Richtiges/Wahres in den Religionen

Re: Könnte es sein

Beitragvon Vollbreit » Di 6. Dez 2011, 13:05

Darth Nefarius hat geschrieben:Zum zweiten: Ich bitte um konkrete, sachliche Kritik. wenn du die Gedanken nicht verstehst, dann kann ich sie dir gerne nochmal erklären:1. Bayern hat doch bekanntermaßen die besten Ergebnisse, was Bildung betrifft vorzuweisen. 2.Habemn sie auch viel Geld vorzuweisen. 3.Auch ihre Religiösität ist in Deutschland überdurchschnittlich.


Ich habe mal gehört, dass in Bayern bestimmte Schulformen unterrepräsentiert sind, die in anderen Ländern in die Bewertung mit einflossen und dass das zu gewissen Verzerrungen führt, das war aber ein Gespräch, was in einem Restaurant belauscht hatte, klang plausibel, den genauen Zusammenhang kann ich aber nicht mehr herleiten. Kannst Du ja mal recherechieren, weil es sich um ein Argument zu Deinen Gunsten handelt.

Ansonsten ist Deine Argumentation nicht sonderlich einleuchtend.
Wenn die Bayern mehr Geld zur Verfügung haben, könnte es doch gerade daran liegen, dass sie statistisch über eine höhere Bildung verfügen, das macht die Sache rund und steht auch im Einklang mit den Ergebnissen von Pfeiffer et al., dass eine höhere Religiosität mit einer höheren Bildung statistisch korreliert.

Darth Nefarius hat geschrieben:Was steht nun im Zusammenhang? Ich denke da an die Strömungen in den USA, die extrem religiös sind (Jesus-camp, etc.), die sich oft durch ihre ungebildeten Anhänger auszeichnet (in Dawkins "Gotteswahn", ich kann jetzt nicht die genaue Seite nennen, werden Prozente der amerikanischen Bevölkerung genannt, von denen ein großer Teil glaubt, dass die Erde einige tausend Jahre alt ist und es keine Dinosaurier gab. Da habe ich auch gelesen, dass die meisten Akademiker mit naturwissenschaftlicher Ausbildung Atheisten sind, und Dawkins hat da auch Quellen angegeben.).


Dass die Situation in Amerika eine andere ist als hier, habe ich ja nicht bestritten, nur was geht uns hier die Situation in Amerika an? Das ist ja gerade mein Einwand, dort wo religiöser Fundamentalismus grassiert, ist es gut ihm entgegen zu treten, aber Deutschland blickt auf Jahrzehnte einer friedlichen Kooperation und sei es nur ein Leben und Leben lassen zurück, wozu also der ganze Wirbel?
Wenn es hier religiös fundamentalistische Strukturen gibt, die für mehr Menschen gefährlich werden als die eigenen Anhänger, dann kommen diese tendenziell eher aus dem Islam, auch das geht klar aus der Studie hervor. Da man aber Angst hat klare Regeln aufzustellen und fundamentalistischen Auswüchsen sofort entgegenzutreten (vermutlich aufgrund der deutschen Angst als Nazi bezeichnet zu werden), drischt man auf die harmlosesten Vertreter ein die man finden kann, größtenteils liebenswerte Esos, die überwiegend mit sich selbst beschäftigt sind und Christen, die im Grunde keiner Fliege was zuleide tun, bei anderen die da deutlich wehrhafter sind kneift man und setzt auf Appeasement. Dabei bin ich nicht gegen sondern ausdrücklich für einen konstruktiven Dialog mit Moslems der ruhig auch mal etwas selbstkritischer sein darf, als eine von oben herab Belehrung was darüber was da alles falsch läuft, nur kann man fundamentalistischen Interpreten dennoch die Grenzen aufzeigen und sollte das auch tun.

Darth Nefarius hat geschrieben:Und ja, sie impliziert eine Kausalität, oder wie würdest du den Gedankengang zu philosophischen oder naturwissenschaftlichen Fragen logisch charakterisieren wollen?


Die Frage habe ich jetzt nicht verstanden.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich erinnere mich da an einen Studenten in meiner Uni, der zurecht gesagt hat, dass das eigene Weltbild einem im Weg stehen kann,wenn man seine Theorien anhand ihr formt, anstatt die Beobachtungen korrekt deutet. Daran ist ja auch Einstein gescheitert, weil ihm sein Weltbild nicht den Gedanken zuließ, dass etwas, wie die Quantenmechanik möglich ist, oder, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt.


Dass das eigene Weltbild immer Grenzen der Erkenntnis hat, ist ja richtig, aber welchen Schluss ziehst Du denn daraus, dass man kein Weltbild haben sollte? Könnte ja sein, fragt sich nur, wie das praktisch machbar ist, ich kenne de facto niemanden der ohne ein Weltbild unterwegs ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wie viele wissenschaftlichen Fortschritte hat denn die Religion hervorgebracht?


Das ist eine Vermengung von Äpfeln und Birnen, in einer Zeit in der Naturwissenschaft (die Du wohl meinst), Geistes- und Sozialwissenschaften getrennte Wege gehen. Bezogen auf früher segelten Religion und Wissenschaft ziemlich unter einer Fahne.
Ansonsten könnte man die Gegenfrage stellen, welche soziale Orientierung denn der Natruralismus anzubieten hat und auf welcher Grundlage. Oder mit Heidegger antworten, das sei, wie der Hobelbank vorzuwerfen, dass man mit ihr nicht fliegen kann.
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Re: Könnte es sein

Beitragvon Darth Nefarius » Di 6. Dez 2011, 17:00

Vielleicht sollte ich etwas klarstellen: Ich habe keinen Bock, jedesmal das Zitat aus deinem Text direkt vor meinen Konter zu setzen. Und da ich dachte, dass dir deine Standpunkte bekannt genug sind, dass du meine entsprechende Reaktion zuordnen kannst. Das mache ich sogar noch in der Reihenfolge, wie du arguimentiert hast und das auch noch in Absätzen, damit du nicht den faden verlierst, weil es mich nervt, dass da wieder so eon ellenlanger Kommentar steht, in dem das gleiche wieder drinsteht, wie im vorigen.
Ich mache es diesesmal verständlicher: Nachdem du den ersten Satz zittiert hast, hast du angenommen, dass sie ja so viel Geld haben könnten, weil sie so gebildet sind, ich frage dich: Hast du eine plausible Begründung dafür? Ich habe dir eine logische Interpretation geschildert, die sich auf meiner Analsye des Glaubensprozesses stützt, der von Natur aus ein anderer ist, als der Denkprozess.
(Achtung Absatz)
Der Einwand mit den USA sollte beweisen, dass man einen Zusammenhang zwischen Bildung und Religiösität nicht so aufstellen kann (die Amis sind also mein Gegenbeispiel).
Meine Kritik bezog sich nicht allein auf das Christentum, dem Islam kann man aktuell mehr vorwerfen, als dem Christentum (momentan). Und auch ungebildete Menschen können sich friedlich verhalten, solange sie zufrieden sind (siehe Saudi Arabien). Aber sobald es Probleme gibt, findet man als Religiöser meist einen Sündenbock, der dann passenderweise einer aus einer Anderen Religion oder Denkrichtung kommt (muss ich da Beispiele nennen?). Ich sehe also eine potentielle Gefahr, nicht ein momentanes Problem (nicht ausgeprägt).
(Achtung Absatz)
Als ich schrtieb "ja, sie impliziert Kausalität" bezog ich mich auf deinen vorangegangenen Kommentar, wo du fragtest: "Impliziert das Kausalität?".

Wann bitte segelten denn Religion und Wissenschaft unter der selben Flagge? In früheren Zeiten wurde das geschrieben, was die Kirche duldete und anderes Wissen zerstört (was meinst du, warum man immer wieder von wiederentdecktem Wissen in der Renaissance oder der Neuzeit spricht? Antwort: Weil das Wissen (z. Bsp. in der Medizin, Architektur und Astronomie) vor dem Mittelalter schon bestand, aber dan fein säuberlichst vernichtet wurde. Ich denke nicht, dass unbedingt eine orientierung grundsätzlich besser ist als keine. Ich habe aus den vielen Wahrheiten einige wenige für mich selbst gefiltert (vielleicht ist das das beste Vorgehen?): Alles ist erlaubt, (fast) nichts ist wahr, ich will leben, ich bin ein Egoist, jeder Mensch ist ein Egoist. Das reicht mir völlig, um mich unschädlich und kooperartiv zu verhalten (solange es mir nicht schadet, oder meinen Grundsätzen nicht widerspricht), und manchmal helfe ich den Menschen auch, dann sind sie auch kooperativer. Da Der Hobelbank muss man das vorwerfen, wenn sie es versucht und die Flugzeuge versucht zu vernichten (wenn wir bei der Analogie bleiben wollen).
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Re: Könnte es sein

Beitragvon mat-in » Di 6. Dez 2011, 18:02

Vollbreit hat geschrieben:Ich konnte nicht nachvollziehen, auf welche Statistik sich Deine Aussage bezieht, könntest Du das noch nachreichen? Danke!
Ich denke das ist schon mindestens 2x hier im Forum zitiert und nicht all zu schwer zu finden.

Korrelation zwischen Religiösität und Reading Level (500000+ ausgewertete okcupid Profile):
http://cdn.okcimg.com/blog/real_stuff/R ... Legend.png

Nach Highschool Ausbildungslevel vs wörtlichenehmen der Bibel (Pew religion Survey):
http://blogs.discovermagazine.com/gnxp/ ... tgrade.jpg

Gallup Poll 2010 Schulabschluß vs Schöpfung
http://instructorexchange.pearsoncmg.co ... 6/img4.jpg

Nur 7% der "höheren" Wissenschaftler glauben laut Nature Umfrage an Gott:
http://www.stephenjaygould.org/ctrl/news/file002.html

Studie (2009) zum Zusammenhang zwischen IQ und Glauben
http://www.scribd.com/doc/14765500/Aver ... Lynn-et-al

Es gab auch noch eine Detailstudie von Science, die ich leider im Moment nicht online finde. Dort wunderte man sich, das eine so ein hoher Anteil der Befragten gläubig ist, daß man eine 2. Umfrage gemacht hat, die den Abschluß mit einbezog. Ich erinnere mich an die Grafik, wunderschöne Korrelation: Abschluß rauf, Glauben runter von BA zu MA zu PhD zu Prof. finde nur leider die grafik nicht online, hab aber irgend wo den Artikel in Papierform...
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Re: Könnte es sein

Beitragvon Darth Nefarius » Di 6. Dez 2011, 18:41

Danke für diese Quellen, ich denke, dass es schön ist, diesmal miteinander argumentiert zu haben. Und ich kopiere mir jetzt mal diese Links. :computer:
Damit sollte das gegessen sein. :applaus:
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Re: Könnte es sein

Beitragvon Teh Asphyx » Di 6. Dez 2011, 19:19

Nein, es ist nicht gegessen. Die Statistiken von mat-in sind keine endgültige Verifikation (jedenfalls nicht für einen Nicht-Positivisten), sondern wären allenfalls als Falsifikation zu gebrauchen, wenn jemand behauptet hätte, dass religiöse Menschen intelligenter wären. Das hat aber keiner, sondern Vollbreit schrieb:
Tatsächlich sieht es für Deutschland so aus, dass Bildung und christliche Religion positiv korrelieren.

(Hervorhebungen durch mich)

Deswegen ist alles außerhalb von Deutschland für diese Aussage irrelevant und zweitens ist die Aussage nicht falsifiziert. Möglich ist auch eine positive Korrelation sowohl beim christlichen Glauben als auch beim Atheismus. Und das hängt wahrscheinlich stark damit zusammen, dass jeweils bestimmtes kulturelles Kapital benötigt wird, um in der Bildungsselektion in Deutschland zu bestehen. Siehe dazu auch die von mir vorher erwähnte Studie von Pierre Bourdieu, die sich zwar konkret auf Frankreich bezieht, aber ein Phänomen beschreibt, das überall zu finden ist.

Das könnte allerdings Anlass einer Diskussion darüber sein, ob Kriterien wie formeller Bildungsstand oder IQ wirklich ein Indiz für tatsächliche Intelligenz sind und wie solche sonst aussehen und festzustellen sein soll.
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Re: Könnte es sein

Beitragvon Vollbreit » Di 6. Dez 2011, 19:45

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich mache es diesesmal verständlicher: Nachdem du den ersten Satz zittiert hast, hast du angenommen, dass sie ja so viel Geld haben könnten, weil sie so gebildet sind, ich frage dich: Hast du eine plausible Begründung dafür?


Ja, höhere Bildung korreliert mit einem höheren Einkommen, zumindest statistisch.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe dir eine logische Interpretation geschildert, die sich auf meiner Analsye des Glaubensprozesses stützt, der von Natur aus ein anderer ist, als der Denkprozess.


Der Glaubensprozess ist auch ein Denkprozess, unterstellt wird ihm ja auch zumeist nicht, dass er undenkbar ist, sondern empirisch schwer (bis gar nicht) zu falsifizieren.

Darth Nefarius hat geschrieben:Der Einwand mit den USA sollte beweisen, dass man einen Zusammenhang zwischen Bildung und Religiösität nicht so aufstellen kann (die Amis sind also mein Gegenbeispiel).


Natürlich kann man das. Die Studie fördert ja Ergebnisse in zwei Richtungen zutage. Erstens, korreliert der christliche Glaube in Deutschland mit einer höheren Bildung und zwar ansteigend , d.h. je mehr man sich mit dem christlichen Glauben identifiziert, desto gebildeter und zweitens, dass des islamische Glaube mit einer geringeren Bildung korreliert, auch hier, je gläuboger, desto ungebildeter.
Der Einwand mit Amerika tut hier überhaupt nichts zur Sache.
Wenn ich sage, dass es hier keine Kängurus gibt, ist das nicht dadurch entkräftet, dass mir jemand nachweist, dass es in Australien ganz viele gibt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Meine Kritik bezog sich nicht allein auf das Christentum, dem Islam kann man aktuell mehr vorwerfen, als dem Christentum (momentan).


Und da ist die Studie ja deutlich zwiegespalten, im Ergebnis.

Darth Nefarius hat geschrieben:Und auch ungebildete Menschen können sich friedlich verhalten, solange sie zufrieden sind (siehe Saudi Arabien).


Oder unterdrückt werden.

Darth Nefarius hat geschrieben:Aber sobald es Probleme gibt, findet man als Religiöser meist einen Sündenbock, der dann passenderweise einer aus einer Anderen Religion oder Denkrichtung kommt (muss ich da Beispiele nennen?).


Ja, als Kommunist, Nazi, fundamentalistischer Atheist, von Männern frustrierte Frau, von Frauen frustrierter Mann, Schrebergartenbesitzer oder Bayer München Fan oder sonst was auch.
Ist halt immer die Frage, wie soziozentrisch die eigene Perspektive ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wann bitte segelten denn Religion und Wissenschaft unter der selben Flagge? In früheren Zeiten wurde das geschrieben, was die Kirche duldete und anderes Wissen zerstört (was meinst du, warum man immer wieder von wiederentdecktem Wissen in der Renaissance oder der Neuzeit spricht? Antwort: Weil das Wissen (z. Bsp. in der Medizin, Architektur und Astronomie) vor dem Mittelalter schon bestand, aber dan fein säuberlichst vernichtet wurde. Ich denke nicht, dass unbedingt eine orientierung grundsätzlich besser ist als keine. Ich habe aus den vielen Wahrheiten einige wenige für mich selbst gefiltert (vielleicht ist das das beste Vorgehen?): Alles ist erlaubt, (fast) nichts ist wahr, ich will leben, ich bin ein Egoist, jeder Mensch ist ein Egoist. Das reicht mir völlig, um mich unschädlich und kooperartiv zu verhalten (solange es mir nicht schadet, oder meinen Grundsätzen nicht widerspricht), und manchmal helfe ich den Menschen auch, dann sind sie auch kooperativer.


Damit instrumentalisierst Du andere Menschen aber, andere sind Dir Mittel zum Zweck.
So kann man ja denken, aber was genau ist dann Deine Kritik an Religionen?
Dass die andere Menschen instrumentalisieren?
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Re: Könnte es sein

Beitragvon Nanna » Di 6. Dez 2011, 19:59

Kurz an der Stelle eingehakt: Die Dichotomie Glauben vs. Wissen halte ich auch für verfehlt, Vollbreit hat ja schon angeführt, dass auch Glauben auf einem Denkprozess beruht.

Viel problematischer sehe ich etwas anderes, durchaus potentiell dichotomisches, nämlich die Kluft zwischen denen, die sich der Beschränktheit ihres Wissens bewusst sind (also im weitesten Sinne Agnostiker) und denen, die von der Vollständigkeit / Unfehlbarkeit / Universalität ihres Wissens überzeugt sind. Interessanterweise zieht sich diese Kluft eben nicht entlang zwischen Naturalisten und Supernaturalisten, sondern quer durch.Es gibt aufgeklärte Gläubige mit einer großen Spur Agnostik und verbohrte Naturalisten, die radikal szientistisch denken. Diejenigen, die sich ihres beschränkten Wissens bewusst sind, haben natürlich auch bestimmte Weltanschauungen, werden aber meist eher Plausibilitätsargumente oder denkökonomische oder ästhetische Argumente anführen (Okhams Rasiermesser oder auch "Eine von Gott erschaffene Welt erscheint mir sinnvoller"), während die "Wissenden" ihren Erkenntnisquellen (Offenbarungstexte, persönliche Erfahrung, wissenschaftliche Methodik) universelle Gültigkeit und Unfehlbarkeit zuschreiben.
Mir fällt auch auf, dass auf deren Seite die Abneigung gegenüber Widersprüchen, Inkonsistenzen, offenen Fragen und Pluralität oft besonders hoch ist. Natürlich wird das gerne verschleiert und Fremdenfeindlichkeit wird als "Verteidigung der Aufklärung" verkauft, aber letztlich scheint es doch häufig um Angst vor dem Fremden, Andersdenkenden zentral zu sein. Der (ideale) Agnostiker ist da bescheidener und lässt mehr diskursorische Vielfalt gelten, mancher ist natürlich auch einfach "nur" gleichgültig, was natürlich auch als Extrem nicht gut ist.
In letzter Konsequenz scheint mir die Hauptfrage die nach der eigenen Identität zu sein. Der "Wissende" braucht einen festen dogmatischen Grund, von dem aus er die Welt ordnen und sich in sie einordnen kann und von dem aus er Freund-Feind-Unterscheidungen treffen kann. Der Agnostiker scheint es irgendwie zu schaffen, in der Multipolarität eine eigene Identität aufbauen zu können, ohne mit Verve die Umwelt bzw. die Personen der direkten Umwelt an die eigene Weltsicht anpassen zu müssen.
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Re: Könnte es sein

Beitragvon Vollbreit » Di 6. Dez 2011, 20:13

@ mat-in:

Vielen Dank, für die interessanten links.

Um die Ausgangsfrage von xander1 noch mal aufzugreifen und zuzuspitzen:
Muss man denn an Gott glauben, um Religionen etwas abgewinnen zu können, also zu sehen, dass sie in gewissen Punkte Recht haben könnten?

Angenommen, Religionen hätten eine gesellschaftlich ordnende Funktion und man würde diese in gewissen Grenzen befürworten, dann könnte man Atheist sein und diese ordnende Funktion dennoch schätzen (wenn man meint, dass die Vorteile dieser Ordnung die Nachteile überragen).

Dann (falls man diese Einstellung teilt) müsste man natürlich noch weitergehend untersuchen, welche Religionen sich dafür evtl. besser eignen als andere.
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Re: Könnte es sein

Beitragvon Vollbreit » Di 6. Dez 2011, 20:30

Nanna hat geschrieben:In letzter Konsequenz scheint mir die Hauptfrage die nach der eigenen Identität zu sein. Der "Wissende" braucht einen festen dogmatischen Grund, von dem aus er die Welt ordnen und sich in sie einordnen kann und von dem aus er Freund-Feind-Unterscheidungen treffen kann. Der Agnostiker scheint es irgendwie zu schaffen, in der Multipolarität eine eigene Identität aufbauen zu können, ohne mit Verve die Umwelt bzw. die Personen der direkten Umwelt an die eigene Weltsicht anpassen zu müssen.


Im Grunde genommen kann ich dem zustimmen, das skizziert die Unterscheidung die man gewöhnlich zwischen mythischem, konventionellem oder konformistischem Denken auf der einen und rationalem und postkonventionellem Denken auf der anderen Seite findet.
Oder anders gesagt, der Glaube an die Unfehlbarkeit einer bestimmten Autorität und der Bereitschaft Autoritäten und ihre Unfehlbarkeit prinzipiell zu bezweifeln und seinen Standpunkt selbst zu begründen.

Es gibt da allerdings mehr oder weniger trickreich argumentierende Sonderformen.
Der wissenschaftlich gebildete Intelligent Design Anhänger und der Szientist, der sagt, er sei für alle rationalen Argumente offen, aber die Gültigkeit der Argumente die zur Diskussion zugelassen sind, müssten ihrerseits streng wissenschaftlich sein.
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Re: Könnte es sein

Beitragvon Nanna » Di 6. Dez 2011, 21:53

Vollbreit hat geschrieben:Angenommen, Religionen hätten eine gesellschaftlich ordnende Funktion und man würde diese in gewissen Grenzen befürworten, dann könnte man Atheist sein und diese ordnende Funktion dennoch schätzen (wenn man meint, dass die Vorteile dieser Ordnung die Nachteile überragen).

Dann (falls man diese Einstellung teilt) müsste man natürlich noch weitergehend untersuchen, welche Religionen sich dafür evtl. besser eignen als andere.

Nur zur weiterführenden Information, da du neu im Forum bist: Diese Haltung wird hier häufig als "Glaube an den Glauben" bezeichnet.
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Re: Könnte es sein

Beitragvon stine » Di 6. Dez 2011, 22:22

Vollbreit hat geschrieben:Angenommen, Religionen hätten eine gesellschaftlich ordnende Funktion und man würde diese in gewissen Grenzen befürworten, dann könnte man Atheist sein und diese ordnende Funktion dennoch schätzen ...
Ja, das könnte man. :mg:
Ich stelle mir vor, dass weltweit inzwischen viele Getaufte und Ungetaufte so denken. Die Unterstellung vieler Religionsgegner, alle Mitglieder der herrschenden Religionsgemeinschaften liefen mit Scheuklappen durch die Gegend und wüßten nichts von der Realität um sich herum, ist nur provokant. Religion hat ihren Stellenwert weltweit anscheinend genau deswegen immer noch, sonst hätte man sie längst abgeschafft.
Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass sich viele Antitheisten vielleicht am Ende sogar nur als Religionsgegner outen werden.

LG stine
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Re: Könnte es sein

Beitragvon Vollbreit » Mi 7. Dez 2011, 10:46

@ Stine und Brights:

stine hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Angenommen, Religionen hätten eine gesellschaftlich ordnende Funktion und man würde diese in gewissen Grenzen befürworten, dann könnte man Atheist sein und diese ordnende Funktion dennoch schätzen ...
Ja, das könnte man. :mg:
Ich stelle mir vor, dass weltweit inzwischen viele Getaufte und Ungetaufte so denken. Die Unterstellung vieler Religionsgegner, alle Mitglieder der herrschenden Religionsgemeinschaften liefen mit Scheuklappen durch die Gegend und wüßten nichts von der Realität um sich herum, ist nur provokant. Religion hat ihren Stellenwert weltweit anscheinend genau deswegen immer noch, sonst hätte man sie längst abgeschafft.
Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass sich viele Antitheisten vielleicht am Ende sogar nur als Religionsgegner outen werden.

LG stine


Im Wesentlichen decken sich unsere Einstellungen in diesem Punkt.

Es überrascht mich positiv, um das mal lobend zu erwähnen, dass hier einige schreiben, die zwar Gründe gegen die Religion haben, das ganze Thema aber wohltuend differenziert betrachten.

Aus meiner Sicht ist der „Glaube an den Glauben“ (danke, Nanna) eine gute Option, da ich, wie Du, Stine, glaube, dass Religion, wäre sie vollkommen nutzlos, wirr und daneben längst abgeschafft wäre, von den Menschen selbst.

Neuerdings gibt es ja von Seiten Metzinger, Dennett und Dawkins die Ansicht, dass Religionen zwar irren, aber der Irrtum auch einen evolutionären Nutzen haben könne. Das ist vermutlich nicht falsch (auch in der Psychologie ist man inzwischen der Auffassung, dass eine gelinde Selbstüberschätzung, Tagträumereien, innere Bilder, Phantasiereisen, nicht etwas sind, was zugunsten der „Realität“ abgeschafft gehört, sondern stabilisierend und nützlich ist) aber für eine naturalistische Einstellung insofern problematisch, weil der Naturalismus implizit davon überzeugt ist, dass Wahrheit, Nützlichkeit und somit bessere oder geschicktere Anpassung sich bedingen.

Ich bin mit vielen Religionskritikern einer Meinung, dass es ein Art religiöses Grundbedürfnis im Menschen gibt. (Wer einen naturalistischen Hinweis braucht: Es gibt ja diese Experimente, dass man irgendwo vorne rechts im Schläfenlappen ein Areal stimuliert und damit bei nahezu jedem „religiöse Empfindungen“ auslösen kann, d.h. „die Natur“ hat da also etwas angelegt, was zu religiösen Erfahrungen prädisponiert.)

Ich bin auch überzeugt, dass es viele gute Gründe für Religion (nicht unbedingt in fundamentalstischer Ausprägung) gibt, genannt seien gesellschaftliche Ordnung, Sinn und Orientierung, eine innere Widerstandskraft gegen schädliche gesellschaftliche Einflüsse (Resilienz), sowie gesellschaftliche Vitalität und ein „Wir“-Gefühl.

Darüberhinaus haben mich die Beschreibungen Wilbers überzeugt (die er von diversen Entwicklungspsychologen übernommen hat), dass psychische Entwicklung ein stufenweiser Prozess ist und dass keine der Stufen übersprungen werden kann.
Eine dieser Stufen ist die der Konformität, Konventionalität oder des mythischen Glaubens, auch diese Stufe ist unverzichtbar und unumgänglich. Diese Stufe sagt etwas über die Struktur von Entwicklung aus, nicht über deren Inhalt.
Das heißt, diese Stufe kann durch religiösen Glauben inhaltlich ausgefüllt werden, muss aber nicht.
Im Grunde sehe ich kein größeres Problem darin, wenn diese Stufe religiös bearbeitet wird (was meistens der Fall ist), aus dem einfachen Grund, weil diese Stufe eben eine von vielen ist und nicht prinzipiell das Ende der Entwicklung.

Wenn die Stufe des mythischen Glaubens oder der Konventionalität auch nicht das prinzipielle Ende der Entwicklung bedeutet, so bedeutet sie de facto aber derzeit das Ende der Entwicklung für die allermeisten Menschen auf der Welt. Die meisten Forscher, die sich mit diesem Gebiet beschäftigen sind der Auffassung, dass ungefähr 30% der Menschen die Stufe konventioneller Gläubigkeit überwunden haben, der Rest befindet sich genau dort oder sogar noch darunter.
Es verwundert nicht, dass die höher entwickelten Teile sich größtenteils in der entwickelten Welt und der sog. westlichen Wertehemisphäre befinden.

Für den rationalen Diskurs bedeutet das, dass 70% der Weltbevölkerung auf ihn gar nicht anspricht, da sie in einem ganz anderen Weltbild leben.
Die 30% Nichtmythischen sind aber nicht zwingend atheistisch, die Zahl der Atheisten (wenn man alle, auch Agnostiker usw. zusammenfasst wird auf ungefähr 16% oder 900 Millionen geschätzt).

Die demographische Tendenz ist recht eindeutig, die Zahl der Atheisten wird, mangels Fortpflanzung in den Länder, in denen der Atheismus stark ist, sinken, die religiösen Teile der Welt werden wachsen. Der heimliche Glaube, dass der Atheismus und das europäischen Denken, Weltbild und Wertesystem über kurz oder lang die Welt beherrschen werden und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis alle so leben wie wir, ist vielleicht die nächste große Kränkung die wir verarbeiten müssen.

Aus diesem Grund halte ich das aggressive Vorgehen weiter Teile der atheistischen Bewegung für unklug. Wer von den moderat Religiösen ständig hört er befinde sich auf dem Niveau eines Kindes, das an den Weihnachtmann glaubt, sei irgendwie schizophren oder würde implizit Inquisition, Genitalverstümmelungen und die Ausbreitung von AIDS gutheißen, der wird über kurz oder lang genervt reagieren und sich abwenden.

Der Vorwurf gegenüber Dawkins und Co. lautet, dass hier von Dialogbereitschaft wenig zu spüren ist. Mag Dawkins dem einen oder anderen aus dem Herzen sprechen, so ist doch eine größere Zahl durchaus religions- oder kirchenkritisch eingestellter Menschen der Auffassung, dass Dawkins ausgesprochen einseitig und oberflächlich argumentiert, ich reihe mich hier ein.

Für die organisierten Atheisten könnte das heißen, dass sie sich darüber klar werden sollten, was eigentlich ihr Ziel ist. Die Ausbreitung von Religionen zu verhinder? Ich definiere mich tendenziell eher nicht als Atheist, vielleicht als Agnostiker und dennoch sage ich es nicht gerne, aber es scheint realistisch zu sein, dass man dieses Ziel, sollte es angestrebt sein, vergessen kann.
Schon die Ausbreitung fundamentalistischer Tendenzen zu verhindern könnte sehr schwer werden, ist aber den Versuch wert.
Ich glaube, dass in vielen Fällen der eigentliche Wunsch darin besteht, die westliche Wertegemeinschaft zu erhalten – denkt mal drüber nach.

Dazu ist es aus meiner Sicht nötig taktische Bündnisse mit jenen Religiösen einzugehen, die zwar religiös sind, aber auf dem Boden von Demokratie, Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit stehen.
Ferner glaube ich – das habe ich von Habermas geklaut – dass bei einer Vielzahl von Entscheidungen des täglichen Lebens die Frage nach der Religion keine entscheidende Rolle spielt und dort wo sie relevant wird, die religiösen Positionen zwar hier und da unreflektiert sein mögen, aber es nicht mal so ist, dass reflektiertere Positionen im Kern immer zu anderen Ergebnissen kommen (Abtreibung, Sterbehilfe, Stammzellen, Gentechnik).
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Re: Könnte es sein

Beitragvon Teh Asphyx » Mi 7. Dez 2011, 11:57

Da ist was dran, aber trotzdem kann ich nur bedingt zustimmen.

Zum einen halte ich diese Entwicklungsstufe nicht für natürlich, sondern für eine Folge des Sozialisation. Die ganzen Beobachtungen von Entwicklungspsychologen wie Piaget wurden an Menschen gemacht, die ständig gezielter erzieherischer Manipulation ausgesetzt sind. Auch bei Freud ist das Problem, dass er fast nur mit Menschen aus einer bestimmten Gesellschaftsschicht verkehrt hat, auf die er sein Entwicklungsmodell baut. Ich kenne genug lebende Falsifikationen eines jeden Stufenmodells und bin auch selbst eine. Damit überzeuge ich vielleicht keinen Wissenschaftler, der davon überzeugt ist aber ebenso wenig kann ich von einem Entwicklungsmodell überzeugt werden, dass zwar in der Theorie richtig klingt, meiner Lebenserfahrung aber völlig widerspricht.

Dann würde es mich doch überraschen, wenn die höher entwickelten Teile wirklich in der so genannten westlichen Wertehemisphäre wären, ich vermute die eher in Fernost, weil da schon lange ein „spirituelles Vakuum“ (Arthur Koestler) in der Bevölkerung vorherrscht. Das wird in der dem Europäer und Nordamerikaner eigenen grundsätzlichen Überheblichkeit momentan völlig unterschätzt.
Die meisten Forscher in der Richtung der Entwicklung sind leider davon überzeugt, dass die westlichen Werte das absolute Optimum von allen bestehenden Vorstellungen darstellen, was nicht verwundert, sind sie doch selbst teil davon, kein Wunder also, dass sie auf solche Ergebnisse kommen.

Der nächste Punkt ist, dass Religionen keine eigenen Werte haben, die sie vermitteln, sondern sich immer opportun zur jeweiligen Herrschaftsideologie verhalten. Dazu gibt es auch einige Untersuchungen. Da sich Religionen so gut nutzen lassen, ist es auch kein Wunder, dass sie nicht abgeschafft werden. Man kann in der europäischen Geschichte z.B. wunderbar sehen, wie Politik und Religion sich immer wieder gegenseitig unterstützt haben. In den USA funktioniert das immer noch bestens, da kann man ja einen Krieg beginnen, weil Gott es dem Präsidenten aufgetragen hat.

Wahrscheinlich bin ich, obwohl ich wesentlich toleranter gegenüber Religionen bin als manch anderer hier, in anderer Hinsicht wohl einer der radikalsten hier, weil ich sage, dass es zum Naturalismus gehören muss, alles zu tun, um Ideologie als solche zu entlarven und nicht irgendwelche Annahmen über die Verhältnisse als wahr anzunehmen und dann sogar zu versuchen, mit einer naturalistischen Weltsicht zu bestätigen. Denn genau das macht den Naturalismus dann zu einer weiteren Religion. Nein, für mich kommt es darauf an, so radikal zu sein, dass hinterher nichts mehr bleibt als ein Trümmerhaufen, alle nötigen Kränkungen der Menschheit konsequent bis zum Ende durchzuführen. Dazu gehört auch die erwähnte Kränkung, dass das europäische Weltbild sich nicht durchsetzen wird. Ich sehe auch für mich keinen guten Grund, das aufrecht erhalten zu wollen.

Dawkins ist mir ebenfalls nicht radikal genug, er will auch nur das gleiche ideologische System in eine andere Verpackung bringen (ob ihm das bewusst ist oder nicht, ist irrelevant). Nietzsche war viel konsequenter und auch wesentlich härter den Religionen gegenüber (und außerdem ein talentierterer Schriftsteller).
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Re: Könnte es sein

Beitragvon Vollbreit » Mi 7. Dez 2011, 12:28

Teh Asphyx hat geschrieben:Da ist was dran, aber trotzdem kann ich nur bedingt zustimmen.

Zum einen halte ich diese Entwicklungsstufe nicht für natürlich, sondern für eine Folge des Sozialisation. Die ganzen Beobachtungen von Entwicklungspsychologen wie Piaget wurden an Menschen gemacht, die ständig gezielter erzieherischer Manipulation ausgesetzt sind.


Welches Kind ist das nicht?

Teh Asphyx hat geschrieben:Auch bei Freud ist das Problem, dass er fast nur mit Menschen aus einer bestimmten Gesellschaftsschicht verkehrt hat, auf die er sein Entwicklungsmodell baut. Ich kenne genug lebende Falsifikationen eines jeden Stufenmodells und bin auch selbst eine. Damit überzeuge ich vielleicht keinen Wissenschaftler, der davon überzeugt ist aber ebenso wenig kann ich von einem Entwicklungsmodell überzeugt werden, dass zwar in der Theorie richtig klingt, meiner Lebenserfahrung aber völlig widerspricht.


Musst Du mal erläutern, inwiefern das bei Dir oder anderen anders ist.

Teh Asphyx hat geschrieben:Dann würde es mich doch überraschen, wenn die höher entwickelten Teile wirklich in der so genannten westlichen Wertehemisphäre wären, ich vermute die eher in Fernost, weil da schon lange ein „spirituelles Vakuum“ (Arthur Koestler) in der Bevölkerung vorherrscht. Das wird in der dem Europäer und Nordamerikaner eigenen grundsätzlichen Überheblichkeit momentan völlig unterschätzt.


Tiere?
Nein, eigentlich nicht, die Primatenforschung ist da eigentlich in vollem Gange, aber bei aller Euphorie darüber was alles biologisch determiniert ist, gibt es in meinen Augen nach wie vor gute Gründe dafür qualitative Unterschiede zu sehen, auch wenn einen das in meinen Augen nicht legitimiert Tiere zu quälen und auf ziemlich entsetzliche Weise aufzuziehen und zu töten.

Teh Asphyx hat geschrieben:Die meisten Forscher in der Richtung der Entwicklung sind leider davon überzeugt, dass die westlichen Werte das absolute Optimum von allen bestehenden Vorstellungen darstellen, was nicht verwundert, sind sie doch selbst teil davon, kein Wunder also, dass sie auf solche Ergebnisse kommen.


Da ist was dran, die Frage ist, ob es über die Soziozentrik hinaus gute Gründe gibt, dass der Westen tatsächlich nicht so schlecht ist.

Teh Asphyx hat geschrieben:Der nächste Punkt ist, dass Religionen keine eigenen Werte haben, die sie vermitteln, sondern sich immer opportun zur jeweiligen Herrschaftsideologie verhalten.


Upps. Religionen haben keine Werte? Würde ich noch mal überdenken.
Mit dem Opportunismus, das ist auch so eine Sache, die gerne verbreitet wird aber m.E. nur zum Teil stimmt. Zum einen wird Religionen ja heute noch gerne vorgeworfen sich nicht anzupassen, quer zu stellen und ein antiquiertes Weltbild zu vertreten, aber auf der anderen Seite scheint es so zu sein, dass es eine teilweise Anpassung immer gegeben hat und die auch notwendig ist.
Dennoch sind ja gerade die Ansichten der kath. Kirche bspw. in Stein gemeißelt vor einiger Zeit habe ich mal einen Kirchenoberen gehört, der sagt die Kirche habe sich in den letzten 1000 Jahren nicht verändert und wird es auch die nächsten 1000 Jahre nicht tun. Das stimmt zwar so nicht, aber ich denke, wenn man der Kirche Religionen etwas nicht vorwerfen kann, dann keine Werte zu haben oder sie nicht zu vertreten.

Teh Asphyx hat geschrieben:Dazu gibt es auch einige Untersuchungen. Da sich Religionen so gut nutzen lassen, ist es auch kein Wunder, dass sie nicht abgeschafft werden. Man kann in der europäischen Geschichte z.B. wunderbar sehen, wie Politik und Religion sich immer wieder gegenseitig unterstützt haben. In den USA funktioniert das immer noch bestens, da kann man ja einen Krieg beginnen, weil Gott es dem Präsidenten aufgetragen hat.


Ja, aber dennoch ist die Kirche als Markenkern doch recht kontinuierlich und erkennbar, was man von denen, mit denen sie kooperierten nicht behaupten kann, die sind überwiegend Geschichte.

Teh Asphyx hat geschrieben:Wahrscheinlich bin ich, obwohl ich wesentlich toleranter gegenüber Religionen bin als manch anderer hier, in anderer Hinsicht wohl einer der radikalsten hier, weil ich sage, dass es zum Naturalismus gehören muss, alles zu tun, um Ideologie als solche zu entlarven und nicht irgendwelche Annahmen über die Verhältnisse als wahr anzunehmen und dann sogar zu versuchen, mit einer naturalistischen Weltsicht zu bestätigen. Denn genau das macht den Naturalismus dann zu einer weiteren Religion. Nein, für mich kommt es darauf an, so radikal zu sein, dass hinterher nichts mehr bleibt als ein Trümmerhaufen, alle nötigen Kränkungen der Menschheit konsequent bis zum Ende durchzuführen. Dazu gehört auch die erwähnte Kränkung, dass das europäische Weltbild sich nicht durchsetzen wird. Ich sehe auch für mich keinen guten Grund, das aufrecht erhalten zu wollen.


Aber welcher Phönix soll der Asche entsteigen, wo ist das ordnende Element, das Menschen nun mal auch brauchen? Im schlimmsten Fall ist das ein Rückschritt zum Recht des Stärkeren.

Teh Asphyx hat geschrieben:Dawkins ist mir ebenfalls nicht radikal genug, er will auch nur das gleiche ideologische System in eine andere Verpackung bringen (ob ihm das bewusst ist oder nicht, ist irrelevant). Nietzsche war viel konsequenter und auch wesentlich härter den Religionen gegenüber (und außerdem ein talentierterer Schriftsteller).
[/quote]

Aber ist mit Nietzsche ein Staat zu machen?
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Re: Könnte es sein

Beitragvon Teh Asphyx » Mi 7. Dez 2011, 16:27

Ja, welches Kind ist das nicht … deswegen finde ich das schwierig, daraus etwas herzuleiten.

Das Problem ist bei einer Stufe „der Konformität, Konventionalität oder des mythischen Glaubens“ der Spielraum so immens groß ist, dass man leicht sagen kann, dass jeder da durch geht, in einem sehr strengen Sinne würde ich allerdings sagen, dass es eine solche Stufe bei mir nicht gab, ich mir aber auch nicht vorstellen kann, darunter zu sein.

Das mit den Tieren verstehe ich jetzt nicht ganz im Zusammenhang. Liegt hier vielleicht ein Missverständnis vor?

Der Westen ist an Schlechtigkeit kaum zu überbieten (wobei … schlimmer geht immer).

Na ja, ich finde auch, dass die Katholiken ziemliche Opportunisten sind. Das hat Luther ja auch ziemlich gestört, der gerne wieder zum Evangelium zurück wollte und auch jegliche Vernunft abgelehnt hat. So gesehen hatte Luther zumindest kurz ein paar Werte in die Religion gebracht (die Hitler dann später auch konkretisiert hat, jedenfalls Luthers Sicht auf die Juden). Nee, ich sehe da wirklich nichts festes, überdauerndes als Werte.

Die Politik, mit der die Kirche kooperierte ist weiterhin sehr lebendig, finde ich. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Demokratie irgendwelche alten Herrschaftsverhältnisse verändert hätte, es gab nur personelle Veränderungen, aber die gibt es in der Religion ja auch. Und wie man in der Reformation gesehen hat, kann sich auch eine Religion auf gewisse Weise strukturell verändern, ohne die Verhältnisse tatsächlich zu ändern.

Wieso brauchen Menschen ein ordnendes Element (in Form eines Dogmas)? Ist nicht das Recht des Stärkeren ein typisches Symptom imperialistischer Zivilisationen (das auch immer wieder eine neue scheinheilige Legitimierung bekommt, momentan heißt sie „Demokratie“)?

Vielleicht soll mit Nietzsche ja gerade kein Staat gemacht werden können, sondern der Staat als solches hinterfragt …
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Re: Könnte es sein

Beitragvon Vollbreit » Mi 7. Dez 2011, 21:30

Teh Asphyx hat geschrieben:Ja, welches Kind ist das nicht … deswegen finde ich das schwierig, daraus etwas herzuleiten.


Das Problem ist bei einer Stufe „der Konformität, Konventionalität oder des mythischen Glaubens“ der Spielraum so immens groß ist, dass man leicht sagen kann, dass jeder da durch geht, in einem sehr strengen Sinne würde ich allerdings sagen, dass es eine solche Stufe bei mir nicht gab, ich mir aber auch nicht vorstellen kann, darunter zu sein.

Kaum zu glauben, hast Du mal als Kind Popstars angehimmelt oder einen Fußballverein?
Im Grunde ist es die Stufe, auf der die Eltern Götter sind, das ist einem in dem Sinne nicht wirklich bewusst, aber wenn Freud eines konnte, dann meisterhaft die Perspektive von Kindern einnehmen.
Wie muss denn so eine erwachsener Mensch wirken, auf eine kleines Kind, mit dem Körper, den Emotionen und der Denkweise eines kleinen Kindes, so zwischen 3 und 5.


Teh Asphyx hat geschrieben:Das mit den Tieren verstehe ich jetzt nicht ganz im Zusammenhang. Liegt hier vielleicht ein Missverständnis vor?


Weiß nicht, möglicherweise habe ich Dich falsch verstanden, kommt vor, was meintest Du denn?

Teh Asphyx hat geschrieben:Der Westen ist an Schlechtigkeit kaum zu überbieten (wobei … schlimmer geht immer).


Das ist mythisches Denken. ;-)
Da Du ja eh den Wilbers EKL lesne willst, schau Dir mal die Kapitel an, in denen er die „Würde der Moderne“ und den „Schrecken der Moderne“ gegenüberstellt. Es stimmt eben beides. Nur eine Seite anzuschauen und die andere komplett auszublenden, scheint mir sehr einseitig zu sein.

Teh Asphyx hat geschrieben:Na ja, ich finde auch, dass die Katholiken ziemliche Opportunisten sind. Das hat Luther ja auch ziemlich gestört, der gerne wieder zum Evangelium zurück wollte und auch jegliche Vernunft abgelehnt hat. So gesehen hatte Luther zumindest kurz ein paar Werte in die Religion gebracht (die Hitler dann später auch konkretisiert hat, jedenfalls Luthers Sicht auf die Juden). Nee, ich sehe da wirklich nichts festes, überdauerndes als Werte.


Fest ist ja die Einstellung die da seit langer Zeit vertreten wird, die Ge- und Verbote.
Genau für dieses Festhaltungen an zuweilen überkommenen oder im Lichte der Wissenschaften nicht mehr aufrecht zu haltenden Forderungen, wird die Kirche ja kritisiert.
Und, Du erwähntst ja selber öfter Alice Miller, die schreibt doch auch, dass es in Religionen darum geht die paternalistische Sicht nicht infrage zu stellen, die die Kirchen ja zu einem guten Teil auch vertreten.

Teh Asphyx hat geschrieben:Die Politik, mit der die Kirche kooperierte ist weiterhin sehr lebendig, finde ich. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Demokratie irgendwelche alten Herrschaftsverhältnisse verändert hätte, es gab nur personelle Veränderungen, aber die gibt es in der Religion ja auch. Und wie man in der Reformation gesehen hat, kann sich auch eine Religion auf gewisse Weise strukturell verändern, ohne die Verhältnisse tatsächlich zu ändern.


Also die Demokratie ist in meinen Augen ein echter Fortschritt, warum bist Du da so pessimistisch?
Du kannst als einzelner Bürger gegen Deine Stadt, den Staat oder Frau Merkel klagen, Du kannst auch den Papst verklagen, das war zu Zeiten der reinen Kirchenregentschaft oder ist in Systemen mit totalitären Herrschern ein Himmelfahrtskommando.

Teh Asphyx hat geschrieben:Wieso brauchen Menschen ein ordnendes Element (in Form eines Dogmas)?


Warum das so ist weiß ich nicht, aber es ist so, dass ohne eine gewisse Organisation schnell Chaos ausbricht. Ich habe mal von einem Experiment gehört, dass die wenigen Patienten die als psychisch wirklich unheilbar krank gelten, die sog. Psychopathen oder antisozialen Persönlichkeiten, dadurch versuchsweise therapiert wurden, dass man sie komplett desorganisierte. Das machte man dadurch, indem man Regeln aufstellte und alle Regeln am nächsten Tag komplett änderte, was dazu führte, dass die Patienten psychotisch wurden. So hoffte man sie von dort aus irgendwie strukturieren zu können, aus irgendwelchen Gründen konnte man das aber nicht fortführen.
Desweiteren ist es so, dass Kinder, die in einer völlig chaotischen Umgebung aufwachsen tendenziell sehr schwer psychisch erkranken, weil ihnen eben die Struktur fehlt.
Unterstrukturierung, das weiß man heute, ist psychisch viel brisanter als eine Überstrukturierung.

Teh Asphyx hat geschrieben:Ist nicht das Recht des Stärkeren ein typisches Symptom imperialistischer Zivilisationen (das auch immer wieder eine neue scheinheilige Legitimierung bekommt, momentan heißt sie „Demokratie“)?


Ich glaube auch, dass nicht alles Gold ist was glänzt und dass im Rahmen der Demokratie eine Menge Schweinereien laufen, aber wie gesagt, man hat Möglichkeiten sich zu wehren, auch als einzelner Bürger, niemand kann ohne weiteres eine Autobahn durch Deinen Garten bauen oder Dich von der Stelle weg ohne Grund in Haft nehmen, das finde ich, ist schon was.

Teh Asphyx hat geschrieben:Vielleicht soll mit Nietzsche ja gerade kein Staat gemacht werden können, sondern der Staat als solches hinterfragt …


Okay, das ist eine Ansicht die man haben kann, dass Nationalstaaten eine Quelle des Übels sind, ich kann das so nicht teilen, weil ich dann fragen würde, welche Alternative statt dessen kommen soll.
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Re: Könnte es sein

Beitragvon Teh Asphyx » Mi 7. Dez 2011, 22:14

So richtig angehimmelt? Hm … schwierig. Ich war schon Fan von bestimmten Bands, aber ich hab das nicht als anhimmeln empfunden. Ich hatte generell immer so Phasen, wo ich ein extremes Interesse für etwas hatte, ich kann da ein ziemlicher Nerd sein, aber es war meistens eher unkonventionell und hat mich in der Regel auch eher von anderen abgegrenzt. Mit Religion kann ich das nicht mal ansatzweise verbinden.
Als ich zwischen 3 und 5 war, wirkten Erwachsene vor allem einfach groß auf mich. Und irgendwie haben die sich immer seltsam verhalten (aber das empfinde ich heute noch so …).

Ich schrieb eigentlich über die menschliche Bevölkerung und wo die höher entwickelt ist.

Ich bin bewusst polemisch, was den Westen und die Demokratie angeht und nehme da auch ganz absichtlich keine Position der Mitte ein. Ernst nehmen sollte man trotzdem, was ich da sage.
Das liegt vielleicht daran, dass ich alles andere als gesellschaftlich privilegiert bin und somit jeden Tag die Grenzen der Vorzüglichkeit der Demokratie spüre.
Ich kann vielleicht Personen verklagen, aber was nützt mir das in einem System, indem keine Person mehr verantwortlich ist? Genau deswegen ist es ja erlaubt, weil es nichts ändert.
Die Demokratie ist insofern ein Fortschritt, weil sie sich selbst immer mehr ins Absurde treibt und vielleicht bald in einer Sackgasse landet, woraus tatsächlich etwas völlig neues entstehen könnte.

Ich denke in dem Punkt hat Alice Miller zwar einerseits recht, weil es das oft gibt, aber sie verallgemeinert da zu viel, weil es auch religiöse Menschen gibt, die diese Sicht trotzdem in Frage stellen.
Die Kirche war auch immer sehr flexibel in der Auslegung wann die Gebote auch mal nicht zu gelten haben, wurd ja zum Beispiel doch recht viel getötet (und noch schlimmer, es wird am Sabbath geraucht!).

Ich denke der Mensch ist immer schon in einer Ordnung und bildet auch automatisch Ordnungen … das Chaos bricht dann aus, wenn die Ordnung keine Flexibilität mehr zulässt, also zum Dogma wird.

Ich glaube nicht, dass es jemals Verhaftungen ohne Grund gab, die mussten nur in der jeweiligen Ideologie passend begründet sein. Momentan gibt es da eben eine bestimmte Sicht der Legitimation, nach Dinge als gut begründet gelten. Das ist nicht besser und nicht schlechter als zu andern Zeiten (hoffe ich, so stark wie die Depression in der westlichen Gesellschaft als Krankheit zugenommen hat, bin ich mir nicht mal sicher, ob es nicht doch sogar schlechter ist).

Ich weiß nicht, ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht verstanden, was das mit den Nationalstaaten soll. Ich finde das einfach nur absurd. Ich würde als Alternative vorschlagen, dass die Menschen einfach wieder Menschen sein sollten … wichtiger ist aber die Frage, wie man dahin kommt.
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Re: Könnte es sein

Beitragvon Gandalf » Mi 7. Dez 2011, 23:30

Darth Nefarius hat geschrieben: Daran ist ja auch Einstein gescheitert, weil ihm sein Weltbild nicht den Gedanken zuließ, dass etwas, wie die Quantenmechanik möglich ist, oder, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt. Wie viele wissenschaftlichen Fortschritte hat denn die Religion hervorgebracht?


Nur mal so, weil es hier wohl u.a. auch um "Bildung" geht:
Einstein ist nicht ander Quantenpyhsik gescheitert, sondern hat seinen (einzigen) Nobelpreis für 'Quantenpyhsik' (photoelektrischer Efffekt) bekommen! Auch hat er später die "kosmologische Konstante" selbst als seine größte Eselei bezeichnet (er hat es also eingesehen)

Was er aber nicht eingesehen hat, war die 'Kopenhagener Interpretation' der Quanternphysik. Also quasi die "Schöpfung von Ereignissen aus dem Nichts". Er war stets der Meinung das die QT eine lokal-realistische Theorie sein müsste, was ihm aber scheinbar immer wieder widerlegt wurde. Ein anderer hat diese Idee wohl bei Einsteins letztem Vortrag aufgenommen und weiterentwickelt:
Hugh Everett und damit die Viele-Welten-Theorie, die anfänglich 'Relative-Zustands-Theorie' hieß.
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Re: Könnte es sein

Beitragvon laie » Do 8. Dez 2011, 07:35

teh asphyx hat geschrieben:Ich weiß nicht, ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht verstanden, was das mit den Nationalstaaten soll. Ich finde das einfach nur absurd. Ich würde als Alternative vorschlagen, dass die Menschen einfach wieder Menschen sein sollten … wichtiger ist aber die Frage, wie man dahin kommt.


These: Aufklärung und Nationalstaaten gehören zusammen denke ich und bedingen sich gegenseitig. Wer den Nationalstaat ablehnt, lehnt die Aufklärung ab. Wer die Aufklärung ablehnt, lehnt den Nationalstaat ab.

Nationen zeichnen sich durch geglaubte gemeinsame Geschichte aus oder durch den Irrtum der gemeinsamen Abstammung. In Deutschland waren das zu dieser Zeit die Germanen, in Frankreich die Gallier, in England Sachsen, in jüdischen Kreisen die alten Israeliten, in Griechenland war jeder direkter Nachfahre Homers.

Das war die wissenschaftliche Begründung zu der Frage, woher man kam. Ungefähr so: "Wir wollen nicht mehr auf die Kirche hören, wir emanzipieren uns jetzt. Mal sehen, wer sind wir... hmmm gehn wir mal zurück... perfekt: Armin der Cherusker. Hat gegen die Römer auf unserem Land gekämpft, war also der erste Deutsche. Aber so primitiv. Gott sei dank haben wir auch viele Dichter und Wissenschaftler. 'Land der Dichter und Denker', ja das klingt besser".

Ich denke, es ist kein Zufall, daß das 19. Jahrhundert zugleich das Jahrhundert der Wissenschaft und das Jahrhundert der Nationalstaatsentstehung ist.
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Re: Könnte es sein

Beitragvon stine » Do 8. Dez 2011, 08:55

Vollbreit hat geschrieben:Unterstrukturierung, das weiß man heute, ist psychisch viel brisanter als eine Überstrukturierung.
In der Erziehung spricht man davon, den Kindern Grenzen zu setzen. Kinder die ihre Grenzen kennen, haben ein natürliches Interesse über den Zaun zu schauen, sind dabei mutiger und zuversichtlicher weil sie sich in allem Vorwärtsbewegen auf gesicherte Wurzeln verlassen können.
Man hat allerdings auch festgestellt, dass Kinder aus unsoliden Elternhäusern sich oft die Strukturen selber schaffen und dann versuchen ihren Eltern Halt zu geben. Dazu braucht es aber sehr starke Persönlichkeiten.

Vollbreit hat geschrieben:Dennoch sind ja gerade die Ansichten der kath. Kirche bspw. in Stein gemeißelt vor einiger Zeit habe ich mal einen Kirchenoberen gehört, der sagt die Kirche habe sich in den letzten 1000 Jahren nicht verändert und wird es auch die nächsten 1000 Jahre nicht tun. Das stimmt zwar so nicht, aber ich denke, wenn man der Kirche Religionen etwas nicht vorwerfen kann, dann keine Werte zu haben oder sie nicht zu vertreten.
Das System Kirche funktioniert genau deswegen, WEIL es eine Konstante ist. Hauptamtliche Kirchenvertreter lenken immer wieder rückwärts, versuchen ihre Schäfchen beisammen zu halten und Bodenhaftung zu vermitteln. Das funktioniert zwar nicht immer aber wenn Sturm im Verzug ist, treffen sich doch alle wieder im Kirchenschiff zum Beten. :mg:

Teh Asphyx hat geschrieben:Der nächste Punkt ist, dass Religionen keine eigenen Werte haben, die sie vermitteln, sondern sich immer opportun zur jeweiligen Herrschaftsideologie verhalten.
Kannst du Beispiele nennen?
Wann hat man zum letzten Mal die 10 Gebote verändert?

Teh Asphyx hat geschrieben:Nein, für mich kommt es darauf an, so radikal zu sein, dass hinterher nichts mehr bleibt als ein Trümmerhaufen, alle nötigen Kränkungen der Menschheit konsequent bis zum Ende durchzuführen.
Das mag ein Herzenswunsch von dir sein, aber die Menschen werden sich dann eben andere Ordnungssysteme überlegen. Der Mensch hat ein natürliches Interesse, sich zu organisieren.

Teh Asphyx hat geschrieben:Dazu gehört auch die erwähnte Kränkung, dass das europäische Weltbild sich nicht durchsetzen wird. Ich sehe auch für mich keinen guten Grund, das aufrecht erhalten zu wollen.
Es muss sich kein Weltbild durchsetzen müssen. Das Weltbild wird immer im Wandel bleiben, weil es das Ergebnis von vielen Denkprozessen ist. Was man aber heute schon sagen kann ist, dass die Menschen es bis zum Status Quo nicht geschafft hätten, wenn sie es nicht fertig gebracht hätten eine freundliche soziale Ordnung zu schaffen, die eine so lange Friedenszeit überhaupt erlaubt.
Dort, wo noch Familienclans diktatorisch herrschen oder Militärs das Volk unterdrücken, ist es nur eine Frage der Zeit, wie lange sich das Volk noch zurückhält. Und eine Frage dessen, wie lange man das Volk "arm" halten kann.
Wo ich sehr kritisch bin, ist die fortschreitende Entwicklung demokratischer Länder zur überhöhten Staatsquote. Man treibt auch im reichen Westen die Menschen wieder in Armut, um sie dann per Subventionen am Leben zu halten. Das schafft Abhängikeiten und damit Wählerstimmen für Parteien, die dies propagieren, aber es macht das Volk auf Dauer unfrei.

Vollbreit hat geschrieben:Ich bin auch überzeugt, dass es viele gute Gründe für Religion (nicht unbedingt in fundamentalstischer Ausprägung) gibt, genannt seien gesellschaftliche Ordnung, Sinn und Orientierung, eine innere Widerstandskraft gegen schädliche gesellschaftliche Einflüsse (Resilienz), sowie gesellschaftliche Vitalität und ein „Wir“-Gefühl.
Es ist genau dieses Wissen darum, warum es noch ein christliches Abendland gibt. Ob eine Befreiung davon am Ende wirklich frei machen würde, weiß ich nicht. Meine Absicht, eine naturalistische Alternative zu finden, wird eine Absicht bleiben. Die bloße Abschaffung bestehender Ordnungen kann aus genannten Gründen nicht funktionieren.
Die Kirchen/Religionen haben als Kern die (natürliche) Suche des Menschen nach einer höheren Ordnung in ihrem Programm. Das macht es letztlich so schwierig, ihr Konzept aus den Angeln zu heben und mit etwas zu ersetzen, das "keinen", bzw "nur" einen naturalistischen Inhalt bieten kann. Das "Nichts" kann nicht das Ergebnis einer langen Suche und der Kern einer neuen gesellschaftlichen Ordnung sein.

LG stine
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