nanna hat geschrieben:Nun, ich denke, dass du nicht umhin kommen wirst, einzugestehen, dass wir beispielsweise bei internen Papieren des BND oder des Verfassungsschutz keine Volksabstimmung darüber ansetzen können, ob deren Inhalte belanglos sind oder nicht.
Nanna hat geschrieben: Was aber nicht gerechtfertigt ist, ist, Mitarbeiter dieser Organisationen dazu anzustiften, soviel Geheimmaterial wie möglich heranzuschaffen und sich dann wie ein kleines Kind daran zu freuen, dass man schon wieder 300.000 Dokumente in die Finger gekriegt hat, deren Inhalt einem eigentlich völlig wurscht ist, hauptsache man hat das Sicherheitssystem mal wieder überlistet.
Nanna hat geschrieben:Aber mittlerweile droht das ganze mediale Selbstbefriedigung für einen gewissen Herrn Assange zu werden - und eben nicht mehr "verantwortliches Handeln".
Nanna hat geschrieben:Ja und nein. Ein Journalist kann nicht so tun, als verstünde er den Inhalt der geleakten Papiere selbst auch erst zu dem Zeitpunkt, an dem er seinen eigenen Artikel gedruckt liest. Wenn beispielsweise eine illegale oder ethisch fragwürdige Operation durch die KSK in Afghanistan aufgedeckt würde, dann würde ich von dem Journalisten schon erwarten, dass er die Veröffentlichung derart gestaltet, dass die Bundeswehr erstmal ihre Leute da abziehen kann, selbst auf die Gefahr hin, dass die Zeit auch dafür genutzt wird, Beweise zu vernichten. Es heißt ja nicht, dass er überhaupt nicht veröffentlichen soll, aber Menschen, selbst wenn sie sich unethisch verhalten haben, ins buchstäbliche Messer laufen zu lassen, ist brutal.
Nanna hat geschrieben:In den USA ist eine Tradition des investigativen Journalismus beispielsweise, dass Betroffene am Tag vor dem Druck über den beabsichtigten Artikel informiert werden. Sie haben dann in den meisten Fällen die Möglichkeit, ein statement dazu abzugeben, das ggf. mitabgedruckt wird.
Nanna hat geschrieben:Bei weniger brisanten Inhalten muss ein Journalist sich auch die Frage stellen, ob beispielsweise der Besitz eines im Grunde banalen diplomatischen Papieres es rechtfertigt, eine internationale Krise heraufzubeschwören.
Nanna hat geschrieben:Journalisten sind auch Staatsbürger und sind auch ethischen Regeln unterstehende Wesen. Die Medien üben ja beispielsweise in Bezug auf U-Bahnselbstmorde seit zwei Jahrzehnten Selbstzensur, was zu einem drastischen Rückgang dieser Suizidmethode geführt hat.
Nanna hat geschrieben:Man kann nicht einfach sagen, der Staatsapparat sei selbst schuld, wenn irgendwo ein Leck oder Maulwurf sitzt und der Journalist sei Rädchen im Getriebe das gar nicht anders könne als zu veröffentlichen.
Nanna hat geschrieben:Stattdessen ist auch ein Journalist verpflichtet, sich Gedanken über Fragen der Verhältnismäßigkeit und der Art und Weise zu machen, wie und wann er welche Inhalte der Öffentlichkeit präsentiert. Auch ein Journalist ist, wie gesagt, Staatsbürger, der zum Wohl des Ganzen handeln soll und das ist nicht zwingend die sofortige Veröffentlichung jeden Drecks, den ihm irgendjemand zusteckt.
Bionic hat geschrieben: Ich sage nicht dass es immer zu besseren Entwicklungen führen muss, wenn man die Wahrheit bekannt macht, aber wenn man sich da generell selbst beschränkt, sind die Folgen eventuell viel verherender.
Nanna hat geschrieben:Aber die Veröffentlicher müssen im Einzelfall abwägen, mit welcher Art zu handeln sie sich verantwortlich verhalten.
Nanna hat geschrieben:Seitdem aber klarer geworden ist, dass es Assange um soetwas nur sekundär geht und sein Hauptanliegen die Durchsetzung seiner anarchistischen Weltsicht ist
Nanna hat geschrieben: ("ein oder zwei Banken könnten schon draufgehen")
Nanna hat geschrieben:Assange ist ein pauschaler Gegner des Staates, den er durch den Geheimnisverrat schwächen will,
Nanna hat geschrieben:Ich für meinen Teil finde es da unverhältnismäßig, 300.000 geheime Dokumente zu veröffentlichen und damit den diplomatischen Betrieb zu kompromittieren, anstatt die dicken Köder herauszufischen und Belanglosigkeiten wie die Diskussionen über Berlusconis Schlafmangel der Boulevardpresse zu überlassen, die auf sowas auch von selbst kommen kann. Man muss Dinge nicht veröffentlichen nur aus dem Grund, dass man es kann.
Unlike earlier disclosures by WikiLeaks of tens of thousands of secret government military records, the group is releasing only a trickle of documents at a time from a trove of a quarter-million, and only after considering advice from five news organizations with which it chose to share all of the material.
“They are releasing the documents we selected,” Le Monde’s managing editor, Sylvie Kauffmann, said in an interview at the newspaper’s Paris headquarters.
WikiLeaks turned over all of the classified U.S. State Department cables it obtained to Le Monde, El Pais in Spain, The Guardian in Britain and Der Spiegel in Germany. The Guardian shared the material with The New York Times, and the five news organizations have been working together to plan the timing of their reports.
They also have been advising WikiLeaks on which documents to release publicly and what redactions to make to those documents, Kauffmann and others involved in the arrangement said.
Each publication suggested a way to remove names and details considered too sensitive, and “I suppose WikiLeaks chooses the one it likes,” El Pais Editor-in-Chief Javier Moreno said in a telephone interview from his Madrid office.
As stories are published, WikiLeaks uses its website to release the related cables. For example, The Guardian published an article yesterday based on diplomatic cables discussing the assassination of former Russian security officer Alexander Litvinenko by radiation poisoning, and WikiLeaks quickly posted three cables on the same subject.
[...]
Days before releasing any of the latest documents, WikiLeaks founder Julian Assange appealed to the U.S. ambassador in London, asking the U.S. government to confidentially help him determine what needed to be redacted from the cables before they were publicly released. The ambassador refused, telling Assange to hand over stolen property. State Department spokesman P.J. Crowley called Assange’s offer “a half-hearted gesture to have some sort of conversation.”
(Quelle: http://www.google.com/hostednews/ap/art ... 0dace2e456)
Für Internet-Aktivisten bietet die vergangene Woche ein Menge Lehrstoff. Herausragend und zu allererst muss sich WikiLeaks fragen lassen, warum das Projekt sich stillschweigend von seinem selbst gegebenen Auftrag - bisher geheime Materialien zu veröffentlichen - verabschiedet hat. Die Kooperation mit privaten Medienunternehmen, die wirtschaftlich und durch ihre redaktionelle Linie genau der Außenpolitik verpflichtet sind, die mit der Veröffentlichung kritisiert werden sollte, ist ein vorhersehbarer Flop. Mit dieser Praxis bedient WikiLeaks weich aufbereitetes Entertainment und stellt sich als neue Rohstoffmine für ein altes System zur Verfügung.
(http://amerika21.de/analyse/17626/der-wikileaks-flop)
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