Auch von mir ein herzliches Willkommen im Forum!
Astronom hat geschrieben:Ergeben sich die im Video dargestellten Korrelationen im Verhalten der Menschen (Aufbruch nach Hause) und der Hunde (eindeutiges Verhalten) auch nach wissenschaftlich strengen Maßstäben (doppelblind etc.) in signifikanter Weise?
Soetwas ist vermutlich nie methodisch sauber untersucht worden, weil der Anfangsverdacht auf einen Zusammenhang nicht besteht.
Wenn man gedanklich von den Studien zu anderen para- und pseudowissenschaftlichen Phänomenen wie Homöpathie, Wünschelrutengehen, Erdstrahlen usw. extrapoliert, dann darf man annehmen, dass eine methodisch saubere Studie keinen statistisch signifikanten Zusammenhang entdecken würde. Spontan fühle ich mich an Betstudien erinnert, wo die durchführenden Wissenschaftler am Ende Abweichungen im Promillebereich als Erfolg hinzustellen versuchten.
Jetzt mal zum vorliegenden Fall mit dem Hund:
1. Leute tun alles mögliche, um Aufmerksamkeit zu bekommen oder sich Phänomene herbeizulügen, die sie gerne in der Welt sehen würden. Das Video ist offenbar von irgendwann aus den 90er Jahren, die Bildqualität ist mies, ob die Tageszeit übereinstimmt ist nicht ersichtlich und die Zeitstempel können gefälscht sein. Betrug ist selbst im seriöseren Wissenschaftsbetrieb nichts derart außergewöhnliches, dass man hier falsche Zurückhaltung üben müsste.
2. Man sieht nur einen Versuch. Ich bin kein Statistiker, aber damit relevante Daten erzeugt würden, müsste man den Test sicherlich dutzende, besser hunderte Male unter exakt denselben Bedinungen wiederholen. Insbesondere müsste man Fall einbauen, wie z.B. Wegbleiben über der Halterin über Nacht u.ä. So, wie dieses Video gestaltet ist, mit dem unseriös dramatisierenden Kommentar und der nicht nachvollziehbaren Versuchsanordnung, spricht nichts dafür, dass hier tatsächlich irgendetwas belegt wurde.
Außerdem: Wie misst man den Moment einer Entscheidung?
Und: Wurden alle Daten offengelegt? Gab es Fehlversuche, die man verschwiegen hat, weil es nicht ins Bild passte? Hat man an der Versuchsanordnung so lange herumgestümpert, bis die gewollten Ergebnisse halbwegs zuverlässig herauskamen?
3. Als Autorität wird Rupert Sheldrake zitiert, ein, höflich gesagt, wissenschaftlicher Außenseiter mit kruden Theorien. Auch das spricht nicht für die Seriosität des Videos.
4. Wie ist das Phänomen eigentlich ursprünglich aufgefallen? Davon wird nichts gesagt. Der Halterin kann unmöglich aufgefallen sein, dass der Hund ihre "Entscheidung" abgepasst hat, sie war ja per definitionem nicht daheim.
5. Hund und Halterin könnten Routinen haben, an denen der Hund sich orientiert. Menschen sind Gewohnheitstiere und entwickeln versteckte Routinen, deren sie sich selbst nicht bewusst sind. Vielleicht ist der Hund einfach ein guter Beobachter und die Daten passen ungefähr zusammen.
6. Bei Millionen von Haustieren und Haltern kann auch eine ungewöhnliche Konstellation statistisch eintreten. Wenn man es oft genug versucht, klappt es in einer handvoll Fälle. Das heißt aber nicht, dass es eine deterministische Verbindung der beiden Ereignisse gibt.
7. Niemand spricht, spekuliert nicht einmal über den Wirkmechanismus. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass es soetwas wie Telepathie auch nur theoretisch geben könnte. Praktische Untersuchungen sind grundsätzlich von der methodisch schaurigen Qualität des o.g. Videos. Ockhams Rasiermesser sagt uns in dem Fall, dass wir keinen abwegigen Theorien Glauben schenken sollen, für die wir bisherige Modelle der Natur um x unbekannte, abstruse Variablen erweitern müssten, die wir nicht einmal messen können.
Selbst die angebliche tierische Fähigkeit, Erdbeben vorhersagen zu können, ist entgegen einer landläufig gerne wiedergekäuten Legende wesentlich geringer ausgeprägt, als viele Leute denken. Statistisch sind auch hier die Verhaltensänderungen kaum relevant, obwohl dieser Zusammenhang weithaft nachvollziehbarer ist und realistischer erscheint, als eine unmessbare Funkverbindung zweier biologisch stark heterogener Lebewesen. Ergo spricht auch hier die Untersuchung vordergründig verwandter Phänomene stark gegen eine Existenz übernatürlicher Kommunikationswege.
8. Messen: Genau der Punkt hier. Es wird ja nichts gemessen außer einer statistisch schwachen, schlecht belegten Korrelation zweier schwammig definierter Variablen. Einflüsse der Umwelt wurden nicht eliminiert (warum den Hund nicht mal in eine andere Testumgebung setzen und die Heimkehr wirklich, d.h. maschinell randomisieren? Warum nicht mal den Heimweg komplett abbrechen und sehen, wie der Hund "reagiert"?). Die Aussagekraft tendiert nach wissenschaftlichen Standards stark gegen Null.
9. Der Test wurde mit anderen Tieren und Haltern entweder nicht reproduziert oder konnte nicht reproduziert werden. Sheldrakes schwurbeliges Gefasel von einem Alltagsphänomen appelliert wohl eher an die Fantasie esoterisch vernebelter Fernsehzuschauer, die sowas bei ihren supersensiblen Haustieren auch schon gesehen haben wollen, als an tatsächlich reproduzierbare Experimente.