Agnostizismus vs. Atheismus

Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Arathas » Mi 22. Dez 2010, 12:55

El Schwalmo hat geschrieben:Aber das ist ein anderer Thread als zu sagen, es kann keinen Schöpfer geben. (...) eben weil sie nicht zeigen können, dass es keinen Gott gibt.


Ich sage als Atheist nicht "es kann keinen Schöpfer geben" - ich sage "es gibt keinen Anlass, an einen Schöpfer zu glauben". Fertig. Welchen Anlass würdest du mir denn empfehlen?

El Schwalmo hat geschrieben:Stelle eine beliebige Ursprungsfrage, und irgendwann bist Du beim Punkt 'wo kommt das her?'. Keine Ahnung, wie Du einen Gott ausschließen willst.


Auch hier gilt für mich: Warum ausschließen? Wenn ich auf eine Frage erstmal keine Lösung weiß, dann suche ich weiter - und postuliere keine Antworten, die auf persönlichen Vermutungen oder ausgedachten Möglichkeiten beruhen, weil das völliger Unsinn wäre, da ich ja wie gesagt die Lösung nicht kenne. Auf die Frage "Wo kommt das Universum her" könnte man genausogut antworten "Weil Gott es gemacht hat" wie auch "Weil grüll grall ist." Ob ich jetzt annehme, dass es von Gott geschaffen wurde, oder dass es existiert, weil grüll grall ist, hat genau die gleiche Aussagekraft: Nämlich gar keine.

Also lässt man das einfach weg.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 22. Dez 2010, 13:12

Arathas hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Aber das ist ein anderer Thread als zu sagen, es kann keinen Schöpfer geben. (...) eben weil sie nicht zeigen können, dass es keinen Gott gibt.


Ich sage als Atheist nicht "es kann keinen Schöpfer geben" - ich sage "es gibt keinen Anlass, an einen Schöpfer zu glauben". Fertig. Welchen Anlass würdest du mir denn empfehlen?

keinen, das war doch nicht der Punkt. Der Punkt war die Unterstellung von Lumen.

Arathas hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Stelle eine beliebige Ursprungsfrage, und irgendwann bist Du beim Punkt 'wo kommt das her?'. Keine Ahnung, wie Du einen Gott ausschließen willst.


Auch hier gilt für mich: Warum ausschließen? Wenn ich auf eine Frage erstmal keine Lösung weiß, dann suche ich weiter - und postuliere keine Antworten, die auf persönlichen Vermutungen oder ausgedachten Möglichkeiten beruhen, weil das völliger Unsinn wäre, da ich ja wie gesagt die Lösung nicht kenne. Auf die Frage "Wo kommt das Universum her" könnte man genausogut antworten "Weil Gott es gemacht hat" wie auch "Weil grüll grall ist." Ob ich jetzt annehme, dass es von Gott geschaffen wurde, oder dass es existiert, weil grüll grall ist, hat genau die gleiche Aussagekraft: Nämlich gar keine.

Also lässt man das einfach weg.

Eben. Und das machst Du, weil Du nicht an einen Gott glaubst. Und das mache ich genauso, weil mir niemand plausibel machen konnte, dass es einen Gott gibt. Aber wenn jemand an einen Gott glaubt, sieht das anders aus. Du kannst zwar sagen, dass Dir aus unserer Sicht plausibler erscheint, dass es keinen Gott gibt, aber nachweisen kannst Du das nicht. Das ist der Punkt, der den Agnostiker zum Agnostiker macht.

Wie gesagt, Agnostizismus ist eine epistemische Position. Im Alltag lebt man anders.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 22. Dez 2010, 14:59

Lumen hat geschrieben:Das hängt wiederum von der Warte ab, was genau unter Glauben und Wissen verstanden wird.


Glauben als Glauben-dass als Fürwahrhalten einer Aussage bzw. Fürwirklichhalten eines Sachverhaltes; und Wissen als begründetes/gerechtfertigtes und wahres Glauben.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 22. Dez 2010, 15:14

El Schwalmo hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Aus meiner Sicht wäre Wissen zum einen „Gewissheit“

das ist ein subjektives Gefühl.


Es wird zwischen subjektiver, psychischer Gewissheit/Sicherheit und objektiver, epistemischer Gewissheit/Sicherheit unterschieden. Erstere besteht im vollkommenen, zweifelsfreien Überzeugtsein und letztere in der Irrtumsunmöglichkeit oder Unfehlbarkeit. (Das entspricht dem sprachlichen Unterschied zwischen "Ich bin (mir) sicher, dass p" und "Es ist sicher, dass p".)

El Schwalmo hat geschrieben:Wobei man immer beachten muss, dass sich der Stand der Erkenntnis ändern kann. Mit dem, was während meiner Schulzeit als 'Wissen' in Genetik galt, wäre ich 10 Jahre später durch das Biologie-Examen gefallen, und das, was damals galt, würde heute im Abi als Fehler angestrichen werden.


Das bedeutet, dass "gilt als Wissen" und "ist Wissen" nicht bedeutungsgleich sind.

El Schwalmo hat geschrieben:Vielleicht hilft es zum Verständnis, dass 'Fakt' von 'facere' kommt, also etwas ist, das gemacht wird.


Dieser etymologische Verweis führt in die Irre, da er den fälschlichen Eindruck erweckt, dass alle Tatsachen menschengemacht und damit vom menschlichen Geist abhängig sind.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 22. Dez 2010, 15:53

Lumen hat geschrieben:Leider steht deine Argumentationslinie in der anrüchen Tradition, Atheisten oder Quasi-Atheisten doch noch irgendwie einen Gott unterzujubeln. Und so sehe ich sie auch.


Wie gesagt, zwischen "Es gibt de facto keine Götter" und "Es ist (onto-logisch) unmöglich, dass es Götter gibt" besteht ein Unterschied. Das Annehmen des möglichen Daseins von Göttern wäre nur dann ein "Unterjubeln", wenn es sich dabei um das Annehmen des wahrscheinlichen Daseins von Göttern handelte – was aber nicht der Fall ist. Denn aus "Es gibt mögliche Welten, die nicht götterfrei sind" folgt nicht "Es ist wahrscheinlich, dass die wirkliche Welt nicht götterfrei ist".
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 22. Dez 2010, 16:12

El Schwalmo hat geschrieben:Keine Ahnung, wie Du einen Gott ausschließen willst.


Man kann – wie ich es tue – gegen den Pneumatotheismus (und damit insbesondere gegen den abrahamitischen Monotheismus des Judentums, Christentums und Islams) a priori argumentieren, dass es keine göttlichen Wesen geben kann, weil der Begriff eines unkörperlichen Geistes, einer unstofflichen Seele, einer immateriellen Person, einer spirituellen Substanz unsinnig und unverständlich, d.i. ein Unbegriff ist, unter den nichts Wirkliches fallen kann.

"The idea of a disembodied being with infinite causal powers existing imperceptibly is contrary to reason."
———
"Die Idee eines unwahrnehmbar vorhandenen körperlosen Wesens mit unbegrenzter Macht läuft der Vernunft zuwider."

[© meine Übers.]

(McGinn, Colin. "Why I am an Atheist." Colin McGinn Blog. Entry posted January 11, 2010.)
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 22. Dez 2010, 17:11

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Aus meiner Sicht wäre Wissen zum einen „Gewissheit“

das ist ein subjektives Gefühl.


Es wird zwischen subjektiver, psychischer Gewissheit/Sicherheit und objektiver, epistemischer Gewissheit/Sicherheit unterschieden.

schon der Umstand, dass Du zu 'Gewissheit' auch noch 'Sicherheit' schreibst, zeigt, dass wir aneinander vorbeireden.

Myron hat geschrieben:Erstere besteht im vollkommenen, zweifelsfreien Überzeugtsein

Das meinte ich. Allerdings mit dem Hintergedanken, dass das kein Wahrheitskriterium ist.

Myron hat geschrieben:und letztere in der Irrtumsunmöglichkeit oder Unfehlbarkeit. (Das entspricht dem sprachlichen Unterschied zwischen "Ich bin (mir) sicher, dass p" und "Es ist sicher, dass p".)

Wobei mir vollkommen schleierhaft ist, wie man feststellen könnnte, dass Irrtumsunmöglichkeit vorliegt.

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Wobei man immer beachten muss, dass sich der Stand der Erkenntnis ändern kann. Mit dem, was während meiner Schulzeit als 'Wissen' in Genetik galt, wäre ich 10 Jahre später durch das Biologie-Examen gefallen, und das, was damals galt, würde heute im Abi als Fehler angestrichen werden.


Das bedeutet, dass "gilt als Wissen" und "ist Wissen" nicht bedeutungsgleich sind.

Wobei ich mich frage, wie Du 'ist Wissen' jemals in empirischen Kontexten aufzeigen möchtest. Du wirst nie über 'gilt als Wissen' hinauskommen.

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Vielleicht hilft es zum Verständnis, dass 'Fakt' von 'facere' kommt, also etwas ist, das gemacht wird.


Dieser etymologische Verweis führt in die Irre, da er den fälschlichen Eindruck erweckt, dass alle Tatsachen menschengemacht und damit vom menschlichen Geist abhängig sind.

Sobald Du eine Tatsache formulierst, ist sie menschengemacht. Sonst könntest Du sie gar nicht denken. Was dem in der 'Welt da draußen' entspricht, ist eine spannende Frage.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 22. Dez 2010, 17:13

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Keine Ahnung, wie Du einen Gott ausschließen willst.


Man kann – wie ich es tue – gegen den Pneumatotheismus (und damit insbesondere gegen den abrahamitischen Monotheismus des Judentums, Christentums und Islams) a priori argumentieren, dass es keine göttlichen Wesen geben kann, weil der Begriff eines unkörperlichen Geistes, einer unstofflichen Seele, einer immateriellen Person, einer spirituellen Substanz unsinnig und unverständlich, d.i. ein Unbegriff ist, unter den nichts Wirkliches fallen kann.

unter der Prämisse, dass sich das 'Sein des Seienden' nach den Gesetzen unserer Logik richten muss. Hat das eigentlich schon mal jemand bewiesen?
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 22. Dez 2010, 18:08

El Schwalmo hat geschrieben:Schon der Umstand, dass Du zu 'Gewissheit' auch noch 'Sicherheit' schreibst, zeigt, dass wir aneinander vorbeireden.


Inwiefern?

El Schwalmo hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Erstere besteht im vollkommenen, zweifelsfreien Überzeugtsein

Das meinte ich. Allerdings mit dem Hintergedanken, dass das kein Wahrheitskriterium ist.


Natürlich nicht.

El Schwalmo hat geschrieben:Wobei mir vollkommen schleierhaft ist, wie man feststellen könnnte, dass Irrtumsunmöglichkeit vorliegt.


Wenn keine Situation denk- oder vorstellbar ist, in der die eine Annahme A bestätigenden Beweise B vorliegen und es aber der Fall ist, dass ~A, dann ist ein Irrtum ausgeschlossen.

El Schwalmo hat geschrieben:Wobei ich mich frage, wie Du 'ist Wissen' jemals in empirischen Kontexten aufzeigen möchtest. Du wirst nie über 'gilt als Wissen' hinauskommen.


Tja, Wissen oder Scheinwissen, das ist hier die praktische Frage. Wissen wir wirklich oder glauben wir irrtümlicherweise zu wissen?

Myron hat geschrieben:Sobald Du eine Tatsache formulierst, ist sie menschengemacht. Sonst könntest Du sie gar nicht denken. Was dem in der 'Welt da draußen' entspricht, ist eine spannende Frage.


Aus der Geistes- und Sprachabhängigkeit von Tatsachendarstellungen, d.h. von wahren Gedanken oder Aussagen, folgt nicht die Geistes- oder Sprachabhängigkeit der dargestellten Tatsachen.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 22. Dez 2010, 18:11

El Schwalmo hat geschrieben:unter der Prämisse, dass sich das 'Sein des Seienden' nach den Gesetzen unserer Logik richten muss. Hat das eigentlich schon mal jemand bewiesen?


Willst du damit sagen, dass wir nichts a priori als logisch/ontologisch unmöglich ausschließen können?
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon ujmp » Mi 22. Dez 2010, 18:24

El Schwalmo hat geschrieben:Stelle eine beliebige Ursprungsfrage, und irgendwann bist Du beim Punkt 'wo kommt das her?'. Keine Ahnung, wie Du einen Gott ausschließen willst.


Was kann man schon wirklich ausschließen? Man kann auch nicht ausschließen, dass die Welt von einem Weihnachtsmann geschaffen wurde. Es gibt unendlich viele Vorstellungen, die sich nicht ausschließen lassen. Die Frage ist doch, wann es sich überhaupt lohnt, über eine dieser Vorstellungen nachzudenken. Das ist ein ökonomisches Problem. Mir scheint, dass die Frage nach "Gott" unfruchtbar ist und man mit ihrer Klärung unnötig Resourcen verschwendet. Wenn Agnostizismus bedeutet, dass man jeden Blödsinn im Hinterkopf behalten soll, bloß weil er sich nicht ausschließen lässt, möchte ich kein Agnostiker sein. - Jedenfalls würde mich mal interessieren, wieso die Frage nach "Gott" überhaupt als eine so wichtige Frage gilt. Mir scheint, dieser Frage wird viel zu viel Respekt entgegen gebracht.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 22. Dez 2010, 18:31

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:unter der Prämisse, dass sich das 'Sein des Seienden' nach den Gesetzen unserer Logik richten muss. Hat das eigentlich schon mal jemand bewiesen?

Willst du damit sagen, dass wir nichts a priori als logisch/ontologisch unmöglich ausschließen können?

als 'logisch unmöglich' kannst Du alles ausschließen, was innerhalb eines Systems aus den anerkannten Prämissen mit gültigen Schlussregeln nicht ableitbar ist. (Ich bin Laie, ich weiß nicht, ob der Gödel-Satz hier eine Rolle spielen könnte, ich habe mal angenommen, dass nicht.)

Ontisch sieht das vollkommen anders aus, denn da handelt es sich um interpretierte Kalküle. Das bedeutet, dass es Systeme geben könnte, die andere Prämissen einfordern oder sich gegen die Schlussregeln 'sperren'. Letztlich ist Logik ein Instrument des menschlichen Denkens. Wie sicher das das 'Sein des Seienden' (ab?)bildet, ist eine meiner Meinung nach offene Frage.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 22. Dez 2010, 18:36

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Schon der Umstand, dass Du zu 'Gewissheit' auch noch 'Sicherheit' schreibst, zeigt, dass wir aneinander vorbeireden.

Inwiefern?

weil für mich 'Sicherheit' nicht synonym mit 'Gewissheit' ist. Ich sehe diese Begriffe eher als Gegensatzpaar, im Sinne von objektiv - subjektiv.

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Wobei mir vollkommen schleierhaft ist, wie man feststellen könnnte, dass Irrtumsunmöglichkeit vorliegt.

Wenn keine Situation denk- oder vorstellbar ist, in der die eine Annahme A bestätigenden Beweise B vorliegen und es aber der Fall ist, dass ~A, dann ist ein Irrtum ausgeschlossen.

Oder Deine Phantasie hat versagt.

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Wobei ich mich frage, wie Du 'ist Wissen' jemals in empirischen Kontexten aufzeigen möchtest. Du wirst nie über 'gilt als Wissen' hinauskommen.

Tja, Wissen oder Scheinwissen, das ist hier die praktische Frage. Wissen wir wirklich oder glauben wir irrtümlicherweise zu wissen?

Eben. Wir hatten das schon mal mit JTB. Ich habe immer noch kein Argument gesehen, wie man 'T' in empirischen Kontexten sinnvoll einsetzen kann.

Myron hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Sobald Du eine Tatsache formulierst, ist sie menschengemacht. Sonst könntest Du sie gar nicht denken. Was dem in der 'Welt da draußen' entspricht, ist eine spannende Frage.

Aus der Geistes- und Sprachabhängigkeit von Tatsachendarstellungen, d.h. von wahren Gedanken oder Aussagen, folgt nicht die Geistes- oder Sprachabhängigkeit der dargestellten Tatsachen.

Nein. Aber wir haben keine Möglichkeit zu direkter Erkenntnis. Das Denken über einen Gegenstand ist nicht der Gegenstand. Allerdings können die Tatsachen auch nur sprachlichlich sein, beispielsweise mathematische Sätze. In der Natur 'gibt' es keinen Kreis.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 22. Dez 2010, 18:43

ujmp hat geschrieben:Wenn Agnostizismus bedeutet, dass man jeden Blödsinn im Hinterkopf behalten soll, bloß weil er sich nicht ausschließen lässt, möchte ich kein Agnostiker sein.


Die beiden Hauptbegründungen für den Agnostizismus als Neutralismus, d.h. als wohlüberlegte Glaubens- oder Urteilsenthaltung, als "entschiedene Unentschiedenheit":

1. Es gibt keine guten, rechtfertigenden Gründe für den Glauben an die Wahrheit des Theismus, und es gibt auch keine guten, rechtfertigenden Gründe für den Glauben an die Wahrheit des Antitheismus.

2. Es gibt gute, rechtfertigende Gründe für den Glauben an die Wahrheit des Theismus, und es gibt gute, rechtfertigende Gründe für den Glauben an die Wahrheit des Antitheismus; aber diese Gründe heben einander auf, sodass keine vernünftige Entscheidung getroffen werden kann.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 22. Dez 2010, 18:47

ujmp hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Stelle eine beliebige Ursprungsfrage, und irgendwann bist Du beim Punkt 'wo kommt das her?'. Keine Ahnung, wie Du einen Gott ausschließen willst.

Was kann man schon wirklich ausschließen? Man kann auch nicht ausschließen, dass die Welt von einem Weihnachtsmann geschaffen wurde. Es gibt unendlich viele Vorstellungen, die sich nicht ausschließen lassen. Die Frage ist doch, wann es sich überhaupt lohnt, über eine dieser Vorstellungen nachzudenken. Das ist ein ökonomisches Problem. Mir scheint, dass die Frage nach "Gott" unfruchtbar ist und man mit ihrer Klärung unnötig Resourcen verschwendet.

hier sind wir uns einig. Aber wir leben in einer Welt, in der Menschen leben, die anders denken als wir.

ujmp hat geschrieben:Wenn Agnostizismus bedeutet, dass man jeden Blödsinn im Hinterkopf behalten soll, bloß weil er sich nicht ausschließen lässt, möchte ich kein Agnostiker sein.

Ich auch nicht. Aber es geht um ernstere Fragen. Es hat in der Menschheitsgeschichte vermutlich lange gedauert, bis es Menschen gab, die sich eine Welt ohne Übernatur vorstellen konnten, und solche Menschen gibt es auch heute noch. Und, so merkwürdig das aus klingen mag, die sind uns intellektuell nicht unterlegen. Hier mit Teekesselchen im Orbit, 'wer schuf den Schöpfer' oder Osterhasen und Weihnachtsmännern zu 'argumentieren' scheint mir etwas insuffizient zu sein.

ujmp hat geschrieben: - Jedenfalls würde mich mal interessieren, wieso die Frage nach "Gott" überhaupt als eine so wichtige Frage gilt. Mir scheint, dieser Frage wird viel zu viel Respekt entgegen gebracht.

Müsste eigentlich klar sein: es laufen Milliarden Menschen herum, für die diese Frage wichtig ist. Hoffen wir, dass Zeiten kommen, in denen das anders ist. Aber, ganz unter uns, ich werde dann immer noch Agnostiker sein.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 22. Dez 2010, 18:57

Myron hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Wenn Agnostizismus bedeutet, dass man jeden Blödsinn im Hinterkopf behalten soll, bloß weil er sich nicht ausschließen lässt, möchte ich kein Agnostiker sein.


Die beiden Hauptbegründungen für den Agnostizismus als Neutralismus, d.h. als wohlüberlegte Glaubens- oder Urteilsenthaltung, als "entschiedene Unentschiedenheit":

1. Es gibt keine guten, rechtfertigenden Gründe für den Glauben an die Wahrheit des Theismus, und es gibt auch keine guten, rechtfertigenden Gründe für den Glauben an die Wahrheit des Antitheismus.

2. Es gibt gute, rechtfertigende Gründe für den Glauben an die Wahrheit des Theismus, und es gibt gute, rechtfertigende Gründe für den Glauben an die Wahrheit des Antitheismus; aber diese Gründe heben einander auf, sodass keine vernünftige Entscheidung getroffen werden kann.

man kann noch einen Schritt weiter gehen: Diese Gründe heben sich keineswegs auf, man kann als vernünftige Entscheidung vertreten an (k)einen Gott zu glauben. Als Agnostiker muss man nicht neutral sein. Denn das würde im täglichen Leben auf den Buridanschen Esel hinauslaufen. Für den Agnostizismus genügt der Restzweifel.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 22. Dez 2010, 19:15

El Schwalmo hat geschrieben:Als Agnostiker muss man nicht neutral sein. Denn das würde im täglichen Leben auf den Buridanschen Esel hinauslaufen. Für den Agnostizismus genügt der Restzweifel.


Ich habe oben bereits zwischen agnostisch-neutralen und agnostisch-nichtneutralen Atheisten unterschieden, was meiner weiteren Unterscheidung zwischen glaubensagnostischen und wissensagnostischen Atheisten entspricht. Wenn das Wort "Agnostiker" in der Reihe "Theist - Agnostiker - Antitheist" auftaucht, dann sind damit die Glaubensagnostiker, d.h. die Neutralisten gemeint. Und überhaupt wird "Agnostiker" im außerakademischen Sprachgebrauch nur sehr selten auf wissensagnostische Theisten oder wissensagnostische Antitheisten bezogen. In der Regel sind damit neutrale Atheisten gemeint, die weder Theisten noch Antitheisten sind.

"In the popular sense, an agnostic is someone who neither believes nor disbelieves in God, … ."

(Rowe, William L. "Agnosticism." In Routledge Encyclopedia of Philosophy, vol. 1, edited by Edward Craig, 121-123. London: Routledge, 1998. p. 121)
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Zappa » Mi 22. Dez 2010, 19:47

Arathas hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Stelle eine beliebige Ursprungsfrage, und irgendwann bist Du beim Punkt 'wo kommt das her?'. Keine Ahnung, wie Du einen Gott ausschließen willst.


Auch hier gilt für mich: Warum ausschließen? Wenn ich auf eine Frage erstmal keine Lösung weiß, dann suche ich weiter - und postuliere keine Antworten, die auf persönlichen Vermutungen oder ausgedachten Möglichkeiten beruhen, weil das völliger Unsinn wäre, da ich ja wie gesagt die Lösung nicht kenne.


Mmmh, ich denke Arathas hat hier recht. Es ist ein logisch unerlaubtes Konstrukt eine einfach nur mögliche Antwortmöglichkeit für eine nicht zu lösendes Problem einzuführen. Man mag dies psychologisch durchgehen lassen, aber es kann sehr unangenehme Folgen haben dies zu akzeptiren.

Wenn ich alles richtig verstanden habe, war Russel ähnlicher Meinung:

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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 22. Dez 2010, 21:23

El Schwalmo hat geschrieben:weil für mich 'Sicherheit' nicht synonym mit 'Gewissheit' ist. Ich sehe diese Begriffe eher als Gegensatzpaar, im Sinne von objektiv - subjektiv.


Nach meinem Sprachverständnis können sowohl "Sicherheit" als auch "Gewissheit" im subjektiven und im objektiven Sinn gebraucht werden.

El Schwalmo hat geschrieben:Oder Deine Phantasie hat versagt.


Zugegeben, es mag wohl sein, dass das menschliche Vorstellungsvermögen begrenzt und die Menge des Seinsmöglichen umfassender ist als die Menge des Denkmöglichen. In diesem Fall wäre die Undenkbarkeit oder Unvorstellbarkeit einer Sachlage kein zwingender Beweis der Unmöglichkeit derselben.

El Schwalmo hat geschrieben:Ich habe immer noch kein Argument gesehen, wie man 'T' in empirischen Kontexten sinnvoll einsetzen kann.


Und ich habe noch kein plausibles Argument gesehen, wie man bei der Definition des Wissensbegriffs sinnvoll auf den Wahrheitsbegriff verzichten kann. Den Vorschlag, bereits Wahrheitsnähe für eine hinreichende Bedingung zu erachten, lehne ich ab. Wer glaubt, dass 1+1=3, ist zwar nahe an der Wahrheit dran, aber man kann nicht sinnvoll behaupten, dass er deshalb wisse, dass 1+1=3. Denn knapp vorbei ist auch daneben!

El Schwalmo hat geschrieben:Aber wir haben keine Möglichkeit zu direkter Erkenntnis.


Falls das heißen soll, dass wir immer nur geistige Bilder der Wirklichkeit wahrnehmen und niemals die Wirklichkeit selbst, dann bin ich anderer Meinung.

El Schwalmo hat geschrieben:Allerdings können die Tatsachen auch nur sprachlichlich sein, beispielsweise mathematische Sätze.


Dann sind Tatsachen aber nichts weiter als wahre Aussagesätze.
(Es gibt natürlich sprachliche Tatsachen in dem Sinne, dass es die Sprache(n) betreffende Tatsachen gibt.)

El Schwalmo hat geschrieben:In der Natur 'gibt' es keinen Kreis.


Aber (unvollkommen) kreisförmige Dinge.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 22. Dez 2010, 21:58

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:weil für mich 'Sicherheit' nicht synonym mit 'Gewissheit' ist. Ich sehe diese Begriffe eher als Gegensatzpaar, im Sinne von objektiv - subjektiv.

Nach meinem Sprachverständnis können sowohl "Sicherheit" als auch "Gewissheit" im subjektiven und im objektiven Sinn gebraucht werden.

hmmm, vermutlich hast Du das bessere Sprachverständnis, ich habe mich noch nie intensiver mit Linguistik etc. befasst.

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Oder Deine Phantasie hat versagt.

Zugegeben, es mag wohl sein, dass das menschliche Vorstellungsvermögen begrenzt und die Menge des Seinsmöglichen umfassender ist als die Menge des Denkmöglichen. In diesem Fall wäre die Undenkbarkeit oder Unvorstellbarkeit einer Sachlage kein zwingender Beweis der Unmöglichkeit derselben.

Schön, dass wir uns hier einig sind.

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Ich habe immer noch kein Argument gesehen, wie man 'T' in empirischen Kontexten sinnvoll einsetzen kann.

Und ich habe noch kein plausibles Argument gesehen, wie man bei der Definition des Wissensbegriffs sinnvoll auf den Wahrheitsbegriff verzichten kann. Den Vorschlag, bereits Wahrheitsnähe für eine hinreichende Bedingung zu erachten, lehne ich ab. Wer glaubt, dass 1+1=3, ist zwar nahe an der Wahrheit dran, aber man kann nicht sinnvoll behaupten, dass er deshalb wisse, dass 1+1=3. Denn knapp vorbei ist auch daneben!

Du kennst sicher den Mathematiker-Witz 2 +2 = 5 (für seeeeehr große Werte von 2).

Nein, im Ernst, wir reden von zwei Ebenen. Du auf der Ebene des sinnvollen Sprechens, ich von der des Feststellens, ob etwas der Fall ist. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass 'wahr' im Sinne von 'wird sich nie mehr ändern' verstanden werden kann. Die Winkelsumme im ebenen Dreieck wird wohl ewig 180 Grad bleiben, wenn man die üblichen Begriffe verwendet. Aber im Bereich der Naturwissenschaften kann sich viel ändern, wenn man nur lange genug wartet. Selbst Sachverhalte, die man als geklärt ansah.

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Aber wir haben keine Möglichkeit zu direkter Erkenntnis.

Falls das heißen soll, dass wir immer nur geistige Bilder der Wirklichkeit wahrnehmen und niemals die Wirklichkeit selbst, dann bin ich anderer Meinung.

Hmmm, wie willst Du mit einem Gehirn, das mit Ionenströmen über Neuronenmembranen funktioniert, die Wirklichkeit wahrnehmen? Kommt ein Gegenstand in Dein Gehirn?

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Allerdings können die Tatsachen auch nur sprachlichlich sein, beispielsweise mathematische Sätze.

Dann sind Tatsachen aber nichts weiter als wahre Aussagesätze.

Könnte man so sehen, wenn man wüsste, dass sie wahr sind.

Myron hat geschrieben:(Es gibt natürlich sprachliche Tatsachen in dem Sinne, dass es die Sprache(n) betreffende Tatsachen gibt.)

Klar, aber das ist ein anderer Thread.

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:In der Natur 'gibt' es keinen Kreis.

Aber (unvollkommen) kreisförmige Dinge.

Oben schriebst Du, dass knapp vorbei auch daneben ist. Mein Punkt ist, dass es Denken über Dinge und Dinge gibt. Das Verhältnis zwischen beiden scheint mir recht unbestimmt zu sein. Im Mesokosmos sieht es vielleicht besser aus, eben weil unser Gehirn in Jahrmillionen Selektion bestimmte 'Einsichten' erworben hat. Die mögen 'passen', aber ob sie 'stimmen'?
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