Liebe(r) Shendao, herzlich willkommen bei den Brights!
Fast alle Musliminnen, die ich kenne, wurden auf der Straße schonmal wegen ihres Kopftuchs dumm angemacht - und ich kenne nicht nur Muslime in meiner Heimatstadt, sondern in unterschiedlichen deutschen Städten. Da unterscheiden sich unsere Alltagsbeobachtungen, aber die haben auch keine statistische Relevanz, sind demzufolge auch eher Anekdoten als Argumente (was auch auf meine Geschichte mit dem Eierwurf zutrifft, hinter der ich übrigens nach wie vor einen fremdenfeindlichen Hintergrund vermute).
Dann möchte ich etwas doch sehr deutlich klarstellen:
Niemand beraubt dich deiner Redefreiheit! Wenn du die Tatsache, dass dir Menschen widersprechen, als Beraubung der Redefreiheit ansiehst, dann hast
du ein Problem mit Redefreiheit (nämlich mit der Freiheit der Anderen,
deine Äußerungen zu kritisieren). Komischerweise werden viele Leute so schnell defensiv, wenn es um Rede- und Meinungsfreiheit geht und fühlen sich zum Schweigen gebracht. So kann man sich, obwohl man, wie du selbst zugibst, als Erster "beleidigend" geworden ist, schön darauf hinausreden, ja im Grunde Opfer zu sein. Das ist genau das, was ich meinte, als ich sagte, es werden Tabus behauptet, die gar nicht bestehen (z.B. den Islam zu kritisieren) und die werden dann mit großem Geschrei gebrochen. Hinterher wird dann so getan, als sei man das arme Opfer gewesen, dessen einziges Vergehen darin bestand, wahlweise vor der Mehrheitsgesellschaft oder einer Kamarilla von Chefredakteuren nicht zu gekuscht zu haben.
Wirkliche Beraubung deiner Redefreiheit wäre, wenn ich dich sperren und deine Beiträge löschen würde. Das habe ich aber, um das auch gleich zu betonen, weder vor noch wäre mir das überhaupt in den Sinn gekommen. Also lass mal bitte die Kirche im Dorf respektive die Moschee im Gewerbeviertel...
Und ja, es aht sich in der Debatte nach 2001 natürlich etwas verschoben. Die dahinterliegende Fremdenfeindlichkeit, die nicht nur 5% der Gesellschaft betrifft, sondern eher 50%+, ist aber sowohl vor 2001 wie auch danach ähnlich schlimm gewesen und worum es im Detail in der vordergründigen Debatte geht, ist dafür gar nicht so wichtig. Strukturen solcher Art sind meist mit austauschbaren Inhalten belebbar.
Lumen hat geschrieben:Es sollte klar sein, dass die beiden Gegenpole sich fast spiegelbildlich gegenüber stehen: die einen haben in ihren heiligen Schriften fixiert, welche Gräueltaten sie für Ungläubige und Andersdenkende für angemessen halten, bekennen aber, davon Abstand zu nehmen und wir glauben ihnen (auch trotz Rückschlägen und reichlich Gegenbeispielen).
Erkläre und belege mir bitte an wenigstens zwei Beispielen, wo das der Fall ist. Grobe Skizze reicht. Und nein, das ist keine rhetorische Abnutzungsstrategie, mit der ich dir Arbeit aufbürden will, ich verstehe tatsächlich nicht, wo dieselbe (!), religiöse Personengruppe sich erst von Gewalt distanziert hat und dann doch gewalttätig wurde oder was auch immer getan hat, was der eigenen Lehre (der praktischen Auslegung so wie die Gruppe es selbst verstanden und verlautbart hat!) signifikant widersprochen hat. Und bitte Beispiele, die neuer als, sagen wir mal, 1960 sind. Mittelaltergrusel ist hier nicht relevant.
Lumen hat geschrieben:Die genannten Atheisten haben hingegen verfasst, dass sie Menschenrechte und freie Meinungsäußerung fordern und Religionen sich diesen ebenfalls unterzuordnen haben, aber im Gegenzug natürlich im Rahmen dessen machen können, was in jedem Hobby auch erlaubt ist— diesen Atheisten wird von dir (nanna) und grotsemon unterstellt, sie würden in Wahrheit lügen und unlautere Ziele verfolgen, wie die Auslöschung der Religion.
Das sind doch Allgemeinplätze, die ihren Adressaten verfehlen.
Dass Menschenrechte und freie Meinungsäußerung auch von Religiösen geachtet werden müssen, ist doch heute nichts mehr, was man in einem Buch schreiben und erwarten kann, dass man vom Feuilleton bescheinigt bekommt, einen neuen Gedanken verfasst zu haben. Deshalb fordere ich ja die ganze Zeit, dass die kämpferischen Atheisten doch bitte klare Gruppen und Strömungen definieren sollen, wo dieses Problem tatsächlich besteht. Ich habe mehrfach exemplarisch Wahabbismus und Evangelikale genannt, weil da tatsächlich eine große Zahl von Anhängern eine extrem vernagelte und interolerante Sicht auf Andersdenkende hat.
Dawkins, Hitchens und Co. stellen es aber dagegen so dar, als wäre das Problem qualitativ beim spießigen Sonntagskirchgänger genauso brennend wie bei diesen Personengruppen. Dass sie irgendwo in irgendeinem Randsatz mal erwähnen, dass ein paar Religiöse ja quasi "nur" komische kosmologische Prämissen haben, aber ansonsten gesellschaftlich nicht gefährlich sind, ist nicht nichts, was man als faire Behandlung bezeichnen kann, zumal diese harmlosen Deisten, wie du sie, glaube ich, titulierst, definitiv die Mehrheit stellen. Und bei denen kommt überhaupt nicht an, dass sie nicht oder nur sehr sehr randständig gemeint sind.
...und von Lügen habe ich nichts gesagt. Ich habe gefragt, wohin diese kampfbeißerische Rhetorik konkret führen soll und ich frage mich nach wie vor, was in der perfekten Utopie eines Dawkins oder Hitchens anderes herrschen kann als eine religionsfreie Welt.
Lumen hat geschrieben:Sind Atheisten vielleicht doch moralisch minderwertig, sodass wir ihnen nicht glauben dürfen?
Langsam beginne ich mich ja schon zu fragen, ob du vielleicht adjektivblind bist.

Es geht nicht um Atheisten. Ich bin ja auch einer. Es geht um "radikale Atheisten" bzw. "kämpferische Atheisten" oder "missionarische Atheisten". Aber du stilisierst hier irgendwie doch recht schnell alles zu einer unvermeidlichen Dichotomie aus Gläubigen/Supernaturalisten versus Ungläubigen/Atheisten/Naturalisten auf. Und ich bin einfach der Meinung, dass das eine sinnvolle oder auch nur sinnvoll zu rechtfertigende Einteilung ist. Ich teile dagegen in Radikale/Komrpomisslose (mit und ohne religiösem Hintergrund) und in Gemäßigte/Kompromissbereite (ebenfalls mit und ohne religiösem Hintergrund) ein.
Ich denke, wir beide gehen völlig konform, dass es Probleme und auch eine "Frontlinie" gibt, aber wir ziehen sie zwischen unterschiedlichen Gruppen, wir bewerten die zu wählenden Waffen anders und wir beurteilen das Schlachtfeld in einer Vielzahl von Details insgesamt recht unterschiedlich.
Lumen hat geschrieben:Sind es vielleicht stets Atheisten gewesen, die aus atheistischer Agenda heraus Gläubige verfolgt haben und einen Nährboden für Hass und Intoleranz geschaffen haben, wie Grotsemon unmissverständlich unterstellt? Sollten Brights positive Geschichten vom Islam erzählen, wie stine vorschlägt?
Ach Quatsch. Positive Geschichten können die sich selber erzählen, das ist mir doch egal. Ausgewogene Geschichten, das wäre schon eher meine Formulierung. Wobei ich sowieso der Meinung bin, dass wir eh nicht so viel Geschichten über A-
Theismus und Islam erzählen müssen. Als Brights sollten wir Geschichten vom Naturalismus erzählen, und zwar mehrheitlich solche, in denen Religion gar nicht vorkommt, auch nicht als Unterlegener oder Verlierer - allenfalls als konkurrierende Weltsicht. Kritik am religiösen Diskurssystem und am religiösen Alltagsleben sind davon ja nicht ausgeschlossen. Aber komm - was Dawkins abliefert ist keine fundierte Kritik am religiösen Diskurssystem, das ist ein Wutbürgerbuch.