meinung nach ist doch der Sinn des Lebens die Reproduktion, die ja durch die Bronzeplatten erfolgte.

Nein, bei den Bronzeplatten handelt es sich um Einfrieren, nicht um Reproduktion. Der Sinn des Lebens ist das Weiterleben (d.h. die Reproduktion der Kompetenzen). Sorry, deshalb ist Aussterben nicht mit dem Sinn des Lebens vereinbar.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon ganimed » Fr 12. Nov 2010, 23:47

Wenn in 400000 Jahren die intelligenten Schimpansen-Nachfahren die Bronzetafeln finden, werden sie dann wirklich mit Sicherheit "was soll der Scheiss" sagen? Falls sie sagen, "hey toll, endlich verstehen wir das Prinzip der Destillation", wäre das Hinterlegen der Bronzeplatten dann nicht doch Reproduktion?
donquijote hat geschrieben:Man gibt aber einen Großteil seiner Kompetenzen an die Nachwelt weiter, selbst wenn man keine Kinder hat.

Angesichts dieses Zitats verstehe ich zumindest noch nicht den Unterschied, zwischer der hier gemeinten Kompetenz-Weitergabe und den Bronzetafeln.

Und du willst wirklich behaupten, dass das Hauptmerkmal immer auch der Sinn ist? Da fehlt mir immernoch der Ansatz einer Begründung.
Noch ein Frage-Beispiel dazu: ein Junge hat ein riesiges Talent zum Klavierspielen, hat jedoch (sagen wir wegen frühkindlicher Prägungen) überhaupt keine Lust dazu und will viel lieber Feuerwehrmann werden. Würdest du dem ernsthaft sagen, dass sein Hauptmerkmal sein überragendes Talent ist und deshalb sein Lebenssinn im Klavierspielen liegt?
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon donquijote » Sa 13. Nov 2010, 18:24

ganimed hat geschrieben:Wenn in 400000 Jahren die intelligenten Schimpansen-Nachfahren die Bronzetafeln finden, werden sie dann wirklich mit Sicherheit "was soll der Scheiss" sagen? Falls sie sagen, "hey toll, endlich verstehen wir das Prinzip der Destillation", wäre das Hinterlegen der Bronzeplatten dann nicht doch Reproduktion?

Also ehrlich, das ist doch Pseudo-Gerede. Warum sollte man jetzt aussterben, um sein gescheitertes Wissen irgendwelchen möglicherweise dann intelligenten Affen zu überlassen, damit die dann den gleichen Fehler machen? Hast du sonst keine Sorgen?
ganimed hat geschrieben:Angesichts dieses Zitats verstehe ich zumindest noch nicht den Unterschied, zwischer der hier gemeinten Kompetenz-Weitergabe und den Bronzetafeln.

Tatsächlich nicht?

ganimed hat geschrieben:Noch ein Frage-Beispiel dazu: ein Junge hat ein riesiges Talent zum Klavierspielen, hat jedoch (sagen wir wegen frühkindlicher Prägungen) überhaupt keine Lust dazu und will viel lieber Feuerwehrmann werden. Würdest du dem ernsthaft sagen, dass sein Hauptmerkmal sein überragendes Talent ist und deshalb sein Lebenssinn im Klavierspielen liegt?

Na ja, meist fällt Talent und Sinngebung sinnhafterweise zusammen. Wenn der Sinn in den Kompetenzen liegt, macht das ja auch Sinn.

Ich kenne aber Leute, die Dinge sagen wie: Wenn du etwas ganz Außergewöhnliches kannst, dann gehörst du nicht dir, sondern der Menschheit. Um dann gleich anzuschließen, dass die Weigerung Cat Stevens, nach seiner Bekehrung weiterhin Musik zu machen, ein Verbrechen gegenüber der Menschheit gewesen sei.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon El Schwalmo » Sa 13. Nov 2010, 22:30

donquijote hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben: Ja was denn nun? Ist die Reproduktion nun das Hauptmerkmal des Lebendigen, oder ist es sein Sinn?

Das ist das Gleiche.

und was ist dann ein naturalistischer Fehlschluss?
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon donquijote » So 14. Nov 2010, 00:24

El Schwalmo hat geschrieben:und was ist dann ein naturalistischer Fehlschluss?


Da würde ich dann mal den MSS oder vielleicht gleich die ganze GBS fragen. Im Manifest des evolutionären Humanismus stehen z. B. Sätze wie (S. 24f.):
Evolutionäre Humanisten betonen (...), dass gerade die Akzeptanz der tiefen metaphysischen Sinnlosigkeit unserer Existenz den Freiraum zur individuellen Sinnstiftung schafft. In einem "an sich" sinnlosen Universum genießt der Mensch das Privileg, den Sinn des Lebens aus seinem Leben selbst zu schöpfen. (...) Viele Menschen wollten sich nicht damit abfinden, dass der Sinn des Lebens im Leben selbst liege. Sie strebten nach "Höherem", nach einem alles umfassenden Sinn, der über die (lächerlichen?) paar Erdenjahre hinausgehen und "den Tod eliminieren" sollte.


Der Sinn des Lebens liegt also im Leben selbst. Das ist nicht ganz so allgemein formuliert, wie es Mersch tut, der spricht von Reproduktion der Kompetenzen. Damit ist dann sozusagen das Leben und Überleben gemeint, d.h. die Reproduktion der Kompetenzen während des eigenen Lebens und über das Leben hinaus. Wobei Fortpflanzung nur eine Form der Reproduktion ist. Reproduktion der Kompetenzen heißt in der SET nicht zwingend Fortpflanzung.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon ganimed » Mo 15. Nov 2010, 16:08

Da stimmt was nicht. MSS sagt, der Sinn läge eben nicht in etwas Höherem als dem eigenen Leben. Also nix Reproduktion und Nachwelt und Erhalt der menschlichen Rasse. MSS ist der Meinung, dass das Erdenleben nur ein paar lächerliche Jahre dauert und mit dem Tod wirklich vorbei ist. Ich als Mensch kann mir demnach meinen Sinn selbst aussuchen. Zum Beispiel: Cola trinken und schnelle Autos fahren und eben nicht Rohstoffe für zukünftige Generationen sparen oder Bronzetafeln schnitzen oder kulturell reproduzieren.

donquijote hat geschrieben:Also ehrlich, das ist doch Pseudo-Gerede. Warum sollte man jetzt aussterben, um sein gescheitertes Wissen irgendwelchen möglicherweise dann intelligenten Affen zu überlassen

Mein Pseudo-Gerede hat einen Widerspruch in deinem Reproduktionsgerede aufzuzeigen versucht. Ich hätte es überzeugender gefunden, wenn du diesen Widerspruch hättest erklären können.

Auch mein Beispiel mit dem klavierbegabten Feuerwehrmann ist nur ein einziges Gegenbeispiel gegen deine Regel, dass das Hauptmerkmal immer den Sinn vorgibt. Deine Antwort, dass es meist aber doch so ist, finde ich ein wenig bestürzend. Dann war das also gar keine 100% Regel von dir, wenn sie beliebige Ausnahmen erlaubt? Aber wie kannst du dann aus dieser Regel irgendwas folgern, zum Beispiel was der Sinn des Lebens sei? Deine Logik kommt mir etwas lückenhaft vor.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon donquijote » Mo 15. Nov 2010, 16:18

ganimed hat geschrieben:Da stimmt was nicht. MSS sagt, der Sinn läge eben nicht in etwas Höherem als dem eigenen Leben. Also nix Reproduktion und Nachwelt und Erhalt der menschlichen Rasse. MSS ist der Meinung, dass das Erdenleben nur ein paar lächerliche Jahre dauert und mit dem Tod wirklich vorbei ist. Ich als Mensch kann mir demnach meinen Sinn selbst aussuchen. Zum Beispiel: Cola trinken und schnelle Autos fahren und eben nicht Rohstoffe für zukünftige Generationen sparen oder Bronzetafeln schnitzen oder kulturell reproduzieren.

Und genau darin liegt die Schwäche des evolutionären Humanismus: Dies ist ein Humanismus, aber eben kein evolutionärer. Ein evolutionärer wird es nur, wenn man über das eigene Leben hinausschaut und die Sinnhaftigkeit des Lebens im Erhalt der Kompetenzen sieht, d.h. in Zusammenhängen, die über das eigene Leben hinausgehen (darin unterscheidet sich der evolutionäre Humanismus aktuell von den Religionen, die genau das richtig erkannt haben).
Sorry, aber das Leben würde sofort zu Ende gehen, wenn sich nicht Lebewesen fortwährend um Kompetenzerhalt während ihres Lebens und über ihr Leben hinaus bemühen würden. Das ist das Charakteristische am Leben selbst: Es versucht nicht auszusterben. Deshalb ist bereits deine Überschrift problematisch: Lasst uns aussterben macht im Rahmen des Lebens keinen Sinn: Leben macht seit 3,5 Mrd. Jahren nichts anderes, als nicht auszusterben.
ganimed hat geschrieben:Mein Pseudo-Gerede hat einen Widerspruch in deinem Reproduktionsgerede aufzuzeigen versucht. Ich hätte es überzeugender gefunden, wenn du diesen Widerspruch hättest erklären können.

Welchen Widerspruch? Ich sehe nur einen Widerspruch: Wenn ein Lebewesen sagt: Lasst uns aussterben.
ganimed hat geschrieben:Deine Logik kommt mir etwas lückenhaft vor.

Dann fang doch erst einmal mit deiner an.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon ganimed » Mo 15. Nov 2010, 17:15

donquijote hat geschrieben:Dies ist ein Humanismus, aber eben kein evolutionärer

Kommt drauf an, wie man es definiert. Das evolutionäre an diesem Humanismus ist, dass die Evolution als Erklärung dient, was uns hierher geführt hat und wieso wir so sind wie wir sind. Die Evolution erklärt also sozusagen unsere Hauptmerkmale. Dann zieht MSS aber nicht diesen (auch meiner Ansicht nach problematischen) Schluss, dass sich aus den Merkmalen der Sinn ableiten ließe und lässt deshalb die Sinnfrage völlig offen.

donquijote hat geschrieben:Das ist das Charakteristische am Leben selbst: Es versucht nicht auszusterben.

Wenn das Aussterben das charakteristische wäre, dann müsste ich es ja nicht groß vorschlagen, sondern wir würden es immerfort bereits tun. Natürlich ist Aussterben also nicht charakteristisch. Die Frage an dich ist nur, wieso ist es so schlimm wäre, mal etwas nicht charakteristisches zu tun.

donquijote hat geschrieben:Leben macht seit 3,5 Mrd. Jahren nichts anderes, als nicht auszusterben.

Auf die einzelnen Arten bezogen, stimmt das nicht. Wenn man sich die Evolution anschaut, ist Aussterben viel üblicher als überleben. Ich vermute 99,9 % aller Arten der Evolutionsgeschichte sind entweder ausgestorben oder haben sich in völlig andere Arten entwickelt. Selbst mit deiner Logik (Hauptmerkmal führt zum Sinn) könnte man also ebensogut argumentieren, dass der Sinn der Evolution offenbar das Aussterben wäre, weil ja die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer am Lebensspiel genau dies getan haben.

donquijote hat geschrieben:Welchen Widerspruch?

Reproduktion definierst du als Weitergabe von Genen und/oder kulturellem Wissen. Reproduktion ist deiner Ansicht nach das Ziel und der Sinn jeden Lebens. Aussterben kommt für dich nicht in Frage, weil damit keine Reproduktion vollzogen würde. Meine Bronzetafeln wären aber Weitergabe von kulturellem Wissen, also Reproduktion. Also wären Bronzetafeln ein Weg, beides zu tun, auszusterben und zu reproduzieren (und den angeblichen Sinn des Lebens zu erfüllen). Deine Vorbehalte gegen das Aussterben sollten damit zerstreut sein.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon El Schwalmo » Mo 15. Nov 2010, 17:21

donquijote hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:und was ist dann ein naturalistischer Fehlschluss?


Da würde ich dann mal den MSS oder vielleicht gleich die ganze GBS fragen.

ich bin mir nicht sicher, ob in den Reihen dieser Organisation hinsichtlich Ethik besonders kompetente Fachleute zu finden sind.

donquijote hat geschrieben:Im Manifest des evolutionären Humanismus stehen z. B. Sätze wie (S. 24f.):
Evolutionäre Humanisten betonen (...), dass gerade die Akzeptanz der tiefen metaphysischen Sinnlosigkeit unserer Existenz den Freiraum zur individuellen Sinnstiftung schafft. In einem "an sich" sinnlosen Universum genießt der Mensch das Privileg, den Sinn des Lebens aus seinem Leben selbst zu schöpfen. (...) Viele Menschen wollten sich nicht damit abfinden, dass der Sinn des Lebens im Leben selbst liege. Sie strebten nach "Höherem", nach einem alles umfassenden Sinn, der über die (lächerlichen?) paar Erdenjahre hinausgehen und "den Tod eliminieren" sollte.

Ganimed hat das Wesentliche schon gesagt.

donquijote hat geschrieben:Der Sinn des Lebens liegt also im Leben selbst.

Noch extremer: Das ist kein Sinn, zumindest nicht in dem Sinn, wie Du 'Sinn' verwendest. Deshalb machen die Menschen beim der GBS den naturalistischen Fehlschluss nicht. Wie schon Popper lehrte, hat das Leben (für Menschen) den Sinn, den wir Menschen ihm geben. Nun zu sagen, dass der 'Sinn des Lebens' der Sinn für den Menschen sei, ist ein naturalistischer Fehlschluss, wenn man daraus ein Sollen für den Menschen ableitet.

donquijote hat geschrieben:Das ist nicht ganz so allgemein formuliert, wie es Mersch tut, der spricht von Reproduktion der Kompetenzen. Damit ist dann sozusagen das Leben und Überleben gemeint, d.h. die Reproduktion der Kompetenzen während des eigenen Lebens und über das Leben hinaus. Wobei Fortpflanzung nur eine Form der Reproduktion ist. Reproduktion der Kompetenzen heißt in der SET nicht zwingend Fortpflanzung.

Das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, was Mersch daraus machen möchte. Das ist dann der Punkt, wo der naturalistische Fehlschluss ins Spiel kommt.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon donquijote » Mo 15. Nov 2010, 18:39

ganimed hat geschrieben: Kommt drauf an, wie man es definiert. Das evolutionäre an diesem Humanismus ist, dass die Evolution als Erklärung dient, was uns hierher geführt hat und wieso wir so sind wie wir sind.

Ja eben, dass wir nicht aussterben wollen. Dawkins nennt es etwas anders: "Gene sind egoistisch."
ganimed hat geschrieben:Dann zieht MSS aber nicht diesen (auch meiner Ansicht nach problematischen) Schluss, dass sich aus den Merkmalen der Sinn ableiten ließe und lässt deshalb die Sinnfrage völlig offen.

Der Sinn liegt im Leben und Überleben. Alles andere macht keinen Sinn. MSS hat leider das Überleben vergessen.

ganimed hat geschrieben:Wenn das Aussterben das charakteristische wäre, dann müsste ich es ja nicht groß vorschlagen, sondern wir würden es immerfort bereits tun. Natürlich ist Aussterben also nicht charakteristisch. Die Frage an dich ist nur, wieso ist es so schlimm wäre, mal etwas nicht charakteristisches zu tun.

Weil es beim Leben - aus naturalistischer Sicht - um nichts anderes als die Kompetenzbewahrung (d.h. um Leben und Überleben) geht.

ganimed hat geschrieben:Auf die einzelnen Arten bezogen, stimmt das nicht. Wenn man sich die Evolution anschaut, ist Aussterben viel üblicher als überleben. Ich vermute 99,9 % aller Arten der Evolutionsgeschichte sind entweder ausgestorben oder haben sich in völlig andere Arten entwickelt. Selbst mit deiner Logik (Hauptmerkmal führt zum Sinn) könnte man also ebensogut argumentieren, dass der Sinn der Evolution offenbar das Aussterben wäre, weil ja die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer am Lebensspiel genau dies getan haben.

Dennoch war es das Bestreben des allergrößten Teils derjenigen, die ausgestorben sind, nicht auszusterben. Genau dadurch kommt Evolution zustande. Evolution ist das Bestreben einer Vielzahl von Individuen, eben nicht auszusterben.

ganimed hat geschrieben:Meine Bronzetafeln wären aber Weitergabe von kulturellem Wissen, also Reproduktion. Also wären Bronzetafeln ein Weg, beides zu tun, auszusterben und zu reproduzieren (und den angeblichen Sinn des Lebens zu erfüllen). Deine Vorbehalte gegen das Aussterben sollten damit zerstreut sein.

Das ist Unsinn. Diese Informationen machen nur Sinn, wenn sie von Gehirnen gedacht werden (Bunge/Mahner). Wenn du aber die Gehirne aussterben lässt, verlieren auch die Bronzetafeln ihren Sinn. Sie können auch sonst altern. Du hast überhaupt keine sinnvolle Methode der Kompetenzbewahrung gewählt.

Wie auch immer: Evolution entsteht durch den Versuch der Beteiligten, nicht auszusterben. Also ist dein Anliegen unsinnig.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon donquijote » Mo 15. Nov 2010, 18:41

El Schwalmo hat geschrieben: ich bin mir nicht sicher, ob in den Reihen dieser Organisation hinsichtlich Ethik besonders kompetente Fachleute zu finden sind.


Wie deine weiteren Ausführungen zum Thema zeigen, verstehst du davon nichts. Kein Wunder.
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon El Schwalmo » Mo 15. Nov 2010, 18:58

donquijote hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben: ich bin mir nicht sicher, ob in den Reihen dieser Organisation hinsichtlich Ethik besonders kompetente Fachleute zu finden sind.

Wie deine weiteren Ausführungen zum Thema zeigen, verstehst du davon nichts. Kein Wunder.

wollen wir wetten, dass Du so wenig von Ethik verstehst, dass Du gar nicht gemerkt hast, dass Dein Zitat von MSS für Deine 'Argumentation' kontraproduktiv war?
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Re: Lasst uns aussterben

Beitragvon El Schwalmo » Mo 15. Nov 2010, 19:00

donquijote hat geschrieben:Wie auch immer: Evolution entsteht durch den Versuch der Beteiligten, nicht auszusterben.

und nun darfst Du noch erklären, warum 'Evolution' in diesem Sinn, auf die menschliche Gemeinschaft übertragen, kein naturalistischer Fehlschluss ist.
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