Einschätzung von Wikileaks

Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Nanna » So 5. Dez 2010, 18:58

Ja und nein. Ein Journalist kann nicht so tun, als verstünde er den Inhalt der geleakten Papiere selbst auch erst zu dem Zeitpunkt, an dem er seinen eigenen Artikel gedruckt liest. Wenn beispielsweise eine illegale oder ethisch fragwürdige Operation durch die KSK in Afghanistan aufgedeckt würde, dann würde ich von dem Journalisten schon erwarten, dass er die Veröffentlichung derart gestaltet, dass die Bundeswehr erstmal ihre Leute da abziehen kann, selbst auf die Gefahr hin, dass die Zeit auch dafür genutzt wird, Beweise zu vernichten. Es heißt ja nicht, dass er überhaupt nicht veröffentlichen soll, aber Menschen, selbst wenn sie sich unethisch verhalten haben, ins buchstäbliche Messer laufen zu lassen, ist brutal. In den USA ist eine Tradition des investigativen Journalismus beispielsweise, dass Betroffene am Tag vor dem Druck über den beabsichtigten Artikel informiert werden. Sie haben dann in den meisten Fällen die Möglichkeit, ein statement dazu abzugeben, das ggf. mitabgedruckt wird.
Bei weniger brisanten Inhalten muss ein Journalist sich auch die Frage stellen, ob beispielsweise der Besitz eines im Grunde banalen diplomatischen Papieres es rechtfertigt, eine internationale Krise heraufzubeschwören. Journalisten sind auch Staatsbürger und sind auch ethischen Regeln unterstehende Wesen. Die Medien üben ja beispielsweise in Bezug auf U-Bahnselbstmorde seit zwei Jahrzehnten Selbstzensur, was zu einem drastischen Rückgang dieser Suizidmethode geführt hat. In Großbritannien gibt es sogar eine geregelte Selbstzensur, bei der das Innenministerium gewisse Inhalte als zu zensieren markiert, was aber nicht rechtsverbindlich, sondern eine Empfehlung ist, der zu folgen den Medien grundsätzlich freigestellt ist. Man kann nicht einfach sagen, der Staatsapparat sei selbst schuld, wenn irgendwo ein Leck oder Maulwurf sitzt und der Journalist sei Rädchen im Getriebe das gar nicht anders könne als zu veröffentlichen. Stattdessen ist auch ein Journalist verpflichtet, sich Gedanken über Fragen der Verhältnismäßigkeit und der Art und Weise zu machen, wie und wann er welche Inhalte der Öffentlichkeit präsentiert. Auch ein Journalist ist, wie gesagt, Staatsbürger, der zum Wohl des Ganzen handeln soll und das ist nicht zwingend die sofortige Veröffentlichung jeden Drecks, den ihm irgendjemand zusteckt.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Lumen » So 5. Dez 2010, 20:25

nanna hat geschrieben:Nun, ich denke, dass du nicht umhin kommen wirst, einzugestehen, dass wir beispielsweise bei internen Papieren des BND oder des Verfassungsschutz keine Volksabstimmung darüber ansetzen können, ob deren Inhalte belanglos sind oder nicht.


Korrekt. Auch gehören entsprechende Arbeitspapiere unter Verschluss. Werden diese aber öffentlich, ist das ein Versagen der Sicherheit und nicht die Schuld von Medien, wenn diese die Informationen verwenden. Wenn Medien bestimmte Informationen zurückhalten, dann nur wo konkret Leben in Gefahr sind und wo die Veröffentlichung keinen klaren zusätzlichen Nutzwert hat. Soweit dürfte Übereinstimmung herrschen.

Wo es aber kritisch wird, wenn Medien in Muster verfallen die seltsamerweise dem des Propagandamodells entsprechen. Inwiefern sind Assanges (wink 1von6,5Milliarden) Ansichten wichtig? Kommen solche Faktoren dazu, stelle ich mir die Frage: Was berichten Medien von anderen Protagonisten, z.B. von Ackermann? War das jemals Gegenstand der Diskussion? Wie hoch werden echte Skandale bei solchen Firmen gekocht? Was ändert sich durch die Berichterstattung über Wikileaks? Und schließlich die immer wieder nützliche Phrase: Cui Bono? (Wem nützt es?).

Da komme ich häufig zum Schluss, dass vieles doch sehr einseitig ist und dass die öffentliche Meinung doch in vielen Fällen noch viel zu naiv und weltfremd ist. Kritische Sendungen auf den öffentlich-rechtlichen haben immer den einen oder anderen Skandal im Programm, auch diverse Magazine berichten. Nur entsteht kaum ein öffentliches Bild dazu, weil es stets unter dem Radar bleibt. Bei Geschichten wie Wikileaks wird jedoch eine riesige Sache daraus gemacht und auch die Ziele der Organisation oder die Person Assange gerät sehr deutlich ins Visir, sodass am Ende jede Oma auf der Straße eine Meinung dazu hat.

Da komme ich nicht umhin, mich zu wundern und in einem Forum wie diesen den Dauer-Teufels-Anwalt zu spielen.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon ujmp » So 5. Dez 2010, 20:38

@nanna... so gesehen hast du vermutlich Recht.

In einer totalen Öffentlichkeit allerdings, gäbe es keine Geheimnisse, die man verraten könnte. Die Welt würde nicht schlechter, nur ehrlicher, realistischer - möglicherweise ;-)
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Nanna » So 5. Dez 2010, 21:06

Würde sie das? Oder würden vielleicht wieder nur diejenigen profitieren, die das Herrschaftswissen haben - in diesem Fall Kompetenz und Personalstärke zur Auswertung dieses information overload? Schon jetzt hört einem doch keiner mehr zu, wenn man fröhlich in die Welt hinaustwittert. Und eine beliebte Verschleierungstechnik ist auch, dass Behörden oder Unternehmen Dinge zwar veröffentlichen, den Zugang aber derart verkomplizieren, dass nur Leute mit entsprechendem Fachwissen und entsprechender Ausdauer an die interessanten Sachen kommen, garantiert aber nicht das kranke Tantchen, das sich über seine Rechte gegenüber der Krankenkasse informieren möchte. Selbst Wikileaks ist mit, was, einer Million(?), Dokumenten bereits ein Datenmoloch geworden, der Skandale nur dadurch aufdeckt, dass entsprechend ausgerüstete Redaktionen (oder eben Nachrichtendienste) diesen Wust auswerten. Ein Laie würde sich in den Fachdokumenten vermutlich sowieso nicht zurechtfinden.

Zumal wir hier ja über gewaltige Assymetrien reden: Ein gläserner Staat in Deutschland ist noch kein gläserner Staat in Russland oder im Vatikan, ist noch keine gläserne Mafia, ist noch kein gläserner Konzern. Ich frage mich, wie Interpol gegen Kriminalität vorgehen soll, wenn jeder Zugang auf alle Dokumente hat (vielleicht auch auf die Personalakten der Mitarbeiter, wenn wir schon dabei sind?). Ich denke wir sollten uns klar darüber sein, dass totale Öffentlichkeit die Hölle wäre, insbesondere was das Verhältnis des Staates zur ohnehin schon sehr mächtigen Privat- und Schattenwirtschaft (organisierte Kriminalität) angeht. Dass bei Projekten wie Stuttgart21 mehr Öffentlichkeit, Transparenz und Bürgerbeteiligung her muss, ist ja eine These, gegen die sich selbst der rechte Flügel der Union nicht mehr aufzumucken traut. Darum geht es aber nicht. Es geht um diplomatische Dienste, das Militär und Strafverfolgung, wo Geheimhaltung zur Voraussetzung für Arbeitsfähigkeit gehört. Es ist sicherlich gerechtfertigt, wenn Whistleblower (= Leute, die die Trillerpfeife aus der Tasche ziehen und mit einem schrillen Pfiff vor Fehlentwicklungen warnen) aufdecken, wenn diese Dienste sich entgegen ihres verfassungsgemäßen Auftrag verhalten oder Gesetze etwas zu kreativ auslegen. Was aber nicht gerechtfertigt ist, ist, Mitarbeiter dieser Organisationen dazu anzustiften, soviel Geheimmaterial wie möglich heranzuschaffen und sich dann wie ein kleines Kind daran zu freuen, dass man schon wieder 300.000 Dokumente in die Finger gekriegt hat, deren Inhalt einem eigentlich völlig wurscht ist, hauptsache man hat das Sicherheitssystem mal wieder überlistet.

Wenn es mal eine friedliche, vereinte, mafiafreie Welt ohne Konkurrenz und damit ohne zu schützende Unternehmensgeheimnisse mehr gibt, dann können wir nochmal über totale Öffentlichkeit reden, vorher sollten wir uns vielleicht lieber über effektive Kontrollmechanismen nach dem guten alten checks-and-balances-System Gedanken machen.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon ujmp » So 5. Dez 2010, 21:48

Nanna hat geschrieben: Was aber nicht gerechtfertigt ist, ist, Mitarbeiter dieser Organisationen dazu anzustiften, soviel Geheimmaterial wie möglich heranzuschaffen und sich dann wie ein kleines Kind daran zu freuen, dass man schon wieder 300.000 Dokumente in die Finger gekriegt hat, deren Inhalt einem eigentlich völlig wurscht ist, hauptsache man hat das Sicherheitssystem mal wieder überlistet.

Wie ich schon sagte: Der Witz ist ja, dass sie sich anstiften lassen. Die Welt wird dadurch nicht gefährlicher, man sieht nur wie gefährlich sie tatsächlich ist. Neben den Kriminellen der Mafia müssen wir also auch mit den Kriminellen im BKA rechnen... :mg:
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Nanna » So 5. Dez 2010, 23:37

Ich denke, dass die Welt sehr wohl gefärhlicher wird, wenn bestimmte Geheimpapiere an die Öffentlichkeit gelangen. Nehmen wir mal ein Extrembeispiel und nicht den diplomatischen Kaffeeklatsch: Was wäre, wenn Wikileaks die Atomcodes der USA veröffentlichen würde?

Bevor du dich dem Tenor in diesem Thread anschließt, der in Richtung "Selbst schuld, sollen sie halt bessere Sicherheitssysteme implementieren, wenn sie so paranoid sein." geht, sollten wir den Fall vielleicht etwas näher beleuchten: Nach 9/11 wurde die Kooperation der Nachrichtendienste in den USA intensiviert, damit "nie wieder" ein solches Desaster passieren konnte, wie im Vorfeld der Anschläge von 2001, bei dem die Verhinderung der Anschläge im wesentlichen daran scheiterte, dass unterschiedliche Dienste ihre Erkenntnisse nicht teilten (der einzige, der das Ausmaß der Probleme damals erkannte, John O'Neill, schmiss übrigens frustriert seinen Job beim FBI hin und wurde Sicherheitschef des Wold Trade Centers, der Rest ist zynische Ironie der Geschichte: er starb an seinem ersten Arbeitstag, dem 11.09.2001). In Reaktion darauf hatten nun viel mehr Dienste und Dienstgrade umfangreichen Zugang zu klassifizierten Dokumenten, insgesamt 2,5 Millionen Personen auf der Geheimhaltungsstufe "sevret", mit der die Papiere markiert waren, die Bradley Manning Wikileaks zuspielte. Er hätte mit seinem Dienstgrad (er war kurz vor dem Klau übrigens wegen kleinerer Vergehen degradiert worden) gar keinen Zugang dazu haben dürfen, nur weil er in einer Aufklärungseinheit arbeitete, kam er an diese Dokumente.
Ok, Fehler im System. Unzuverlässige, frustrierte Außenseiter dürfen nicht monatelang an Geheimdokumente kommen. Nur, wie findet man die bei 2,5 Millionen Betroffenen? Und was, wenn sich die Aufklärung von Terrorgefahren oder kriminellen Machenschaften wegen verschlechterter Vernetzung der Geheimdienste tatsächlich seinerseits wieder verschlechtert? Nur mal für einen Augenblick angenommen, das wäre so: War es das dann wert, Amerikas Einschätzungen über Guido Westerwelle gelesen zu haben?

Whistleblowing lebt im Grunde völlig davon, dass Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort das Richtige tun, obwohl bzw. gerade weil alle anderen außenherum das Falsche tun. Man nennt soetwas "verantwortlich handeln". Das war bei Watergate der Fall oder beim Massaker in Vietnam, das Seymour Hersh aufdeckte. Das war auch der Fall bei Wikileaks ersten Veröffentlichungen. Aber mittlerweile droht das ganze mediale Selbstbefriedigung für einen gewissen Herrn Assange zu werden - und eben nicht mehr "verantwortliches Handeln".
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Dissidenkt » Di 7. Dez 2010, 12:51

Nanna hat geschrieben:Aber mittlerweile droht das ganze mediale Selbstbefriedigung für einen gewissen Herrn Assange zu werden - und eben nicht mehr "verantwortliches Handeln".


Woran machst du die "mediale Selbstbefriedigung" fest?
Tatsächlich versucht er sich soweit es geht aus den Medien heraus zu halten. Der Mann hat eine Agenda über die Mann streiten kann. Er ist möglicherweise egozentrisch. Aber er hat eben ein Ziel das er verfolgt und das er sich damit nicht nur Freunde schafft, liegt in der Natur der Sache.
Deine Einschätzungen über Hersh finde ich ein bisschen naiv. Der Mann ist das Feigenblatt einer durch und duch gleichgeschalteten Presse, die Krieg und Verbrechen propagiert und legitimiert.
Es gibt sicherlich Informationen, die man nicht veröffentlichen sollte. WL hat den USA angeboten die Dokumente vor der Veröffentlichung zu sichten, das haben die abgelehnt. So what?
Und was die Banken betrifft, die dort Pleite gehen könnten: Die werden nicht Pleite gehen, weil WL sie in den Ruin getrieben hat, sondern weil sie auf kriminellen Machenschaften beruhen und jeden Tag, den die weiter existieren, weitere kriminelle Machenschaften hinzukommen und Leute ihr Geld verlieren. Welcher Schaden hätte verhindert werden können, wenn die Machenschaften dieser Bankster von Madoff bis Goldman früher veröffentlich worden wären?
Daran solltest du mal denken und nicht daran, wie man ein kriminelles System - das im Übrigen auf deine republikanischen Werte pfeift - weiter schützt.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Bionic » Mi 8. Dez 2010, 20:32

Nanna hat geschrieben:Ja und nein. Ein Journalist kann nicht so tun, als verstünde er den Inhalt der geleakten Papiere selbst auch erst zu dem Zeitpunkt, an dem er seinen eigenen Artikel gedruckt liest. Wenn beispielsweise eine illegale oder ethisch fragwürdige Operation durch die KSK in Afghanistan aufgedeckt würde, dann würde ich von dem Journalisten schon erwarten, dass er die Veröffentlichung derart gestaltet, dass die Bundeswehr erstmal ihre Leute da abziehen kann, selbst auf die Gefahr hin, dass die Zeit auch dafür genutzt wird, Beweise zu vernichten. Es heißt ja nicht, dass er überhaupt nicht veröffentlichen soll, aber Menschen, selbst wenn sie sich unethisch verhalten haben, ins buchstäbliche Messer laufen zu lassen, ist brutal.

Naja man könnte es als eine Form von Selbsjustiz sehen.
Nanna hat geschrieben:In den USA ist eine Tradition des investigativen Journalismus beispielsweise, dass Betroffene am Tag vor dem Druck über den beabsichtigten Artikel informiert werden. Sie haben dann in den meisten Fällen die Möglichkeit, ein statement dazu abzugeben, das ggf. mitabgedruckt wird.

Birgt aber auch das Risiko, dass Beweise vernichtet werden können, oder ähnliches.
Nanna hat geschrieben:Bei weniger brisanten Inhalten muss ein Journalist sich auch die Frage stellen, ob beispielsweise der Besitz eines im Grunde banalen diplomatischen Papieres es rechtfertigt, eine internationale Krise heraufzubeschwören.

Ich hätte dem bis vor kurzem absolut zugestimmt. Aber ich frage mich schon was wichtiger ist. Die Informationsfreiheit, oder die Konfliktvermeidung. Klar Konflikte können zu Verletzten und Toten führen. Jedoch sind diese dann nicht die Schuld des Veröffentlichers. Es kann auch weit schlimmere Folgen haben, wenn man zu viel auf politische Situationen Rücksicht nimmt. Ich sage nicht dass es immer zu besseren Entwicklungen führen muss, wenn man die Wahrheit bekannt macht, aber wenn man sich da generell selbst beschränkt, sind die Folgen eventuell viel verherender.
Nanna hat geschrieben:Journalisten sind auch Staatsbürger und sind auch ethischen Regeln unterstehende Wesen. Die Medien üben ja beispielsweise in Bezug auf U-Bahnselbstmorde seit zwei Jahrzehnten Selbstzensur, was zu einem drastischen Rückgang dieser Suizidmethode geführt hat.

Bei Suizide gibt es ja glaub sowies eine Selbstzensur. Was ja auch zum Großteil gut ist. Nur spielen diese keine politische Rolle. Darum sollte es hier also nicht gehen.
Nanna hat geschrieben:Man kann nicht einfach sagen, der Staatsapparat sei selbst schuld, wenn irgendwo ein Leck oder Maulwurf sitzt und der Journalist sei Rädchen im Getriebe das gar nicht anders könne als zu veröffentlichen.

Das stimmt.
Nanna hat geschrieben:Stattdessen ist auch ein Journalist verpflichtet, sich Gedanken über Fragen der Verhältnismäßigkeit und der Art und Weise zu machen, wie und wann er welche Inhalte der Öffentlichkeit präsentiert. Auch ein Journalist ist, wie gesagt, Staatsbürger, der zum Wohl des Ganzen handeln soll und das ist nicht zwingend die sofortige Veröffentlichung jeden Drecks, den ihm irgendjemand zusteckt.

Ein Journalist sollte zumindestens den Wahrheitgehalt prüfen, soweit ihm dies möglich ist. Von eigenen Empfindungen sollten sich Journalisten eigentlich nicht beschränken lassen. (In der Regel.) Inwieweit sie über Folgen nachdenken sollten, weiß ich nicht genau. Wäre in der Welt eine angespannte Situation, wie zur Zeit des kalten Krieges, sollte man brisante Informationen vermutlich schon zurückhalten.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Nanna » Mi 8. Dez 2010, 22:27

Bionic hat geschrieben: Ich sage nicht dass es immer zu besseren Entwicklungen führen muss, wenn man die Wahrheit bekannt macht, aber wenn man sich da generell selbst beschränkt, sind die Folgen eventuell viel verherender.

Von genereller Beschränkung sollte keine Rede sein, da stimme ich dir zu. Aber die Veröffentlicher müssen im Einzelfall abwägen, mit welcher Art zu handeln sie sich verantwortlich verhalten.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Lumen » Do 9. Dez 2010, 00:41

Nicht gerade Deutschlandfunk aber dennoch recht interessant zusammengefasst.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Bionic » Do 9. Dez 2010, 18:55

Nanna hat geschrieben:Aber die Veröffentlicher müssen im Einzelfall abwägen, mit welcher Art zu handeln sie sich verantwortlich verhalten.

Was genau heißt dass, wie sie sich verantwortlich verhalten. Ein Konflikt sollte nicht weitrt angereichert werden?
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon xander1 » Fr 10. Dez 2010, 04:20

Nanna hat geschrieben:Seitdem aber klarer geworden ist, dass es Assange um soetwas nur sekundär geht und sein Hauptanliegen die Durchsetzung seiner anarchistischen Weltsicht ist

Ich kann das irgendwie nur schwer glauben. Kannst du das belegen? Was verstehst du unter einer anarchischen Weltsicht. Was verstehst du unter der Durchsetzung der anarchischen Weltsicht oder meinst du eher die Durchsetzung der Anarchie in der Welt?

Nanna hat geschrieben: ("ein oder zwei Banken könnten schon draufgehen")

Banken verdienen Geld, das aus dem Nichts erschaffen wird und das war vor einigen Jahrhunderten noch nicht legal. Bänker haben ihren Reichtum nicht einmal ansatzweise verdient. Banken stinken zum Himmel! Sie sind nur solange systemimmanent, wie sie nicht durch ein besseres System ersetzt werden können.

Nanna hat geschrieben:Assange ist ein pauschaler Gegner des Staates, den er durch den Geheimnisverrat schwächen will,

Vielleicht beneidet er einfach die Politiker und hasst sie. Persönliche Erlebnisse? Es gibt sicher emotionale Gründe. Aber vielleicht geht es ihm um Demokratie und du meinst nur es sei Anarchie. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass man durch Geheimnisverrat einen Staat genug schwächen kann, dass man Anarchie damit erreicht.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Julia » Sa 11. Dez 2010, 15:42

Nanna hat geschrieben:Ich für meinen Teil finde es da unverhältnismäßig, 300.000 geheime Dokumente zu veröffentlichen und damit den diplomatischen Betrieb zu kompromittieren, anstatt die dicken Köder herauszufischen und Belanglosigkeiten wie die Diskussionen über Berlusconis Schlafmangel der Boulevardpresse zu überlassen, die auf sowas auch von selbst kommen kann. Man muss Dinge nicht veröffentlichen nur aus dem Grund, dass man es kann.

WikiLeaks hat bisher 1295 von 251287 Dokumenten veröffentlicht, wie man auf der Homepage erfährt:
http://213.251.145.96/cablegate.html
Veröffentlicht wurden die Dokumente, über die die Mainstream-Medien berichten wollten:
Unlike earlier disclosures by WikiLeaks of tens of thousands of secret government military records, the group is releasing only a trickle of documents at a time from a trove of a quarter-million, and only after considering advice from five news organizations with which it chose to share all of the material.

“They are releasing the documents we selected,” Le Monde’s managing editor, Sylvie Kauffmann, said in an interview at the newspaper’s Paris headquarters.

WikiLeaks turned over all of the classified U.S. State Department cables it obtained to Le Monde, El Pais in Spain, The Guardian in Britain and Der Spiegel in Germany. The Guardian shared the material with The New York Times, and the five news organizations have been working together to plan the timing of their reports.

They also have been advising WikiLeaks on which documents to release publicly and what redactions to make to those documents, Kauffmann and others involved in the arrangement said.

Each publication suggested a way to remove names and details considered too sensitive, and “I suppose WikiLeaks chooses the one it likes,” El Pais Editor-in-Chief Javier Moreno said in a telephone interview from his Madrid office.

As stories are published, WikiLeaks uses its website to release the related cables. For example, The Guardian published an article yesterday based on diplomatic cables discussing the assassination of former Russian security officer Alexander Litvinenko by radiation poisoning, and WikiLeaks quickly posted three cables on the same subject.

[...]

Days before releasing any of the latest documents, WikiLeaks founder Julian Assange appealed to the U.S. ambassador in London, asking the U.S. government to confidentially help him determine what needed to be redacted from the cables before they were publicly released. The ambassador refused, telling Assange to hand over stolen property. State Department spokesman P.J. Crowley called Assange’s offer “a half-hearted gesture to have some sort of conversation.”

(Quelle: http://www.google.com/hostednews/ap/art ... 0dace2e456)
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Julia » Mo 13. Dez 2010, 13:26

Der WikiLeaks-Flop:
Für Internet-Aktivisten bietet die vergangene Woche ein Menge Lehrstoff. Herausragend und zu allererst muss sich WikiLeaks fragen lassen, warum das Projekt sich stillschweigend von seinem selbst gegebenen Auftrag - bisher geheime Materialien zu veröffentlichen - verabschiedet hat. Die Kooperation mit privaten Medienunternehmen, die wirtschaftlich und durch ihre redaktionelle Linie genau der Außenpolitik verpflichtet sind, die mit der Veröffentlichung kritisiert werden sollte, ist ein vorhersehbarer Flop. Mit dieser Praxis bedient WikiLeaks weich aufbereitetes Entertainment und stellt sich als neue Rohstoffmine für ein altes System zur Verfügung.
(http://amerika21.de/analyse/17626/der-wikileaks-flop)

Die haben ganz andere Vorwürfe als Nanna... ;-)
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon xander1 » Di 14. Dez 2010, 15:22

Diese Vorwürfe stehen diametral den Vorwürfen von Nanna gegenüber.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Do 16. Dez 2010, 08:50

Quatsch, es ist beides zutreffend. WikiLeaks (wie sollten sie auch) haben einfach "nur" nicht die Kapazität alles gleichzeitig ins Netz zu werfen. Ihren Anspruch alles und jedes Interna zu veröffentlichen, und sei es noch so persönlich und privat, gepaart mit der Käuflichkeit durch Medien bezüglich der Reihenfolge und des Zeitpunktes der Veröffentlichung, ist eine "interessante" und "hoch-seriöse" Mischung.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon xander1 » Do 16. Dez 2010, 18:54

Das ist nur eine Behauptung. Außerdem ist es unglaubwürdig zu behaupten, dass sie nicht die Kapazitäten haben mehr Texte ins Netz zu stellen, wenn man bedenkt, wie wenig Speicherplatz Textdokumente verbrauchen, erst Recht dann wenn man sie komprimiert. Außerdem könnte Wikileaks die Dokumente auch einfach den Medien übergeben, was sie aber nicht machen. Insofern will wikileaks nicht alles veröffentlichen. Naja und außerdem gibt es jetzt unzählige Mirrors von Wikileaks, also kann es am Traffic auch nicht liegen.

Es passt nicht zusammen, einerseits zu sehr mit den Medien Kooperieren zu wollen und andererseits die Anarchie durchsetzen zu wollen. Lies dir mal den Text von Julia durch und lies den Text von Nanna nochmal. Das passt nicht zusammen. Denk mal darüber nach.

Wikileaks wird nicht Anarchie erreichen können mit ihrer Methode, und erst Recht werden Sie es nicht wenn sie eng gekoppelt mit den Medien arbeiten, die sich der Außenpolitik ihrer Länder verpflichtet sehen.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Fr 17. Dez 2010, 07:18

Oh je. Und die Dokumente bereiten sich selber auf? :kopfwand:

(mal ganz abgesehen davon, dass hunderttausende von Dokumenten auf einen Schlag zu veröffentlichen auch tatsächlich die Leser einfach nur vor einen Berg stellen würde. Aber die Auswahl nach Kriterien üblicherweise zahlender Medien zu treffen, dies ist eben der Punkt. Das Ansinnen alles zu veröffentlichen hat sich nicht geändert und ist der andere Punkt.)
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon xander1 » Fr 17. Dez 2010, 15:33

Es macht einen Unterschied, ob die Wahl der Dokumente den Medien überlässt oder dem eigenen Ansinnen Anarchie zu erschaffen. Entweder man macht das eine oder das andere.

Niemand zwingt wikileaks die Dokumente aufzubereiten.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Fr 17. Dez 2010, 16:01

Ach je. Bild Du glaubst wenn man einen Stapel Papiere, einen Satz CDs, DVDs oder USB-Sticks oder ähnliches vor einen Computer legt, dann diffundieren die automatisch auf einen Webserver und sind dann auch automatisch in ein von Nutzern bedienbares und verlinktes System umgewandelt.
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