Super. Wenn du den Wandel der Werte in der Zeit zulässt, dann sehe ich nicht, wie du den Wandel im Raum (auf der Erde zu einem Zeitpunkt) ablehnen willst.Sisyphos hat geschrieben:Zu (1): Richtig, deswegen sollte Ethik immer auch evolutionär, nicht statisch gedacht werden.
Dazu wäre viel zu sagen.Sisyphos hat geschrieben:Zu (2): Aber was ist, kann zu einer Ethik beitragen. Zumindest ist es nicht zweckmäßig, wenn es ihr im Wege steht. Wenn eine Ethik gegen die Natur des Menschen verstößt (katholische Sexualmoral), lässt sie sich nicht durchsetzen. Die Praxis beweist es.
a) Selbstverständlich kann das Ist Hinweise auf das Soll geben. Aber nie kann man allein aus dem Ist (z.B. Gattenmord) ein Soll ableiten.
b) Die katholisches Sexualmoral wird ja durchgesetzt (innerhalb eines Großteils der Katholiken). Insofern beweist die Praxis (nicht nur hier), dass man sehr wohl Ethik gegen die Natur des Menschen durchsetzen kann.
c) Die Natur sorgte früher für das schnelle Absterben Schwerbehinderter. Heute haben wir uns gegen die Natur dafür entschieden: Auch dies sind Menschen und geniessen unsere Fürsorge. Folge: Sie überleben entgegen der Natur.
BTW ein treffliches Beispiel dafür, dass das Ist nicht das Soll bestimmt.
gavagai hat geschrieben:Nein. Wenn beispielsweise mein Ziel ist, die Goten auszurotten, ist es sinnvoll und praktisch den Goten einen Schaden zuzufügen und zu schaden.
Sisyphos hat geschrieben:Ich rede noch nicht von Inter-Gruppenbeziehungen. Meine Ausführungen bezogen sich auf Intra-Gruppenbeziehungen.
Ich kenne deinen feinen Unterschied nicht. Aber mein Beispiel lässt sich umformulieren.
a) Wenn es beispielsweise mein Ziel ist, die Münchner auszurotten, ist es sinnvoll und praktisch den Münchnern einen Schaden zuzufügen.
Oder noch mehr "intra"
b) Wenn es beispielsweise mein Ziel ist, meine nachkommen auszurotten (die Hege ist mir zu aufwändig), ist es sinnvoll und praktisch meinen Kindern einen Schaden zuzufügen.
Sisyphos hat geschrieben:Wenn du mich richtig liest, wirst du erkennen, dass ich nicht zwangsläufig vom Sein zum Sollen ableite, sondern das Kann betone ("nahelegen"). Im übrigen halte ich ("du begehst den naturalistischen Fehlschluss") für ein inzwischen ausgeleiertes Totschlagargument, mit dem schon im FGH inzwischen jeder Zweite triumphierend einen Thread beenden kann.
OK, der erste Satz beruft sich darauf, das du den naturalistischen Fehlschluss nicht begehst. Der zweite Satz ist mir etwas rätselhaft. Einerseits lese ich bei dir Zustimmung: ja, aus dem IST kann und darf man kein SOLL ableiten; andrerseits lese ich raus: ein bißchen darf man doch!?
Sisyphos hat geschrieben:Selbstverständlich können wir ethische Regeln nicht in der Natur vorfinden.
Super, genau das ist meine These. Wenn es nicht so wäre (wenn ich also aus dem IST mein SOLL begründen dürfte), wäre es um uns schlecht bestellt. Ich hätte freie Hand, meinen "Opfern" aufzulauern und zu töten und zu fressen (sehr viele Tiere machen es in der Natur so).
Bravo. Volle Zustimmung. Wer z.B. in seiner Ethik den zeitpunkt der Menschwerdung benützt oder den Todeszeitpunkt wendet sich am besten (ausschliesslich?!) an die Wissenschaft. Der Clou ist aber: allein aus dem wissenschaftlichen Todeszeitpunkt kann ich keine ethische Position ableiten. Ich brauche unbedingt dazu auch ein Postulat, z.B. "Solange jemand nicht tot ist, darf ich ihm keine Organe entnehmen". genau das Letzte leistet die Naturwissenschaft nicht.Sisyphos hat geschrieben:Deshalb können wir aber nicht schlussfolgern, naturwissenschaftliche Erkenntnisse hätten keinerlei Relevanz bei der Entwicklung einer modernen Ethik.
Sisyphos hat geschrieben: Eine Ethik kann die natürlichen Grundbedürfnisse der Menschen nicht ignorieren.
1) Warum nicht?
2) Was sind die natürlichen Grundbedürfnisse der Menschen? Der eine mag Musik von Schönberg oder Coltrane, der andere verabscheut sie.
3) Das ist eine ziemlich kommunistische Postion: Jeder nach seinen Bedürfnissen (wobei ich das nur feststelle und nicht werte)
Das hast du dir (oder andere vor dir) ausgedacht. Einverstanden. Es ist aber ein Denkkonstrukt von dir (oder den anderen)Sisyphos hat geschrieben:Sie ist der Versuch, die unter Menschen auftretenden Interessenskonflikte so zu lösen, dass alle Beteiligten das Ergebniss als möglichst fair erachten (also selbst einen Nutzen daraus ziehen).
Super, wir kommen uns immer näher. Ebenso gilt: Dass es Menschen gibt, die ungern Gewalt ausüben, heißt nicht, dass sich davon eine für alle Beteiligten tragbare Ethik ableiten lässt (solange keine anderen Prämissen dazu kommen).Sisyphos hat geschrieben:Dass es Menschen gibt, die gerne Gewalt ausüben, heißt nicht, dass sich davon eine für alle Beteiligten tragbare Ethik ableiten lässt.