Argumente für den Naturalismus

Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Di 1. Feb 2011, 08:48

Myron hat geschrieben:Nein, ich vertrete keinen monopolistischen ontologischen Szientismus, sondern nur die Auffassung, dass die Erfahrungswissenschaften und ihre Erkenntnisse durchaus ontologisch relevant sind, wenn es um die Frage geht, was in der konkreten Realität existiert und was nicht.


Dass es den Erfahrungswissenschaften noch nie gelungen ist, etwas aus der Perspektive der 3. Person Unbeobachtbares aus der Perspektive der 3. Person zu beobachten, dürfte allerdings niemanden verwundern.
Wenn der Substanzdualismus wahr ist, dann bin ich selbst eine immaterielle Substanz, die nur introspektiv aus der Perspektive der 1. Person beobachtet werden kann. Objektivistische wissenschaftliche Methoden laufen dann logischerweise ins Leere.
(Herrje, jetzt fang auch ich schon an, advocatus diaboli zu spielen! :^^: )
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Di 1. Feb 2011, 09:26

Grotemson hat geschrieben:Außerdem haut mich keines der positiven Argumente bisher auch nur ansatzweise vom Hocker.


"Ich sagte, ich würde den Andern 'bekämpfen', – aber würde ich ihm denn nicht Gründe geben? Doch; aber wie weit reichen die? Am Ende der Gründe steht die Überredung. (Denke daran, was geschieht, wenn Missionäre die Eingeborenen bekehren.)"

(Ludwig Wittgenstein, Über Gewissheit, §612)
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Di 1. Feb 2011, 09:41

Myron hat geschrieben:Es geht also letztlich um die Frage, ob die Kategorie <hyperphysische Entität>, d.i. <Entität, die keine physische Entität ist und von physischen Entitäten ontisch und genetisch unabhängig ist> leer ist oder nicht.


x ist von y ontisch abhängig / x ist von Yen ontisch abbhängig / Xe sind von Yen ontisch abbhängig
=def
In allen möglichen Welten gilt: x existiert nur dann, wenn y existiert / x existiert nur dann, wenn mindestens ein Y existiert / Xe existieren nur dann, wenn mindestens ein Y existiert

x ist von y genetisch abhängig / x ist von Yen genetisch abbhängig / Xe sind von Yen genetisch abbhängig
=def
In allen möglichen Welten gilt: x existiert nur dann, wenn es von y produziert worden ist / x existiert nur dann, wenn es von mindestens einem Y produziert worden ist / Xe existieren nur dann, wenn mindestens ein X von mindestens einem Y produziert worden ist

(Eine ewige, unerschaffene Entität, die zu keinem Zeitpunkt in der Vergangenheit nicht existiert hat, ist logischerweise von nichts genetisch abhängig.)
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon mat-in » Di 1. Feb 2011, 09:42

Geht es hier eigentlich um die Diskussion Naturalismus vs. Theismus? Oder was ist die "Gegenseite"?
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Di 1. Feb 2011, 09:47

mat-in hat geschrieben:Geht es hier eigentlich um die Diskussion Naturalismus vs. Theismus? Oder was ist die "Gegenseite"?


Naturalismus vs. Antinaturalismus (Nonnaturalismus/Supernaturalismus)

Ganz einfach, oder?

Wenn ich ihn richtig verstehe, dann plädiert Grotemson aber nicht für den Antinaturalismus, sondern für den Agnostizismus/Neutralismus, d.h. für die Ansicht, dass sich weder der Glaube an den Naturalismus noch der Glaube an den Antinaturalismus rechtfertigen lassen.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon mat-in » Di 1. Feb 2011, 11:24

Einen wirklich Wertneutralen Agnostizismus? 50% Wahrscheinlichkeit für beide Seiten? Mit der Aussicht, das wir es nie werden klären können? :lachtot:
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Mi 2. Feb 2011, 06:09

Eine Verteidigung des Naturalismus (leider wieder nur auf Englisch – sorry!):

* Forrest, Barbara. "Methodological Naturalism and Philosophical Naturalism: Clarifying the Connection." Philo 3, no. 2 (2000): 7-29.

"Abstract: In response to the charge that methodological naturalism in science logically requires the a priori adoption of a naturalistic metaphysics, I examine the question whether methodological naturalism entails philosophical (ontological or metaphysical) naturalism. I conclude that the relationship between methodological and philosophical naturalism, while not one of logical entailment, is the only reasonable metaphysical conclusion given (1) the demonstrated success of methodological naturalism, combined with (2) the massive amount of knowledge gained by it, (3) the lack of a method or epistemology for knowing the supernatural, and (4) the subsequent lack of evidence for the supernatural. The above factors together provide solid grounding for philosophical naturalism, while supernaturalism remains little more than a logical possibility."

Die Autorin erklärt auf nachvollziehbare und verständliche Weise, inwieweit der Schritt von der Methodologie zur Ontologie gerechtfertigt ist.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Mi 2. Feb 2011, 06:15

Myron hat geschrieben:ARGUMENTE FÜR DEN METAPHYSISCHEN NATURALISMUS:
1. Erklärungserfolg naturwissenschaftlicher Theorien und deren Anwendungserfolg in der Praxis (Technologie).


Hier das Argument in expliziter logischer Form:

1. Alle (erklärungs-, vorhersage-, anwendungsmäßig) erfolgreichen wissenschaftlichen Theorien enthalten ausschließlich naturalistische Annahmen. [Prämisse]

2. Wenn alle erfolgreichen wissenschaftlichen Theorien ausschließlich naturalistische Annahmen enthalten, dann ist es wahr/wahrscheinlich, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen natürliche Ursachen haben. [Prämisse]

3. Es ist wahr/wahrscheinlich, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen natürliche Ursachen haben. [aus 1+2 modus ponens]

4. Wenn es wahr/wahrscheinlich ist, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen natürliche Ursachen haben, dann ist es wahr/wahrscheinlich, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen ausschließlich natürliche Ursachen haben. [Prämisse]

5. Es ist wahr/wahrscheinlich, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen ausschließlich natürliche Ursachen haben (d.h. dass es keine verborgenen, unbeobachtbaren übernatürlichen Neben- oder Zusatzursachen gibt). [aus 3+4 modus ponens]

6. Wenn es wahr/wahrscheinlich ist, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen ausschließlich natürliche Ursachen haben, dann ist es wahr/wahrscheinlich, dass die natürliche Welt kausal geschlossen ist. [Prämisse]

7. Es ist wahr/wahrscheinlich, dass die natürliche Welt kausal geschlossen ist. [aus 5+6 modus ponens]

8. Wenn es wahr/wahrscheinlich ist, dass die natürliche Welt kausal geschlossen ist, dann ist es wahr/wahrscheinlich, dass die natürliche Welt die ganze Welt, die gesamte Wirklichkeit ist. [Prämisse]

9. Es ist wahr/wahrscheinlich, dass die natürliche Welt die ganze Welt, die gesamte Wirklichkeit ist. [7+8 modus ponens]

10. Wenn es wahr ist, dass die natürliche Welt die ganze Welt, die gesamte Wirklichkeit ist, dann ist der Naturalismus wahr/wahrscheinlich. [Prämisse]

11. Der Naturalismus ist wahr/wahrscheinlich. [9+10 modus ponens]

Q.E.D.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon stine » Mi 2. Feb 2011, 07:51

Sehr schön Myron! :up:
Und durchaus für jedermann nachvollziehbar.
Der ewige Zweifler würde jetzt sagen, Punkt 7 bis 10 ist der Hinweis auf ein geschlossenes System, in dem 11 gilt.
Was aber ist, wenn es außerhalb dieses Systems auch noch was gibt?
Was wir nicht erkennen und niemals erfahren werden?
Gut, dann könnte man sagen, dann hat es auch für uns keine Relevanz.
Aber soll die Spekulation darüber nun bleiben oder nicht?

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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Mi 2. Feb 2011, 08:31

Myron hat geschrieben:
4. Wenn es wahr/wahrscheinlich ist, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen natürliche Ursachen haben, dann ist es wahr/wahrscheinlich, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen ausschließlich natürliche Ursachen haben. [Prämisse]

8. Wenn es wahr/wahrscheinlich ist, dass die natürliche Welt kausal geschlossen ist, dann ist es wahr/wahrscheinlich, dass die natürliche Welt die ganze Welt, die gesamte Wirklichkeit ist. [Prämisse]


Ich vermute, dass die Nichtnaturalisten vor allem über diese beiden Prämissen herfallen werden. Sie werden einwenden, dass diese stillschweigend die Schlussfolgerung, d.i. die Wahrheit/Wahrscheinlichkeit des Naturalismus voraussetzten.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon stine » Mi 2. Feb 2011, 08:44

Myron hat geschrieben:[b]…
4. Wenn es wahr/wahrscheinlich ist, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen natürliche Ursachen haben, dann ist es wahr/wahrscheinlich, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen ausschließlich natürliche Ursachen haben. [Prämisse]

Zweifler könnten auch sagen: Wenn es wahr/wahrscheinlich ist, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen natürliche Ursachen haben, dann ist es wahr/wahrscheinlich, dass wir nur die natürlichen Ursachen erkennen und erklären können.

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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon mat-in » Mi 2. Feb 2011, 12:13

Na ja, was die Wahrscheinlichkeit des Naturalismus angeht brauchen wir uns nicht streiten, die ist verdammt hoch. Das empirische Versuche von allen Theisten abgelehnt werden mit so bizarren Begründungen wie "Gott reagiert nicht auf gebete, wenn für Kranke nur gebetet wird, weil man einen Feldversuch macht liegt wohl einzig darin begründet, das sie keinerlei Effekt gezeigt haben. Bei einem positiven Resultat - einem einzigen positiven resultat - würde das mit Sicherheit direkt anders klingen. Auch aussagekräftig: die meisten Zweifler äußerten NACH dem Versuch Zweifel und Erklärungsversuche, warum das beten hier nicht hilft. Wissenschaftlich wäre gewesen, diese Zweifel VOR dem versuch zu äußern und dann die veränderte Hypothese zu überprüfen... "Aber 100% ist eben nie irgend eine Wahrscheinlichkeit.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon stine » Mi 2. Feb 2011, 12:48

mat-in hat geschrieben:...wenn für Kranke nur gebetet wird, weil man einen Feldversuch macht liegt wohl einzig darin begründet, das sie keinerlei Effekt gezeigt haben.
Naja, der naturalistische Christ hat das Gebet längst durch Fürsorge ersetzt und das funktioniert. :mg:

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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Arathas » Mi 2. Feb 2011, 13:42

Wie ich in nem anderen Thread schon schrieb: Religionen sind für Menschen gemacht, nicht für Götter. ;-) Natürlich hilft es dem Kranken nicht, wenn jemand (der ihn pflegt) zu Gott betet, dass der Kranke gesunden solle. Aber das Gebet kann dem, der den Kranken pflegt, dabei helfen, weiterzumachen und nicht aufzugeben. Das Beten hilft in dem Falle schon auch dem Kranken, aber halt nur indirekt.

Zumindest kann ich mir vorstellen, dass Beten für manche Leute so einen Effekt hat. Man spricht sich selbst Mut zu, auch - und gerade - in aussichtslosen Situationen. Ist ja egal, dass das Gebet an einen imaginären Gott gerichtet ist, solange es dem Menschen hilft.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon mat-in » Mi 2. Feb 2011, 14:41

stine hat geschrieben:
mat-in hat geschrieben:...wenn für Kranke nur gebetet wird, weil man einen Feldversuch macht liegt wohl einzig darin begründet, das sie keinerlei Effekt gezeigt haben.
Naja, der naturalistische Christ hat das Gebet längst durch Fürsorge ersetzt und das funktioniert.

Die funktioniert auch ohne Gott ;)

Abzuwarten ob die Studie positive Ergebnisse bringt, und sich dann das Negativergebniss nachträglich zurecht zu biegen, das es einem sogar "noch besser paßt als ein positives" ... wenn es nicht um Religion gehen würde, käme man mit einer derartigen Wahrnehmungsstörung in eine Anstalt.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Arathas » Mi 2. Feb 2011, 15:02

Ich finde, du hast schon Recht, mat-in - prinzipiell.

Aaaber ... du kannst noch so viele tolle Studien zu einem Thema haben, für den einzelnen Menschen zählt immer die Eigenerfahrung am meisten. Und wenn jemand gute Erfahrungen mit dem Beten gemacht hat, warum soll er dann einer Studie glauben, die seinen Erfahrungen zuwiderläuft? Oder auch tausend Studien. Völlig egal in dem Moment, in dem man glaubt, im Recht zu sein, weil die eigene Erfahrung es einem so sagt.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon mat-in » Mi 2. Feb 2011, 19:55

Für viele Menschen ist das so... aber das ist dann a in keiner Weise wissenschaftlich, sondern rein subjektiv, abergläubisch, ... wer mal festgestellt hat, das es eben nicht immer so ist wie es auf den ersten Blick scheint, und wer bemerkt hat, daß andere Leute auch eine andere Wahrnehmung haben, wird schon früher oder später bei der Wissenschaft vorbei kommen - es sei denn, sein Weltbild ist derart verschoben, daß es so etwas wie kausalität schon nicht mehr zuläßt.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Grotemson » Sa 5. Feb 2011, 19:09

Ich möchte eingangs darauf hinweisen, dass ich auch bereits dabei bin, die anderen Beiträge dieses Threads zu lesen. Trotzdem möchte ich sie chronologisch beantworten.
Myron hat geschrieben:Natürlich ist, was Teil der Natur ist; und die Natur ist das Materie-Energie-Raum-Zeit-System (MERZ) mit all seinen autonom produzierten Phänomenen.

Das heißt, was weder physisch noch von physischen Entitäten ontisch und genetisch abhängig ist, ist nicht natürlich


Mir ist das immer noch unklar. So wie ich es sehe, ist diese Aussage auf zwei Arten zu lesen.
1. Trivial. Was du damit ja eigentlich nur sagst, ist, dass alles existiert. Und das ist so ungefähr der "analytischte" Satz den ich kenne(A curios thing about the ontological problem is its simplicity. It can be put in two anglo-sachson monosyllables: What is there? It can be answered moreover, in a word: Everything.--Quine, On what there is, zitiert aus Gedächtnis). Es gibt nichts, was außerhalb des ominösen MERZ liegen könnte. Und es gibt- außer einer Sonderposition- auch keine "Supernaturalistische" Position, die das leugnen würde. Auch die Naturgeister von Südseevölkern sind in die kausalen Zusammenhang dieses Universums eingebunden. Sie bringen Vulkane zum Ausbruch. Sie lassen die Sonne auf- und untergehen. Auch die geistigen Entitäten, die von Dualisten postuliert werden, sind in die energetischen-kausalen Zusammenhänge involviert. Sie wirken sich auf Hirn und Körper aus. Sie steuern uns durch die Welt. Sogar semantische Referenzrelationen sind kein Problem mehr, solange sie nur mit kausaler Wirksamkeit erklärt werden können, was unbestrittenerweise funktioniert.
In dieser Lesart gibt es tatsächlich nur eine Position, die nicht naturalistisch ist: Jener Theismus, der von einem extramundanen Gott ausgeht. Und selbst da bin ich skeptisch: Denn wie weit ersteckt sich denn MERZ? Welches sind die Kriterien, die etwas "nicht MERZ" machen? Ist MERZ nicht eigentlich so konstruiert, dass wirklich ALLES irgendwie hinein passt?
Die Problematik, was es gibt, persistiert in dieser Forumlierung natürlich. Dass MERZ alles ist, ist klar. Worüber wir uns ja streiten, ist, was alles zu MERZ gehört. Da uns viele Dinge, die in MERZ angenommen werden können, epistemisch nicht zugänglich sind, ist die Frage, wie wir sie am besten interpretieren.
Natürlich ist genau das, nämlich, dass plötzlich alles naturalistisch ist, das, was der Naturalist nicht will. Daraus ergit sich für mich Lesart 2:
2. Materialistisch. Dass nur physische Entitäten zu MERZ gehören, unterstellst du in deinem Zitat einfach. Wenn aber nur physische Entitäten zu MERZ gehören können, dann behauptest du, dass letztlich alles auf Materielles reduzibel ist. Und zwar ontologisch reduzibel. Der Materialismus aber, sieht sich nicht nur von philosophischer Seite mit einigen schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert. Ich mache darauf aufmerksam, dass es mittlerweile sehr plausible Ansätze in der Quantenmechanik gibt, die die Konsequenz ziehen, dass es gar keine Materie gibt.

Vielleicht bin ich wirklich nur zu blöd, um zu verstehen, was mit Naturalismus gemeint ist. Wenn dem so ist, entschuldige ich mich. Aber ich brauche da einfach Erläuterung.




Myron hat geschrieben:Wenn ich es richtig sehe, dann leugnet der Antirealist aber nicht, dass erfolgreiche technische Anwendbarkeit zumindest empirische Angemessenheit voraussetzt; und wenn es um die beobachteten bzw. beobachtbaren Erscheinungen geht, decken sich Angemessenheit und Wahrheit:

"The distinction between truth and empirical adequacy, and hence between realism and constructive empiricism, is a subtle one. For theories about the observable, truth and empirical adequacy coincide. For theories about the unobservable, truth entails empirical adequacy but not vice versa: such a theory may be empirically adequate yet false."

(Musgrave, Alan. Essays on Realism and Rationalism. Amsterdam: Rodopi, 1999. p. 107)

"Empirical adequacy: Property of theories in virtue of which they save the phenomena. A theory is empirically adequate if and only if all of its observational consequences are true."

(Psillos, Stathis. Philosophy of Science A–Z. Edinburgh: Edinburgh University Press, 2007. p. 76)

Der Antirealist leugnet den Zusammenhang zwischen empirischen Erfolg(Anwendbarkeit, große explanatorische Kraft, sowohl was Vorhersage, als auch was die Erklärung bereits existierender Phänomene betrifft) und Wahrheit der Theorie. Es stimmt auch, dass das meistens aus rein epistemologischen Gründen geschieht: Bei Theorien über Unbeobachtbares, Unbeobachtetes oder nur mittelbar zu Beobachtendes läuten skeptische Alarmglocken, wenn es darum geht, einer Theorie darüber Wahrheit zuzusprechen. Ich schätze, dass dem meist gleichzeitig ein sehr realistisches Wahrheitsverständnis zugrunde liegt und eine Abneigung gegen jedwede "Epistemisierung" der Wahrheit in Form von Kohärenz, Verfikation etc. Bei mir zumindest ist das ganz klar so.
Du hast Recht, dass der Antirealist bei Theorien über direkt Beobachtbares ins evtl. Schwitzen gerät. Es gibt ein Argument gegen den Antirealismus, das ihm Selektion vorwirft, indem es versucht, die Grenze zwischen Beobachtbarkeit und Nichtbeobachtbarkeit verwischt. Ich glaube, man kann dieses Argument auch umdrehen: Gerade weil man nicht genau weiß, ab wann Etwas tatsächlich beobachtbar ist, könnte man gegenüber allen Theorien eine skeptische Haltung einnehmen, was ihren Wahrheitsgehalt betrifft.
Ich weise aber daraufhin, dass dieser Angriff gegen den Antirealismus für das Argument für den Naturalismus nichts bringt. Der Antirealismus unterminiert das Argument hier ja insofern, als er die Prämisse des empirischen Erfolgs der Theorien und den Schluss auf deren Wahrheit angreift. Diese Prämisse wiederum ist eingebunden in die Behauptung, dass Naturalismus "Alles" wahr beschreibt. Zumindest aber bei Theorien über unbeobachtete Dinge- und die wirklich großen Theorien- handeln über Unbeobachtbares- lassen sich Wahrheit und empirischer Erfolg klar trennen. Das naturalistische Argument muss also wirklich auf alle Theorien Wahrheitsanspruch erheben, und zumindest eine Teilmenge davon, kann der ntirealismus klar leugnen.(Wie es mit den Theorien über Beobachtbares aussieht, wäre eine längere Diskussion).

Myron hat geschrieben:Wenn ich es richtig sehe, dann verpflichtet einen eine angemessene = wahre Theorie über Beobachtbares durchaus zum Glauben an die Wirklichkeit ihrer Setzungen. Das heißt, wenn z.B. eine beobachtungsangemessene biologische Theorie die Existenz einer bestimmten (beobachtbaren) Tierart impliziert, dann darf und soll man daran glauben, dass es diese wirklich gibt.

Wie gesagt: Längere Diskussion, aber generell: Ja. Nur ergibt sich ja hier gar nicht die Problematik der epistemischen Zugänglichkeit, die bei Unbeobactbarem zu der Trennung von Wahrheit und emp. Erfolg führt.

Myron hat geschrieben:Ich bin kein Wissenschaftshistoriker oder -theoretiker, aber jene strenggenommen falschen Theorien müsste man sich im Einzelnen ansehen, um beurteilen zu können, ob es nicht doch ihre Wahrheitsnähe oder -ähnlichkeit ist, die ihre technologische Nützlichkeit erklärt. Zwar ist knapp vorbei auch daneben, aber falsche Theorien unterscheiden sich schon darin, wie weit sie von der Wirklichkeit entfernt sind.

Fast alle Wissenschaftsrealisten sind Fallibilisten, und sie differenzieren sehr wohl zwischen wahren, wahrscheinlichen und wahrheitsnahen (annäherungsweise wahren) Theorien; und wenn die Beweislage allzu schwach und uneindeutig ist, dann bleiben sie (vorübergehend) neutral. Aber sie sind insofern Optimisten, als sie aus der Tatsache, dass selbst die bestbestätigten Theorien fehlbar sind und sich bereits eine Reihe von Theorien im Nachhinein als falsch erwiesen haben, nicht folgern, dass von der tatsächlichen Falschheit aller gegenwärtigen Theorien auszugehen ist.

Ich weiß nicht, was ich von "Wahrheitsnähe" halten soll. Ich bin in dieser Hinsicht recht konservativ und möchte mich nicht von meinem Bivalenzprinzip trennen, was, wie es mir vorkommt, die Konsequenz der Akzeptanz des Begriffes von "Wahrheitsnähe" wäre. Man könnte aber evtl. sagen, dass Wahrheitsnähe definiert wird, durch die Anzahl der konjunkten Terme im Allquantor der Theorie, die wahr sind. Nur so ein Gedanke.
Wir entfernen uns aber von der Haltbarkeit des Naturalismus. Bzw von Agumenten gegen oder für ihn. Meine These war: Es gibt Theorien, die empirisch adequat waren, aber mit fortschreitender Ausarbeitung von Logik und Experiment falsifiziert wurden. Larry Lauden nennt unter anderem:

-the crystalline spheres of ancient and medieval astronomy;
-the humoral theory of medicine;
- the effluvial theory of static electricity;
-'catastrophist' geology, with its commitment to a universal
(Noachian) deluge;
- the phlogiston theory of chemistry;
-the caloric theory of heat;
-the vibratory theory of heat;
-the vital force theories of physiology;
-the electromagnetic aether;
-the optical aether;
-the theory of circular inertia;
-theories of spontaneous generation.


(Larry Laudan, A confutation of Convergent Realism, Philosophy of science, Vol. 48, No 1(1981), S. 33)

Myron hat geschrieben:Eine Wirklichkeitsbeschreibung ist aber nur dann gut, wenn sie die Wirklichkeit zutreffend oder zumindest annäherungsweise zutreffend beschreibt.

Ich bezog mich hier auf die "empirische Wirklichkeit", also die Phänomene, die uns gegeben sind, und von denen wir dann auf unbeobachtbare(oder mittelbar) Vorgänge im Mikro, Nano oder Astro-Bereich schließen.

Myron hat geschrieben:Die Tatsache, dass der theoretische und praktische Erfolg keiner einzigen erfolgreichen wissenschaftlichen Theorie – egal ob man sie nur als angemessen oder auch als wahr bezeichnet – von der Setzung irgendwelcher übernatürlicher Akteure abhängt, die das Naturgeschehen als verborgene, unbeobachtbare Ursachen beeinflussen, spricht zwar zunächst nur für die Annahme, dass es keine innerhalb der beobachtbaren Natur aktiven übernatürlichen Wesen gibt, aber sie erhöht auch die Glaubwürdigkeit der weiteren Annahme, dass der Grund ihrer Inaktivität ihre Inexistenz ist.

Das ist aber eben keine Tatsache. Viele der oben genannten Theorien gehen zum Beispiel sehr wohl von Annahmen aus, die du wahrscheinlich übernatürlich nennen würdest. Außerdem argumentierst du jetzt wieder für einen rein negativ bestimmten Naturalismus, auf dessen Probleme ich bereits hingewiesen habe. Vielleicht erhöht ja der praktische Erfolg wissenschaftlicher Theorien wirklich die "Glaubwürdigkeit" eines negativ bestimmten Nat.. Aber weder zeigt es, dass der Nat. wahr ist, noch, dass der Theismus falsch ist. Ich würde dir aber natürlich so weit zustimmen zu sagen, dass man evtl. keine theistischen Annahmen zur adequaten Beschreibung der empirischen Realität benötigt, aber das ist kein Kriterium für Existenz oder Nichtexistenz oder Wahrheit des Nat.


Myron hat geschrieben:Gut, zu jeder beobachtungsangemessenen Theorie lassen sich x-beliebige übernatürliche Faktoren hinzudichten. Ich könnte z.B. zu einer physikalischen Theorie der Stabilität von Atomen die supernaturalistische Annahme hinzufügen, dass die natürlichen Bindungskräfte nicht ausreichen, um Atome zusammenzuhalten, und es deshalb zusätzlich erforderlich ist, dass es zu jedem Atom einen Engel gibt, der rund um die Uhr an es denkt, weil Atome sofort auseinandergerissen werden, wenn kein Engel an sie denkt.
Es wäre aber absurd, dieses Szenario allein deshalb ernsthaft in Betracht zu ziehen, weil es nicht rein logisch ausgeschlossen werden kann.

Ja, das stimmt und ich würde dir da auch zustimmen. Aber im Moment geht es nicht darum, ob die Anreicherung naturwissenschaftlicher Theorien mit Annahmen "übernatürlicher" Akteure Sinn macht. Es geht um die Wahrheit des Nat. Mit der Textpassage, auf die sich dein Zitat bezieht, wollte ich den Gedankengang des Antirealisten plausibel machen, dass es im Prinzip auch keine Atome geben könnte, sondern irgendwelche anderen Entitäten oder Kräfte, mit denen man die Phänomene, die jetzt mit Atomen erklärt werden, auch anders erklären kann. Eventuell wäre es tatsächlich absurd, derartige Annahmen in Betracht zu ziehen, nur weil es nicht logisch ausgeschlossen ist. Genauso absurd wäre es jedoch, einfach die Wahrheit der jeweiligen Theorien und damit die des Naturalismus anzunehmen, nur weil die Alternativen absurd anmuten und man im Moment die empirische Wirklichkeit ganz gut damit beschreiben kann.
Außerdem gibt es andere Bereiche, die viel umstrittenen Neurowissenschaften zum Beispiel, in deren Erklärungsschemata ein immaterieller Akteur durchaus Sinn machen würde, um die immer noch immensen explanatorischen Lücken sinnvoll zu füllen.
Engel als Beispiel zu nehmen ist natürlich eine kluge rhetorische Strategie, um derlei Hypothesen generell absurd klingen zu lassen. Die Frage ist, ob das Postulat von Atomen, Quanten und schließlich niemals beobachtbaren Strings nicht genauso absurd ist, wie z.B die Annahme einer bisher nicht feststellbaren subatomaren Lebensform(Ich argumentiere nicht FÜR eine solche Annahme, nur dafür, dass aus ihrer scheinbaren Verrücktheit nicht automatisch die Wahrheit der Gegenseite folgt).

Myron hat geschrieben:Wenn ich dich richtig verstehe, dann argumentierst du nicht als Supernaturalist, sondern als Neutralist/Agnostiker, der die Meinung vertritt, dass keine erfahrungswissenschaftliche Erkenntnis das Wahrscheinlichkeitsverhältnis zwischen Naturalismus und Supernaturalismus zugunsten des Ersteren verschieben könne, und dass die Berufung der Naturalisten auf die Naturwissenschaft zur Untermauerung ihrer Ansicht somit ungerechtfertigt sei.

Erwischt! Das tut aber an meiner Argumentation gegen den Naturalismus, gegen dessen Wahrheit, keinen Abbruch.

Myron hat geschrieben:Fehlende Konsistenz ist auf jeden Fall ein zwingendes Falschheitskriterium.

Nein! Sehr wohl aber ein starkes Kriterium für die Entscheidung, einen Satz oder eine Theorie als nicht arbeitsfähig fallenzulassen. Der Grund dafür, dass Inkonsistenz als Auswahlkriterium angenommen wird, ist nicht der Schluss auf Falschheit der Theorie, sondern in gewisser Weise sogar dessen Gegenteil: Das Ex falso Prinzip. Aus einem Widerspruch lässt sich alles, also jeder beliebige wahre Satz ableiten. Deswegen kann mit einer Theorie, die einen Widerspruch enthält, nicht gearbeitet werden. Konsistenz ist also sehr wohl auch ein metatheoretisches Kriterium!

Myron hat geschrieben:Ich will nicht ausweichen, aber das ist eine sehr komplexe und komplizierte Thematik. Wir müssten uns jetzt eigentlich alle in Frage kommenden metatheoretischen Kriterium einzeln ansehen und fragen, ob sie als Wahrheits-, Wahrscheinlichkeits- oder Wahrheitsähnlichkeitskriterium gelten dürfen oder nicht.

Naja, so schwierig ist es jetzt auch nicht, auch wenn du natürlich Recht damit hast, dass es ein komplexes Thema ist. Die drei meistgenannten Kriterien sind Konsistenz, Kohärenz und Einfachheit.
Ich habe bereits gesagt, dass Konsistenz aufgrund des ex falso Prinzips, nicht aufgrund seiner direkten Relation zu Wahrheit als Kriterium verwendet wird. Ich gebe allerdings zu, dass es hier natürlich eine gigantische Debatte gibt, vor allem rund um intuitionistische und parakonsistente Logiken.
Einfachheit wurde ja bereits ergiebig besprochen. Und Kohärenz besteht aus Konsistenz plus X(Man füge hier wechselnd verrückte und komplexe mathematische Theorien ein, von denen ich drei Viertel nicht verstehe). Wenn man das als direktes Wahrheitskriterium annimmt, dann ist man halt einfach bei einer Kohärenztheorie der Wahrheit. Und damit hat man- konträr zu der Intuition, die man als wissenschaftl. Realist ja vertritt, den Begriff der Wahrheit epistemisiert. Ich schätze zusammen mit einem realistischen Verständnis wissenschaftlicher Theorie führt das schnell zu Widersprüchen.
Aber gut, das Thema ist wirklich komplexer als diese Zusammenfassung.

Myron hat geschrieben:But there is no proof of the empirical equivalence thesis, though a number of cases have been suggested ranging from Descartes's 'evil demon' hypothesis to the hypothesis that for every theory T there is an empirically equivalent rival asserting that T is empirically adequate-yet-false, or that the world is as if T were true. One can argue that these rival hypotheses have only philosophical value and drive only an abstract philosophical scepticism."

There is clear formal-mathematical proof in the sense that the unterdetermination can be constructed in formal languages. With respect to the history of science, there are a number of cases of clear empirical underdetermination the most important one being the case of the lorentzian aether against the theory of relativity. And anyway: That something has "only" philosophical value does not mean it can be ignored as a problem.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Grotemson » Sa 5. Feb 2011, 19:11

Myron hat geschrieben:Was die ontologische Debatte zwischen dem Naturalismus und dem Supernaturalismus betrifft, so dreht sie sich im Wesentlichen um drei Kategorien:

1. <immaterielles konkretes Objekt> / <immaterielle/spirituelle Substanz>

2. <immaterieller spiritueller Prozess>

3. <(immaterielles) abstraktes Objekt>

Es geht also letztlich um die Frage, ob die Kategorie <hyperphysische Entität>, d.i. <Entität, die keine physische Entität ist und von physischen Entitäten ontisch und genetisch unabhängig ist> leer ist oder nicht.

Das würde meine zweite Lesart deiner Naturalismusdefinition jetzt unterstützen. Bedeutet also physisch im Naturalismus nichts anderes, als immateriell?

Myron hat geschrieben:Der Theismus kann höchstens die Welt, aber nicht Gott erklären, da dieser ja ewig und damit unerschaffen ist.

Ja, stimmt, wenn man Erklärung kausal aufzieht, was üblich ist. Worauf ich mich aber bezog ist, dass das Argument: Der Naturalismus kann die Welt besser beschreiben, mindestens komisch ist, weil der Theismus ja mit selbem Recht genau dasselbe behaupten würde.

Myron hat geschrieben:Alle materiellen Dinge, die du aus deiner Lebenswelt kennst, sind natürliche Dinge.

Gut. Okay. Also Steine, Bäume, Tiere, Menschen, mein Laptop. Aber dann ist doch Naturalismus wirklich nichts Anderes als Materialismus.

Myron hat geschrieben:Manchmal ja, manchmal nein.
Es ist jedenfalls nicht so, dass die Abwesenheit von Beweisen für die Existenz von X niemals den Glauben an dessen Nichtexistenz rechtfertigt.
Aber natürlich ist es besser, wenn weitere Argumente zur Verfügung stehen, die in die Schlussfolgerung münden, dass X (wahrscheinlich) nicht existiert.

In diesem Satz waren zu viele Verneinungen, ich hab den Überblick verloren! :ops:
Aber wenn du sagen willst, dass die Abwesenheit von Beweisen für X den Glauben an dessen Nichtexistenz rechtfertigt oder auch nur wahrscheinlicher macht, dann musst du mir diese Relation schon genauer beschreiben, denn diese Aussage würde ich klar leugnen; ich kenne keine Epistemologie, die eine deartige Rechtfertigungsstruktur plausibel machen könnte.

Myron hat geschrieben:Das ist ein Sonderthema, zu dem wir einen neuen Thread eröffnen müssten.
Ein Naturalist darf zumindest an unendlich viele wirkliche Raumzeitwelten glauben, in denen nichts Übernatürliches vorkommt. Die Naturgesetze können aber von Welt zu Welt verschieden sein.
Problematisch wird es im Fall von David Lewis' modalem Realismus.
Seine unendlich vielen möglichen Welten sind ungeachtet dessen, dass "actuality" für ihn ein weltrelativer Begriff ist, gleichermaßen real, sodass C. B. Martin recht hat mit seiner Meinung, dass die Lewis'schen Welten eigentlich keine möglichen Welten, sondern alternative wirkliche Welten sind. Lewis glaubt, dass der Naturalismus in unserer wirklichen Welt wahr, aber in vielen alternativen wirklichen Welten falsch und der Supernaturalismus darin somit wahr ist. Er ist also strenggenommen kein absoluter, sondern nur ein relativer Naturalist.

Das stimmt. Sonderthema. Auf Thread-liste vermerkt. Ich hatte natürlich bei möglichen Welten sofort an Lewis modalen Realismus gedacht, weil die gesamte Thematik irgendwie damit verknüpfe. Dass kaum ein Philosoph(ich kenne sonst nur Phillip Bricker, der allerdings versucht, den Wirklichkeitsrelativismus von Lewis auszuradieren) den mod. Realismus tatsächlich vertritt, muss mir erst immer wieder bewusst werden.

Myron hat geschrieben:
Grotemson hat geschrieben:Aus Nichteliminierbarkeit folgt zumindest ontologische Nichtreduzierbarkeit, wenn auch nicht kausale.

Nein, die ontologische Reduktion von Wasser auf H2O hat Wasser nicht eliminiert.
Daraus, dass etwas ein (unleugbarer) Teil der Wirklichkeit ist, folgt nicht, dass es auf keinen anderen Teil der Wirklichkeit ontologisch reduziert werden kann.

Aber ontologisch reduziert heißt nichts anderes als: Aus dem Repertoire existierender Dinge entfernt.

Myron hat geschrieben:Ja, aber der Satz "Es gibt psychische Phänomene und sie sind physische Phänomene" ist keineswegs inkonsistent.

Ob das wirklich so konstruiert werden kann, dass es nicht inkonsistent ist, frage ich mich. Ich hatte weiter oben festgestellt, dass "physisch" bei dir immer so klingt, als sei es mit materiell gleichzusetzen. Wenn das stimmt, und wenn du einerseits zugestehst, dass Bewusstsein offensichtlich etwa Geistiges ist, dann scheint da doch ein offensichtlicher Widerspruch zu herrschen: Geistiges ist Materielles.
Das bringt mich zu meiner Annahme zurück, dass Naturalismus wohl entweder trivial oder materialistisch zu verstehen sein muss. Wenn du den psychischen Phänomenen Existenz zugestehst, dann gibt es keinen Widerspruch mehr zu Dualisten(nur noch zu einer Form des Theismus, aber wie gesagt: Sonderfall). Wenn du ihnen keine Existenz zugestehst, dann musst sie entweder ontologisch abhängig machen, was ich für begrifflich leer halte, denn dann müsste man wieder bestimmte Seinsarten postulieren, oder du musst sie eliminieren, und zwar auf das, was übrig bleibt: Materielles.
Wie würdest du denn den oben zitierten Satz explizieren?


Myron hat geschrieben:Was für eine Art von Wissenschafts-Antirealist bist du eigentlich?
Da gibt es ja mehrere Varianten: Phänomenalismus, Positivismus, Instrumentalismus, Konstruktivismus, Konventionalismus, Fiktionalismus…

Ich glaube, ich gehöre zum instrumentalistischen Lager, wenn das bedeutet, dass ich sage, dass wissenschaftliche Theorien gute Werkzeuge sind, um bestimmte Phänomene zu beschreiben, das aber noch nichts mit Wahrheit zu tun hat.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Grotemson » Sa 5. Feb 2011, 19:25

Myron hat geschrieben:1. Alle (erklärungs-, vorhersage-, anwendungsmäßig) erfolgreichen wissenschaftlichen Theorien enthalten ausschließlich naturalistische Annahmen. [Prämisse]

2. Wenn alle erfolgreichen wissenschaftlichen Theorien ausschließlich naturalistische Annahmen enthalten, dann ist es wahr/wahrscheinlich, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen natürliche Ursachen haben. [Prämisse]

3. Es ist wahr/wahrscheinlich, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen natürliche Ursachen haben. [aus 1+2 modus ponens]

4. Wenn es wahr/wahrscheinlich ist, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen natürliche Ursachen haben, dann ist es wahr/wahrscheinlich, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen ausschließlich natürliche Ursachen haben. [Prämisse]

5. Es ist wahr/wahrscheinlich, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen ausschließlich natürliche Ursachen haben (d.h. dass es keine verborgenen, unbeobachtbaren übernatürlichen Neben- oder Zusatzursachen gibt). [aus 3+4 modus ponens]

6. Wenn es wahr/wahrscheinlich ist, dass alle wissenschaftlich untersuchten Erscheinungen ausschließlich natürliche Ursachen haben, dann ist es wahr/wahrscheinlich, dass die natürliche Welt kausal geschlossen ist. [Prämisse]

7. Es ist wahr/wahrscheinlich, dass die natürliche Welt kausal geschlossen ist. [aus 5+6 modus ponens]

8. Wenn es wahr/wahrscheinlich ist, dass die natürliche Welt kausal geschlossen ist, dann ist es wahr/wahrscheinlich, dass die natürliche Welt die ganze Welt, die gesamte Wirklichkeit ist. [Prämisse]

9. Es ist wahr/wahrscheinlich, dass die natürliche Welt die ganze Welt, die gesamte Wirklichkeit ist. [7+8 modus ponens]

10. Wenn es wahr ist, dass die natürliche Welt die ganze Welt, die gesamte Wirklichkeit ist, dann ist der Naturalismus wahr/wahrscheinlich. [Prämisse]

11. Der Naturalismus ist wahr/wahrscheinlich. [9+10 modus ponens]


Ich leugne folgende Prämissen aus folgenden Gründen:
1: Empirisch falsch. Es gibt(gab) empirisch erfolgreiche Theorien mit nichtnat. Annahmen, die empirisch erfolgreich waren.
2: Strukturell falsch. Alles, was mit dem Konditional gezeigt wird ist, dass man auch ohne supernat. Annahmen auskommen kann. Keine Aussage über Wahrheit(Realismus/Antirealismusdebatte)
4: Strukturell falsch. Selbe Gründe wie bei 3.
8: Strukturell falsch. Was rechtfertigt die Annahme dieses Konditionalsatzes?

Zusätzliche Probleme: Fehlende hinreichend klare Definition von natürlich/Naturalismus.
Vagheit durch Gleichsetzung wahr/wahrscheinlich.
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