Wertefundamentalismus - Wertebegründung - Werterelativismus

Beitragvon gavagai » Mi 2. Mai 2007, 12:59

Sisyphos hat geschrieben:Zu (1): Richtig, deswegen sollte Ethik immer auch evolutionär, nicht statisch gedacht werden.
Super. Wenn du den Wandel der Werte in der Zeit zulässt, dann sehe ich nicht, wie du den Wandel im Raum (auf der Erde zu einem Zeitpunkt) ablehnen willst.
Sisyphos hat geschrieben:Zu (2): Aber was ist, kann zu einer Ethik beitragen. Zumindest ist es nicht zweckmäßig, wenn es ihr im Wege steht. Wenn eine Ethik gegen die Natur des Menschen verstößt (katholische Sexualmoral), lässt sie sich nicht durchsetzen. Die Praxis beweist es.
Dazu wäre viel zu sagen.
a) Selbstverständlich kann das Ist Hinweise auf das Soll geben. Aber nie kann man allein aus dem Ist (z.B. Gattenmord) ein Soll ableiten.
b) Die katholisches Sexualmoral wird ja durchgesetzt (innerhalb eines Großteils der Katholiken). Insofern beweist die Praxis (nicht nur hier), dass man sehr wohl Ethik gegen die Natur des Menschen durchsetzen kann.
c) Die Natur sorgte früher für das schnelle Absterben Schwerbehinderter. Heute haben wir uns gegen die Natur dafür entschieden: Auch dies sind Menschen und geniessen unsere Fürsorge. Folge: Sie überleben entgegen der Natur.
BTW ein treffliches Beispiel dafür, dass das Ist nicht das Soll bestimmt.

gavagai hat geschrieben:Nein. Wenn beispielsweise mein Ziel ist, die Goten auszurotten, ist es sinnvoll und praktisch den Goten einen Schaden zuzufügen und zu schaden.

Sisyphos hat geschrieben:Ich rede noch nicht von Inter-Gruppenbeziehungen. Meine Ausführungen bezogen sich auf Intra-Gruppenbeziehungen.

Ich kenne deinen feinen Unterschied nicht. Aber mein Beispiel lässt sich umformulieren.
a) Wenn es beispielsweise mein Ziel ist, die Münchner auszurotten, ist es sinnvoll und praktisch den Münchnern einen Schaden zuzufügen.
Oder noch mehr "intra"
b) Wenn es beispielsweise mein Ziel ist, meine nachkommen auszurotten (die Hege ist mir zu aufwändig), ist es sinnvoll und praktisch meinen Kindern einen Schaden zuzufügen.
Sisyphos hat geschrieben:Wenn du mich richtig liest, wirst du erkennen, dass ich nicht zwangsläufig vom Sein zum Sollen ableite, sondern das Kann betone ("nahelegen"). Im übrigen halte ich ("du begehst den naturalistischen Fehlschluss") für ein inzwischen ausgeleiertes Totschlagargument, mit dem schon im FGH inzwischen jeder Zweite triumphierend einen Thread beenden kann.

OK, der erste Satz beruft sich darauf, das du den naturalistischen Fehlschluss nicht begehst. Der zweite Satz ist mir etwas rätselhaft. Einerseits lese ich bei dir Zustimmung: ja, aus dem IST kann und darf man kein SOLL ableiten; andrerseits lese ich raus: ein bißchen darf man doch!?
Sisyphos hat geschrieben:Selbstverständlich können wir ethische Regeln nicht in der Natur vorfinden.

Super, genau das ist meine These. Wenn es nicht so wäre (wenn ich also aus dem IST mein SOLL begründen dürfte), wäre es um uns schlecht bestellt. Ich hätte freie Hand, meinen "Opfern" aufzulauern und zu töten und zu fressen (sehr viele Tiere machen es in der Natur so).
Sisyphos hat geschrieben:Deshalb können wir aber nicht schlussfolgern, naturwissenschaftliche Erkenntnisse hätten keinerlei Relevanz bei der Entwicklung einer modernen Ethik.
Bravo. Volle Zustimmung. Wer z.B. in seiner Ethik den zeitpunkt der Menschwerdung benützt oder den Todeszeitpunkt wendet sich am besten (ausschliesslich?!) an die Wissenschaft. Der Clou ist aber: allein aus dem wissenschaftlichen Todeszeitpunkt kann ich keine ethische Position ableiten. Ich brauche unbedingt dazu auch ein Postulat, z.B. "Solange jemand nicht tot ist, darf ich ihm keine Organe entnehmen". genau das Letzte leistet die Naturwissenschaft nicht.
Sisyphos hat geschrieben: Eine Ethik kann die natürlichen Grundbedürfnisse der Menschen nicht ignorieren.

1) Warum nicht?
2) Was sind die natürlichen Grundbedürfnisse der Menschen? Der eine mag Musik von Schönberg oder Coltrane, der andere verabscheut sie.
3) Das ist eine ziemlich kommunistische Postion: Jeder nach seinen Bedürfnissen (wobei ich das nur feststelle und nicht werte)
Sisyphos hat geschrieben:Sie ist der Versuch, die unter Menschen auftretenden Interessenskonflikte so zu lösen, dass alle Beteiligten das Ergebniss als möglichst fair erachten (also selbst einen Nutzen daraus ziehen).
Das hast du dir (oder andere vor dir) ausgedacht. Einverstanden. Es ist aber ein Denkkonstrukt von dir (oder den anderen)
Sisyphos hat geschrieben:Dass es Menschen gibt, die gerne Gewalt ausüben, heißt nicht, dass sich davon eine für alle Beteiligten tragbare Ethik ableiten lässt.
Super, wir kommen uns immer näher. Ebenso gilt: Dass es Menschen gibt, die ungern Gewalt ausüben, heißt nicht, dass sich davon eine für alle Beteiligten tragbare Ethik ableiten lässt (solange keine anderen Prämissen dazu kommen).
gavagai
 
Beiträge: 344
Registriert: So 29. Okt 2006, 21:17
Wohnort: Wasserburg am Inn

Beitragvon gavagai » Mi 2. Mai 2007, 13:00

HFRudolph hat geschrieben:
Nox schrieb:
Wertvorstellungen lassen sich nicht aus der Natur her begründen. (Naturalistischer Fehlschluss droht!)


Das sehe ich ebenso. Naturalismus betrachtet die Frage, wie wir Erkenntnis über die Welt beziehen bzw. was wir als wahr anerkennen. Die Ethik bzw. Moral ist ein Akt der menschlichen Wertung.

danke für den argumentatorischen Beistand. Volle Zustimmung.
gavagai
 
Beiträge: 344
Registriert: So 29. Okt 2006, 21:17
Wohnort: Wasserburg am Inn

Beitragvon gavagai » Mi 2. Mai 2007, 13:08

Kurt hat geschrieben:@ Herbert, Sisyphos und Arrowman: Wie es scheint, definieren wir unsere Ethik doch auf Grundlage des eigenen Nutzens (Egoismus) und auf Grundlage der menschlichen Natur.
Ich nicht.
Kurt hat geschrieben:Wir übernehmen einfach die Verhaltensweisen, die sich im Laufe der Evolution als die "besten" herausgestellt haben und nennen das Ethik.
Genau das lehne ich entschieden ab und argumentiere dagegen. Wenn es so wäre, wäre Gattenmord ethisch OK (hat sich für manche Arten im Laufe der Evolution als die "beste" herausgestellt )
Kurt hat geschrieben:Für mich war das eine der größten Erkenntnisse der letzten Jahre, dass man Ethik vollkommen auf Basis der Natur (Evolution)

Sonderbar. Gerade noch meinte ich bei dir zu lesen, dass du den Naturalistischen Fehlschluss für verfehlt hältst.
Kurt hat geschrieben:und Verstand begründen kann, ohne Religion usw.
Volle Zustimmung. Und Verschärfung: man sollte Ethik nur mit dem Verstand begründen [/quote]
Kurt hat geschrieben:Der Hauptvorwurf gegen den Atheismus ist ja, wir hätten keine richtige Moral.
Dieser Vorwurf ist schnell ausgeräumt.
Kurt hat geschrieben:Ich kann euch übrigens das Büchlein "Evolutionäre Psychologie" von David Buss empfehlen. Das betrifft genau das Thema und ist das beste Psychologiebuch, das ich bisher in die Finger gekriegt hab.
Werde ich lesen.
Kurt hat geschrieben:Töten eines Feindes war sicherlich mal überlebensnotwendig oder vorteilhaft, heute ist es ein Verbrechen. Als "workaround" haben wir unsere eigene Umwelt in Form von Gesetzen so angepasst, dass Mord streng bestraft wird und deshalb als Handlungsalternative noch unattraktiver wird.
Eben. Wir schufen uns völlig naturwidrige Normen. Zurecht, IMO. U.a. ein Verdienst der Aufklärung.
gavagai
 
Beiträge: 344
Registriert: So 29. Okt 2006, 21:17
Wohnort: Wasserburg am Inn

Beitragvon Sisyphos » Mi 2. Mai 2007, 15:07

Bestandteil des Menschseins (3) ist der Wille zu überleben, sich zu ernähren, sich fortzupflanzen etc. (Triebe). Bestandteil des Menschseins ist das Zusammenleben in Gruppen (Kooperation zum Zwecke des Überlebens). Joachim Bauer ("Prinzip Menschlichkeit") beweist, dass Einzelgängertum und Einsamkeit nur unter hohen psychologischen Kosten (mit negativen Folgen auch für andere: Aggression, Gewalt) möglich sind. Aus (3), dem Menschsein, lässt sich ableiten, dass sowohl der Einzelne, der (3) für sich beansprucht, höchstwahrscheinlich in Ruhe und Frieden mit anden zusammen leben möchte (2), aber auch, dass die meisten anderen, für die aus Sicht des Einzelnen (3) gilt, höchstwahrscheinlich in Ruhe und Frieden zusammenleben möchten. Deshalb liegt es sehr nahe, sich auf eine gemeinsame Ethik zu verständigen (1).

gavagai hat geschrieben:1) Es gilt vielleicht auch für andere Arten. 2) Viele Menschen wollen nicht in Frieden und Ruhe mit anderen zusammenleben. Für sie gibt es keinen Bezug von (3) zu (2).


Zu (1): Das mag sein, ist aber für eine menschliche Ethik irrelevant.
Zu (2): Dann gibt es dafür in jedem Einzelfall Ursachen, um die man sich später kümmern kann. Ich behaupte, dass der Bezug (3) zu (2) für die meisten gilt.

gavagai hat geschrieben:
Sisyphos hat geschrieben:Zu (1): Richtig, deswegen sollte Ethik immer auch evolutionär, nicht statisch gedacht werden.
Super. Wenn du den Wandel der Werte in der Zeit zulässt, dann sehe ich nicht, wie du den Wandel im Raum (auf der Erde zu einem Zeitpunkt) ablehnen willst.


Tue ich nicht. Historisch gesehen, hat es räumlich differenziert Experimente mit verschiedenen Ethiken gegeben. Es hat aber auch die Weitergabe und den Austausch von erfolgreichen Ethiken gegeben. Diese Prozesse finden auch gegenwärtig statt. Im Zuge der zunehmenden Vernetzung menschlicher Gesellschaften zu einer "Weltgesellschaft" vermute ich einen Rückgang der Ausdifferenzierung und die Annäherung einen gemeinsamen ethischen Standard. Wir können das ja beobachten.

b) Die katholisches Sexualmoral wird ja durchgesetzt (innerhalb eines Großteils der Katholiken). Insofern beweist die Praxis (nicht nur hier), dass man sehr wohl Ethik gegen die Natur des Menschen durchsetzen kann.


Das ist falsch. Die Praxis beweist das Gegenteil. Die Sexualmoral hat sich eben nicht erfolgreich durchsetzen können. Das belegen schon die vielen Skandale um pädophile Priester. Aber auch die Tatsache, dass schätzungsweise 5 bis 10 % aller Kinder (auch in katholischen Haushalten) Kuckkuckskinder sind.

c) Die Natur sorgte früher für das schnelle Absterben Schwerbehinderter. Heute haben wir uns gegen die Natur dafür entschieden: Auch dies sind Menschen und geniessen unsere Fürsorge. Folge: Sie überleben entgegen der Natur.
BTW ein treffliches Beispiel dafür, dass das Ist nicht das Soll bestimmt.


Sie überleben heute, weil wir in der Lage sind, sie als Menschen zu betrachten und Mitleid zu empfinden, und deshalb unsere Fürsorge und Kooperation auch auf sie auszubreiten. Das waren wir immer schon. Nur haben wir heute auch die nötigen Ressourcen und sind nicht mehr gezwungen, uns gegen unsere Menschlichkeit zu entscheiden.
Sisyphos
 
Beiträge: 692
Registriert: So 4. Mär 2007, 09:50

Beitragvon gavagai » Mi 2. Mai 2007, 15:56

Sisyphos hat geschrieben:Bestandteil des Menschseins (3) ist der Wille zu überleben, sich zu ernähren, sich fortzupflanzen etc. (Triebe).

Klar. Kein Widerspruch. das hat aber nix mit Ethik zu tun.
Sisyphos hat geschrieben:Bestandteil des Menschseins ist das Zusammenleben in Gruppen (Kooperation zum Zwecke des Überlebens).
Klar. Kein Widerspruch. das hat aber nix mit Ethik zu tun.
Sisyphos hat geschrieben:Joachim Bauer ("Prinzip Menschlichkeit") beweist, dass Einzelgängertum und Einsamkeit nur unter hohen psychologischen Kosten (mit negativen Folgen auch für andere: Aggression, Gewalt) möglich sind.
Einverstanden. Kein Widerspruch. das hat aber nix mit Ethik zu tun.
Sisyphos hat geschrieben:Aus (3), dem Menschsein, lässt sich ableiten,
Wie?
Sisyphos hat geschrieben: dass sowohl der Einzelne, der (3) für sich beansprucht, höchstwahrscheinlich in Ruhe und Frieden mit anden zusammen leben möchte (2), aber auch, dass die meisten anderen, für die aus Sicht des Einzelnen (3) gilt, höchstwahrscheinlich in Ruhe und Frieden zusammenleben möchten.

Mag sein, aber: 1) "höchstwahrscheinlich"
2) Genau dieser Anspruch begründet, was diese Menschen "höchstwahrscheinlich" wollen.
Sisyphos hat geschrieben:Deshalb liegt es sehr nahe, sich auf eine gemeinsame Ethik zu verständigen (1).
Genau meine These: Man muss sich verständigen. Es sind also notwendig:
1) Anspruch des Einzelnen
2) Diskurse zwischen den Menschen.
Das bestätigt voll die These: allein aus der Natur lässt sich keine Ethik ableiten.
gavagai hat geschrieben:1) Es gilt vielleicht auch für andere Arten. 2) Viele Menschen wollen nicht in Frieden und Ruhe mit anderen zusammenleben. Für sie gibt es keinen Bezug von (3) zu (2).

Sisyphos hat geschrieben:Zu (1): Das mag sein, ist aber für eine menschliche Ethik irrelevant.

a) Warum willst du und mit welchem Recht kannst du Menschen einfach ausklammern (du erklärst einen Teil der Menschen mit ihren Wünschen selbstherrlich für irrelevant)?
b) Durch das Ausklammern gestehst du zu: es ist keine universale Ethik sondern nur eine für eine Teilmenge: zumindest diejenigen, die du ausklammerst, teilen sie nicht.
gavagai hat geschrieben:Wenn du den Wandel der Werte in der Zeit zulässt, dann sehe ich nicht, wie du den Wandel im Raum (auf der Erde zu einem Zeitpunkt) ablehnen willst.

Sisyphos hat geschrieben:Tue ich nicht.
OK, dann kann es also regional unterschiedliche Werte geben.
Sisyphos hat geschrieben:Das ist falsch. Die Praxis beweist das Gegenteil. Die Sexualmoral hat sich eben nicht erfolgreich durchsetzen können. Das belegen schon die vielen Skandale um pädophile Priester. Aber auch die Tatsache, dass schätzungsweise 5 bis 10 % aller Kinder (auch in katholischen Haushalten) Kuckkuckskinder sind.
Na ja, das belegt also, dass 90 bis 95 % gemäss der katholischen Sexualmoral innerfamiliär gezeugt wurden. Auch denke ich nicht, dass quotenmässig sehr viele Priester pädophil sind. Zahlen gibt es da wohl nicht. Viele Katholiken halten sich an die kath. Sexualmoral. leider z.B. auch in Afrika, siehe dortige AIDS-problematik. Ich bin mir nicht sicher, aber ich meine eine Ehebung gelesen zu haben, die belegte, dass AIDS in der katholischen "Dritten Welt" signifikant weiter verbreitet ist als in der nicht-katholischen.
Nachwievor gilt: so wie die Welt ist, kann nicht bestimmen, wie sie sein soll. Auch wenn die überwältigende Anzahl Menschen z.B. gerne Fleisch essen, kann daraus nicht abgeleitet werden: Es ist für alle Menschen moralisch geboten, Fleisch zu essen.
Noch weitergehend. Selbst wenn alle Menschen kein Menschenfleisch essen, kann daraus nicht abgeleitet werden: es ist verwerflich Menschenfleisch zu essen.
Wie wir oben erarbeitet haben, braucht es für die Begründung einer Moral: den Entschuß des einzelnen, z.B. nicht zu lügen. Und zusätzlich evtl. kann man sich auf eine gemeinsame Moral verständigen.
gavagai
 
Beiträge: 344
Registriert: So 29. Okt 2006, 21:17
Wohnort: Wasserburg am Inn

Beitragvon Sisyphos » Mi 2. Mai 2007, 16:39

gavagai hat geschrieben:Genau meine These: Man muss sich verständigen. Es sind also notwendig:
1) Anspruch des Einzelnen
2) Diskurse zwischen den Menschen.
Das bestätigt voll die These: allein aus der Natur lässt sich keine Ethik ableiten.


Indirekt schon, denn die Ansprüche der Einzelnen lassen sich aus ihrer Natur herleiten. Die Diskurse finden auf dieser Grundlage statt.

gavagai hat geschrieben:
gavagai hat geschrieben:1) Es gilt vielleicht auch für andere Arten. 2) Viele Menschen wollen nicht in Frieden und Ruhe mit anderen zusammenleben. Für sie gibt es keinen Bezug von (3) zu (2).

Sisyphos hat geschrieben:Zu (1): Das mag sein, ist aber für eine menschliche Ethik irrelevant.

a) Warum willst du und mit welchem Recht kannst du Menschen einfach ausklammern (du erklärst einen Teil der Menschen mit ihren Wünschen selbstherrlich für irrelevant)?
b) Durch das Ausklammern gestehst du zu: es ist keine universale Ethik sondern nur eine für eine Teilmenge: zumindest diejenigen, die du ausklammerst, teilen sie nicht.


Wieso sollte ich Menschen ausklammern wollen. Ich klammere andere Arten aus.


Darüber hinaus behauptete ich nie, es gäbe eine universale Ethik. Es könnte sich im Diskurs aber eine durchsetzen, die alle anerkennen. Bis dahin wird regional unterschiedlich mit Wertsystemen experimentiert.

gavagai hat geschrieben:Viele Katholiken halten sich an die kath. Sexualmoral. leider z.B. auch in Afrika, siehe dortige AIDS-problematik. Ich bin mir nicht sicher, aber ich meine eine Ehebung gelesen zu haben, die belegte, dass AIDS in der katholischen "Dritten Welt" signifikant weiter verbreitet ist als in der nicht-katholischen.


Würden sich die katholischen Afrikaner an die katholische Sexualmoral halten, würde sich AIDS genauso wenig ausbreiten können, als nutzten sie konsequent Kondome. Es würde bedeuten: kein Sex vor der Ehe, Monogamie, keine Seitensprünge. Die katholische Sexualmoral ist unwirksam. Die Menschen lieben nun mal den Sex, das ist genetisch bedingt (Verbreitung der Gene etc.).

gavagai hat geschrieben:Auch wenn die überwältigende Anzahl Menschen z.B. gerne Fleisch essen, kann daraus nicht abgeleitet werden: Es ist für alle Menschen moralisch geboten, Fleisch zu essen.


Nein, warum sollte man auch so ein Gebot aufstellen? Menschen können sowohl ausschließlich von Fleisch gesund leben (siehe unsere Vorfahren, siehe die Neandertaler, siehe aber auch die Inuit) als auch ausschließlich vegetarisch. Eine Ethik sollte eben nur nichts, was die Mehrheit aufgrund ihrer Natur tut und was niemandem schadet, ausschließen oder verbieten. Viele Inder, die sich rühmen, Vegetarier zu sein, essen immer wieder auch Fleisch. Die Essvorschriften des Hinduismus werden oft nur aufgrund ökonomischer Zwänge eingehalten (Fleisch ist sehr teuer). - Überlegungen zur Tierethik lassen wir hier mal außen vor.
Zuletzt geändert von Sisyphos am Mi 2. Mai 2007, 18:06, insgesamt 1-mal geändert.
Sisyphos
 
Beiträge: 692
Registriert: So 4. Mär 2007, 09:50

Beitragvon gavagai » Mi 2. Mai 2007, 17:28

Sisyphos hat geschrieben:Indirekt schon, denn die Ansprüche der Einzelnen lassen sich aus ihrer Natur herleiten.
Nein. Um Ansprüche herzuleiten mußt du immer schon etwas voraussetzen oder postulieren, z.B. Menschen wollen überleben.
Sisyphos hat geschrieben:Wieso sollte ich Menschen ausklammern wollen. Ich klammere andere Arten aus.
Nein.
Ich schrieb: Viele Menschen wollen nicht in Frieden und Ruhe mit anderen zusammenleben. Du schriebst dann:
Sisyphos hat geschrieben:Zu (1): Das mag sein, ist aber für eine menschliche Ethik irrelevant.

Damit hast du die vielen Menschen, die nicht in Frieden und Ruhe mit anderen zusammenleben wollen für irrelevant erklärt = ausgeklammert.
Sisyphos hat geschrieben:Darüber hinaus behauptete ich nie, es gäbe eine universale Ethik.

Super, damit gehst du über meine These sogar hinaus. ich behaupte nur: eine universale Ethik lässt sich nicht begründen.
gavagai hat geschrieben:Auch wenn die überwältigende Anzahl Menschen z.B. gerne Fleisch essen, kann daraus nicht abgeleitet werden: Es ist für alle Menschen moralisch geboten, Fleisch zu essen.

Sisyphos hat geschrieben:Nein, warum sollte man auch so ein Gebot aufstellen?
OK, damit gestehst du zu, dass die Natur der überwältigenden Anzahl Menschen nicht ein ethisches Gebot begründen. Volle Zustimmung.
Ich fasse zusammen: Aus dem Ist lässt sich nicht unmittelbar ein Soll ableiten (wäre ja auch schlimm). Es ist immer ein menschlicher Wille oder gar Konsens im Diskurs nötig. So wie es HFRudolph kurz fasste: Die Ethik bzw. Moral ist ein Akt der menschlichen Wertung.
gavagai
 
Beiträge: 344
Registriert: So 29. Okt 2006, 21:17
Wohnort: Wasserburg am Inn

Beitragvon Sisyphos » Mi 2. Mai 2007, 18:02

Von deinen Spitzfindigkeiten habe ich jetzt genug.

Nur eins, weil du mich (nicht nur bei diesem Punkt) unvollständig zitiert hast. Ich schrieb:

Zu (1): Das mag sein, ist aber für eine menschliche Ethik irrelevant.
Zu (2): Dann gibt es dafür in jedem Einzelfall Ursachen, um die man sich später kümmern kann. Ich behaupte, dass der Bezug (3) zu (2) für die meisten gilt.


Damit habe ich gewaltsame Verhaltensweisen zunächst ausgeklammert, weil sie m.E. Ausnahmen von der Mehrheit darstellen und später gesondert behandelt werden können.

Ich fasse zusammen: Aus dem Ist lässt sich nicht unmittelbar ein Soll ableiten (wäre ja auch schlimm). Es ist immer ein menschlicher Wille oder gar Konsens im Diskurs nötig. So wie es HFRudolph kurz fasste: Die Ethik bzw. Moral ist ein Akt der menschlichen Wertung.


Deine Zusammenfassung kann ich so akzeptieren.

Ich füge aber hinzu, dass ich nie aus dem Ist ein Soll unmittelbar ableiten wollte, wie du es mir unterstellst. Aus dem Ist (Natur) lässt sich zumindest mittelbar (Ansprüche, Diskurs) ein Kann ableiten. Zumindest lassen sich naturwissenschaftliche Erkenntnisse bei der Entwicklung einer im Diskurs von allen akzeptierten Ethik nicht ignorieren.
Sisyphos
 
Beiträge: 692
Registriert: So 4. Mär 2007, 09:50

Beitragvon gavagai » Mi 2. Mai 2007, 18:41

Sisyphos hat geschrieben:Damit habe ich gewaltsame Verhaltensweisen zunächst ausgeklammert, weil sie m.E. Ausnahmen von der Mehrheit darstellen und später gesondert behandelt werden können.
OK, genau das habe ich bemängelt. Du hast Menschen mit bestimmten Verhaltensweisen von vornherein ausgeklammert. IMO ist das keine gute Voraussetzung für einen Konsens und schon gar nicht für ein universale Ethik. Aber da du ja schon zugestanden hast, dass es keine universale Ethik gibt, passt es ja. Damit haben wir aber für mind. 2 Gruppen verschiedene Moralgrundsätze = Pluralismus = Relativismus.
Ich fasse zusammen: Aus dem Ist lässt sich nicht unmittelbar ein Soll ableiten (wäre ja auch schlimm). Es ist immer ein menschlicher Wille oder gar Konsens im Diskurs nötig. So wie es HFRudolph kurz fasste: Die Ethik bzw. Moral ist ein Akt der menschlichen Wertung.

Sisyphos hat geschrieben:Deine Zusammenfassung kann ich so akzeptieren.
Komisch. Aber ohne Näheres kann ich nichts erwidern.
Sisyphos hat geschrieben:Ich füge aber hinzu, dass ich nie aus dem Ist ein Soll unmittelbar ableiten wollte, wie du es mir unterstellst.

Schmarrn. Das unterstelle ich doch nicht. Ganz im Gegenteil: ich fasste zusammen (damit dich inklusive)
Aus dem Ist lässt sich nicht unmittelbar ein Soll ableiten.

das ist doch jetzt Konsens, oder? Dass man bei einer Ethikbegründung alles Mögliche mit einbeziehen kann und sollte war nie und ist nicht bestritten.
gavagai
 
Beiträge: 344
Registriert: So 29. Okt 2006, 21:17
Wohnort: Wasserburg am Inn

Beitragvon Sisyphos » Mi 2. Mai 2007, 20:48

gavagai hat geschrieben:
Aus dem Ist lässt sich nicht unmittelbar ein Soll ableiten.

das ist doch jetzt Konsens, oder? Dass man bei einer Ethikbegründung alles Mögliche mit einbeziehen kann und sollte war nie und ist nicht bestritten.


Dann frage ich mich, warum wir hier diskutiert haben. Die zwingende Ableitung von Soll aus Ist habe ich nie behauptet, habe deine These also gar nicht bestritten. Es gab für dich nichts zu verteidigen, weil ich letztendlich - mit deinen Worten - nur für den Einbezug naturwissenschaftlicher Erkenntnisse in die Ethikbegründung argumentiert habe. Insofern können wir das wohl abschließen.

:bier:
Sisyphos
 
Beiträge: 692
Registriert: So 4. Mär 2007, 09:50

Beitragvon Klaus » Mi 2. Mai 2007, 20:53

Oh Männer, dieser Abschluß war so nicht zu erwarten. =)
Benutzeravatar
Klaus
 
Beiträge: 4704
Registriert: Mo 11. Sep 2006, 21:43
Wohnort: get off the Net, I´ll meet you in the Streets

Beitragvon Sisyphos » Mi 2. Mai 2007, 21:00

Klaus hat geschrieben:Oh Männer, dieser Abschluß war so nicht zu erwarten. =)


Es wäre doch schlimm, würden wir allgemein verbindliche Gesprächsregeln (Soll) ableiten wollen aus der männlichen auf Sieg ausgerichteten Gesprächsstrategie (Ist). :lachtot:
Sisyphos
 
Beiträge: 692
Registriert: So 4. Mär 2007, 09:50

Beitragvon Klaus » Mi 2. Mai 2007, 21:05

Wenn ich jetzt schreibe, du mußt auch immer das letzte Wort haben, kenne ich die Antwort, ich habs aber trotzdem getan. :^^:
Benutzeravatar
Klaus
 
Beiträge: 4704
Registriert: Mo 11. Sep 2006, 21:43
Wohnort: get off the Net, I´ll meet you in the Streets

Beitragvon Sisyphos » Mi 2. Mai 2007, 21:06

:schweig:
Sisyphos
 
Beiträge: 692
Registriert: So 4. Mär 2007, 09:50

Beitragvon Klaus » Mi 2. Mai 2007, 21:11

Die Grinsebacke habe ich ja überhaupt noch nicht gesehen.
Benutzeravatar
Klaus
 
Beiträge: 4704
Registriert: Mo 11. Sep 2006, 21:43
Wohnort: get off the Net, I´ll meet you in the Streets

Beitragvon HF******* » Do 3. Mai 2007, 08:44

Sisyphos schrieb:
dass sowohl der Einzelne, der (3) für sich beansprucht, höchstwahrscheinlich in Ruhe und Frieden mit anden zusammen leben möchte (2), aber auch, dass die meisten anderen, für die aus Sicht des Einzelnen (3) gilt, höchstwahrscheinlich in Ruhe und Frieden zusammenleben möchten.


Der Wille zum friedlichen Zusammenleben ist ein Akt der Wertung. Der Stärkere (oder Mächtigere) wird möglicherweise auch friedlich zusammenleben wollen, aber nur dann, wenn ihm das gegeben wird, was er sich mit Gewalt ohnehin nehmen könnte... Es gibt sogar ganze Gruppen, die ein Friedliches Zusammenleben nur akzeptieren, wenn sie einen ihrer Gewaltbereitschaft oder tatsächlichen Macht entsprechenden Vorteil zugesprochen bekommen (siehe Nationalsozialismus).

Der Wille zum friedlichen Zusammenleben ist nicht zwingend, wird auch tagtäglich durch den Missachtung von Strafrechtsvorschriften gebrochen, weil der Einzelne sich von diesem Vorgehen einen persönlichen Vorteil erhofft: Das Individuum verabschidet sich also regelmäßig von den möglicherweise grundsätzlich als richtig anerkannten Regeln, die das Ziel des friedlichen Zusammenlebens ermöglichen sollen, um einen persönlichen Vorteil zu erlangen. Die sich aus dem friedlichen Zusammenleben ergebende Ethik ist also bei einem Straftäter nur eingeschränkt akzeptiert: Tatsächlich ist das friedliche Zusammenleben nicht vollständig Teil ihrer Ethik, sie halten sich also nicht daran, weil sie es als sinnvolle Regel objektiv anerkennen, d. h. im Zweifel auch zum eigenen Nachteil, sondern sie erkennen die vorhandenen Regeln nur an, weil sie mit Sanktionen durchgesetzt werden... Und das ist sicherlich auch bei Menschen so, denen es nur an Gelegenheit (oder Intellekt) zur Straftat mangelt.

Der Wille zum friedlichen Zusammenleben ergibt sich also nicht uneingeschränkt aus der Natur, sondern allenfalls unter dem Vorbehalt, dass nicht anders ein besserer persönlicher Vorteil erzielt werden kann.... Deshalb meine ich, dass es eines Akts der Wertung bedarf, dieses Ziel der Ethik festzulegen, das friedliche Zusammenleben einer Gesellschaft.
HF*******
 
Beiträge: 2651
Registriert: Do 19. Okt 2006, 11:59

Beitragvon HF******* » Do 3. Mai 2007, 09:02

Das Maß dessen, was für ein friedliches Zusammenleben erforderlich ist, ist übrigens auch stark unterschiedlich und hängt mit der Toleranz der Gesellschaft zusammen: Auch das ist ein starker Akt der Wertung.

In den Anfängen der Menscheit war es z. B. den Leuten vielleicht noch egal, wenn jemand gestunken, halbnackt herumgelaufen oder halböffentlich Sex hatte. Vielleicht war es sogar in Ordnung, wenn jemand einem anderen etwas Nahrung weggenommen hat, um sie gleich selbst zu essen (so selbst noch im alten Testament festgehalten: Wenn jemand in einen fremden Weinberg geht, darf er dort essen, aber nichts wegtragen).

Heute ist das einem friedlichen Zusammenleben nicht mehr zuträglich, weil aufgrund Wertung ein gewisser Erwartungshorizont besteht und die Regeln die Vorteile des Zusammenlebens stark erhöht haben (Mundraub ist normaler Diebstahl).

Ich denke, dass sich die Regeln (das ist die Ausgestaltung der Ethik) nicht aus der Natur der Dinge ergeben, denn man könnte vieles anders handhaben. Man kann die Ethik daher auch nicht auf eine Minimalethik herabsetzen, die sich ausschließlich aus der Natur ergibt.
HF*******
 
Beiträge: 2651
Registriert: Do 19. Okt 2006, 11:59

Beitragvon ostfriese » Do 3. Mai 2007, 13:49

Mein Senf dazu, hauptsächlich bezogen auf die Ausführungen von gavagai:

Dass sich die Geltung von Werten und Normen ebenso wenig letztbegründen lässt wie die Wahrheit wissenschaftlicher Theorien, ist mittlerweile ja fast ein philosophischer Gemeinplatz. Fundamentalismus ist keine haltbare Position, da sind wir uns wohl alle einig (ein Gebäude kracht eben, wenn das Fundament bröckelt).

Aber das heißt mitnichten, dass alle Argumente, mit denen ethische Regeln gerechtfertigt werden, gleich akzeptabel sind. Ebenso wenig, wie alle wissenschaftlichen Theorien in gleicher Weise als wahr akzeptierbar sind.

Ähnlich, wie ein System wissenschaftlicher Aussagen über die Welt dadurch Plausibilität gewinnt, dass sich die Implikationen unabhängiger Prämissen gegenseitig stützen, so ist auch für die Geltung eines Systems von moralischen Urteilen ihre wechselseitige Konsistenz maßgeblich (Vollmers "virtuose Zirkel").

Der Anspruch einer Ethik ist übrigens notwendig universell, sonst wäre es keine Ethik. Schließlich besagt der ethische Standpunkt ja gerade, dass man das Gemeinwohl über Einzelinteressen stellt (vgl. Kants kategorischen Imperativ). Dieser Anspruch braucht kein Fundament, ebenso wenig, wie der universelle Gültigkeitsanspruch von Naturgesetzen eine Weltformel voraussetzt. Hier, gavagai, liegt Dein Haupt-Irrtum.

Kann man sich prinzipiell gegen diesen ethischen Standpunkt entscheiden? Natürlich. Aber dann verlässt man eben den Boden der ethischen Argumentation (amoralische Position).

Gibt es Gründe, sich für den ethischen Standpunkt zu entscheiden? Ja! Und die folgen, dem "Naturalistischen Fehlschluss" zum Trotz, aus unseren Erfahrungen. Zwar schreibt das Sein nicht vor, was wir sollen; aber die Natur liefert gute Argumente, warum wir überhaupt sollen sollen.

In der Evolution haben sich Organismen entwickelt, die Präferenzen und somit Interessen haben (Für die Herausbildung von Empfindungen / von Aufsuchen- und Vermeidenstendenzen spielt es keine Rolle, dass die Evolution ziellos ist!). Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben "baugleiche" Wesen vergleichbare Präferenzen, wie Verhaltensforscher stichhaltig belegen können. Das gleichzeitige Streben aller Wesen nach Berücksichtigung ihrer Interessen führt aber offenbar zu Konflikten. Und hieraus erwächst schon die moralische Frage.

Für innerethische Argumente spielt die Natur(erkenntnis) ebenfalls eine Rolle, da eine unpraktische, weil widernatürliche Ethik ihren Zweck schlicht verfehlt (wie Sisyphos bereits ausgeführt hat). Es geht hierbei aber nur um eine realistische Abschätzung der Implikationen moralischer Urteile, nicht um deren Ableitung aus Naturgegebenheiten. Daher droht auch kein Naturalistischer Fehlschluss!
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Beitragvon HF******* » Do 3. Mai 2007, 15:58

ostfriese schrieb:
Für innerethische Argumente spielt die Natur(erkenntnis) ebenfalls eine Rolle, da eine unpraktische, weil widernatürliche Ethik ihren Zweck schlicht verfehlt (wie Sisyphos bereits ausgeführt hat). Es geht hierbei aber nur um eine realistische Abschätzung der Implikationen moralischer Urteile, nicht um deren Ableitung aus Naturgegebenheiten. Daher droht auch kein Naturalistischer Fehlschluss!


Einverstanden! :applaus:
HF*******
 
Beiträge: 2651
Registriert: Do 19. Okt 2006, 11:59

Beitragvon gavagai » Do 3. Mai 2007, 20:04

ostfriese hat geschrieben:Dass sich die Geltung von Werten und Normen ebenso wenig letztbegründen lässt
Das ist eine viel weitergehende Behauptung, als ich sie aufstellte. Einverstanden.
ostfriese hat geschrieben:wie die Wahrheit wissenschaftlicher Theorien, ist mittlerweile ja fast ein philosophischer Gemeinplatz. Fundamentalismus ist keine haltbare Position, da sind wir uns wohl alle einig (ein Gebäude kracht eben, wenn das Fundament bröckelt).
??? Einerseits ist für dich der Fundamentalismus (= Fundament ohne Begründung) ein gemeinplatz; andrerseits ist er keine haltbare Position ??? Oder meinst du jetzt einen anderen Fundamenalismus (im Sinne von religiösen Dogmatismus)? Verwirrt
ostfriese hat geschrieben:Aber das heißt mitnichten, dass alle Argumente, mit denen ethische Regeln gerechtfertigt werden, gleich akzeptabel sind.
Wird wohl kaum jemand behaupten. Oder? Nenne Roß und Reiter!
ostfriese hat geschrieben: Ebenso wenig, wie alle wissenschaftlichen Theorien in gleicher Weise als wahr akzeptierbar sind.
Die Analogie hinkt etwas, da ich zumindest naturwissenschaftliche Theorien an der Welt (empirisch) überprüfen und evtl. falsifizieren kann. Eine Ethik kann man wohl prinzipiell nicht falsifizieren (so sie nicht in sich selbst widersprüchlich ist).
ostfriese hat geschrieben:Der Anspruch einer Ethik ist übrigens notwendig universell, sonst wäre es keine Ethik.
Meinst du den Anspruch? Nun, der kann ja universal sein (obwohl ich z.B. für meine Ethik, die z.B. Vegatarianismus einschliesst, keine Universalität beanspruche. Ist jetzt mein partikulärer Vegatarianismus keine Ethik oder gar verwerflich?)
Vielleich meintest du: Die Geltung einer Ethik ist übrigens notwendig universell, sonst wäre es keine Ethik. Aber auch da widerspreche ich. In der Diskussion hat mein Diskussionspartner (Name vergessen) die zeitliche Universalität zurückgewiesen. Daraufhin einigten wir uns, dass auch die regionale Universalität einer Ethik nicht notwendig ist. Zu unser Moral gehört das Bedecken der weiblichen Brust in der normalen Öffentlichkeit. Die Amazonasindios sehen es anders. Ich finde beide Positionen OK:
ostfriese hat geschrieben: Schließlich besagt der ethische Standpunkt ja gerade, dass man das Gemeinwohl über Einzelinteressen stellt (vgl. Kants kategorischen Imperativ). Dieser Anspruch braucht kein Fundament, ebenso wenig, wie der universelle Gültigkeitsanspruch von Naturgesetzen eine Weltformel voraussetzt. Hier, gavagai, liegt Dein Haupt-Irrtum.
Was meinst du mit Fundament? Wieso soll das ein Irrtum von mir sein? Meine These war nur: Es gibt keine Tatsachen in der Natur, die ethische Aussagen wahr machen.
BTW: Jede unbegründete Behauptung (die zu weiteren Folgerungen dient) ist ein Fundament.
ostfriese hat geschrieben:Kann man sich prinzipiell gegen diesen ethischen Standpunkt entscheiden?
gegen welchen? Kants KI?
ostfriese hat geschrieben:Gibt es Gründe, sich für den ethischen Standpunkt zu entscheiden? Ja!
Also doch ein Fundament = GRünde für eine ethische Position!
ostfriese hat geschrieben:Und die folgen, dem "Naturalistischen Fehlschluss" zum Trotz, aus unseren Erfahrungen.
Dann nenn mal eine ethische Position und begründe sie mit Sachverhalten, die wir empirisch feststellen!
ostfriese hat geschrieben: Zwar schreibt das Sein nicht vor, was wir sollen; aber die Natur liefert gute Argumente, warum wir überhaupt sollen sollen.

Der 1. Teilsatz ist genau meine These und eine Umformulierung des Sein-Sollen-Fehlschlusses. Den 2. Teilsatz verstehe ich nicht.
ostfriese hat geschrieben:In der Evolution haben sich Organismen entwickelt, die Präferenzen und somit Interessen haben (Für die Herausbildung von Empfindungen / von Aufsuchen- und Vermeidenstendenzen spielt es keine Rolle, dass die Evolution ziellos ist!). Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben "baugleiche" Wesen vergleichbare Präferenzen, wie Verhaltensforscher stichhaltig belegen können. Das gleichzeitige Streben aller Wesen nach Berücksichtigung ihrer Interessen führt aber offenbar zu Konflikten. Und hieraus erwächst schon die moralische Frage.
Richtig. es geht aber um eine Antwort. Bisher lese ich keine einzige ethische Aussage, die aus der beschreibung der Natur folgt.
Es bleibt dabei: Die Ethik bzw. Moral ist ein Akt der menschlichen Wertung. Oder in deinen Worten: das Sein schreibt nicht vor, was wir sollen. Mehr behaupte ich (zunächst) nicht.
Aus einer Aussage, wie die Natur IST, folgt nicht ein SOLL.
Die Kuh mag noch soviel Präferenz für Heu haben, daraus folgt nicht, dass wir ihr Heu geben sollen.
Der Mensch mag noch so sehr am Leben hängen, daraus folgt nicht, dass ich keinen ermorden soll.
gavagai
 
Beiträge: 344
Registriert: So 29. Okt 2006, 21:17
Wohnort: Wasserburg am Inn

VorherigeNächste

Zurück zu Philosophie

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 7 Gäste

cron