Einschätzung von Wikileaks

Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Mark » Do 30. Dez 2010, 14:29

Früher hatte man solche Dokumente Zeitungsverlagen zugespielt (=verkauft), und heutzutage sollen die Informanten alles gratis abgeben für einen guten Zweck.. Zumindest : wenn die Zeitungen in diesen Zeiten nicht so interessante Dinge zutage fördern wie Wikilieaks, dann hat Wikileaks seinen Platz verdient.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Entität » Fr 31. Dez 2010, 14:02

Ich gebe zu die vorherige Diskussion nur überflogen zu haben.

Aber ist Julian Assange ein Anarchist?
In einem AlJazeera Interview beantwortet er genau diese Frage. Ab 11:05:


David Frost hat geschrieben:Do you see references to yourself as anarchic or an anarchist? Is that an accurat description of what you are?

Sehen Sie irgendwelche Zusammenhänge zu sich als anarchisch oder als Anarchist? Ist das eine korrekte Beschreibung was Sie sind?


Julian Assange hat geschrieben:No, it's not at all an accurat description.

Nein das ist überhaupt keine gute Beschreibung.


David Frost hat geschrieben:Why not?

Warum nicht?[


Julian Assange hat geschrieben:That's not what we do, we are an organisation that goes about and has a long record all over the world of exposing abuses by ...exposing concrete, documentation, proof of bad behaviour. That's not anarchy. Thats what people do when they see we'll[??] is that they engage in organised activity that promotes justice.

Das ist nicht was wir machen, wir sind eine Organisation, die sich dafür stark macht, und eine lange Geschichte auf der ganzen Welt hat, Missbrauch aufzudecken indem...greifbares, Dokumente, Beweise von schlechtem Verhalten aufgedeckt wird. Das ist keine Anarchie. Das ist was Menschen tun, wenn Sie sehen [??] das sie an einer organisierten Aktivität beteiligt sind die Gerechtigkeit fördert.


David Frost hat geschrieben:So therefore its ...in that sense your are not an anarchic because you actually,you're in favor of authority if it's doing the right thing.

Also dadurch ist es...in disem Sinne sind Sie nicht anararchistisch, denn tatsächlich begrüßen Sie Autorität wenn sie das richtige tut.


Julian Assange hat geschrieben:Correct.


David Frost hat geschrieben:You are not automatically oposed to authority.

Sie sind nicht automatisch gegen Authorität.


Julian Assange hat geschrieben:Correct.



Falls jemand die Lücke [??] versteht, kann ich das noch nachträglich ändern. =)

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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Nanna » Fr 31. Dez 2010, 14:24

Gut möglich, dass ich ihn als zu extrem eingeschätzt habe. Wenn genug Zeit ist, werde ich mir mal das ganze Interview reinziehen.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon jwoetzel » Sa 5. Feb 2011, 13:12

die ganze wikileaks-story ist nicht so einfach zu beurteilen. erstmal finde ich es schon etwas eigenartig, dass sich die leute so wundern, wie es bspw. in diplomatenkreisen so abläuft...da wird es zum beispiel keinen unterschied zwischen us-amerikanischen oder deutschen diplomaten geben...die diplomaten sind doch dafür da, dass sie ihren regierungen informationen zu politikern usw. geben...und das es nicht immer nur positive meinungen sind, ist auch logisch...
zu den veröffentlichungen allgemein: erstmal sollte so eine wichtige sache wie die pressefreiheit immer verteidigt werden: http://www.pressefreiheit-wissen.de/ klar fragt man sich auch, ob die wikileaks-veröffentlichungen nicht eine gefahr für wichtige informanten usw. sind...ich kann mich diesbezüglich nicht wirklich entscheiden...aber einige veröffentlichungen waren ja schon amüsant..ich sage nur die zu sarkozy: "kaiser ohne kleider":DDD finde, dass die süddeutsche zu wikileaks ganz gute artikel hatte: http://www.sueddeutsche.de/politik/publikationen-im-internet-totale-oeffentlichkeit-1.1031987
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon xander1 » Sa 5. Feb 2011, 14:56

Naja und was ist, wenn eine Information aus Wikileaks den Deutschen allgemein schadet? Was könnte so ein Fall sein? Eigentlich denke ich aber auch nicht, dass die das beabsichtigen. Jedoch "will" Wikileaks anscheinend Menschen in Verruf bringen, die es wohl auch verdient haben. Dazu ist es ja ein Enthüllung(-splattform).

Allerdings ist die Sache mit den Veröffentlichungen von Politkerbeurteilungen so eine Sache. Eigentlich gewinnt man daraus nicht viel neue Information. Der Demokratie nützt es etwas ein kleines bissl, aber ansonsten finde ich es nicht weiter dramatisch. Jedoch greifen die in etwas ein, was man Regierungs-Privatsphäre nennen könnte. Wie würdet ihr es finden, wenn jemand eure Tagebücher durchwühlt? So ähnlich muss es sich anfühlen als Regierungsmitglied bei der Sache. Aber so lange man denkt, dass die Regierenden das verdient haben, weil man Ihnen Ihr Amt nicht gönnt, dann sieht man das als Gerecht an. Ich finde es nicht gerecht, aber wie gesagt ein winzig bissl gut für die Demokratie, weil man etwas über den Charakter von Politkern erfährt, wo man doch nur Ihre Reden hört.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Nanna » Sa 5. Feb 2011, 20:02

Was ich so in der Rückschau sehr interessant finde, ist, dass Wikileaks ein rein westliches Phänomen geblieben zu sein scheint. Keiner hat sich für Wikileaks interessiert, als die noch die Korruption in Uganda u.ä. aufgedeckt haben. Erst als schon bekannte Narrative der westlichen Medienlandschaft, z.B. dass an den amerikanischen Nahostkriegen Dreck klebt, wiederholt und untermauert wurden, wurde Wikileaks plötzlich berühmt.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon platon » Sa 5. Feb 2011, 21:37

xander1 hat geschrieben: Wie würdet ihr es finden, wenn jemand eure Tagebücher durchwühlt? So ähnlich muss es sich anfühlen als Regierungsmitglied bei der Sache.

Es geht nicht um Privattagebücher, die durchwühlt und deren Inhalte an die Öffentlichkeit gezerrt werden! Diese Leute sind vom Souverän des Staates, nämlich ihren Wählern, dazu bestimmt worden, die Dinge des Staates mit Anstand und unter Einhaltung der Gesetze und guten Sitten zu verwalten. Und was tun sie? Sie belügen ihre Wähler, sie tun im Geheimen Dinge, die sie nicht öffentlich rechtfertigen können und sie verstoßen gegen ihre öffentlich propagierten Prinzipien um eigener Vorteile willen. Und das offenbart Wikileaks dem erstaunten Publikum, das ähnliches immer geahnt aber nie gewußt hat. Wie kommst Du darauf, das könnte nicht richtig sein?
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Mark » Sa 5. Feb 2011, 23:04

..und weil es sowieso schon jeder immer geahnt hat wird es auch nicht geahndet...
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Nanna » So 6. Feb 2011, 01:06

Darf ich mal eben ein bisschen Ärger über diese platten Parolen ablassen? Tschuldigung, platon, geht nicht alles an dich, sondern auch allgemein in die Runde und darüberhinaus, weil mich der Pauschalbeifall für Wikileaks langsam mächtig aufregt.

platon hat geschrieben:...Und was tun sie? Sie belügen ihre Wähler, sie tun im Geheimen Dinge, die sie nicht öffentlich rechtfertigen können und sie verstoßen gegen ihre öffentlich propagierten Prinzipien um eigener Vorteile willen.

Ach jetzt komm, steck doch mal die Idealismusromantik weg. Strukturen lassen sich immer zum eigenen Vorteil ausnutzen, ganz egal, ob sie geheim sind oder nicht. Es gibt sogar eine sozial höchst akzeptierte Form davon, die sich Marktwirtschaft nennt. Da sind die Ungerechtigkeiten sogar völlig transparent und werden trotzdem toleriert. Im Vergleich dazu scheinen sich die politischen Eliten in Europa im Grunde noch recht moderat bei ihrer angeblichen Bereicherung zu verhalten, lassen wir mal Italien und gewisse osteuropäische Staaten beiseite.

Die Verstöße gegen öffentlich propagierte Prinzipien sind nicht einmal verwunderlich, wo doch die Politik eine eierlegende Wollmilchsau sein soll, die alle Partikularinteressen unter einen Hut kriegen soll und das bitte noch mit moralischer Vollkommenheit. Wieviele Wähler würden denn einer 50%igen Steigerung der Lebensmittelpreise zustimmen, um nur noch bio und fairtrade im Handel zu finden? Ich höre schon die "Gutmenschentum"-Rufe. Schützenvereine sind gegen die Abschaffung von Waffen, Raucher gegen die Ächtung von Zigaretten, Fleischesser unterstützen die Fleischindustrie, vorgeblich demokratisch gesinnte Wutbürger machen sich gegen "dumme" Araber und in demokratischen Verfahren beschlossene Bauprojekte stark, alte Leute gegen Kitas in ihrer Nachbarschaft, Atomkraftgegner schottern aus Sicherheitsbedenken Bahngleise, über die radioaktives Material geleitet werden soll, Internetaktivisten protestieren bei facebook gegen den Überwachungsstaat was man über Google herausfinden kann und wir alle haben Produkte bei uns im Haus stehen, die in Entwicklungsländern unter Bedinungen produziert wurden, bei denen in Deutschland längst der die Konzernzentralen brennen würden. Und, jetzt kommt der springende Punkt, das ist dank tausender Fernsehsendungen, Zeitungsberichten und Empörungsrunden bei bürgerlichen Kaffeekränzchen auch alles so transparent wie man es sich nur denken kann! Es interessiert trotzdem keinen, weil man selbst eingefahrene Verhaltensweisen zugunsten eines abstrakten Wohls ändern müsste, was viel weniger spannend ist, als öffentlichkeitswirksam mit dem Finger auf andere zu zeigen.
Natürlich freuen wir uns alle über die Revolution in Ägypten. Aber beim nächsten Blick auf die Zapfsäule ist es uns eigentlich egal, auf welchem Weg der billige Sprit zu uns kommt, solang er a) billig ist und b) zu uns kommt. Und daran soll doch bitteschön auch diese Revolution nichts ändern.

Wenn ich mir ansehe, was für Erwartungen an die Politik gerichtet werden, wie bigott der gemeine Wähler selber ist und was für dümmliche Parolen er auf den digitalen Klowänden der großen Nachrichtenseiten etc. hinterlässt, dann muss ich sagen, dass mich die Vernunft und das Augenmaß, dass die Politik an den Tag legt, im Vergleich dazu geradezu tief beeindrucken. Und ich frage mich, ob das alles ohne geheime Räume, in denen auch mal Klartext geredet werden kann, ohne Angst vor der unvermeidlichen Schelte durch irgendeine Bürgerinitiative haben zu müssen, alles so glatt laufen würde. Natürlich ist das kein normatives Optimum, natürlich bereichern sich Einzelpersonen, aber wo gehobelt wird, fallen zum einen Späne, zum anderen will man auch nicht, dass jeder Militärdiktator am anderen Ende der Welt weiß, wieviele Hobel man im Schrank stehen hat.

Ich stimme ja zu, dass Kontrollmechanismen unheimlich wichtig sind und dass dazu auch Transparenz gehört, aber kann mir mal bitte einer beantworten, warum das neuerdings dauernd auf Wikileaks projiziert wird!? Welchen konkreten Nutzen außer der Steigerung der eigenen Spendeneinnahmen, der Auflagensteigerung von Zeitungen und der Verschärfung von Sicherheitsmaßnahmen in Staatsapparaten hat diese völlig intransparente Organisation bisher erreichen können? Marktschreierisch wird eine Debatte um Regierungen geführt, die sich angeblich gegen ihr eigenes Volk verschwören, was mit Depeschen versucht wird zu belegen, die im Grunde nur den ganz normalen Alltagswahnsinn abbilden, der im komplexen Geflecht intergouvernementaler Beziehungen zwangsläufig entstehen muss, aber WO zur Hölle wird - außerhalb von Universitäten - halbwegs vernünftig über politische Systeme mit effektiver (!) Kontrolle und Gewaltenteilung räsoniert unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sowohl Repräsentanten als auch Wähler menschlich sind, Fehler haben und bei begrenztem Wissen unter Zeitdruck in einem unübersichtlichen, dynamischen und partiell feindlichen Umfeld permanent Entscheidungen im Interesse Vieler treffen müssen? Ich wette, dass mindestens die Hälfte derer, die in Stammtischattitüde wahlweise über einzelne Politiker oder die Politik als solche herziehen, noch nichtmal den vorhergehenden Satz in der Gesamtheit der damit verbundenen Komplikationen erfassen würden.

Ich bin selber ein großer Fan der republikanischen Staatsidee mit all seinen moralischen Erwartungen an die Leitung des Gemeinwesens, aber es ist doch hochgradig naiv, die Politiker an objektiv nichteinhaltbaren Kriterien zu messen. Wie schon weiter oben gesagt, wie können wir Bürger eine Moral von den Akteuren im Staatsapparat erwarten, die die Mehrheit von uns weder selbst zu leisten bereit ist, noch die in Anbetracht realpolitischer Herausforderungen (internationaler Wettbewerb, Ressourcenkonkurrenz, Systemkonkurrenzen, unterschiedliche Kulturen und Wertvorstellungen etc.) irgendwie zu leisten ist? Wenn wir Bürger immer nur für uns selbst das größte Stück vom Kuchen fordern, dann kriegen wir auch Politiker, die das für sich selbst und gegenüber dem Ausland oder gesellschaftlichen Randgruppen übrigens auch für uns tun.

Wer also so vehement für saubere Politik mit Einhaltung der "guten Sitten" plädiert, der soll bitte auch die Frage beantworten, welchen Preis er für Moral zu zahlen bereit ist. Die Rechnung kann nämlich verdammt hoch ausfallen. Natürlich ist die moralische Integrität dem Selbstbetrug immer vorzuziehen, aber die Forderung, und das ist jetzt eben mein zentraler Punkt, dass dies geschieht, kann nur von demjenigen gestellt werden, der selbst nachweislich diese moralische Integrität besitzt. In einer Demokratie, wo die Macht vom Volke ausgeht, gehen eben auch unmoralische und unerfüllbare Forderungen vom Volke aus. Der politische Apparat setzt eben die Forderungen um, die an ihn gerichtet werden und zwar die, die wirklich an ihn gerichtet werden, nicht die, die in Sonntagsreden formuliert werden, egal, ob die Sonntagsrede ein Politiker oder ein Wähler beim Kuchenessen hält. Dass irgendwo im System dann dunkle Ecken geschaffen werden, in denen der Unrat dieses Prozesses abgeladen wird, ist nicht einfach nur der Verkommenheit einer politischen Klasse zuzuschreiben, sondern eben ein Problem des Prozesses an sich.



Ich möchte übrigens noch folgenden Artikel aus der ZEIT empfehlen: "Totale Transparenz ist auch totale Überwachung"
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon Mark » So 6. Feb 2011, 02:40

Nanna hat geschrieben:..Natürlich ist die moralische Integrität dem Selbstbetrug immer vorzuziehen..


Warum denn ?
Vom Standpunkt des Moralisten oder vom Standpunkt eines Staatenlenkers der nur der Mehrheit der Wähler verpflichtet ist ?
Doppeldenk ist unsere Rettung vor dem Wahnsinn, weil wir unseren eigenen moralischen Ansprüchen nicht gerecht werden wollen.
Wäre es da nicht angebracht die Ansprüche zu überdenken ?
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon xander1 » So 6. Feb 2011, 11:48

@Nanna:

Ich gebe dir vollkommen Recht. Mein Vater war Politiker. Ich weiß aus erster Hand, wie schwer es ist es allen Recht zu machen und dass die Presse alles schlecht machen kann, was eigentlich gut gemacht wurde.

@platon:

Wie würdest du es finden, wenn deine Teamabsprachen auf der Arbeit abgehört werden und Ungereimtheiten an die Öffentlichkeit gelangen. Eigentlich hat Nanna schon das und noch mehr geschrieben, was ich meinte.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon platon » So 6. Feb 2011, 12:54

Nanna hat geschrieben:Strukturen lassen sich immer zum eigenen Vorteil ausnutzen, ganz egal, ob sie geheim sind oder nicht. Es gibt sogar eine sozial höchst akzeptierte Form davon, die sich Marktwirtschaft nennt.

Dagegen habe ich ja auch nichts, aber dann darf man den Versuch, das aufzudecken auch nicht ungesetzlich oder unmoralisch nennen. Die einen versuchen, ihren Vorteil aus ihrer Machtposition zu ziehen und die andern versuchen legitimerweise, dies zu verhindern. Wo ist Dein Problem Nanna?

Nanna hat geschrieben:Ich stimme ja zu, dass Kontrollmechanismen unheimlich wichtig sind und dass dazu auch Transparenz gehört, aber kann mir mal bitte einer beantworten, warum das neuerdings dauernd auf Wikileaks projiziert wird!?

Weil Wikileaks offensichtlich die einzigen sind, bei denen man sich sicher fühlt, dass die Dinge auch veröffentlicht werden und das völlig ohne Bezahlung!

Nanna hat geschrieben:Welchen konkreten Nutzen außer der Steigerung der eigenen Spendeneinnahmen, der Auflagensteigerung von Zeitungen und der Verschärfung von Sicherheitsmaßnahmen in Staatsapparaten hat diese völlig intransparente Organisation bisher erreichen können?

Es steht nicht im Belieben von Wikileaks, die Spendeneinnahmen zu erhöhen und die Zeitungsauflagen zu verbessern. Wikileaks will das aufdecken, was andere verborgen halten wollen. Was für ein Problem hast Du eigentlich damit?

Nanna hat geschrieben:Marktschreierisch wird eine Debatte um Regierungen geführt, die sich angeblich gegen ihr eigenes Volk verschwören, was mit Depeschen versucht wird zu belegen, die im Grunde nur den ganz normalen Alltagswahnsinn abbilden, ...

Aha, und deshalb ist das alles in Ordnung und sollte dort bleiben, wo die Herrschaften der Macht das haben wollen, nämlich im Verborgenen, denn die werden schon wissen, warum sie uns das alles nicht mitteilen wollen, sonst würden sie es ja tun, oder was?

Nanna hat geschrieben:unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sowohl Repräsentanten als auch Wähler menschlich sind, Fehler haben und bei begrenztem Wissen unter Zeitdruck in einem unübersichtlichen, dynamischen und partiell feindlichen Umfeld permanent Entscheidungen im Interesse Vieler treffen müssen?

Und unter Berücksichtigung genau dieser Tatsachen ist Transparenz notwendiger denn je. Und mir kommen die Tränen, jetzt wo Du mir die Augen geöffnet hast, über die verzweifelte Lage in der sich die Mächtigen dieser Welt Tag für Tag befinden müssen, ohne Hoffnung auf Besserung ...

Nanna hat geschrieben:Ich wette, dass mindestens die Hälfte derer, die in Stammtischattitüde wahlweise über einzelne Politiker oder die Politik als solche herziehen, noch nichtmal den vorhergehenden Satz in der Gesamtheit der damit verbundenen Komplikationen erfassen würden.

Da ist es ja gut, dass wir Dich haben, die das alles versteht und nicht wissen will und für die Dumpfbacken ist es sowieso besser, dass sie nichts wissen, das würde sie alles nur verwirren. Stimmts?

Nanna hat geschrieben:Dass irgendwo im System dann dunkle Ecken geschaffen werden, in denen der Unrat dieses Prozesses abgeladen wird, ist nicht einfach nur der Verkommenheit einer politischen Klasse zuzuschreiben, sondern eben ein Problem des Prozesses an sich.

Und weil das so ist, wollen wir die dunklen Ecken auch nicht antasten. Es ist der Prozess, der an allem Schuld ist. Bin ich froh, dass wir einen Schuldigen haben.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon platon » So 6. Feb 2011, 12:59

xander1 hat geschrieben:Wie würdest du es finden, wenn deine Teamabsprachen auf der Arbeit abgehört werden und Ungereimtheiten an die Öffentlichkeit gelangen.

Wenn meine Teamabsprachen abgehört würden und da gesetzwidrige Dinge besprochen worden wären, hätte ich ein Riesenproblem mit meiner Firma. Die würden mich fallen lassen, wie eine heiße Kartoffel. Ich habe schließlich einen "Behavior in Business"-Codex unterschrieben, dass ich genau diese Dinge nicht tue. Das einzige, was aus meinen Teambesprechungen nicht für die Öffentlichkeit geeignet ist, sind die Informationen über das geistige Eigentum (IP) meiner Firma.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon 1von6,5Milliarden » So 6. Feb 2011, 13:27

platon hat geschrieben:dass die Dinge auch veröffentlicht werden und das völlig ohne Bezahlung!
Ach ja?
Deshalb haben nur ausgesuchte Medien vorab gewusst und mitbestimmen dürfen was veröffentlicht wurde.

platon hat geschrieben:Wenn meine Teamabsprachen abgehört würden und da gesetzwidrige Dinge besprochen worden wären
Es geht doch nicht um gesetzwidrige Dinge. Schalt mal deine selektive einseitige Wahrnehmung ab. Wenn US-Diplomaten "privat" vermerken, dass Her W. ein aggressiver, aufgeblasener Dünnbrettbohrer ist oder Frau M. keine keine eigenen Ideen hat und feig ist, dann ist es nicht gesetzwidrig. Aber es ist eine "private" Äußerung und es muss auch als Staatsangestellter, als Diplomat, als Politiker, als Wirtschaftsboss etc. möglich sein, sich privat zu äußern oder Einschätzungen weiterzugeben, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.
Das Problem ist natürlich wo zieht man die Grenze. Und man kann es sich einfach machen und einfach keine ziehen.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon platon » So 6. Feb 2011, 15:22

1von6,5Milliarden hat geschrieben:es muss auch als Staatsangestellter, als Diplomat, als Politiker, als Wirtschaftsboss etc. möglich sein, sich privat zu äußern oder Einschätzungen weiterzugeben, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

Absolut d'accord. Aber muss die ganze Welt aufpassen, dass das, was diese Leute einfach mal so daherreden, auch ihr Geheimnis bleibt? Oder ist es Sache desjenigen, die diese Dinge von sich gibt (oder des Empfängers), für die Vertraulichkeit zu sorgen - oder eben so zu formulieren, dass er davon keine Nachteile hat?
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon xander1 » So 6. Feb 2011, 15:24

Man stelle sich mal vor, Wikileaks würde immer größer werden und es Politikern richtig schwer machen,
wer will denn dann noch Politiker werden? Auch Politiker machen Fehler.

OK, das ist ein schlechtes Argument, weil Wikileaks noch relativ klein ist, aber wenn es nicht nur Machenschaften sind, die aufgedeckt werden, sondern wenn es ins persönliche geht, dann finde ich das anmaßend.

@platon:

Wie würde es dir gehen, wenn, wie es Wikileaks gemacht hat, ein Bericht veröffentlich wird, in dem alle deine schlechten Charaktereigenschaften aufgezählt werden und das für die ganze Bevölkerung. Ich würde das zwar nicht Rufmord nennen, aber ich glaube du kannst dich da gar nicht hineinversetzen.

Ich weiß was man den Wikileaks-Menschen vorwerfen kann: Sozial-Neid. Die sind da oben und die anderen sind da unten.

Wikipedia:
In seinem 1966 erschienenen Standardwerk „Der Neid und die Gesellschaft“ postulierte Schoeck, dass kein anderes Motiv soviel Konformität erzeuge wie die Furcht, bei anderen Neid zu erwecken und dafür geächtet zu werden.


Hat schon mal irgendeiner von den Wikileaks-Menschen versucht selbst Politiker zu werden? Sie können lediglich die Mächtigen kritisieren, aber selbst mal größere Verantwortung übernehmen liegt Ihnen anscheinend fern.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon platon » So 6. Feb 2011, 15:37

xander1 hat geschrieben:Hat schon mal irgendeiner von den Wikileaks-Menschen versucht selbst Politiker zu werden? Sie können lediglich die Mächtigen kritisieren, aber selbst mal größere Verantwortung übernehmen liegt Ihnen anscheinend fern.

Hast Du jemals was von Wikileaks gelesen? Weißt Du überhaupt, wie Wikileaks funktioniert?
Wikileaks fordert keine Dokumente an, und Wikileaks produziert keine. Wikileaks kritisiert auch niemanden! Wikileaks bekommt von anonymer Seite klassifizierte Dokumente zugeschickt, prüft diese mit einer Heerschar überaus kompetenter Unterstützer auf Echtheit und veröffentlicht sie dann.
Selbst das Pentagon gibt zu, dass es keinen nachprüfbaren Fall gibt, in dem ein Beteiligter durch die Wikileaks-Veröffentlichungen zu Schaden an Leib und Leben gekommen wäre.
Und Wikileaks übernimmt Verantwortung! Sie publizieren nämlich nicht alles. Da werden die Konsequenzen für Einzelpersonen sehr sorgfältig - und bisher mit Erfolg - abgewogen. Zu den abfälligen Bemerkungen von Diplomaten über Diplomaten muss man sich keinen dicken Kopf machen. Pack schlägt sich - Pack verträgt sich.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon xander1 » So 6. Feb 2011, 23:36

platon hat geschrieben:Wikileaks kritisiert auch niemanden! Wikileaks bekommt von anonymer Seite klassifizierte Dokumente zugeschickt, prüft diese mit einer Heerschar überaus kompetenter Unterstützer auf Echtheit und veröffentlicht sie dann.

Ob das so anonym ist stelle ich in Frage. Ich denke, dass es, wie eine amerikanische Uni behauptet, ein Karrierekiller ist. Außerdem kritisiert Wikileaks indirekt, wenn sie etwas veröffentlichen, was Kritik hervorruft. Das ist zwar keine direkte Kritik, aber es ist sogar eine effizientere indirekte Kritk als direkte Kritik.


platon hat geschrieben:Und Wikileaks übernimmt Verantwortung!

Da bin ich mir nicht so sicher. Das basiert lediglich auf intuitives Vertrauen.

platon hat geschrieben:Sie publizieren nämlich nicht alles.

Assange hat damit gedroht alles zu publizieren.

platon hat geschrieben:Zu den abfälligen Bemerkungen von Diplomaten über Diplomaten muss man sich keinen dicken Kopf machen.

Weil das deiner Argumentationslinie entgegen arbeiten würde?
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon platon » Mo 7. Feb 2011, 17:30

Da bin ich mir nicht so sicher...
...Assange hat damit gedroht...
...Weil das deiner Argumentationslinie entgegen arbeiten würde?

Das ist aber alles höchst halbgar und wachsweich. Von Deinen markigen Sprüchen aus dem vorletzten post ist nicht viel geblieben.
Für mich bleibt es dabei. Wikileaks erfüllt eine äußerst wichtige Funktion im demokratischen Checks & Balances-System. Und darauf möchte ich nicht verzichten wollen.
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Re: Einschätzung von Wikileaks

Beitragvon xander1 » Di 8. Feb 2011, 00:08

platon hat geschrieben: Wikileaks erfüllt eine äußerst wichtige Funktion im demokratischen Checks & Balances-System. Und darauf möchte ich nicht verzichten wollen.


Ja das sehe ich auch so und habe es auch bisher nicht anders gesehen.
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