Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » Sa 17. Dez 2011, 20:28

Vollbreit hat geschrieben:Es ist ja gerade kein Ausdruck von Freiheit, wenn ich etwas zufällig, statt nach Gründen will und entscheide und das ist eigentliche Problem dabei.


Na ja, man hätte eine Freiheit von Gründen. Du hast ja ohnehin schon die Begründung vom reinen Determinismus getrennt, dann kannst Du sie ja genauso auch vom reinen Zufall trennen. Ich denke, dass beides nicht möglich ist und bleibe deswegen bei den Tendenzen, die eine Freiheit ermöglichen, aber nicht erzwingen (weswegen es nicht einfach den freien Willen gibt, man einen solchen aber entwickeln kann).

Vollbreit hat geschrieben:Insofern machen die Kompatibilisten es richtig, wenn sie gedanklich maximale Determination unterstellen (die es empirisch vermutlich nicht gibt), um dann philosophisch zu argumentieren:
Wenn schon die äußerste Determiniertheit nicht der Freiheit des Willens in die Quere kommt – und das können sie nachweisen –, dann jede geringere Determiniertheit erst recht nicht.


Mir will aber weiterhin nicht in die Birne, wie das der Freiheit des Willens nicht in die Quere kommen soll. Man entscheidet ja eben nicht nach Gründen, wenn alles determiniert ist, sondern nach Bestimmung (und man kann höchstens glauben, man hätte Gründe, was dann auch Teil dieser Bestimmung wäre).
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 17. Dez 2011, 20:49

Teh Asphyx hat geschrieben:Ich sage ja nicht, dass der Mensch keinen freien Willen hat, sondern nur, dass er ihn nicht hat, wenn alles determiniert ist.

Hier fehlt ein Argument. Warum wäre das so?

Teh Asphyx hat geschrieben:Und was das Juristikzeug angeht, da geht es mir einfach darum, dass der freie Wille der Kompatibilisten nicht der freie Wille ist, der juristisch oder politisch eine Rolle spielt, beide aber die gleiche Bezeichnung haben.

Sondern? Beleg?

Teh Asphyx hat geschrieben:Dennoch bleibe ich dabei, wenn alles determiniert ist, kann der Wille gar nicht frei von Zwängen sein, es kann höchstens sein, dass er nicht merkt, dass er Zwängen unterworfen ist. Wenn alles determiniert ist, kann man eben nicht anders als so zu handeln wie man handelt und hätte auch nicht anders gekonnt.

Kommt wohl darauf an, was Du unter 'Zwang' verstehst. Wenn jede Abhängigkeit schon 'Zwang' bedeutet, dann bedeutet Determinismus auch Zwang. Logisch.

Bloß: das Gegenteil von Abhängigkeit bedeutet Zufälligkeit, reine Willkür. Und wie Zufall, reine Willkür Freiheit herstellen könnte ist begründungsbedürftig. Das ist meiner Ansicht nach per se sehr viel unplausibler als die kompatibilistische Ansicht, dass nämlich Determinismus (Abhängigkeiten) Freiheit nicht widersprechen.

Wenn meine Entscheidung Gegebenheiten berücksichtigt (äußere und innere - d.h. meine Persönlichkeit, Vorlieben, Ziele etc.), dann ist diese davon abhängig. Das aber ist meiner Ansicht nach überhaupt kein Problem - allerdings wäre eine Entscheidung, die von nichts abhinge, von allem unabhängig wäre - die also einfach so aus dem Nichts hervorploppen würde, ein Problem. Wie könnte eine solche Entscheidung meine Entscheidung sein?

Das muss der Inkompatibilist erklären können, ansonsten scheint er mir eine völlig absurde Vorstellung zu haben.

Der Inkompatibilist muss auch darlegen, was er unter "kann auch anders handeln" eigentlich versteht. Und das kann nicht! lediglich folgendes sein: "es hätte auch anders kommen können".

Der Inkompatibilist hat also eine (ich meine: extrem schwere, ich meine sogar: nicht leistbare) Bürde. Es reicht nicht, wenn er immer nur im Nebel stochert und nicht nachvollziehbare Behauptungen aufstellt.

Der Inkompatibilist muss folgendes leisten:

- explizit darlegen, welche die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für einen freien Willen in seinem Sinne sind
- darlegen, inwiefern das eine Rolle für was spielt (für Politik? für das Strafrecht?) und wieso

Aber das kann der Inkompatibilist nicht. Nie, never, niemals. Er kann nicht den einen Schritt zurücktreten und erst mal seine Grundlagen überdenken und die darlegen. Das einzige, was er kann, ist, sein unhinterfragbares Dogma "Freiheit und Determinismus widersprechen sich, sind Gegensätze" endlos unbegründet zu wiederholen.

Auf die Dauer ist das schon ziemlich auffällig und wenig überzeugend. Das ist so ähnlich wie eine Diskussion mit Gläubigen. Die haben ebenso blinde Flecke.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » Sa 17. Dez 2011, 20:55

Teh Asphyx hat geschrieben:Na ja, man hätte eine Freiheit von Gründen. Du hast ja ohnehin schon die Begründung vom reinen Determinismus getrennt, dann kannst Du sie ja genauso auch vom reinen Zufall trennen.


Nee, das ist ja keine willkürliche Trennung, weil man zufällig Lust drauf hat, sondern eine Untersuchung der Frage, was man unter freiem Willen versteht.
Das Problem der Inkompatibilisten ist, dass sie nicht formulieren können, was eine Freiheit von Determiniertheit heißen soll, außer Zufällen und inwiefern der mühsam erkämpfte Zufall dann die Freiheit vergrößert.

Im Zentrum steht immer die Frage, was man unter Freiheit versteht und hierfür eine möglichst konsistente Definition zu finden.

Teh Asphyx hat geschrieben:Ich denke, dass beides nicht möglich ist und bleibe deswegen bei den Tendenzen, die eine Freiheit ermöglichen, aber nicht erzwingen (weswegen es nicht einfach den freien Willen gibt, man einen solchen aber entwickeln kann).


Stimmt, diese Freiheit muss sich erst entwickeln, ein Säugling verfügt nicht darüber, der ist noch ganz eingebunden in seine Welt der Reaktion und hat noch kein Ich, was er selbst begrifflich fassen kann.

Teh Asphyx hat geschrieben:Mir will aber weiterhin nicht in die Birne, wie das der Freiheit des Willens nicht in die Quere kommen soll. Man entscheidet ja eben nicht nach Gründen, wenn alles determiniert ist, sondern nach Bestimmung (und man kann höchstens glauben, man hätte Gründe, was dann auch Teil dieser Bestimmung wäre).


Eigentlich ist es nicht so schwer, vielleicht schluckt man das gerade deshalb nicht so schnell.
Du kannst ja auch dann nach Gründen entscheiden, wenn alles determiniert ist.
Wenn alles determiniert ist, steht alles was Du denkst, sagst, tust bereits hier und heute fest.
Ein Gott hätte diese Perspektive und könnte demnach exakt sagen, was Du als nächstes tust und denkst. Du hättest sie nicht, würdest Dich aber entscheiden können: Bier oder Wein, Kino oder Fernsehen, Reis oder Nudeln oder auch was Du beruflich machen willst oder sonst was.
Du könntest Gründe angeben und sei’s nur, dass Dir eben jetzt gerade nach Wein ist.
Du könntest auch einiges sehr exakt begründen. Aber entscheiden, so wie Du die Entscheidungen Deines Lebens, die klitzekleinen und riesengroßen bisher erlebt hast, kannst Du Dich auch weiterhin und Du wirst es, wie ich auch, stets aus einer Mischung aus Gründen, Gewohnheiten, Spontaneitäten, Anregungen, emotionaler Zuneigung, intensiven Informationen, Gesprächen, Reflexionen, Meditationen, Träumen und was auch immer tun.

Ob Gott das schon wusste, ändert an Deinem Status nichts, doch vermutlich könnte nicht mal ein Gott das wissen.
Zusammen fällt das kompatibilistische Gebäude nicht durch den Determinismus, sondern nru dadurch, dass Du eine bessere Definition für den freien Willen anbietest, auf die wir uns einigen können.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » Sa 17. Dez 2011, 21:28

Vollbreit hat geschrieben:Hm.
Ich sehe eine Widerspruch darin, dass Du einerseits mit Miller sagst, man solle den Eltern nicht zu früh verzeihen, andererseits aber meinst, der Mensch habe keine Verantwortung, da er ja über keinen freien Willen verfügt. Wie kannst Du jemandem böse sein, der nichts dazu konnte, zu dem, was er tat?
Man kann doch nur jemandem etwas vorwerfen, der auch anders gekonnt hätte, wie willst Du das auflösen?


Ganz einfach, indem ich niemanden etwas vorwerfe. Wütend zu sein ist ein Gefühl und kann auf eine Person bezogen sein. Die Wut ist dadurch begründet, dass von der Person etwas ausging, was Leid verursacht hat, nur ist die Wut an sich noch kein Vorwurf. Dementsprechend gibt es auch nichts zu verzeihen, sondern nur etwas zu verstehen und über das Verstehen kann man sich mit der Vergangenheit „versöhnen“, aber auch weiterhin im Bewusstsein darüber sein, dass es einem nicht gut getan hat.
An dem Leid selbst verändert sich doch nichts, ob die Person was dafür konnte oder nicht.
Aber zu dem Thema werde ich mich in unserer anderen Diskussion noch ausführlicher äußern.

Vollbreit hat geschrieben:Doch, das habe ich doch zu skizzieren versucht, man kann determiniert sein und dennoch gemäß guter Gründe entscheiden. Sag‘ mir doch mal, warum das nicht gehen soll.


Weil im Determinismus schon alles bestimmt ist, deswegen handelt man nicht nach Gründen (sondern denkt höchstens, man würde nach Gründen handeln), sondern einzig und allein nach der Bestimmung (weswegen der Determinismus für mich auch nicht geht, weil ich allen Anlass habe, anzunehmen, dass man selbst aktiv handeln kann).

Vollbreit hat geschrieben:Nein, nicht als Ausnahme, ganz regelgemäß. Wenn ich den Wunsch habe zu fliegen, braucht sich ja die Schwerkraft nicht aufzuheben.


Was hat das damit zu tun? Entweder fliege ich, weil es vorbestimmt ist, dass ich fliege oder nicht, weil es vorbestimmt ist, dass ich nicht fliege. Und entweder habe ich den Wunsch, weil es vorbestimmt ist, dass ich den Wunsch habe oder ich habe ich nicht, weil es vorbestimmt ist, dass ich ihn nicht habe. Das wäre purer Determinismus.

Vollbreit hat geschrieben:Wie sollte mein Wollen nicht von Äußerem beeinflusst sein? Ich will vielleicht diese Frau, diese Pizza, den Sportwagen, das Buch, das setzt doch voraus, dass ich beeinflusst bin. Was kann man überhaupt wollen wollen, wenn man keine Erfahrung des Anderen hat?


Sind es dann immer noch streng genommen Deine eigenen Überlegungen? Wenn ja, wo genau würdest Du die Trennung setzen?
Wenn Du eine klare begründete Trennung hast, dann fällt mir das vielleicht leichter nachzuvollziehen.

Vollbreit hat geschrieben:Schauprozesse sind je eher der Klassiker für Zwang, nicht für Freiheit.


Jein, so einfach ist das eben nicht. Was da psychologisch abging ist schon echt erstaunlich. Die Leute haben aus den Gulags aus sogar tatsächlich von sich aus Stalin zum Geburtstag Grußkarten geschickt und ihm weiteren Erfolg mit seiner Politik gewünscht und das ohne irgendwelchen Zynismus. Das liegt daran, dass diese Leute irgendwann tatsächlich geglaubt haben, sie wären schuldig und dass sie bestraft werden, würde der guten Sache dienen – dass also quasi so alles mit rechten Dingen zugeht.
Oder was ist mit dem anderen klassischen Fall von der Muslimin, die sich frei entscheidet, ein Kopftuch zu tragen und ihre unterdrückte Rolle perfekt auszuführen? Ist das nicht immer noch eine der großen philosophischen Fragen über die Freiheit, wenn jemand in einer freien Entscheidung die Unfreiheit wählt (oder man muss sich eben doch fragen, was für Gründe da wirklich eine Rolle spielen)?

Vollbreit hat geschrieben:Ja, meine Gründe und Überlegungen sind determiniert, vollkommen sogar (in unserem Beispiel), aber was hindert mich daran, sie frei zu treffen, indem ich von ihnen überzeugt bin.


Du hast sie ja nicht frei getroffen, Dir erscheint es ja in dem Fall nur so.

Vollbreit hat geschrieben:Ein allsehendes Wesen (das es zwar nicht gibt, aber egal) könnte sagen: „Ah, der Vollbreit, jetzt macht er das und denkt jenes, in 5 Minuten wird ihm x passieren und er wird seine Meinung komplett revidieren.“ 5 Minuten später geschieht mir x, ich schmeiße alles über den Haufen und revidiere meine Einstellung total und sage: „Vor 5 Minuten dachte ich noch dies und das, aber dann habe ich x erfahren und im Lichte dieser Erfahrung muss ich meine Aussagen revidieren.
Das tue ich dann freiwillig, auf dem Boden guter Gründe und das allsehende Wesen hat es vorher gewusst. Ich aber nicht, ich folge nur meinen Gründe, gemäß der Erkenntnis, die mir gerade zur Verfügung steht.


Hier sagst Du es ja im Prinzip auch selbst, gemäß der Erkenntnis, die Dir gerade zur Verfügung steht, meinst Du, frei zu handeln, aber diese Erkenntnis entspricht ja eben nicht der im Fall eines totalen Determinismus vorhandenen absoluten Realität.
Du springst meines Erachtens nach hin und her zwischen einer distanziert beobachtenden Sicht (alles ist determiniert) und einer introspektiven Sicht (ich nehme wahr, dass ich mich nach Gründen entscheide), das ist aber unzulässig. Introspektiv gesehen hat wahrscheinlich jede Kreatur, die dazu in der Lage ist, sich selbst als Subjekt wahrzunehmen, die Wahrnehmung, einen freien Willen zu haben (ob sie das sprachlich formulieren kann oder nicht, ist dabei auch gar nicht so wichtig – wenn ein Reh verschreckt davon läuft, ist es gut möglich, dass es in dem Moment denkt, dies aus guten Gründen zu tun), aber daraus darf man nicht schließen, dass sie es objektiv betrachtet auch hat.

Vollbreit hat geschrieben:Das ist ja keine Illusion von Freiheit.
Wenn ich Dich gut kennen würde und wüsste, dass Du total auf Scampi-Pizza abfährst und ich sehe, dass Du zum Italiener gehst, dann würde ich tippen: Mensch, der isst bestimmt gleich Pizza Scampi. Wenn Du das dann tatsächlich tust und ich das geahnt haben (und das allsehende Wesen es sicher gewusst hat), hast Du dann irgendwie unter Zwang gehandelt? Nein, Du bist zum Italiener gegangen, hast Pizza Scampi gelesen, meinetwegen wurdest Du auf die Dinger auch noch geprägt und so machte es bling und Du hast sie bestellt. Aber Du hättest es aus freiem Willen getan, es hätten auch die scharfen Nudeln sein können.


Nein, wenn ich es getan habe unter der Voraussetzung, dass alles determiniert ist, hätte ich keine Nudeln essen können, ich könnte nur glauben, dass ich das hätte können (aber ich glaube, das hatten wir jetzt oft genug).

Vollbreit hat geschrieben:Wieso meinst Du überhaupt, dass es so ist?
Ich glaube, es hat schlicht damit zu tun, ob jemand Einsicht in das hat (oder haben könnte) was er getan hat. Ist das gegeben, muss er sich verantworten, ich sehe das eigentlich ganz nüchtern.


Ich denke, es kommt eher auf die Einsicht an, warum er es getan hat. Gleich mehr dazu …

Vollbreit hat geschrieben:Das wird ja auch berücksichtigt, wenn Du ein Verbrechen begehen willst und Dir arglistig die Kelle gibst, damit Du straffrei aus der Nummer raus kommst, nur muss man Dir eben nachweisen, dass Du das gezielt gemacht hast, um sagen zu können: Ich wusste nicht mehr, was ich tat, ich war völlig prall und hatte einen Filmriss.
Und ich finde es gut, dass man jemandem das abnehmen muss, bis das Gegenteil bewiesen ist.


Das ist ja noch mal was anderes. Aber auch wenn ich nicht vorhabe ein Verbrechen zu begehen, wenn ich Drogen nehme, obwohl ich weiß (oder wissen sollte), dass ich mich danach wohl kaum noch unter Kontrolle habe, dann mache ich mich ja schon in dem Moment, wo ich die bewusste Entscheidung treffe, Drogen zu nehmen, für alle Folgen davon verantwortlich. Es sei denn, jemand hat mir heimlich Drogen gegeben.

Vollbreit hat geschrieben:Dennoch sollte man hier zwei Dinge betrachten: Ist jemand in der Lage zu erkennen, was die Gesellschaft von ihm erwartet? Wenn ja und das wissen die meisten Gewalttäter durchaus, muss man zeigen, dass man das als Staat nicht toleriert, denn dass ich geprügelt wurde, gibt mir nicht das Recht, andere zu prügeln.


Es sei denn, man prügelt im Namen des Staates. Oder man bezeichnet es als Sport, weil es dann in Ordnung ist, andere bis zur Bewusstlosigkeit zu prügeln.

Vollbreit hat geschrieben:Und da Du fit bist in Psychologie, eine Überlegung aus der Ecke. Du wirst wissen, dass chronische Gewalt zu schweren Persönlichkeitsstörungen führt und diese oft mit Entwertung anderer verbunden ist und Gewalt gegen andere begünstigt. Aber mit der Krankheit hängt noch was zusammen, die kompensatorische Grandiosität. Mir kann keiner was, ich bin sowieso schlauer, dreister, gerissener, die anderen sind alles nur Lutscher, Opfer, selbst schuld, hätten ja woanders herlaufen können.


Das hat aber noch ganz andere Ursachen. Siehe die beiden in meinem Post eine Seite vorher an ujum erwähnten Verweise zu Freerk Huisken (das alles in der Ausführlichkeit hier zu erklären, wäre zu viel).

Vollbreit hat geschrieben:Dieser Grandiosität muss man Grenzen setzen, durch Strafe, denn wenn man nur auf Therapie setzt, was meinste wie viele mit bravem, artigen Gesicht bei der Therapie mitmachen, die sich als etwas für Warmduscher ansehen, nur um raffinierterweise ihrer Strafe z entgehen. Ist doch super, 10 Jahre Knast oder 2 Jahre Psychogequatsche, die Wahl ist schnell getroffen.


Beides wird nicht viel machen. Die Strafe bestätigt letztlich ja auch nur das Verhalten, nur dass die Person merkt, dass es da jemanden gibt, dem sie nichts kann und die Person wird daraus lernen, wo sie herlaufen muss, damit sie dieser Strafe in Zukunft entgeht.

Vollbreit hat geschrieben:Deshalb braucht es aus meiner Sicht ein Signal, a) hier ist eine Grenze und b) Du bist nicht Gott, egal, was Du meinst, egal wie gerissen Du Dich fühlst, auch Du sitzt hier im Knast. Und dann meine ich, wie die meisten hier glücklicherweise auch, dass man sehr viel mehr auf Therapie und eine faire Chance setzen sollte, ich würde aber Therapie nicht an die Stelle von Strafe setzen, wenn sich jemand als schuldfähig erweist.


Da war die Methode von Früher mit dem Henker aber effizienter. Das Problem ist doch, dass solche Leute immer wieder kommen und das Gründe hat, an denen man arbeiten muss. Wenn man sich nur damit befasst, was man mit denen macht, die schon zum Problem für die bestehende Ordnung geworden sind, dann zäumt man das Pferd von der falschen Seite auf.

Vollbreit hat geschrieben:(Eine der beeindruckendsten Dokus die ich mal gesehen habe, handelte von einem netten Junge so um die 17, der wegen schwerster Sexualdelikte saß. Er nahm an einem Therapieprogramm teil und war – er sah auch noch freundlich aus – ein netter, bereuender, liebenswerter Junge, der in der Therapie vorbildlich mitmachte, alle Therapeuten um den Finger wickelte, hgervorragdnede Prognosen hatte, den ersten kurzen Freigang am Wochenende dazu nutze, seine kleine Schwester zu vergewaltigen und danach wieder in traurigster Einsicht sagte, wie entsetzt er von sich selbst sei.
Eine antisoziale Persönlichkeit in Reinform, die, da sie vollkommen ohne Gewissen sind, problemlos und geschickt lügen und jedem (wenn sie intelligent sind) genau das erzählen, was er hören will, um maximale Vorteile für sich zu erlangen.)


Wieso zweifelst Du daran, dass er es wirklich bereut hat? Ist es nicht gerade das Problem, dass tatsächlich in einem Moment Reue empfunden wird, in einem anderen Moment dann aber die Selbstbeherrschung wieder völlig verloren geht? Hier haben sich doch die Therapeuten selbst um den Finger gewickelt, wenn sie glaubten, dass es reicht, dass der Junge weiß, was er getan hat und es ihm nicht gefällt.
Wenn ich jemanden Schmerzen zufüge, dann doch nicht, weil ich nicht weiß, dass ihm das Schmerzen bereitet, sondern gerade weil ich es weiß.
Ist das nicht das gleiche mit den ganzen chronischen Fremdgehern? Da ist es doch auch oft so, dass im Moment der Lust alle Hemmungen fallen, hinterher wird es aber tatsächlich bereut. Nur schützt die Reue eben nicht davor, erneut im Moment der Lust wieder die Hemmungen fallenzulassen.
Ist nicht vielmehr auch bei den Therapeuten etwas völlig verkehrt, wenn die tatsächlich so einem Jungen hervorragende Prognosen geben und ihn raus lassen?
Natürlich gibt es Lügner, die anderem alles erzählen, was sie hören wollen um maximale Vorteile für sich zu erlangen, das zu tun lernt man ja auch wunderbar in der Schule, die einen auf die Wettbewerbsgesellschaft vorbereitet, in der es nur darum geht, den maximalen Vorteil für sich zu erlangen. Manche setzen das dann eben etwas konsequenter um und dummerweise dann auch mal so, wie es der Staat nicht vorgesehen hat. Die sind dann das Problem, solange das im rechtlich zugelassenen Rahmen passiert, ist das natürlich nicht krank und auch absolut kein Anlass, Kritik zu üben … (vorsicht Ironie)

Vollbreit hat geschrieben:Wenn die Berechnungen in der Physik empirisch nichts hergeben, sind sie für die Urne, klar.


Na ja, eine Messung in einem völlig luftleeren Raum in der keine Schwerkraft herrscht konnten wir im Physikunterricht damals nie durchführen, trotzdem hatten diese Berechnungen einen Wert. Blöd wird es nur dann, wenn ein Junge in einem luftleeren Raum einen Stein in einen Brunnen fallen lässt und dann die Frage kommt, wann er den Stein aufschlagen hört

PS: Meine Antwort zum anderen Post, der noch kam, während ich das hier schrieb, hat sich hoffentlich hiermit auch gleichzeitig erledigt.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » Sa 17. Dez 2011, 21:49

AgentProvocateur hat geschrieben:Hier fehlt ein Argument. Warum wäre das so?


Das habe ich in der ganzen Diskussion jetzt schon mehrfach erklärt. Ein Post weiter oben von mir steht es auch wieder.

AgentProvocateur hat geschrieben:Sondern? Beleg?


http://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wil ... ssenschaft
http://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wil ... tibilismus

AgentProvocateur hat geschrieben:Kommt wohl darauf an, was Du unter 'Zwang' verstehst. Wenn jede Abhängigkeit schon 'Zwang' bedeutet, dann bedeutet Determinismus auch Zwang. Logisch.


Determinismus ist aber nicht Abhängigkeit, sondern Bestimmung, also ganz klar Zwang (eben weil Bestimmung bedeutet, dass es gar nicht anders hätte sein können, auch die Entscheidung nicht).
Es geht nicht darum, ob etwas einfach nur den Naturgesetzen unterliegt. Das würde ja nur Grenzen festlegen innerhalb derer man sich tatsächlich frei bewegen könnte. Es geht beim Determinismus darum, dass durch eine kausale Verkettung alles schon bestimmt ist (im Unterschied zum Fatalismus, wo der Wille eines „Schöpfers“ o.ä. selbiges bestimmt).

AgentProvocateur hat geschrieben:Bloß: das Gegenteil von Abhängigkeit bedeutet Zufälligkeit, reine Willkür.
Und wie Zufall, reine Willkür Freiheit herstellen könnte ist begründungsbedürftig. Das ist meiner Ansicht nach per se sehr viel unplausibler als die kompatibilistische Ansicht, dass nämlich Determinismus (Abhängigkeiten) Freiheit nicht widersprechen.


1. Wieso sollte das Gegenteil von Abhängigkeit denn Zufälligkeit sein? Das ist für mich absolut nicht naheliegend. Beides geht sogar zusammen.
2. Du weißt schon, dass Willkür und freier Wille eigentlich Synonyme sind? Ist das dann nicht ein Selbstwiderspruch?

AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn meine Entscheidung Gegebenheiten berücksichtigt (äußere und innere - d.h. meine Persönlichkeit, Vorlieben, Ziele etc.), dann ist diese davon abhängig. Das aber ist meiner Ansicht nach überhaupt kein Problem - allerdings wäre eine Entscheidung, die von nichts abhinge, von allem unabhängig wäre - die also einfach so aus dem Nichts hervorploppen würde, ein Problem. Wie könnte eine solche Entscheidung meine Entscheidung sein?

Das muss der Inkompatibilist erklären können, ansonsten scheint er mir eine völlig absurde Vorstellung zu haben.


Es geht ja nicht um Abhängigkeit, sondern um Determinismus. Deswegen gibt es da auch nichts zu erklären, weil ich auch nicht bestreite, dass man in seinen Entscheidungen abhängig ist, gerade deswegen aber, weil ich der Ansicht bin, dass es freie Entscheidungen gibt, bin ich eben kein Determinist.

AgentProvocateur hat geschrieben:- explizit darlegen, welche die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für einen freien Willen in seinem Sinne sind


Habe ich ja bereits.

AgentProvocateur hat geschrieben:- darlegen, inwiefern das eine Rolle für was spielt (für Politik? für das Strafrecht?) und wieso


Ebenso.

AgentProvocateur hat geschrieben:Aber das kann der Inkompatibilist nicht. Nie, never, niemals. Er kann nicht den einen Schritt zurücktreten und erst mal seine Grundlagen überdenken und die darlegen. Das einzige, was er kann, ist, sein unhinterfragbares Dogma "Freiheit und Determinismus widersprechen sich, sind Gegensätze" endlos unbegründet zu wiederholen.


Anscheinend ja, weil der Kompatibilist endlos mit einer Pseudobegründung (siehe auch mein vorheriger Post, den Teil über objektive Beobachtung und Introspektion) ihr Dogma wiederholen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Auf die Dauer ist das schon ziemlich auffällig und wenig überzeugend. Das ist so ähnlich wie eine Diskussion mit Gläubigen. Die haben ebenso blinde Flecke.


Mag sein, ich vertrete den Standpunkt von Singer, Roth etc. ja auch nicht, allein schon, weil ich kein Determinist bin. Der Determinismus selbst scheint mir hier eher das Dogma zu sein.

PS:
[url]http://de.wikipedia.org/wiki/Willkürlichkeit[/url] – Zitat: Arbitrarität (wörtl. „Willkürlichkeit“, von lat. arbitrarius – „willkürlich“) bedeutet die Entstehung oder Beschaffenheit einer Sache aufgrund von Willkür oder Willensentscheidung statt Naturnotwendigkeit.
Willensentscheidung und Naturnotwendigkeit sind einfach per Definition ausgeschlossen. Wenn zwei Begriffe so definiert sind, dass sie sich ausschließen, dann schließen sie sich aus. Dann ist das, was sich nicht ausschließt eben was anderes und es müssen andere Begriffe her. Mir fällt auf, dass hier alle, die den Kompatibilismus vertreten immer wieder ganz schnell auf Ersatzbegriffe wie „Abhängigkeit“ „Gründe“ etc. ausweichen, die aber nicht das gleiche wie Determinierung sind.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 17. Dez 2011, 23:37

Unter Determinismus verstehe ich folgendes:

Aus einem Weltzustand zum Zeitpunkt t0 und den Naturgesetzen ergibt sich eindeutig jeder spätere Weltzustand tx (x > 0).

Unter Fatalismus dies:

Es ist egal, was jemand denkt, überlegt oder tut, das hat keine Auswirkungen auf sein Schicksal. (Demnach bedeutet Determinismus nicht Fatalismus, denn was jemand denkt, entscheidet und tut hat im Determinismus Auswirkungen).

Die deutsche Wikipedia ist übrigens eine schlechte Quelle bezüglich des Themas "freier Wille", besser ist die englische Wikipedia oder auch die diversen (englischen) Internet-Philosophie-Seiten wie SEP oder IEP.

Nochmal meine Anforderungen an den freien Willen in meinem Sinne:

1. Hinreichend frei von äußeren und inneren Zwängen
2. Hinreichend fähig zur Erkenntnis der Situation, hinreichend Reflexionsfähig

Dies sind für mich die notwendigen und auch hinreichenden Bedingungen.

Deine sind mir aber noch unklar, auch wenn Du sie oben schon dargestellt hast, wäre es hilfreich, die nochmal stichpunktartig aufzulisten.

Alles läuft so ab, wie es abläuft, lief so ab, wie es ablief, und wird so ablaufen, wie es ablaufen wird. Das ist völlig banal, eine Tautologie und das hat noch nicht mal was mit Determinismus zu tun, das gilt in jeder logisch möglichen Welt.

Wenn man diesen Ablauf nun 'Naturnotwendigkeit' und 'Zwang' nennen will, dann kann man das gerne machen, nur: es gibt gar keine logisch mögliche Alternative dazu. Und Begriffe, die von nichts abgegrenzt werden können, sind wenig hilfreich, haben keine Bedeutung.

Und es wäre aber schon schön, wenn der Inkompatibilist eine zumindest theoretisch mögliche Alternative darstellen könnte, eben das, was er genau unter einem "freien Willen" versteht.

Jeder tut immer genau das, was er tut. Anders ist es noch nicht einmal denkbar. Nur: wieso einen das in seiner Freiheit einschränken soll, wird wohl für immer das Geheimnis des Inkompatibilisten bleiben.

Wenn der Determinismus wahr ist, hätte es (eine bestimmte Ausgangssituation und bestimmte Verlaufsgesetze vorausgesetzt) nicht anders kommen können, als es kam, spulte man die Zeit zurück und ließe sie wieder ablaufen, dann käme es immer gleich.

Na und? Wo ist nun der Witz dabei? Was hat das mit Freiheit bzw. mit Nicht-Freiheit zu tun? Das die die große Frage.

Machen wir mal ein kleines Gedankenexperiment. Wir haben Welt A und Welt B. A ist total determiniert, in B könnten manchmal Zufallsereignisse passieren. Ansonsten sind A und B völlig identisch, es gibt sowohl in A als auch in B einen Teh Asphyx. Beide haben dieselbe Geschichte, tun immer dasselbe, ihr ganzes Leben lang. Sie denken, überlegen, entscheiden, handeln immer identisch. (Der einzige Unterschied ist: spulte man in B die Zeit zurück, dann liefe alles anders ab, als es abgelaufen ist). In beiden Welten bestimmt Teh Asphyx gleichermaßen, was er entscheidet und tut.

Und nun? Wieso sollte der Teh Asphyx in A unfrei sein und in B frei? Das leuchtet mir überhaupt nicht ein. Wenn Du mir das mal erklären könntest.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 17. Dez 2011, 23:56

Machen wir noch ein Gedankenexperiment:

Susie sitzt zusammen mit ihren Freunden in einer geselligen Runde, man redet über dies und das. Irgendwann kommt man auf ein Thema, das Susie unangenehm ist, sie wird etwas persönliches gefragt und sie überlegt, ob sie wahrheitsgemäß antworten oder lügen soll. Sie antwortet wahrheitsgemäß, obgleich es ihr unangenehm ist.

Nun spielen wir Gott und spulen die Zeit zurück bis kurz vor der Frage an Susie. Wir tun das sowohl in der determinierten Welt A als auch in der indeterminierten Welt B.

Nach tausendmal Zurückspulen hat Susie in A erwartungs-(und definitions-)gemäß 1000 mal die Wahrheit gesagt, sie hat immer dasselbe überlegt und ist immer zu derselben Entscheidung gekommen, nämlich: ehrlich zu ihren Freunden zu sein.

In Welt B aber hat Susie nach tausendmal Zurückspulen 365 mal gelogen und 644 mal die Wahrheit gesagt, obgleich sonst alles identisch war: die Umstände, ihre Persönlichkeit, ihre Überlegungen, nur ihre Entscheidungen haben sich unterschieden.

Und jetzt sind die spannenden Fragen: wieso hat sie sich mal so und mal so entschieden? Ist das nicht absolut merkwürdig und gar nicht nachvollziehbar? Wieso, wenn sie doch in der Situation nach aller Abwägung ehrlich sein will, lügt sie plötzlich?

Und: ist tatsächlich (so meint wohl der Inkompatibilist) Susie(A) unfrei und Susie(B) frei nach Ansicht des Inkompatibilisten? Ist nur Susie(B) schuldfähig, kann man nur von Susie(B) Rechenschaft für ihr Handeln erwarten und von Susie(A) nicht? Wenn ja: wieso das? Wäre es nicht eher umgekehrt, würde man nicht meinen, dass Susie(B) teilweise grundlos und noch nicht mal für sie selber nachvollziehbar handelt?

Und: was würde man gemeinhin eher erwarten, wie unsere Welt beschaffen ist: würde man eher erwarten, dass wir in Welt A leben oder eher in Welt B?
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » So 18. Dez 2011, 00:30

Ah, ich glaube jetzt habe ich verstanden, was hier falsch läuft. Da sind ein paar weitere Fehler drin:

1. Kompatibilisten verwechseln anscheinend das Ideal, dass der Mensch sich aufgrund bewusster Gründe entscheidet mit der Wirklichkeit, die mit Welt B viel eher kompatibel ist, denn die meisten Entscheidungen werden eben nicht durch bewusste Erwägung von Gründen getroffen.
2. Die Vorstellung vom Willen als etwas reaktives. Der Wille (vor allem der freie) ist eben gerade als eine aktive Kraft definiert. Der Wille ist keine Entscheidung, die man trifft, weil man Gründe abwägt, der Wille ist irgendwas, was tatsächlich aus dem Inneren kommt und neu entsteht. Ob es so eine Kraft in Wirklichkeit gibt kann man sich natürlich fragen, aber als Vorstellung gibt es solch eine Kraft und die ist nicht mit dem Determinismus vereinbar.
3. Gleichsetzung von „Grundlage“ und „Begründung“, was auch in der Neurobiologie (jedenfalls von Gerhard Roth) ständig gemacht wird.
Grundlage bedeutet: Weil es dieses Naturgesetz gibt, kann ich so und so handeln. Oder weil ich ein Gehirn habe, indem neuronale Prozesse stattfinden, kann ich denken.
Begründung bedeutet: Weil es dieses Naturgesetz gibt, handle ich genau so und nicht anders. Oder weil in meinem Gehirn diese neuronalen Prozesse stattfinden, denke ich genau das.
Gerhard Roth behauptete zum Beispiel „Gehirn determiniert Geist“, womit er die Begründung meinte, was eben völliger Blödsinn ist, weil das Gehirn nur die Grundlage für den Geist liefert, aber nicht begründet, was man denkt.

Dann noch mal zu Determinismus und Fatalismus.
Im Fatalismus hat das Handeln ebenso Konsequenzen wie im Determinismus, in beiden Fällen sind aber sowohl Handlung als auch Konsequenz von Anfang an fremdbestimmt (einmal durch eine Instanz und einmal durch eine Kausalkette).

„Hinreichend“ ist wischiwaschi. Ich kann nur mit präzisen Aussagen arbeiten. Also bitte eine exakte Trennlinie, wann etwas hinreichend ist und wann nicht (wobei sich das wohl eh erübrigt, weil wir unter einem Willen wohl etwas völlig anderes verstehen).

Ich meine das eben nicht tautologisch, sonst hätte ich nicht von Bestimmung gesprochen. Es gilt aber nicht in jeder logisch möglichen Welt. Es sei denn, man bezeichnet Sachen wie die „World of Propensities“ und andere solche Konzepte als nicht logisch möglich.

Ich bin übrigens nach wie vor weder Kompatibilist noch Inkompatibilist, sondern finde beide Positionen albern, weil sie an der eigentlichen Sache vorbeireden.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » So 18. Dez 2011, 01:31

1. Es ist aus meiner Sicht nicht wichtig, ob eine Entscheidung völlig durchdacht ist oder eher aus dem Bauch heraus erfolgt, wichtig ist nur die grundlegende Fähigkeit dazu, Entscheidungen zu überdenken und anzuerkennen oder abzulehnen, (evtl. auch nachträglich und das zukünftig zu berücksichtigen)
2. tatsächlich verstehe ich unter 'Wille' wohl etwas anderes als Du, genau genommen wäre es mir lieber, diesen Begriff hier heraus zu lassen und statt dessen von Entscheidungen zu reden. “Free Will” is a philosophical term of art for a particular sort of capacity of rational agents to choose a course of action from among various alternatives. "Freier Wille" ist ein philosophischer Ausdruck für eine bestimmte Art von Vermögen rationaler Subjekte, einen Handlungsverlauf zwischen verschiedenen Alternativen wählen zu können.
3. die Unterscheidung zwischen Grundlage und Begründung ist gut und richtig und wichtig. Tatsächlich ist es so, dass ich, um überhaupt existieren zu können, in Abhängigkeit zu anderem stehen muss, der Umwelt, den anderen. Ich bin ein Teil dieser Welt, niemand wird das doch für sich ernsthaft bestreiten wollen. Und dass ich einen Körper, zwei Arme, zwei Beine und ein Gehirn habe, ist keine Einschränkung, kein Zwang, sondern das sind notwendige Bedingungen für meine Existenz. Es wäre völlig absurd, zu sagen, weil ich eine bestimmte Erscheinungsform habe, weil ich existiere, sei ich unfrei. "Was existiert, ist unfrei, weil es existiert."

Und was Roth sagt, ist dualistischer Unsinn, besonders erstaunlich deswegen, weil Roth auch gegen Dualismus und einen cartesischen Homunkulus im Gehirn wettert.

Ich verstehe nun etwas anderes unter Fatalismus als Du. Es ergibt meiner Ansicht nach überhaupt keinen Sinn, zu sagen, weil ich einen Körper habe, weil ich bestimmte Vorlieben, Abneigungen, eine bestimmte Persönlichkeit habe, sei ich deswegen fremdbestimmt!. Das ist wieder der Punkt 3. Meine Persönlichkeit, meine Erfahrungen, Ansichten, Meinungen etc. sind unverzichtbarer Bestandteil von mir, hätte ich all das nicht, dann existierte ich gar nicht, dann wäre ich nur ein Nichts. Und aus dem unverzichtbaren Fakt meiner Existenz aber schließen zu wollen, dass ich (völlig) fremdbestimmt sei, ist absolut absurd. Denn zu der Existenz einer Person gibt es keine Alternative, d.h. man kann gar nicht fragen, ob eine nicht existente Person frei sein könne. Das ergibt einfach keinen Sinn, denn etwas, das nicht existiert, kann auch keine Eigenschaften (z.B. frei) haben.

Wenn Du nur mit präzisen Aussagen arbeiten kannst, dann tut es mir leid, unsere Welt ist nicht so aufgebaut, dass es scharfe Trennlinien zwischen freien und unfreien Entscheidungen gibt. Überhaupt ist sie bei in den meisten Sachverhalten unscharf. Der eine ist freier, der andere ist unfreier, der eine ist klüger, der andere weniger klug, der eine schöner, der andere weniger schön etc. pp.

Wenn Du aber meinen solltest, dass Freiheit keine gleitende Kategorie mit unscharfen Grenzen sei, sondern eine binäre, dann sehen wir auch das unterschiedlich. Wenn so: was genau muss Deiner Ansicht nach erfüllt sein, damit jemand frei in Deinem Sinne ist? Welche notwendigen und hinreichenden Bedingungen siehst Du dafür an? Reicht es, dass eine Welt indeterminiert ist, dass es also hypothetisch bei gleichen Anfangsbedingungen auch anders kommen kann? Oder wenn nicht: was sonst?

Teh Asphyx hat geschrieben:Ich bin übrigens nach wie vor weder Kompatibilist noch Inkompatibilist, sondern finde beide Positionen albern, weil sie an der eigentlichen Sache vorbeireden.

Stimmt ja nicht, Du bist Inkompatibilist, und zwar bist Du ein Libertarier: jemand, der meint, dass Freiheit und Determinismus sich ausschließende Gegensätze seien und der meint, dass es in unserer welt Willensfreiheit gäbe, d.h.: Du meinst, unsere Welt sei nicht determiniert.

Nochmal meine Fragen zu meinen beiden Gedankenexperimenten von oben: sind da Deiner Ansicht nach Teh Asphyx(A) und Susie(A) unfrei und Teh Asphyx(B) und Susie(B) frei? Wenn ja: wieso? Wenn nein: was fehlt da noch, welche notwendige Bedingung für Freiheit in Deinem Sinne? Wieso ist jemand frei, der sich grundlos, rein zufällig für was anderes entscheidet als für das, was er als das Beste unter den gegebenen Umständen ansieht? Und wieso jemand unfrei, der sich immer für die ihm in der gegebenen Situation als am besten erscheinende Option - nach Abwägung aller Umstände - entscheidet?
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » So 18. Dez 2011, 10:36

AgentProvocateur hat geschrieben:1. Es ist aus meiner Sicht nicht wichtig, ob eine Entscheidung völlig durchdacht ist oder eher aus dem Bauch heraus erfolgt, wichtig ist nur die grundlegende Fähigkeit dazu, Entscheidungen zu überdenken und anzuerkennen oder abzulehnen, (evtl. auch nachträglich und das zukünftig zu berücksichtigen)


Aus meiner Sicht schon, da ich in einer determinierten Welt um in meinem Bewusstsein nach Gründen handeln zu können, auch die Gründe kennen muss. Natürlich kann ich es auch unbewusst tun, aber da darf man dann schon gar nicht mehr von Freiheit sprechen.

AgentProvocateur hat geschrieben:2. tatsächlich verstehe ich unter 'Wille' wohl etwas anderes als Du, genau genommen wäre es mir lieber, diesen Begriff hier heraus zu lassen und statt dessen von Entscheidungen zu reden. “Free Will” is a philosophical term of art for a particular sort of capacity of rational agents to choose a course of action from among various alternatives. "Freier Wille" ist ein philosophischer Ausdruck für eine bestimmte Art von Vermögen rationaler Subjekte, einen Handlungsverlauf zwischen verschiedenen Alternativen wählen zu können.


Wenn wir von Entscheidungen und nicht vom Willen sprechen, dann sieht das für mich auch wieder ganz anders aus.
Diese englische Definition ist mir auch entweder zu unklar oder falsch. Man kann auch etwas wollen, was nicht als Alternative zur Wahl steht. Man kann sogar das Nichts wollen (im Gegensatz zu nicht wollen).

AgentProvocateur hat geschrieben:3. die Unterscheidung zwischen Grundlage und Begründung ist gut und richtig und wichtig. Tatsächlich ist es so, dass ich, um überhaupt existieren zu können, in Abhängigkeit zu anderem stehen muss, der Umwelt, den anderen. Ich bin ein Teil dieser Welt, niemand wird das doch für sich ernsthaft bestreiten wollen. Und dass ich einen Körper, zwei Arme, zwei Beine und ein Gehirn habe, ist keine Einschränkung, kein Zwang, sondern das sind notwendige Bedingungen für meine Existenz. Es wäre völlig absurd, zu sagen, weil ich eine bestimmte Erscheinungsform habe, weil ich existiere, sei ich unfrei. "Was existiert, ist unfrei, weil es existiert."


Absurd ist daran aber nur die Idee, dass das was ein „ich“ sein kann, gleichzeitig auch frei sein kann. Die absolute Freiheit wäre eben das Nichts oder eine stetige totale Veränderung. Deswegen sind wir insoweit relativ Frei, dass es eben Tendenzen, Neigungen gibt, indem eben nicht alles determiniert, sondern Potential zur Veränderung da ist.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und was Roth sagt, ist dualistischer Unsinn, besonders erstaunlich deswegen, weil Roth auch gegen Dualismus und einen cartesischen Homunkulus im Gehirn wettert.


Erstaunlich auch, weil er einen Doktor in Philosophie hat, das kann also keine einfache Unbeholfenheit sein, ich wittere da sogar eine gewisse Absicht.

AgentProvocateur hat geschrieben:Ich verstehe nun etwas anderes unter Fatalismus als Du. Es ergibt meiner Ansicht nach überhaupt keinen Sinn, zu sagen, weil ich einen Körper habe, weil ich bestimmte Vorlieben, Abneigungen, eine bestimmte Persönlichkeit habe, sei ich deswegen fremdbestimmt!.


Doch, es kann einen Sinn ergeben, es muss aber nicht der Realität entsprechen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Das ist wieder der Punkt 3. Meine Persönlichkeit, meine Erfahrungen, Ansichten, Meinungen etc. sind unverzichtbarer Bestandteil von mir, hätte ich all das nicht, dann existierte ich gar nicht, dann wäre ich nur ein Nichts.


Eben nicht, Du wärest immer noch Du. Du wirst nicht aufhören, Du zu sein, wenn Du Dein gesamtes Gedächtnis verlierst, selbst wenn Du Deinen Namen nicht mehr kennst. Denn dass Du Du bist ist und bleibt eben Deine Perspektive, dass Du aus diesem Körper heraus die Welt erlebst und Emotionen empfindest.
Alles andere ist Identifizierung, was aber das Gegenteil von sein ist.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und aus dem unverzichtbaren Fakt meiner Existenz aber schließen zu wollen, dass ich (völlig) fremdbestimmt sei, ist absolut absurd. Denn zu der Existenz einer Person gibt es keine Alternative, d.h. man kann gar nicht fragen, ob eine nicht existente Person frei sein könne. Das ergibt einfach keinen Sinn, denn etwas, das nicht existiert, kann auch keine Eigenschaften (z.B. frei) haben.


In der Vorstellung ist das durchaus möglich. Genauso wie Freiheit von existierenden Dingen in der Vorstellung möglich ist.

AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn Du nur mit präzisen Aussagen arbeiten kannst, dann tut es mir leid, unsere Welt ist nicht so aufgebaut, dass es scharfe Trennlinien zwischen freien und unfreien Entscheidungen gibt. Überhaupt ist sie bei in den meisten Sachverhalten unscharf. Der eine ist freier, der andere ist unfreier, der eine ist klüger, der andere weniger klug, der eine schöner, der andere weniger schön etc. pp.


Nein, so einfach ist das nicht. Du kannst trotzdem Grenzen setzen. So kannst Du zum Beispiel festlegen, wer hinreichend Klug ist (um zum Studium zugelassen zu werden zum Beispiel), indem Du bestimmst, dass er dieses oder jenes Wissen haben muss, was Du in einem Test abfragst. Ob diese Auswahlkriterien letztlich wirklich nur gute Studenten auf die Unis lässt oder vielleicht sogar potentiell gute Studenten nicht zulässt, ist ein anderes Thema. Jedenfalls sind da klare Kriterien gegeben, die angreifbar sind, mit denen man arbeiten kann.
Wenn das mit Freiheit nicht möglich ist, dann brauchen wir die ganze Diskussion nicht, dann dürfen wir aber auch nicht den freien Willen als Grundlage für ein juristisches oder politisches System nehmen, wenn wir sie gar nicht definieren können.

AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn Du aber meinen solltest, dass Freiheit keine gleitende Kategorie mit unscharfen Grenzen sei, sondern eine binäre, dann sehen wir auch das unterschiedlich. Wenn so: was genau muss Deiner Ansicht nach erfüllt sein, damit jemand frei in Deinem Sinne ist? Welche notwendigen und hinreichenden Bedingungen siehst Du dafür an? Reicht es, dass eine Welt indeterminiert ist, dass es also hypothetisch bei gleichen Anfangsbedingungen auch anders kommen kann? Oder wenn nicht: was sonst?


Binär wäre die Freiheit nur im absoluten Sinne. Mann kann aber auch „frei von“ und „frei zu“ etwas sein. Da muss aber wiederum eben klar festgelegt werden, von was man frei sein muss oder zu was, damit man von einem freien Willen sprechen kann. Ich sage, dass man dazu frei sein muss, etwas zu wollen, was den Lauf der Dinge verändert. Wenn der Lauf der Dinge durch ein determiniertes Universum nicht verändert werden kann, kann man in dem Sinne auch nicht von Freiheit sprechen. Dann kann man nur noch glauben, man hätte den Lauf der Dinge verändert, aber man hat es letztlich nicht.

AgentProvocateur hat geschrieben:Stimmt ja nicht, Du bist Inkompatibilist, und zwar bist Du ein Libertarier: jemand, der meint, dass Freiheit und Determinismus sich ausschließende Gegensätze seien und der meint, dass es in unserer welt Willensfreiheit gäbe, d.h.: Du meinst, unsere Welt sei nicht determiniert.


Das meine ich nicht, das ist per Definition so. Wenn ich sage, dass zwei sich per Definition ausschließende Begriffe, sich gegenseitig ausschließen, dann bin ich höchstens trivial.
Wenn ich sage, dass etwas nicht gleichzeitig schwarz und weiß sein kann (jedenfalls nicht an der gleichen Stelle) und das damit begründe, dass schwarz und weiß per Definition Gegensätze sind, dann ist das auch nichts besonderes. Damit schließe ich aber noch lange nicht aus, dass es noch eine ganze Welt dazwischen gibt, trotzdem ist etwas nicht gleichzeitig total schwarz (also Licht komplett absorbierend) und total weiß (also Licht komplett reflektierend).
Es gibt eben nicht nur diese zwei Möglichkeiten, sondern viele weitere. Es wäre auch denkbar, dass Determinismus und Freiheit im hegelschen Sinne als dialektisch gegensätzliche Kräfte herrschen (wobei ich hier keinen so großen Unterschied zu den Propensities sehe außer in der Formulierung des Ganzen) und es dadurch immer wieder zu Veränderungen kommt.

AgentProvocateur hat geschrieben:Nochmal meine Fragen zu meinen beiden Gedankenexperimenten von oben: sind da Deiner Ansicht nach Teh Asphyx(A) und Susie(A) unfrei und Teh Asphyx(B) und Susie(B) frei? Wenn ja: wieso? Wenn nein: was fehlt da noch, welche notwendige Bedingung für Freiheit in Deinem Sinne? Wieso ist jemand frei, der sich grundlos, rein zufällig für was anderes entscheidet als für das, was er als das Beste unter den gegebenen Umständen ansieht? Und wieso jemand unfrei, der sich immer für die ihm in der gegebenen Situation als am besten erscheinende Option - nach Abwägung aller Umstände - entscheidet?


Was sagt denn, dass B sich grundlos entscheidet? B hatte jedes mal sogar die gleichen Grundlagen, hat sich aber trotzdem jeweils anders entschieden, weil die Entscheidung bei B eben nicht von Vornherein feststand, sondern eine Möglichkeit war. Im Nachhinein sieht es dann immer so aus, dass die Entscheidung determiniert war und es gibt sogar (ernstzunehmende) Theorien, die besagen, dass eine Entscheidung auch auch eine rückwirkende Veränderung mit sich trägt. Aber letztlich war es bis zu der Entscheidung immer noch so, dass es nicht determiniert war, sondern eine Unschärfe bestand, eben die Möglichkeit einer Entscheidung (in mehrere Richtungen). Und das ist eben kein Determinismus.
Bei B sollten wir also noch lange nicht von einem reinen Zufall sprechen. Und bei A sollten wir nicht davon sprechen, dass eine Person wirklich selbst entscheidet, da sie schon immer entschieden ist.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » So 18. Dez 2011, 10:37

Teh Asphyx hat geschrieben:Ganz einfach, indem ich niemanden etwas vorwerfe. Wütend zu sein ist ein Gefühl und kann auf eine Person bezogen sein. Die Wut ist dadurch begründet, dass von der Person etwas ausging, was Leid verursacht hat, nur ist die Wut an sich noch kein Vorwurf. Dementsprechend gibt es auch nichts zu verzeihen, sondern nur etwas zu verstehen und über das Verstehen kann man sich mit der Vergangenheit „versöhnen“, aber auch weiterhin im Bewusstsein darüber sein, dass es einem nicht gut getan hat.


Scheint mir ein guter Ansatz zu sein.

Teh Asphyx hat geschrieben:Weil im Determinismus schon alles bestimmt ist, deswegen handelt man nicht nach Gründen (sondern denkt höchstens, man würde nach Gründen handeln), sondern einzig und allein nach der Bestimmung (weswegen der Determinismus für mich auch nicht geht, weil ich allen Anlass habe, anzunehmen, dass man selbst aktiv handeln kann).


Wo ist denn der Unterschied? Alles steht schon fest, niemand weiß aber, was feststeht.
Nun entscheidest Du und tust es, auf der Basis der Infos, die Du hast. Kurz vor Deiner Entscheidung, gibt Dir jemand zufällig einen Hinweis, der die Entscheidung verändert. Aufgrund dieses Hinweises änderst Du Deine Entscheidung, weil Du nun mehr zum Thema weißt. Was ist daran unfrei? Und, ja, all das stand schon fest.

Teh Asphyx hat geschrieben:]Sind es dann immer noch streng genommen Deine eigenen Überlegungen? Wenn ja, wo genau würdest Du die Trennung setzen?
Wenn Du eine klare begründete Trennung hast, dann fällt mir das vielleicht leichter nachzuvollziehen.


Klar, auch wenn ich denke: „Will ich haben“, so denke ich bei 1000 Sachen, dass sie mich nicht die Bohne interessieren, ich will sie nicht haben. Und bei Gedanken ist es ebenso. Es sind meine, auf der Grundlage dessen, was schon war, die Sprache meiner Umgebung.

Teh Asphyx hat geschrieben:Jein, so einfach ist das eben nicht. Was da psychologisch abging ist schon echt erstaunlich. Die Leute haben aus den Gulags aus sogar tatsächlich von sich aus Stalin zum Geburtstag Grußkarten geschickt und ihm weiteren Erfolg mit seiner Politik gewünscht und das ohne irgendwelchen Zynismus. Das liegt daran, dass diese Leute irgendwann tatsächlich geglaubt haben, sie wären schuldig und dass sie bestraft werden, würde der guten Sache dienen – dass also quasi so alles mit rechten Dingen zugeht.
Oder was ist mit dem anderen klassischen Fall von der Muslimin, die sich frei entscheidet, ein Kopftuch zu tragen und ihre unterdrückte Rolle perfekt auszuführen? Ist das nicht immer noch eine der großen philosophischen Fragen über die Freiheit, wenn jemand in einer freien Entscheidung die Unfreiheit wählt (oder man muss sich eben doch fragen, was für Gründe da wirklich eine Rolle spielen)?


Ein sehr guter und berechtigter Einwand!
Ich glaube, es ist nicht vollkommen klar auszumachen, wo Zwang endet und Freiwilligkeit beginnt.
Das hat vermutlich eher mit einem Begriff zu tun, den wir noch gar nicht untersucht haben, den der Freiheit. Die Knarre an der Schläfe, das ist erkennbare Unfreiheit, aber die Schere im Kopf, sich einer Ordnung zu unterwerfen, die uns unfrei vorkommt, das ist schwierig.
Wenn jemand religiöse Werbung verteilt, weil er meint, dass im Himmel nur 144.000 Plätze frei sind, dann mag uns das irgendwie absurd erscheinen, weil wir als Gläubige sagen könnten, dass Gott sicher einen Weg findet mehr Platz zu schaffen und als Atheist, dass man so eine unbewiesene Behauptung nicht ersnt nehmen sollte, und überhaupüt Gott und das Paradies …, also Agnostiker könnte man mit den Schultern zucken und denken: „Jo mei…“
Nur, wenn jemand von dem überzeugt ist, was er macht, die Prämissen für wahr hält, dann ist das ein logisch gültiges Spiel. a) Ich glaube, dass die Bibel eine Offenbarung Gottes ist. b) Ich glaube, dass es 144.000 Plätze im Himmel gibt. Also muss ich mich anstrengen und besonders fromm sein, damit ich zu den 144.000 gehöre. Logisch ist daran nichts auszusetzen, die meisten würden nur die Prämissen bezweifeln. Wer aber – und darum ging es – daran glaubt, der handelt frei, gemäß seiner Einsicht.
Das mag uns ängstlich, unreflektiert, doppelgebunden oder wie auch immer vorkommen, das müssen wir aushalten, oder argumentativ versuchen die Sicherheit zu erschüttern oder die Ängstlichkeit zu nehmen. Oder akzeptieren, dass es dem einen oder anderen damit vielleicht nicht so schlecht geht.

Teh Asphyx hat geschrieben:Hier sagst Du es ja im Prinzip auch selbst, gemäß der Erkenntnis, die Dir gerade zur Verfügung steht, meinst Du, frei zu handeln, aber diese Erkenntnis entspricht ja eben nicht der im Fall eines totalen Determinismus vorhandenen absoluten Realität.


Wer kennt denn die absolute Realität?
Wir denken und handeln immer nur gemäß unserer momentanen Einsicht, wie sollte es anders sein?
Ich sage doch nicht heute, dass ich nicht in den Urlaub fahre, weil ich nächsten Monat erfahren werde, dass ich nicht genug Geld haben werde.

Teh Asphyx hat geschrieben:Du springst meines Erachtens nach hin und her zwischen einer distanziert beobachtenden Sicht (alles ist determiniert) und einer introspektiven Sicht (ich nehme wahr, dass ich mich nach Gründen entscheide), das ist aber unzulässig.


Nein, man unterscheidet ja auch objektiv nach Gründen, eben jenen, die man zum Zeitpunkt x zur Verfügung hat.
Bleiben wir beim Beispiel oben. Ich sage zu etwas: „Nein, das tue ich nicht, das verbietet mir meine Religion.“ Du kannst nun der Ansicht sein, was die Religion da verbietet sei Quatsch und auch wenn Dir die meisten zustimmen würden, wenn ich meine, dass die Prämissen der Religion für mich gerade stimmen (würde ich das nicht denken, dann würde ich es nicht glauben), weil mir vielleicht auch die Alternative es einfach drauf ankommen zu lassen, oder Gegenmeinungen zu hören, zu mühsam erscheint, dann ist meine Entscheidung frei.
Objektivierend könnte man sagen, dass ich jemand wäre, dem seine (nach gemeinschaftlicher Ansicht) wahren Gründe für sein Denken und Handeln nicht bewusst sind, der aber authentisch an diese (vermutlich nicht wahren) Prämissen glaubt, also handle ich freiwillig.
Das kann ängstlich, inkonsistent, wirr oder sonst wie erscheinen, das ist eine andere Frage.
Aber wenn Freiheit meint, nach der eigenen Ansicht, nach den eigenen Gründen zu entscheiden, dann ist auch das Freiheit.
Wenn Du sagst dieser Freiheitsbegriff ist Mist, frei kann man nur sein, wenn man Einsicht in die letzten Gründe und alle Gesetze hat, dann ist wohl niemand frei. Dann kann man den Begriff Freiheit auch gleich durch Klo spülen, was den Nachteil hat, dass wir einem rein reizreagierenden Tier, was auf bestimmte Schlüsselreize immer und immer wieder reagiert und einem intelligenten Menschen den wir als sehr reflexiv bezeichnen würden, den selben Grad an Unfreiheit zusprechen müssten.
Wenn wir das nicht tun wollen, halte ich es für gut, Grade von Freiheit einzuführen und Kriterien dafür zu suchen, was diese Grade objektiv (oder intersubjektiv) ausmacht.

Teh Asphyx hat geschrieben:Introspektiv gesehen hat wahrscheinlich jede Kreatur, die dazu in der Lage ist, sich selbst als Subjekt wahrzunehmen, die Wahrnehmung, einen freien Willen zu haben (ob sie das sprachlich formulieren kann oder nicht, ist dabei auch gar nicht so wichtig – wenn ein Reh verschreckt davon läuft, ist es gut möglich, dass es in dem Moment denkt, dies aus guten Gründen zu tun), aber daraus darf man nicht schließen, dass sie es objektiv betrachtet auch hat.


Ob ein Wesen einen Begriff für seine inneren Zustände hat, ist nicht „nicht so wichtiig“, sondern sehr entscheidend. Und zwar deshalb, weil einen Begriff zu haben (das ist etwas anderes als ein Wort zu kennen, denn das hat der Beo auch zur Verfügung, einen Begriff zu haben, impliziert ein Wissen um die Kontext, wann dieses Wort sinnvoll zu gebrauchen ist) eine Distanz zwischen das reine Haben von Zuständen und das Erleben setzt. Es ist etwas anderes, ob ich ein diffuses Gefühl habe, von dem andere meinen könnten es sei Hunger, oder ob ich weiß, dass ich Hunger habe.
Einmal führe ich blind irgendwelche Triebe aus, ein anderes Mal weiß ich, dass ich Hunger, Angst, Lust oder sonst was verspüre.

Teh Asphyx hat geschrieben:Nein, wenn ich es getan habe unter der Voraussetzung, dass alles determiniert ist, hätte ich keine Nudeln essen können, ich könnte nur glauben, dass ich das hätte können (aber ich glaube, das hatten wir jetzt oft genug).


Ja, Du hättest keine Nudeln essen können, aber Du hättest Dich dennoch freiwillig und gerne für Deine Pizza entschieden. Determiniert, aber frei, darum geht’s.

Teh Asphyx hat geschrieben:Das ist ja noch mal was anderes. Aber auch wenn ich nicht vorhabe ein Verbrechen zu begehen, wenn ich Drogen nehme, obwohl ich weiß (oder wissen sollte), dass ich mich danach wohl kaum noch unter Kontrolle habe, dann mache ich mich ja schon in dem Moment, wo ich die bewusste Entscheidung treffe, Drogen zu nehmen, für alle Folgen davon verantwortlich. Es sei denn, jemand hat mir heimlich Drogen gegeben.


Ja, das ist der Appell an die Eigenverantwortung. Wenn ich weiß, ich könnte unter Alkoholeinfluss morden, sollte ich die Finger davon lassen.
Dennoch, wenn Du bei einer Tat unzurechnungsfähig warst, wird man das anerkennen.


Teh Asphyx hat geschrieben:Es sei denn, man prügelt im Namen des Staates. Oder man bezeichnet es als Sport, weil es dann in Ordnung ist, andere bis zur Bewusstlosigkeit zu prügeln.


?

Teh Asphyx hat geschrieben:Das hat aber noch ganz andere Ursachen. Siehe die beiden in meinem Post eine Seite vorher an ujum erwähnten Verweise zu Freerk Huisken (das alles in der Ausführlichkeit hier zu erklären, wäre zu viel).


Naje, wenn Du verstanden werden willst, musst Du Dir schon die Mühe machen, ansonsten ist das ein Verweis, wie auf eine unbezweifelbare Bibelstelle.

Teh Asphyx hat geschrieben:Beides wird nicht viel machen. Die Strafe bestätigt letztlich ja auch nur das Verhalten, nur dass die Person merkt, dass es da jemanden gibt, dem sie nichts kann und die Person wird daraus lernen, wo sie herlaufen muss, damit sie dieser Strafe in Zukunft entgeht.


Das wäre doch was, wenn es darum geht, die Grandiosität etwas einzudämmen.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Deshalb braucht es aus meiner Sicht ein Signal, a) hier ist eine Grenze und b) Du bist nicht Gott, egal, was Du meinst, egal wie gerissen Du Dich fühlst, auch Du sitzt hier im Knast. Und dann meine ich, wie die meisten hier glücklicherweise auch, dass man sehr viel mehr auf Therapie und eine faire Chance setzen sollte, ich würde aber Therapie nicht an die Stelle von Strafe setzen, wenn sich jemand als schuldfähig erweist.


Da war die Methode von Früher mit dem Henker aber effizienter. Das Problem ist doch, dass solche Leute immer wieder kommen und das Gründe hat, an denen man arbeiten muss.


Dafür ja Therapie.

Teh Asphyx hat geschrieben: Wenn man sich nur damit befasst, was man mit denen macht, die schon zum Problem für die bestehende Ordnung geworden sind, dann zäumt man das Pferd von der falschen Seite auf.


Sagst Du.


Teh Asphyx hat geschrieben:Wieso zweifelst Du daran, dass er es wirklich bereut hat?


Weil echte Reue und sofortige Wiederholung nicht gut zusammenpassen du ewig betonte Reue ohen konkrete Folgen irgendwann ein leeres Spiel wird.

Teh Asphyx hat geschrieben:Ist es nicht gerade das Problem, dass tatsächlich in einem Moment Reue empfunden wird, in einem anderen Moment dann aber die Selbstbeherrschung wieder völlig verloren geht?


Weiß ich nicht, ich glaube das es Grenzen gibt um die man tanzt, wenn beides in etwa gleich stark ist, aber man muss auch echte Reue, Selbstmitleid und taktisches Bereuen unterscheiden.

Teh Asphyx hat geschrieben: Hier haben sich doch die Therapeuten selbst um den Finger gewickelt, wenn sie glaubten, dass es reicht, dass der Junge weiß, was er getan hat und es ihm nicht gefällt.
Wenn ich jemanden Schmerzen zufüge, dann doch nicht, weil ich nicht weiß, dass ihm das Schmerzen bereitet, sondern gerade weil ich es weiß.


Nein, der Junge war in jeder Hinsicht ein Musterschüler.

Teh Asphyx hat geschrieben:Ist das nicht das gleiche mit den ganzen chronischen Fremdgehern? Da ist es doch auch oft so, dass im Moment der Lust alle Hemmungen fallen, hinterher wird es aber tatsächlich bereut. Nur schützt die Reue eben nicht davor, erneut im Moment der Lust wieder die Hemmungen fallenzulassen.


Dann sind einem die eigenen Triebe eben wichtiger und es ist einem egal, was der andere empfindet und was für Folgen das für ihn hat.
Oder man handelt unter Zwang.

Teh Asphyx hat geschrieben:Ist nicht vielmehr auch bei den Therapeuten etwas völlig verkehrt, wenn die tatsächlich so einem Jungen hervorragende Prognosen geben und ihn raus lassen?


Die Alternative wäre, jeden Mörder, Vergewaltiger, Schläger für alle Zeiten wegzusperren, weil man ja nie sicher sein kann? Oder gleich zu töten, weil das weniger Geld kostet?

Teh Asphyx hat geschrieben:Natürlich gibt es Lügner, die anderem alles erzählen, was sie hören wollen um maximale Vorteile für sich zu erlangen, das zu tun lernt man ja auch wunderbar in der Schule, die einen auf die Wettbewerbsgesellschaft vorbereitet, in der es nur darum geht, den maximalen Vorteil für sich zu erlangen.


Habe ich auf der Schule nicht gelernt.

Teh Asphyx hat geschrieben: Manche setzen das dann eben etwas konsequenter um und dummerweise dann auch mal so, wie es der Staat nicht vorgesehen hat. Die sind dann das Problem, solange das im rechtlich zugelassenen Rahmen passiert, ist das natürlich nicht krank und auch absolut kein Anlass, Kritik zu üben … (vorsicht Ironie)


Ja, gibt es und ist ein Problem, was man gesellschaftlich angehen muss.
Darum ist es in meinen Augen wichtig, so ein Vorgehen moralisch zu ächten, wo es strafrechtlich nicht erreicht werden kann.

Dieses gesellschaftspolitische und –moralische Thema sollten wir aber in einem gesonderten Thread behandeln.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » So 18. Dez 2011, 12:37

Vollbreit hat geschrieben:Scheint mir ein guter Ansatz zu sein.


Schön, dass wir uns da mal wieder einig sind. ;-)

Vollbreit hat geschrieben:Wo ist denn der Unterschied? Alles steht schon fest, niemand weiß aber, was feststeht.


Der Unterschied ist, dass es feststeht.

Vollbreit hat geschrieben:Nun entscheidest Du und tust es, auf der Basis der Infos, die Du hast.


Nein, das glaube ich ja nur, in Wirklichkeit entscheide ich aber, weil es vorbestimmt ist, dass ich zu dem Zeitpunkt entscheide.

Vollbreit hat geschrieben:Kurz vor Deiner Entscheidung, gibt Dir jemand zufällig einen Hinweis, der die Entscheidung verändert. Aufgrund dieses Hinweises änderst Du Deine Entscheidung, weil Du nun mehr zum Thema weißt. Was ist daran unfrei? Und, ja, all das stand schon fest.


Es stand ja nicht nur die Handlung fest, sondern die Entscheidung selbst, sowie der Prozess, der zur Entscheidung führt. Deswegen kann man da nicht mehr von Freiheit sprechen.

Vollbreit hat geschrieben:Klar, auch wenn ich denke: „Will ich haben“, so denke ich bei 1000 Sachen, dass sie mich nicht die Bohne interessieren, ich will sie nicht haben. Und bei Gedanken ist es ebenso. Es sind meine, auf der Grundlage dessen, was schon war, die Sprache meiner Umgebung.


Das sagt mir immer noch nicht, wo Du die Trennung ansetzt. Dass das nicht so einfach ist, räumst Du ja aber auch selbst weiter unten ein.

Vollbreit hat geschrieben:Ein sehr guter und berechtigter Einwand!
Ich glaube, es ist nicht vollkommen klar auszumachen, wo Zwang endet und Freiwilligkeit beginnt.


Wenn wir von reinen Beziehungen zwischen Begriffen weggehen und uns auf die Realität beziehen wird das schwierig, ja.

Vollbreit hat geschrieben:Das hat vermutlich eher mit einem Begriff zu tun, den wir noch gar nicht untersucht haben, den der Freiheit. Die Knarre an der Schläfe, das ist erkennbare Unfreiheit, aber die Schere im Kopf, sich einer Ordnung zu unterwerfen, die uns unfrei vorkommt, das ist schwierig.
Wenn jemand religiöse Werbung verteilt, weil er meint, dass im Himmel nur 144.000 Plätze frei sind, dann mag uns das irgendwie absurd erscheinen, weil wir als Gläubige sagen könnten, dass Gott sicher einen Weg findet mehr Platz zu schaffen und als Atheist, dass man so eine unbewiesene Behauptung nicht ersnt nehmen sollte, und überhaupüt Gott und das Paradies …, also Agnostiker könnte man mit den Schultern zucken und denken: „Jo mei…“
Nur, wenn jemand von dem überzeugt ist, was er macht, die Prämissen für wahr hält, dann ist das ein logisch gültiges Spiel. a) Ich glaube, dass die Bibel eine Offenbarung Gottes ist. b) Ich glaube, dass es 144.000 Plätze im Himmel gibt. Also muss ich mich anstrengen und besonders fromm sein, damit ich zu den 144.000 gehöre. Logisch ist daran nichts auszusetzen, die meisten würden nur die Prämissen bezweifeln. Wer aber – und darum ging es – daran glaubt, der handelt frei, gemäß seiner Einsicht.
Das mag uns ängstlich, unreflektiert, doppelgebunden oder wie auch immer vorkommen, das müssen wir aushalten, oder argumentativ versuchen die Sicherheit zu erschüttern oder die Ängstlichkeit zu nehmen. Oder akzeptieren, dass es dem einen oder anderen damit vielleicht nicht so schlecht geht.


Aber wo ist da der Unterschied zu der Knarre an der Schläfe? In beiden Fällen gibt es doch nur zwei Möglichkeiten, wie ich mich entscheiden kann, entweder den Bedingungen zuzustimmen (also das zu tun, was der Typ mit der Knarre von mir will bzw. das zu tun, was die Bibel von mir will) oder mich auf die Konsequenzen einstellen. In beiden Fällen kann man argumentieren, dass die Entscheidung frei ist oder auch nicht.
Ich denke aber, dass man erst von Freiheit sprechen sollte, wenn man die Prämissen verändern kann. In diesem Sinne kann auch der Mensch tatsächlich freier sein als die meisten Tiere, weil der Mensch zur Kreativität fähig ist, was ein wichtiger Faktor für Freiheit ist. Das ist aber nicht mit Determinismus kompatibel, weswegen es auch keinen totalen Determinismus gibt (siehe auch mein letzter Post an AgentProvocateur).

Vollbreit hat geschrieben:Wer kennt denn die absolute Realität?
Wir denken und handeln immer nur gemäß unserer momentanen Einsicht, wie sollte es anders sein?


Unwichtig, wir haben sie ja in unserem hypothetischen Fall als total determiniert definiert. Aufgrund dieses Basis, also gesetz dem Fall, es wäre so, müssen wir jetzt entscheiden, ob Freiheit möglich ist. Da ist die Antwort per Definition ja schon nein. Wenn wir aber überzeugt sind, dass es Freiheit gibt (also wir tatsächlich aufgrund der momentanen Einsicht handeln), müssen wir daraus schließen, dass es keinen totalen Determinismus gibt (es sei denn wir sehen das als zwei dialektisch wirkende Kräfte, wobei das Resultat dieser Dialektik eben auch weder ein totaler Determinismus noch eine totale Freiheit ist und schon gar nicht beides gleichzeitig, sondern irgendwas dazwischen).

Vollbreit hat geschrieben:Nein, man unterscheidet ja auch objektiv nach Gründen, eben jenen, die man zum Zeitpunkt x zur Verfügung hat.


Nein, in einem komplett determinierten Universum tut man das eben objektiv nicht. Das ist ja durch die Definition von Determinismus gegeben.

Vollbreit hat geschrieben:Bleiben wir beim Beispiel oben. Ich sage zu etwas: „Nein, das tue ich nicht, das verbietet mir meine Religion.“ Du kannst nun der Ansicht sein, was die Religion da verbietet sei Quatsch und auch wenn Dir die meisten zustimmen würden, wenn ich meine, dass die Prämissen der Religion für mich gerade stimmen (würde ich das nicht denken, dann würde ich es nicht glauben), weil mir vielleicht auch die Alternative es einfach drauf ankommen zu lassen, oder Gegenmeinungen zu hören, zu mühsam erscheint, dann ist meine Entscheidung frei.
Objektivierend könnte man sagen, dass ich jemand wäre, dem seine (nach gemeinschaftlicher Ansicht) wahren Gründe für sein Denken und Handeln nicht bewusst sind, der aber authentisch an diese (vermutlich nicht wahren) Prämissen glaubt, also handle ich freiwillig.


Wieso veränderst Du hier die Relation? Wir sprechen doch von einem Freiheitsbegriff im Verhältnis zur Determinierung und nicht im Verhältnis zu Prämissen, auf die eine Entscheidung beruht.

Vollbreit hat geschrieben:Aber wenn Freiheit meint, nach der eigenen Ansicht, nach den eigenen Gründen zu entscheiden, dann ist auch das Freiheit.


Mag ja sein, aber die Determinierung würde ja gar nicht zulassen, dass man nach eigenen Gründen entscheidet, weil man gar nicht entscheiden kann.

Vollbreit hat geschrieben:Wenn Du sagst dieser Freiheitsbegriff ist Mist, frei kann man nur sein, wenn man Einsicht in die letzten Gründe und alle Gesetze hat, dann ist wohl niemand frei. Dann kann man den Begriff Freiheit auch gleich durch Klo spülen, was den Nachteil hat, dass wir einem rein reizreagierenden Tier, was auf bestimmte Schlüsselreize immer und immer wieder reagiert und einem intelligenten Menschen den wir als sehr reflexiv bezeichnen würden, den selben Grad an Unfreiheit zusprechen müssten.
Wenn wir das nicht tun wollen, halte ich es für gut, Grade von Freiheit einzuführen und Kriterien dafür zu suchen, was diese Grade objektiv (oder intersubjektiv) ausmacht.


Stimmt, aber deswegen sollten wir auch von der Idee ablassen, alles sei determiniert. Der Determinismus hat ohnehin einen eingebauten Immunisierungsmechanismus, der ihn wissenschaftlich unbrauchbar macht. Selbst wenn tatsächlich alles determiniert sein sollte, ist es immer noch besser, wir tun so, als wäre es nicht so, denn wenn es doch nicht so ist, haben wir dann wenigstens auch richtig gehandelt, indem wir uns unserer Freiheit bewusst waren und wenn alles determiniert sein sollte, dann war ja auch determiniert, dass wir uns so verhalten, als ob es keine Determinierung gäbe, haben wir nicht dadurch allein schon den Determinismus dialektisch bezwungen (und den Immunisierungsmechanismus überwunden)?

Vollbreit hat geschrieben:Ob ein Wesen einen Begriff für seine inneren Zustände hat, ist nicht „nicht so wichtiig“, sondern sehr entscheidend. Und zwar deshalb, weil einen Begriff zu haben (das ist etwas anderes als ein Wort zu kennen, denn das hat der Beo auch zur Verfügung, einen Begriff zu haben, impliziert ein Wissen um die Kontext, wann dieses Wort sinnvoll zu gebrauchen ist) eine Distanz zwischen das reine Haben von Zuständen und das Erleben setzt. Es ist etwas anderes, ob ich ein diffuses Gefühl habe, von dem andere meinen könnten es sei Hunger, oder ob ich weiß, dass ich Hunger habe.


Schon klar, aber ich meine damit, dass es ausreicht, dass man sich als ich erleben kann, nicht ob man das in Sprache fassen kann. Das erleben kann auch ohne sprachliche Begriffe stattfinden und trotzdem echt sein. Es lässt sich dann nur nicht für andere artikulieren.

Vollbreit hat geschrieben:Einmal führe ich blind irgendwelche Triebe aus, ein anderes Mal weiß ich, dass ich Hunger, Angst, Lust oder sonst was verspüre.


Du führst es ja aber dadurch aus, dass Du den Trieb erlebst. Und in dem Moment, wo Du es erlebst, weißt Du auch davon. Ich würde sogar sagen, dass das Erleben sogar die einzige wirklich Grundlage von Wissen sein kann. In dem Moment, wo ich Schmerzen erlebe, weiß ich, dass ich Schmerzen habe. Ich weiß deswegen noch lange nicht, wo die Ursachen dafür liegen, aber das Wissen um die Schmerzen ist definitiv da und dieses Erleben wird mir auch kein objektivierendes Geschwafel nehmen können (was ja Leute wie Roth und Singer versucht haben).

Vollbreit hat geschrieben:Ja, Du hättest keine Nudeln essen können, aber Du hättest Dich dennoch freiwillig und gerne für Deine Pizza entschieden. Determiniert, aber frei, darum geht’s.


Was ja eben nicht geht. Entweder habe ich mich freiwillig entschieden oder es war determiniert, ich tendiere ja auch zu ersterem, aber deswegen kritisiere ich auch den Determinismus.

Vollbreit hat geschrieben:Ja, das ist der Appell an die Eigenverantwortung. Wenn ich weiß, ich könnte unter Alkoholeinfluss morden, sollte ich die Finger davon lassen.
Dennoch, wenn Du bei einer Tat unzurechnungsfähig warst, wird man das anerkennen.


Okay, in gewisser Hinsicht ergibt das sinn. Der Täter muss ja dann in die Kategorie „Drogenproblem“ und nicht z.B. „Gewaltproblem“. Das würde mich jetzt wiederum zu einer Kritik von Kategorien veranlassen, aber das hat hier nichts zu suchen. Unter diesen Prämissen ist die Unterscheidung natürlich richtig, das stimmt schon.

Vollbreit hat geschrieben:
Teh Asphyx hat geschrieben:Es sei denn, man prügelt im Namen des Staates. Oder man bezeichnet es als Sport, weil es dann in Ordnung ist, andere bis zur Bewusstlosigkeit zu prügeln.


?


Na ja, Polizisten, Soldaten etc. üben Gewalt im Namen des Staates aus, weswegen das in Ordnung ist. In der Gewaltausübung selbst ist aber kein Unterschied, auch in der „Gewaltbereitschaft“ nicht. Hier wird also nur durch das Recht des Stärkeren die Gewalt legitimiert (weil der Staat am Ende immer der Stärkere ist).
Und beim Sport … was ist Kampfsport anderes als eine legale Art, einen anderen zur Bewusstlosigkeit zu prügeln? Geht es beim Boxen zum Beispiel nicht genau darum, jemanden K.O. zu schlagen, was einen dann zum „Helden“ macht? Das ist doch abartig. Man kann nicht einerseits diese Art von Wettkampf verherrlichen und auf der anderen Seite sagen, dass Gewalt aber pfui ist. Das ist Heuchelei und man braucht sich über Menschen, die diese „Werte“ außerhalb dieses Rahmens leben auch absolut nicht zu wundern.

Vollbreit hat geschrieben:Naje, wenn Du verstanden werden willst, musst Du Dir schon die Mühe machen, ansonsten ist das ein Verweis, wie auf eine unbezweifelbare Bibelstelle.


Der Vergleich hinkt aber auch ein wenig. Die Verweise, die ich geliefert habe, sollen ja keine unbezweifelbare Aussage hergeben, sondern nur einen Sachverhalt auf eine Art schildern, die meiner Sichtweise äußerst nahe kommt und deswegen stellvertretend dafür dienen können. Ich mache mich aber auch damit für die Aussagen darin angreifbar.

Vollbreit hat geschrieben:
Teh Asphyx hat geschrieben:Beides wird nicht viel machen. Die Strafe bestätigt letztlich ja auch nur das Verhalten, nur dass die Person merkt, dass es da jemanden gibt, dem sie nichts kann und die Person wird daraus lernen, wo sie herlaufen muss, damit sie dieser Strafe in Zukunft entgeht.


Das wäre doch was, wenn es darum geht, die Grandiosität etwas einzudämmen.


Meinst Du das ernst? Symptome mit Symptomen bekämpfen? Au weia …
Es gibt da so eine schöne Analogie mit einem Fluss in dem ein Baby rumtreibt, das wohl jemand da ausgesetzt hat. Wenn Du das siehst, wirst Du wahrscheinlich beschließen, es retten zu wollen. Nur blöderweise kommen, sobald Du es gerettet hast, zwei weitere Babys angeschwommen. Und so geht es immer weiter und es werden immer mehr, sodass Du schon bald nicht mehr in der Lage sein wirst alle zu retten. Wirst Du weiter versuchen, so viele Babys wie möglich aufzufangen oder wäre es vielleicht besser, da die Situation so ohnehin aussichtslos ist, den Fluss weiter hoch zu laufen und festzustellen, was die Ursache dafür ist und die Sache dort zu stoppen (also dafür zu sorgen, dass keine Babys mehr in den Fluss geworfen werden)?

Vollbreit hat geschrieben:Dafür ja Therapie.


Wenn Du einen Menschen therapiert hast, verhindert das aber nicht, dass der nächste wieder zu einem solchen „Monster“ wird und auch wieder eine Therapie braucht. Das ist eine reine Symptombehandlung. An den Ursachen wird durch Therapie nichts gemacht, weil der Einzelne nicht Ursache, sondern Symptom ist.

Vollbreit hat geschrieben:
Teh Asphyx hat geschrieben: Wenn man sich nur damit befasst, was man mit denen macht, die schon zum Problem für die bestehende Ordnung geworden sind, dann zäumt man das Pferd von der falschen Seite auf.


Sagst Du.


Das sage ich nicht nur, ich habe auch gute Gründe dafür aufgeführt, dass es so ist. Und irgendwie sollte das eigentlich auch naheliegend sein.

Vollbreit hat geschrieben:Weil echte Reue und sofortige Wiederholung nicht gut zusammenpassen du ewig betonte Reue ohen konkrete Folgen irgendwann ein leeres Spiel wird.


Es passt zwar nicht zusammen, aber das liegt daran, dass solche Zustände nicht andauernd sondern immer nur zu einer bestimmten Zeit sind. Deswegen kann die Reue in einem Moment echt sein, in einem anderen Moment aber wie weggeblasen sein, weil dann andere Faktoren dominieren.

Vollbreit hat geschrieben:Weiß ich nicht, ich glaube das es Grenzen gibt um die man tanzt, wenn beides in etwa gleich stark ist, aber man muss auch echte Reue, Selbstmitleid und taktisches Bereuen unterscheiden.


Natürlich sollte man in der Lage sein, das zu unterscheiden, aber wie gesagt, hilft sogar die echte Reue alleine nicht vor einer Wiederholung, solange die Ursachen nicht verändert sind.

Vollbreit hat geschrieben:Nein, der Junge war in jeder Hinsicht ein Musterschüler.


Ich finde es immer wieder schön, zu welchem Grad von Selbstkritik Therapeuten fähig sind … Dass er sich nach allen festgelegten Kategorien so verhalten hat, dass nichts hätte passieren dürfen und trotzdem etwas passiert ist, beweist doch, dass was bei den Kategorien falsch ist. Da ist doch die Realität die Falsifizierung der Theorie schlechthin. Den Therapeuten fällt nichts besseres ein, als frei nach Hegel zu sagen: „Um so schlimmer für die Wirklichkeit!“? Tut mir leid, aber da sind die Grenzen, wo ich das wissenschaftlich ernst nehmen kann deutlich überschritten.

Vollbreit hat geschrieben:Dann sind einem die eigenen Triebe eben wichtiger und es ist einem egal, was der andere empfindet und was für Folgen das für ihn hat.
Oder man handelt unter Zwang.


Der Punkt ist aber, dass es eben nicht so einfach ist. Ihm ist es nicht egal und er tut es trotzdem. Er kennt auch die Folgen, aber tut es trotzdem. Und die Triebe sind ihm, wenn er darüber nachdenkt, nicht wichtiger, weil er genau weiß, dass es nur ein kurzer Moment einer Befriedigung ist, und was er dafür aufs Spiel setzt. Mag sein, dass das eine Zwangshandlung ist, aber dann sind fast alle Handlungen, die die Menschen jeden Tag so machen solche Zwangshandlungen.
Genauso der Typ, der seine Frau immer wieder schlägt, in einem anderen Moment aber über sich selbst entsetzt ist. Das Entsetzen ist echt, aber trotzdem tut er es immer wieder, weil es eben nicht reicht, die Konsequenzen einer Tat zu kennen, um sie zu verhindern, sondern die Ursachen bekannt sein müssen.

Vollbreit hat geschrieben:
Teh Asphyx hat geschrieben:Ist nicht vielmehr auch bei den Therapeuten etwas völlig verkehrt, wenn die tatsächlich so einem Jungen hervorragende Prognosen geben und ihn raus lassen?


Die Alternative wäre, jeden Mörder, Vergewaltiger, Schläger für alle Zeiten wegzusperren, weil man ja nie sicher sein kann? Oder gleich zu töten, weil das weniger Geld kostet?


Nein, die Alternative wäre mal über die Prämissen der Therapie grundsätzlich nachzudenken und nicht der Wirklichkeit dafür die Schuld zu geben, dass die Theorie sich mit ihr nicht ganz verträgt.

Vollbreit hat geschrieben:
Teh Asphyx hat geschrieben:Natürlich gibt es Lügner, die anderem alles erzählen, was sie hören wollen um maximale Vorteile für sich zu erlangen, das zu tun lernt man ja auch wunderbar in der Schule, die einen auf die Wettbewerbsgesellschaft vorbereitet, in der es nur darum geht, den maximalen Vorteil für sich zu erlangen.


Habe ich auf der Schule nicht gelernt.


Nein? War es nicht wichtig, dass Du bei Prüfungen mit guten Noten abschneidest, damit es Dir später gewährt ist, in einem harten Konkurrenzkampf zu bestehen, damit Du es möglichst gut hast im Leben?
Der ganze Arbeitsmarkt, auf den die Schule vorbereitet ist doch purer Sozialdarwinismus, da geht es nur um das Recht des Stärkeren (also dessen mit den besten formalen Qualifikationen). Und darauf wird man in der Schule vorbereitet. Das ist sogar explizit der Auftrag der Schule in unserem Schulsystem.
Da man ja, wenn man nicht besteht, selbst daran Schuld ist (denn wer sich anstrengt, der kann es ja auch schaffen, so wird es einem gesagt), muss man eben auf andere Art und Weise klarstellen, dass man der Boss ist und es verdient hat, eine hohe Position zu bekommen. Dies über die eigene Körperkraft zu demonstrieren ist dann nunmal für Kinder und Jugendliche naheliegend (und wer nicht stark genug ist, ist da genauso selbst schuld). Es wird genau das Ideal, was einem beigebracht wird ausgelebt, nur nicht mehr in dem Rahmen, wie es einem zugedacht wurde und deswegen ist es auf einmal schlecht. Aber das Ideal des Konkurrenzkampfes, zu dem alle Menschen hinerzogen werden sollen, wird nicht in Frage gestellt und das ist das eigentliche Problem.

Vollbreit hat geschrieben:Ja, gibt es und ist ein Problem, was man gesellschaftlich angehen muss.
Darum ist es in meinen Augen wichtig, so ein Vorgehen moralisch zu ächten, wo es strafrechtlich nicht erreicht werden kann.


Man muss aber weitergehen und es auch auf der Ebene moralisch ächten, wo es als Legitim gilt. Wir müssen den kapitalistischen Arbeitsmarkt ächten, wir müssen Gewaltmonopole ächten usw.

Vollbreit hat geschrieben:Dieses gesellschaftspolitische und –moralische Thema sollten wir aber in einem gesonderten Thread behandeln.


Ach, Mist, das hatte ich jetzt vergessen, dass Du das vorgeschlagen hattest und habe jetzt schon auf das Zeug geantwortet. Wir können das aber gerne ab jetzt woanders fortsetzen, ich habe nur gerade keine Idee, wie ich so ein Thema nennen soll.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » So 18. Dez 2011, 15:17

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wo ist denn der Unterschied? Alles steht schon fest, niemand weiß aber, was feststeht.


Der Unterschied ist, dass es feststeht.


Ja und?
Erklär mir, wieso Dich oder mich oder irgendwann dieser Punkt unfrei macht.
Das genau sehe ich nämlich nicht, wenn Freiheit bedeutet, nach eigenen, guten Gründen entscheiden zu können.
Wenn Freiheit Deiner Meinung nach etwas anderes bedeutet, schreib einfach hin, was es beudetet.
Wenn Du den Begriff der Freiheit komplett kassieren willst, kommst Du in die Problematik einen Stein und einen relfektierenden Mensch als gleichermaßen (un)frei ansehen zu müssen.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nun entscheidest Du und tust es, auf der Basis der Infos, die Du hast.


Nein, das glaube ich ja nur, in Wirklichkeit entscheide ich aber, weil es vorbestimmt ist, dass ich zu dem Zeitpunkt entscheide.


Du glaubst es nicht, Du tust es.
Von der Wirklichkeit, auf die Du Dich beziehst, hast Du keine Ahnung (und auch sonst niemand).
Denn ob wir „in Wirklichkeit“ umfassend determiniert sind, ist eine Glaubensfrage und dort wo ein wenig Wissen aufblitzt, sieht es eher nicht so aus.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Klar, auch wenn ich denke: „Will ich haben“, so denke ich bei 1000 Sachen, dass sie mich nicht die Bohne interessieren, ich will sie nicht haben. Und bei Gedanken ist es ebenso. Es sind meine, auf der Grundlage dessen, was schon war, die Sprache meiner Umgebung.


Das sagt mir immer noch nicht, wo Du die Trennung ansetzt. Dass das nicht so einfach ist, räumst Du ja aber auch selbst weiter unten ein.


Hier ist es noch einfach, was ich will oder nicht, weiß ich.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ein sehr guter und berechtigter Einwand!
Ich glaube, es ist nicht vollkommen klar auszumachen, wo Zwang endet und Freiwilligkeit beginnt.


Wenn wir von reinen Beziehungen zwischen Begriffen weggehen und uns auf die Realität beziehen wird das schwierig, ja.


Die Realität kennt keiner, was soll das sein?

Teh Asphyx hat geschrieben:Aber wo ist da der Unterschied zu der Knarre an der Schläfe? In beiden Fällen gibt es doch nur zwei Möglichkeiten, wie ich mich entscheiden kann, entweder den Bedingungen zuzustimmen (also das zu tun, was der Typ mit der Knarre von mir will bzw. das zu tun, was die Bibel von mir will) oder mich auf die Konsequenzen einstellen. In beiden Fällen kann man argumentieren, dass die Entscheidung frei ist oder auch nicht.


Das stimmt.
Auch durch die Knarre an der Schläfe kann mich niemand zwingen, x zu denken, zu sagen oder zu tun, wenn ich bereit bin, für meine Überzeugungen zu sterben. Dennoch bin ich einem hohen Zwang ausgesetzt.
Einer Religion kann ich freiwillig folgen, wenn ich die Prämissen derselben unterschreiben kann.

Teh Asphyx hat geschrieben:Ich denke aber, dass man erst von Freiheit sprechen sollte, wenn man die Prämissen verändern kann.


Dass die Freiheit zunimmt, wenn man in der Lage ist, auch sehr grundlegende Prämissen infrage zu stellen, dem stimme ich zu.

Teh Asphyx hat geschrieben: In diesem Sinne kann auch der Mensch tatsächlich freier sein als die meisten Tiere, weil der Mensch zur Kreativität fähig ist, was ein wichtiger Faktor für Freiheit ist. Das ist aber nicht mit Determinismus kompatibel, weswegen es auch keinen totalen Determinismus gibt (siehe auch mein letzter Post an AgentProvocateur).


Da Du offenbar auch der Ansicht bist, dass man die Prämissen der eigenen Überzeugungen prinzipiell hinterfragen kann (auch wenn es nicht alle tun und es nicht immer getan werden muss), zeigt dich doch, dass verschiedene Grade von Freiheit möglich sind.
Vielleicht hat ein Gott das so eingefädelt, vielleicht legen die Naturgesetze das unwiderruflich fest, vielleicht ist es unsere karmische Bestimmung, aber dennoch kann ich doch mehr oder weniger frei sein. Und eine, wie mir schient sehr prinzipielle, Grenze scheint da die Möglichkeit zu sein, aufgrund eigener Überzeugungen zu wollen und zu handeln.


Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wer kennt denn die absolute Realität?
Wir denken und handeln immer nur gemäß unserer momentanen Einsicht, wie sollte es anders sein?


Unwichtig, wir haben sie ja in unserem hypothetischen Fall als total determiniert definiert.


Ja, aber das war ja nur ein Gedankenexperiment. Ein sinnvolles weil die maximale Determination eben alle minimaleren impliziert.

Teh Asphyx hat geschrieben: Wenn wir aber überzeugt sind, dass es Freiheit gibt (also wir tatsächlich aufgrund der momentanen Einsicht handeln), müssen wir daraus schließen, dass es keinen totalen Determinismus gibt (es sei denn wir sehen das als zwei dialektisch wirkende Kräfte, wobei das Resultat dieser Dialektik eben auch weder ein totaler Determinismus noch eine totale Freiheit ist und schon gar nicht beides gleichzeitig, sondern irgendwas dazwischen).


Nein, das muss man nicht schließen, die Kompatibilisten machen es ja vor.
Es kann Freiheit geben UND zugleich Determinismus, beide müssen sich nicht ausschließen, das ist die Grundüberzeugung des Kompatibilismus.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nein, man unterscheidet ja auch objektiv nach Gründen, eben jenen, die man zum Zeitpunkt x zur Verfügung hat.


Nein, in einem komplett determinierten Universum tut man das eben objektiv nicht. Das ist ja durch die Definition von Determinismus gegeben.


Doch, tut man objektiv, nur steht das Ergebnis schon fest.
Das ist ungefähr so, als wenn man sagt: Wenn ein Mensch die Grundrechenarten der Mathematik beherrscht, kommt er zwingend zu dem Schluss, dass 5+7=12 sind.
Das ist in Rahmen der handelsüblichen Mathematik determiniert und jedes andere Ergebnis ist schlicht falsch. Ein Kind was Mathematik zu lernen beginnt, wird irgendwann zwingend zu dem Ergebnis kommen, dass 5+7=12 sind, aber das heißt nicht, dass das Kind das nicht aus eigener Einsicht erkannte.
Dass Problem scheint einfach zu sein, dass Du denkst, wer determiniert ist, könne nicht mehr selbst denken. Doch, er kann.

Teh Asphyx hat geschrieben:Wieso veränderst Du hier die Relation? Wir sprechen doch von einem Freiheitsbegriff im Verhältnis zur Determinierung und nicht im Verhältnis zu Prämissen, auf die eine Entscheidung beruht.


Doch, dass die Entscheidung auf Prämissen und ihrer logisch richtigen Verknüpfung beruht, ist ein Indiz für Freiheit. Freiheit besagt, ich habe mich entschieden und ich habe meine Gründe dafür, warum ich mich so und nicht anders entschieden habe (ich hätte aber anders gekonnt, hätte ich andere Prämissen gehabt, oder hätte ich sie anders gewichtet).


Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Aber wenn Freiheit meint, nach der eigenen Ansicht, nach den eigenen Gründen zu entscheiden, dann ist auch das Freiheit.


Mag ja sein, aber die Determinierung würde ja gar nicht zulassen, dass man nach eigenen Gründen entscheidet, weil man gar nicht entscheiden kann.


Vor der Tür stehst Du, aufstoßen musst Du sie schon selbst.

Teh Asphyx hat geschrieben:Stimmt, aber deswegen sollten wir auch von der Idee ablassen, alles sei determiniert. Der Determinismus hat ohnehin einen eingebauten Immunisierungsmechanismus, der ihn wissenschaftlich unbrauchbar macht. Selbst wenn tatsächlich alles determiniert sein sollte, ist es immer noch besser, wir tun so, als wäre es nicht so, denn wenn es doch nicht so ist, haben wir dann wenigstens auch richtig gehandelt, indem wir uns unserer Freiheit bewusst waren und wenn alles determiniert sein sollte, dann war ja auch determiniert, dass wir uns so verhalten, als ob es keine Determinierung gäbe, haben wir nicht dadurch allein schon den Determinismus dialektisch bezwungen (und den Immunisierungsmechanismus überwunden)?


Jetzt rutscht von von der Philosophie in die politische Agitation.
Die Philosophie reicht hier aber aus und obendrein ist die Willensfreiheit kein politisches Problem.

Teh Asphyx hat geschrieben:Schon klar, aber ich meine damit, dass es ausreicht, dass man sich als ich erleben kann, nicht ob man das in Sprache fassen kann. Das erleben kann auch ohne sprachliche Begriffe stattfinden und trotzdem echt sein. Es lässt sich dann nur nicht für andere artikulieren.


Ohne Sprache hat mein auch keinen Begriff von „sich“, welchen man dann ausleben könnte.

Teh Asphyx hat geschrieben:Du führst es ja aber dadurch aus, dass Du den Trieb erlebst. Und in dem Moment, wo Du es erlebst, weißt Du auch davon.


Genau.

Teh Asphyx hat geschrieben: Ich würde sogar sagen, dass das Erleben sogar die einzige wirklich Grundlage von Wissen sein kann. In dem Moment, wo ich Schmerzen erlebe, weiß ich, dass ich Schmerzen habe.


Nur wenn Du einen Begriff davon hast, sonst bist Du ein Lebewesen, was Schmerzen erlebt, ohne zu wissen, dass es Schmerzen sind, die es erlebt. Die Unterschied ist schwer, aber entscheidend.

Teh Asphyx hat geschrieben:Ich weiß deswegen noch lange nicht, wo die Ursachen dafür liegen, aber das Wissen um die Schmerzen ist definitiv da und dieses Erleben wird mir auch kein objektivierendes Geschwafel nehmen können (was ja Leute wie Roth und Singer versucht haben).


Ein Erleben von Schmerzen und ein Wissen dass es Schmerzen sind, die man erlebt, sind zwei Paar Schuhe. Als erster hat vielleicht Wittgenstein darauf aufmerksam gemacht.

Teh Asphyx hat geschrieben:Na ja, Polizisten, Soldaten etc. üben Gewalt im Namen des Staates aus, weswegen das in Ordnung ist. In der Gewaltausübung selbst ist aber kein Unterschied, auch in der „Gewaltbereitschaft“ nicht. Hier wird also nur durch das Recht des Stärkeren die Gewalt legitimiert (weil der Staat am Ende immer der Stärkere ist).


Nö, aber das ist ein anderes Thema, was Dir Nanna vermutlich besser erklären kann.

Teh Asphyx hat geschrieben:Und beim Sport … was ist Kampfsport anderes als eine legale Art, einen anderen zur Bewusstlosigkeit zu prügeln? Geht es beim Boxen zum Beispiel nicht genau darum, jemanden K.O. zu schlagen, was einen dann zum „Helden“ macht? Das ist doch abartig.


Locker bleiben, niemand muss Boxer werden.

Teh Asphyx hat geschrieben: Man kann nicht einerseits diese Art von Wettkampf verherrlichen und auf der anderen Seite sagen, dass Gewalt aber pfui ist. Das ist Heuchelei und man braucht sich über Menschen, die diese „Werte“ außerhalb dieses Rahmens leben auch absolut nicht zu wundern.


Gewalt fasziniert und Boxen und Co. sind ritualisierte und reglementierte Formen von inszenierter Gewalt, ausgeübt von Menschen die das freiwillig machen. Das wird ja nicht verherrlicht, sondern ritualisiert und im Grunde ist das kein schlechter Weg mal mit den „niederen“ Trieben in sich selbst in Kontakt zu kommen und sich einzugestehen, dass einen Gewalt auch fasziniert. Wenn man das weiß, kann man vielleicht sogar bewusster damit umgehen.

Teh Asphyx hat geschrieben:Meinst Du das ernst? Symptome mit Symptomen bekämpfen? Au weia …
Es gibt da so eine schöne Analogie mit einem Fluss in dem ein Baby rumtreibt, das wohl jemand da ausgesetzt hat. Wenn Du das siehst, wirst Du wahrscheinlich beschließen, es retten zu wollen. Nur blöderweise kommen, sobald Du es gerettet hast, zwei weitere Babys angeschwommen. Und so geht es immer weiter und es werden immer mehr, sodass Du schon bald nicht mehr in der Lage sein wirst alle zu retten. Wirst Du weiter versuchen, so viele Babys wie möglich aufzufangen oder wäre es vielleicht besser, da die Situation so ohnehin aussichtslos ist, den Fluss weiter hoch zu laufen und festzustellen, was die Ursache dafür ist und die Sache dort zu stoppen (also dafür zu sorgen, dass keine Babys mehr in den Fluss geworfen werden)?


Ich sehe die Lage nicht (aus diesen Gründen) als aussichtslos an.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » So 18. Dez 2011, 15:18

Vollbreit hat geschrieben:Dafür ja Therapie.


Wenn Du einen Menschen therapiert hast, verhindert das aber nicht, dass der nächste wieder zu einem solchen „Monster“ wird und auch wieder eine Therapie braucht. [/quote]

Doch, der Millersche Knoten ist an einer Stelle durchtrennt.
Der Rest wäre ein politischer Ansatz, der der Idee folgt, Gewalt wäre vollkommen einzudämmen, wenn man lieb zu einander ist, es kein Eigentum mehr gibt, wir alle wieder zurück zur Natur kommen und was sonst noch so auf der Agenda steht.

Teh Asphyx hat geschrieben:Das ist eine reine
Symptombehandlung. An den Ursachen wird durch Therapie nichts gemacht, weil der Einzelne nicht Ursache, sondern Symptom ist.


Das ist ein ideologisches Vorurteil.
Ich habe die auch, aber man sollte sich klar machen, dass es welche sind.
Denn wie die Welt in 5 Jahren aussieht, weißt Du’s?

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Weil echte Reue und sofortige Wiederholung nicht gut zusammenpassen du ewig betonte Reue ohen konkrete Folgen irgendwann ein leeres Spiel wird.


Es passt zwar nicht zusammen, aber das liegt daran, dass solche Zustände nicht andauernd sondern immer nur zu einer bestimmten Zeit sind. Deswegen kann die Reue in einem Moment echt sein, in einem anderen Moment aber wie weggeblasen sein, weil dann andere Faktoren dominieren.


Das beschreibt einen Menschen, der ziemlich von seinen momentanen Affekten gesteuert ist und damit nach der Definition der Kompatibilisten unfrei ist. Der kann nicht innehalten und überlegen.
Die Psychotherapeuten würden das ähnlich deuten.

Vollbreit hat geschrieben:Weiß ich nicht, ich glaube das es Grenzen gibt um die man tanzt, wenn beides in etwa gleich stark ist, aber man muss auch echte Reue, Selbstmitleid und taktisches Bereuen unterscheiden.


Natürlich sollte man in der Lage sein, das zu unterscheiden, aber wie gesagt, hilft sogar die echte Reue alleine nicht vor einer Wiederholung, solange die Ursachen nicht verändert sind.[/quote]

Die Ursache wäre hier die Fähigkeit eine Affektkontrolle zu etablieren, psychologisch ausgedrückt ein stabiles Ich auszubilden

Vollbreit hat geschrieben:Nein, der Junge war in jeder Hinsicht ein Musterschüler.


Ich finde es immer wieder schön, zu welchem Grad von Selbstkritik Therapeuten fähig sind … Dass er sich nach allen festgelegten Kategorien so verhalten hat, dass nichts hätte passieren dürfen und trotzdem etwas passiert ist, beweist doch, dass was bei den Kategorien falsch ist.[/quote]

Das ist eine mögliche Deutung, eine andere ist, dass es Menschen gibt, die ungeheuer geschickt täuschen können, so geschickt, dass auch viele Therapeuten und Gutachter nicht dahinter kommen.
Zu wissen, dass es Menschen gibt, die so ticken, heißt nicht, dass man sie im Zweifel auch erkennt.
(Auch wenn es ganz gute Kriterien gibt und Menschen, die diese besser und schlechter erkennen.)
Das heißt aber nur, dass man die Welt nicht in allen Belangen im Griff hat und das ist wohl auch so, auch wenn es schmerzlich ist, sich das einzugestehen.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Dann sind einem die eigenen Triebe eben wichtiger und es ist einem egal, was der andere empfindet und was für Folgen das für ihn hat.
Oder man handelt unter Zwang.


Der Punkt ist aber, dass es eben nicht so einfach ist. Ihm ist es nicht egal und er tut es trotzdem.


Das ist ziemlich genau die Definition für Zwang.
„Zwang“ heißt, ich weiß, dass es Unsinn (oder schlecht) ist, muss es aber tun.
Es bei Gelegenheit zu erkennen, dass es Unsinn ist und in anderen Situationen dann doch zu glauben, es sei rational die 50 mal am Tag die Hände zu waschen, schließlich sind überall Bakterien, nennt man „überwertige Idee“.
Vollkommen überzeugt zu sein, dass man das einzig Richtige tut ohne Möglichkeit, dass jemand zu einem durchdringt, so dass man noch mal kritisch prüfen und zeigen kann, dass man die Gegenargumente verstanden hat (man muss sie nicht teilen, nur verstehen), wird als „Wahn“ bezeichnet

Teh Asphyx hat geschrieben:Er kennt auch die Folgen, aber tut es trotzdem. Und die Triebe sind ihm, wenn er darüber nachdenkt, nicht wichtiger, weil er genau weiß, dass es nur ein kurzer Moment einer Befriedigung ist, und was er dafür aufs Spiel setzt. Mag sein, dass das eine Zwangshandlung ist, aber dann sind fast alle Handlungen, die die Menschen jeden Tag so machen solche Zwangshandlungen.


Wieso denn das?

Teh Asphyx hat geschrieben:Genauso der Typ, der seine Frau immer wieder schlägt, in einem anderen Moment aber über sich selbst entsetzt ist. Das Entsetzen ist echt, aber trotzdem tut er es immer wieder, weil es eben nicht reicht, die Konsequenzen einer Tat zu kennen, um sie zu verhindern, sondern die Ursachen bekannt sein müssen.


Damit entwertet er ja vollkommen seine Frau. Ein echtes Entsetzen darüber würde ich einem spätestens nach dem zweiten Mal nicht mehr abnehmen. Wer entsetz über sich ist, sollte sich helfen lassen und nicht erneut zuschlagen.


Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Teh Asphyx hat geschrieben:Ist nicht vielmehr auch bei den Therapeuten etwas völlig verkehrt, wenn die tatsächlich so einem Jungen hervorragende Prognosen geben und ihn raus lassen?


Die Alternative wäre, jeden Mörder, Vergewaltiger, Schläger für alle Zeiten wegzusperren, weil man ja nie sicher sein kann? Oder gleich zu töten, weil das weniger Geld kostet?


Nein, die Alternative wäre mal über die Prämissen der Therapie grundsätzlich nachzudenken und nicht der Wirklichkeit dafür die Schuld zu geben, dass die Theorie sich mit ihr nicht ganz verträgt.


Ich glaube Deine deutlich spürbare Empörung hat hier andere Gründe.


Vollbreit hat geschrieben:
Teh Asphyx hat geschrieben:Natürlich gibt es Lügner, die anderem alles erzählen, was sie hören wollen um maximale Vorteile für sich zu erlangen, das zu tun lernt man ja auch wunderbar in der Schule, die einen auf die Wettbewerbsgesellschaft vorbereitet, in der es nur darum geht, den maximalen Vorteil für sich zu erlangen.


Habe ich auf der Schule nicht gelernt.


Nein? War es nicht wichtig, dass Du bei Prüfungen mit guten Noten abschneidest, damit es Dir später gewährt ist, in einem harten Konkurrenzkampf zu bestehen, damit Du es möglichst gut hast im Leben?[/quote]

Zu meiner Zeit war die Stimmung eine andere.

Teh Asphyx hat geschrieben:Der ganze Arbeitsmarkt, auf den die Schule vorbereitet ist doch purer Sozialdarwinismus, da geht es nur um das Recht des Stärkeren (also dessen mit den besten formalen Qualifikationen). Und darauf wird man in der Schule vorbereitet. Das ist sogar explizit der Auftrag der Schule in unserem Schulsystem.


Tendenziell geht es heute in die Richtung, das sehe ich auch so.
Unberechtigterweise übrigens Arbeitsplätze gibt es genung (und bald immer mehr) der Stress ist umsonst, aber leider real.

Teh Asphyx hat geschrieben:Da man ja, wenn man nicht besteht, selbst daran Schuld ist (denn wer sich anstrengt, der kann es ja auch schaffen, so wird es einem gesagt), muss man eben auf andere Art und Weise klarstellen, dass man der Boss ist und es verdient hat, eine hohe Position zu bekommen. Dies über die eigene Körperkraft zu demonstrieren ist dann nunmal für Kinder und Jugendliche naheliegend (und wer nicht stark genug ist, ist da genauso selbst schuld). Es wird genau das Ideal, was einem beigebracht wird ausgelebt, nur nicht mehr in dem Rahmen, wie es einem zugedacht wurde und deswegen ist es auf einmal schlecht. Aber das Ideal des Konkurrenzkampfes, zu dem alle Menschen hinerzogen werden sollen, wird nicht in Frage gestellt und das ist das eigentliche Problem.


Doch, Du tust es ja, mit Dir genügend andere, dieser Teil der Diskussion ist für mich wie ein déjà vu.

Teh Asphyx hat geschrieben:Man muss aber weitergehen und es auch auf der Ebene moralisch ächten, wo es als Legitim gilt. Wir müssen den kapitalistischen Arbeitsmarkt ächten, wir müssen Gewaltmonopole ächten usw.


Aber nicht im Affekt und aus der Hüfte, ansonsten, durchaus.

Vollbreit hat geschrieben:Dieses gesellschaftspolitische und –moralische Thema sollten wir aber in einem gesonderten Thread behandeln.


Ach, Mist, das hatte ich jetzt vergessen, dass Du das vorgeschlagen hattest und habe jetzt schon auf das Zeug geantwortet. Wir können das aber gerne ab jetzt woanders fortsetzen, ich habe nur gerade keine Idee, wie ich so ein Thema nennen soll.[/quote]

„Was mir an der Welt nicht passt“? ;)
Ich bin ab morgen ohnehin erst mal wieder offline, aber für die ganz ganz großen Räder, kann man sich ja Zeit lassen. Wenn wir den Weltrettungsplan dann haben, müssen wir nur noch die restlichen 7 Milliarden überzeugen. Da aber vielleicht schon wir schwer auch einen Nenner kommen, haben politischen Utopisten die unangenehme Neigung auf den Prozess der demokratischen Willensbildung großzügig – im Dienste der guten Sache – zu verzichten und totalitär den anderen – zu ihrem „Besten“ – das was „richtig ist“ überzustülpen.
Du müsstest eigentlich sehr große Empathie für Religionen haben.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » So 18. Dez 2011, 17:17

Vollbreit hat geschrieben:Ja und?
Erklär mir, wieso Dich oder mich oder irgendwann dieser Punkt unfrei macht.


Nein, ich will jetzt, dass man mir entweder schlüssig erklärt, inwiefern man genau unter dieser Voraussetzung frei sein kann (und ohne Ausflüchte auf nach Gründen handeln, es geht mir um die direkte Verbindung zwischen Determinismus und Freiheit), ich bin hier nicht in der Erklärungspflicht. Noch weniger als dass ich irgendwem beweisen müsste, dass es keinen Gott gibt.

Vollbreit hat geschrieben:Das genau sehe ich nämlich nicht, wenn Freiheit bedeutet, nach eigenen, guten Gründen entscheiden zu können.
Wenn Freiheit Deiner Meinung nach etwas anderes bedeutet, schreib einfach hin, was es beudetet.


Nein, der Meinung bin ich nicht und deswegen gehen Freiheit und Determinismus auch nicht, weil ich beim Determinismus nicht nach eigenen guten Gründen handeln kann.

Vollbreit hat geschrieben:Wenn Du den Begriff der Freiheit komplett kassieren willst, kommst Du in die Problematik einen Stein und einen relfektierenden Mensch als gleichermaßen (un)frei ansehen zu müssen.


Unsinn, ich brauche lediglich den Determinismus nicht anzuerkennen.

Vollbreit hat geschrieben:Hier ist es noch einfach, was ich will oder nicht, weiß ich.


Sicher, deswegen bist Du ja auch nicht determiniert.

Vollbreit hat geschrieben:Die Realität kennt keiner, was soll das sein?


Natürlich, jeder kennt eine Realität. Die Wahrnehmung einer solchen muss nicht deckungsgleich sein, aber es sollte schon ziemlich klar sein. Ich meine das außerdem vor allem auf die wirkliche Praxis bezogen, wir können, solange wir im sprachlich-theoretischen Rahmen bleiben vieles definieren, aber ob es sich in der Realität bewährt zeigt sich eben in der Praxis.

Vollbreit hat geschrieben:Das stimmt.
Auch durch die Knarre an der Schläfe kann mich niemand zwingen, x zu denken, zu sagen oder zu tun, wenn ich bereit bin, für meine Überzeugungen zu sterben. Dennoch bin ich einem hohen Zwang ausgesetzt.
Einer Religion kann ich freiwillig folgen, wenn ich die Prämissen derselben unterschreiben kann.


Ich sehe da keinen signifikanten Unterschied, weswegen das eine Zwang sein sollte und das andere freiwillig, lediglich die Art des ausgeübten Zwangs unterscheidet sich hier. In beiden Fällen – und das ist meines Erachtens das Entscheidende – stimme ich zu, weil ich um die Konsequenzen fürchte, wenn ich es nicht tue.
Und um den eventuellen Einwand gleich vorwegzunehmen, es gibt Entscheidungen, die nichts damit zu tun haben, dass man negative Konsequenzen fürchtet und dies sind u.a. Entscheidungen eines tatsächlichen freien Willens.

Vollbreit hat geschrieben:Dass die Freiheit zunimmt, wenn man in der Lage ist, auch sehr grundlegende Prämissen infrage zu stellen, dem stimme ich zu.


Für mich fängt sie da erst an (selbst wenn man die Prämissen, die man in frage stellen könnte so belässt, die Möglichkeit muss gegeben sein).

Vollbreit hat geschrieben:Da Du offenbar auch der Ansicht bist, dass man die Prämissen der eigenen Überzeugungen prinzipiell hinterfragen kann (auch wenn es nicht alle tun und es nicht immer getan werden muss), zeigt dich doch, dass verschiedene Grade von Freiheit möglich sind.


Dem habe ich auch nirgends widersprochen. Verschiedene Grade von Freiheit müssen aber auch klar als solche definiert sein („frei von“ etwas konkretem oder „frei zu“ etwas konkretem, einen allein stehenden Freiheitsbegriff kann ich in der Theorie nur als absolut gelten lassen).

Vollbreit hat geschrieben:Vielleicht hat ein Gott das so eingefädelt


Ein Gott zieht ja auch nicht zwangsweise einen Fatalismus mit sich. In unseren monotheistischen Religionen ist das auch nicht als eindeutiger ausnahmsloser Fatalismus geregelt.

Vollbreit hat geschrieben:vielleicht legen die Naturgesetze das unwiderruflich fest


Was aber noch lange keinen Determinismus ausmacht.

Vollbreit hat geschrieben:vielleicht ist es unsere karmische Bestimmung


Was das genau sein soll, will sich mir eh nicht so recht erschließen.

Vollbreit hat geschrieben:Ja, aber das war ja nur ein Gedankenexperiment. Ein sinnvolles weil die maximale Determination eben alle minimaleren impliziert.


Wir müssen doch aber in diesem Rahmen bleiben, wenn wir am Anfang festgelegt haben, dass wir die Frage innerhalb dieses Rahmens klären wollen. Das ist doch die Grundlage, die einem solchen Gedankenexperiment überhaupt sinnvoll macht.

Vollbreit hat geschrieben:Nein, das muss man nicht schließen, die Kompatibilisten machen es ja vor.
Es kann Freiheit geben UND zugleich Determinismus, beide müssen sich nicht ausschließen, das ist die Grundüberzeugung des Kompatibilismus.


Dann nimm das schwarz-weiß-Beispiel, das ich weiter oben in einem Post aufgeführt habe, da zeigt sich die Absurdität des ganzen. Natürlich kann ich in der Hinsicht auch Kompatibilist sein und behaupten, dass ein Gegenstand, um Licht reflektieren zu können, Licht komplett absorbieren muss, aber ich sollte nicht unbedingt erwarten, dass mir das jemand abkauft.

Vollbreit hat geschrieben:Doch, tut man objektiv, nur steht das Ergebnis schon fest.


Nicht nur das Ergebnis, sondern auch der Prozess, das ist ja der Witz an der Sache.

Vollbreit hat geschrieben:Das ist ungefähr so, als wenn man sagt: Wenn ein Mensch die Grundrechenarten der Mathematik beherrscht, kommt er zwingend zu dem Schluss, dass 5+7=12 sind.
Das ist in Rahmen der handelsüblichen Mathematik determiniert und jedes andere Ergebnis ist schlicht falsch. Ein Kind was Mathematik zu lernen beginnt, wird irgendwann zwingend zu dem Ergebnis kommen, dass 5+7=12 sind, aber das heißt nicht, dass das Kind das nicht aus eigener Einsicht erkannte.


Die Mathematik lässt einem in der Hinsicht aber auch keine Freiheit. Das hat auch mit Willensfreiheit nicht nicht mehr viel zu tun.

Vollbreit hat geschrieben:Dass Problem scheint einfach zu sein, dass Du denkst, wer determiniert ist, könne nicht mehr selbst denken. Doch, er kann.


Nein, und bevor wir uns hier weiter im Kreis drehen, versuche ich es auch mal mit einer Analogie:
Nehmen wir ein Schachspiel. Wir haben, um ein Schachspiel spielen zu können, Spielregeln. Es ist genau festgelegt, welche Züge gemacht werden dürfen, wann welcher Spieler dran ist, sogar was Ziel des Spiels ist, ist klar. Dennoch sagt das noch lange nichts darüber aus, welche Züge zwei Spieler in einem Spiel unternehmen werden. Jedes Spiel wird einen anderen Verlauf nehmen, sich aber immer im Rahmen der gegebenen Spielregeln bewegen. Somit ist das Spiel nicht determiniert, sondern im Rahmen der gegebenen Regeln frei.
Ein determiniertes Spiel würde sich immer gleich ereignen, weil die Spieler keine Wahl hätten, als immer zu exakt der gleichen Zeit die gleichen Züge zu unternehmen und selbst wenn die Spieler bei jedem Spiel überzeugt wären, sie würden aus guten Gründen so spielen, so sind diese Gründe doch letztendlich auch nur ein Teil der Determinierung und eben dadurch nicht frei. Sie können eben nicht selber denken, sondern sie werden gedacht. Ihnen kommt keinerlei aktive Rolle mehr zu, selbst dann, wenn sie es selbst so empfinden würden, würde die Determinierung das eben doch ausschließen.
Die Naturgesetze, die wir haben, determinieren aber eben nicht. Sie sind wie die Spielregeln beim Schach die Grenzen, innerhalb derer wir uns eben frei bewegen können. Wenn das die Grundlage ist, aufgrund derer man überhaupt handeln kann und somit erst die Möglichkeit hat von Freiheit in Bezug auf einem handelnden Subjekt sprechen zu können, dann ist das geschenkt, dem widerspreche ich nämlich gar nicht. Aber das ist eben kein Determinismus, nicht mal ansatzweise.

Vollbreit hat geschrieben:Doch, dass die Entscheidung auf Prämissen und ihrer logisch richtigen Verknüpfung beruht, ist ein Indiz für Freiheit. Freiheit besagt, ich habe mich entschieden und ich habe meine Gründe dafür, warum ich mich so und nicht anders entschieden habe (ich hätte aber anders gekonnt, hätte ich andere Prämissen gehabt, oder hätte ich sie anders gewichtet).


Ja, das stimmt ja auch (fast, die logisch richtige Verknüpfung halte ich nicht zwingend für eine Grundbedingung), aber hier versuchst Du schon wieder, mich von dem zu überzeugen, was ich schon weiß, das hat aber mit dem Determinismus nichts zu tun. Im Determinismus entscheide ich nicht nur nicht aufgrund von Prämissen, sondern gar nicht.

Vollbreit hat geschrieben:Vor der Tür stehst Du, aufstoßen musst Du sie schon selbst.


Schon klar, aber im Determinismus müsstest Du das als Passivsatz formulieren, ich stoße nicht die Tür auf, sondern die Tür wird durch mich (nicht als entscheidendes Subjekt, sondern in einer Rolle, die eher der eines Rammbocks entspricht) aufgestoßen. Im Determinismus kann ich keine aktive Rolle haben (weswegen ja Roth um seinen Determinismus durch das Gehirn dem Gehirn eine anthropomorphe Form als handelndes Subjekt geben musste, was ja bekanntlich reichlich albern ist).

Vollbreit hat geschrieben:Jetzt rutscht von von der Philosophie in die politische Agitation.
Die Philosophie reicht hier aber aus und obendrein ist die Willensfreiheit kein politisches Problem.


Nein, so war das nicht gemeint. Das ganze ist lediglich ein Handlungsvorschlag, weil es meines Erachtens die einzige praktische Lösung ist, den Immunisierungsmechanismus zu überwinden. Ich muss ja niemanden dazu aufrufen, so zu handeln, weil ohnehin meistens mehr oder weniger so gehandelt wird. Ich muss diese Handlung eben nur sprachlich performativ formulieren, um die Überwindung des Immunisierungsmechanismus zu ermöglichen. Das ist eine völlig gebräuchliche philosophische Methode.

Vollbreit hat geschrieben:Ohne Sprache hat mein auch keinen Begriff von „sich“, welchen man dann ausleben könnte.


Dem ersten Teil des Satzes stimme ich zu, aber dem zweiten nicht, weil man sich dennoch auch ohne Sprache erleben kann und das ist der entscheidende Punkt.

Vollbreit hat geschrieben:Nur wenn Du einen Begriff davon hast, sonst bist Du ein Lebewesen, was Schmerzen erlebt, ohne zu wissen, dass es Schmerzen sind, die es erlebt. Die Unterschied ist schwer, aber entscheidend.


Du hast Deinen Wittgenstein hier aber nicht zuende gedacht. Du beziehst hier Wissen immer noch auf ein rein sprachliches Phänomen, aber nach der Überwindung der Sprachlichkeit hast Du immer noch etwas, ein Gefühl, was Du erlebst, für das Du keinen Begriff brauchst, weil es einfach da ist. Und dieses Erleben ist das tatsächliche Wissen um das Gefühl. Dieses Erleben ist tatsächlich reinstes Bewusstsein.

Vollbreit hat geschrieben:Ein Erleben von Schmerzen und ein Wissen dass es Schmerzen sind, die man erlebt, sind zwei Paar Schuhe. Als erster hat vielleicht Wittgenstein darauf aufmerksam gemacht.


Wissen beschränkt sich aber eben nicht auf Kategorisierung von Dingen. Ich würde sogar noch weiter gehen und sogar sagen, dass gerade das eben kein echtes Wissen ist, sondern Wissen sich eben gar nicht in Sprache ausdrücken kann. Du hast ja Erfahrungen mit Zen, vielleicht dürfte Dir daher bekannt sein, auf was ich hinaus will.

So, den Rest werde ich dann in einem separaten Thread behandeln.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » So 18. Dez 2011, 19:31

Teh Asphyx hat geschrieben:Nein, ich will jetzt, dass man mir entweder schlüssig erklärt, inwiefern man genau unter dieser Voraussetzung frei sein kann (und ohne Ausflüchte auf nach Gründen handeln, es geht mir um die direkte Verbindung zwischen Determinismus und Freiheit), ich bin hier nicht in der Erklärungspflicht. Noch weniger als dass ich irgendwem beweisen müsste, dass es keinen Gott gibt.


Denk nach und versuch es zu widerlegen.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wenn Du den Begriff der Freiheit komplett kassieren willst, kommst Du in die Problematik einen Stein und einen relfektierenden Mensch als gleichermaßen (un)frei ansehen zu müssen.


Unsinn, ich brauche lediglich den Determinismus nicht anzuerkennen.


Hast dann aber das Thema unmschifft.

Teh Asphyx hat geschrieben:Natürlich, jeder kennt eine Realität.


Eben, jeder eine.

Teh Asphyx hat geschrieben:Ich sehe da keinen signifikanten Unterschied, weswegen das eine Zwang sein sollte und das andere freiwillig, lediglich die Art des ausgeübten Zwangs unterscheidet sich hier.
In beiden Fällen – und das ist meines Erachtens das Entscheidende – stimme ich zu, weil ich um die Konsequenzen fürchte, wenn ich es nicht tue.


Das tust Du auch beim Zähneputzen.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Dass die Freiheit zunimmt, wenn man in der Lage ist, auch sehr grundlegende Prämissen infrage zu stellen, dem stimme ich zu.


Für mich fängt sie da erst an (selbst wenn man die Prämissen, die man in frage stellen könnte so belässt, die Möglichkeit muss gegeben sein).


Sie da erst anfangen zu lassen ist ein ambitioniertes Projekt, aber im Grunde nicht weit weg von dem was ich meine. Das was man denkt, fühlt, will, tun soll … zu hinterfragen, einmal etwas eher, einmal etwas später, in der Sache aber nahe beisammen.

Teh Asphyx hat geschrieben:Dem habe ich auch nirgends widersprochen. Verschiedene Grade von Freiheit müssen aber auch klar als solche definiert sein („frei von“ etwas konkretem oder „frei zu“ etwas konkretem, einen allein stehenden Freiheitsbegriff kann ich in der Theorie nur als absolut gelten lassen).


Wieso?
Grade von Freiheit widersprechen doch einem absoluten Begriff, oder meintest Du das?

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ja, aber das war ja nur ein Gedankenexperiment. Ein sinnvolles weil die maximale Determination eben alle minimaleren impliziert.


Wir müssen doch aber in diesem Rahmen bleiben, wenn wir am Anfang festgelegt haben, dass wir die Frage innerhalb dieses Rahmens klären wollen. Das ist doch die Grundlage, die einem solchen Gedankenexperiment überhaupt sinnvoll macht.


Klar.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Doch, tut man objektiv, nur steht das Ergebnis schon fest.


Nicht nur das Ergebnis, sondern auch der Prozess, das ist ja der Witz an der Sache.


Ja, auch der.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Dass Problem scheint einfach zu sein, dass Du denkst, wer determiniert ist, könne nicht mehr selbst denken. Doch, er kann.


Nein, und bevor wir uns hier weiter im Kreis drehen, versuche ich es auch mal mit einer Analogie:
Nehmen wir ein Schachspiel. Wir haben, um ein Schachspiel spielen zu können, Spielregeln. Es ist genau festgelegt, welche Züge gemacht werden dürfen, wann welcher Spieler dran ist, sogar was Ziel des Spiels ist, ist klar. Dennoch sagt das noch lange nichts darüber aus, welche Züge zwei Spieler in einem Spiel unternehmen werden. Jedes Spiel wird einen anderen Verlauf nehmen, sich aber immer im Rahmen der gegebenen Spielregeln bewegen. Somit ist das Spiel nicht determiniert, sondern im Rahmen der gegebenen Regeln frei.


Sehe ich als schöne Analogie für unser Leben an.
Allerdings gibt es nur eine endliche Anzahl an Möglichkeiten, dass ist der Grund warum Deep Blue oder wie der heißt, heute jeden Großmeister vernascht.
Wenn es verborgene Variablen geben sollte, wäre die Welt wie Schach, nur sehr sehr sehr viel komplexer. Dann wäre auch das Denken der Spieler determiniert. Trotzdem wählen sie den Zug der ihnen (vielleicht mangels Rechenleistung) als richtig erscheint, frei.

Teh Asphyx hat geschrieben:Ein determiniertes Spiel würde sich immer gleich ereignen, weil die Spieler keine Wahl hätten, als immer zu exakt der gleichen Zeit die gleichen Züge zu unternehmen und selbst wenn die Spieler bei jedem Spiel überzeugt wären, sie würden aus guten Gründen so spielen, so sind diese Gründe doch letztendlich auch nur ein Teil der Determinierung und eben dadurch nicht frei.


Du scheinst hier zu denken, dass sich Determiniertheit und die Aufnahme neuer Impulse, Informationen oder es auch anderen Wegen zu versuchen, ausschließen. Ist aber nicht der Fall.
Ich kann ja mit der Eröffnung x drei mal gegen die Wand gelaufen sein, also wähle ich eine andere, genau aus dem Grund. Das kann schon festgestanden haben, aber dennoch ist es mir möglich eine neue Variante zu probieren.

Teh Asphyx hat geschrieben:Die Naturgesetze, die wir haben, determinieren aber eben nicht.


Doch, das tun sie ganz ohne Zweifel.
Der Kuli, der vom Tisch rollt, wird nie an der Decke kleben.

Teh Asphyx hat geschrieben:Sie sind wie die Spielregeln beim Schach die Grenzen, innerhalb derer wir uns eben frei bewegen können. Wenn das die Grundlage ist, aufgrund derer man überhaupt handeln kann und somit erst die Möglichkeit hat von Freiheit in Bezug auf einem handelnden Subjekt sprechen zu können, dann ist das geschenkt, dem widerspreche ich nämlich gar nicht. Aber das ist eben kein Determinismus, nicht mal ansatzweise.


Du willst da einen Rest von Freiheit retten, aus den gleichen Gründen aus denen ich das auch versucht habe, kann ich also gut verstehen. Kapitulieren musste ich, weil ich keinen besseren Freiheitsbegriff als den der Kompatibilisten fand und nicht formulieren konnte, was in dieser undeterminierten Lücke sein soll. Ich habe zwar eine eventuelle Zufälligkeit abringen können, brachte mir aber nichts ein, da ich nicht erklären konnte, inwiefern dieser gewisse Grad an Zufall nun den Willen freier macht.
Hier liegt das Problem. Den Zufall konnte ich auch abtrotzen (kann man lange drüber reden), aber was dadurch gewonnen war, war mir dann selbst nicht mehr klar. Denn zufällig, also willkürlich, zu entscheiden, heißt eben nicht zu entscheiden, sondern es auf den Zufall ankommen zu lassen, es geschieht dann mit einem etwas, so oder eben anders, aber mit Freiheit hat das nichts mehr zu tun.
Ich wollte auch den Determinismus aushebeln, nur war auf Seiten der Freiheit damit kein Zugewinn verbunden. Das war mein Problem, es ist momentan Deines.

Teh Asphyx hat geschrieben:Im Determinismus entscheide ich nicht nur nicht aufgrund von Prämissen, sondern gar nicht.


Doch, Du entscheidest, Du bist nur determiniert.
An der Stelle steigst Du aus. Du sagst, wenn das alles schon entschieden ist, dann kann ich ja gar nicht mehr frei sein. Aber wenn Du das sagst, bist Du – nicht ich, ich habe mich schon erklärt – in der Pflicht zu sagen, was denn dann Freiheit für Dich bedeutet.
Zufall erhöht Deine Freiheit in keiner Weise, probier’s aus. Glaub’s nicht, durchprobieren. Irgendwann musst Du’s haben und Du bist kurz davor. Also, was soll Freiheit sein, wenn nicht selbst, gemäß eigener Vorstellungen zu entscheiden, was man wählt?

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Vor der Tür stehst Du, aufstoßen musst Du sie schon selbst.


Schon klar, aber im Determinismus müsstest Du das als Passivsatz formulieren, ich stoße nicht die Tür auf, sondern die Tür wird durch mich (nicht als entscheidendes Subjekt, sondern in einer Rolle, die eher der eines Rammbocks entspricht) aufgestoßen. Im Determinismus kann ich keine aktive Rolle haben (weswegen ja Roth um seinen Determinismus durch das Gehirn dem Gehirn eine anthropomorphe Form als handelndes Subjekt geben musste, was ja bekanntlich reichlich albern ist).


Du vermischt hier zwei Dinge.
Roth war (er ist kuriert) harter Determinist und damit ein Inkompatibilist, KEIN Kompatibilist.
Wenn Du also (den frühen und mittleren) Roth attackierst, attackierst Du den Inkompatibilismus in seiner deterministischen Ausprägung. Der sagt, der Mensch ist vollkommen determiniert und darum kann er nicht frei sein.
Die Kompatibilisten sagen, nein, er mag vollkommen determiniert sein, frei ist er dennoch (wenn Freiheit bedeutet, nach eigenen rationalen Überlegungen zu handeln).
Es ist wichtig, diesen Unterschied zu sehen.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ohne Sprache hat mein auch keinen Begriff von „sich“, welchen man dann ausleben könnte.


Dem ersten Teil des Satzes stimme ich zu, aber dem zweiten nicht, weil man sich dennoch auch ohne Sprache erleben kann und das ist der entscheidende Punkt.


Sich? Sich, mich, mein, ich, dass alles taucht erst im sprachlichen Kontext auf.
Zugegeben ist das viel und gedrubbelt ich habe mich Jahre mit dem Zeug gequält, deshalb bleib erst mal beim Willen und der Freiheit, ist schwer genug.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nur wenn Du einen Begriff davon hast, sonst bist Du ein Lebewesen, was Schmerzen erlebt, ohne zu wissen, dass es Schmerzen sind, die es erlebt. Die Unterschied ist schwer, aber entscheidend.


Du hast Deinen Wittgenstein hier aber nicht zuende gedacht. Du beziehst hier Wissen immer noch auf ein rein sprachliches Phänomen, aber nach der Überwindung der Sprachlichkeit hast Du immer noch etwas, ein Gefühl, was Du erlebst, für das Du keinen Begriff brauchst, weil es einfach da ist.


Der erste Ansatz war gut, denn Wissen ist nicht nur rein sprachlich, sondern auch lebenspraktisch, ich muss wissen, wann der Begriff richtigerweise gebraucht wird, der Kontext ist entscheidend, die Situation richtig beurteilen zu können, empathisch zu sein und so weiter.

Teh Asphyx hat geschrieben:Und dieses Erleben ist das tatsächliche Wissen um das Gefühl. Dieses Erleben ist tatsächlich reinstes Bewusstsein.


Gefühl, hmmmm, ein unglücklicher Ausdruck an dieser Stelle, auch würde ich mit Wilber ein Veto einlegen, dass dieses Gefühl reinstes Bewusstsein ist.
Die Frage nach dem freien Willen, ist m.E. entschieden, ich würde mich zwar von guten Argumenten umstimmen lassen, sehe aber auch in weitester Ferne keine und kenne ziemlich viele.
Die Frage nach dem reinsten Bewusstsein, eine vielleicht spirituelle Frage, ist m.E. stark ungeklärt und leider tappe ich hier ziemlich im Dunkeln, auch wenn mir das nicht passt.
Ein anderes Mal gerne mehr dazu.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ein Erleben von Schmerzen und ein Wissen dass es Schmerzen sind, die man erlebt, sind zwei Paar Schuhe. Als erster hat vielleicht Wittgenstein darauf aufmerksam gemacht.


Wissen beschränkt sich aber eben nicht auf Kategorisierung von Dingen. Ich würde sogar noch weiter gehen und sogar sagen, dass gerade das eben kein echtes Wissen ist, sondern Wissen sich eben gar nicht in Sprache ausdrücken kann.


Doch, es kann sich trefflich in Sprache aus, aber nicht nur oder nicht allein.
Einige Kompetenzen muss man herzeigen können.

Teh Asphyx hat geschrieben:Du hast ja Erfahrungen mit Zen, vielleicht dürfte Dir daher bekannt sein, auf was ich hinaus will.


Vielleicht, aber das ist auch ein eigenes Thema.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » So 18. Dez 2011, 21:10

Vollbreit hat geschrieben:Denk nach und versuch es zu widerlegen.


Habe ich ja, auch wenn Du es noch nicht erkannt hast. Dazu wieder mal gleich mehr, bevor ich mich hier wieder ständig wiederhole.

Vollbreit hat geschrieben:Hast dann aber das Thema unmschifft.


Nicht wenn ich aufgrund dessen, dass sich Determinismus und freier Wille nicht vereinen lasse, den Determinismus verwerfe.

Vollbreit hat geschrieben:Eben, jeder eine.


Ja, und eine Mutter hat 6 Töchter, jede Tochter hat einen Bruder, wie viele Söhne hat die Mutter?
Dass jeder eine Realität hat, muss nicht heißen, dass sie keinen Bezug auf etwas gemeinsames hat.

Vollbreit hat geschrieben:Das tust Du auch beim Zähneputzen.


Und meinen vorweggenommenen Einwand ignorierst Du?
Es kann ja auch beim Zwang dennoch ein Wille dahinter stecken, aber es muss nicht. Manche haben einen Zahnputzzwang und manche putzen tatsächlich freiwillig. Für letzteres ist aber die Voraussetzung, es wirklich zu wollen.

Vollbreit hat geschrieben:Sie da erst anfangen zu lassen ist ein ambitioniertes Projekt, aber im Grunde nicht weit weg von dem was ich meine. Das was man denkt, fühlt, will, tun soll … zu hinterfragen, einmal etwas eher, einmal etwas später, in der Sache aber nahe beisammen.


Ich denke, dass wir eh nicht weit weg voneinander bei dem ganzen Thema sind, wir haben hier eigentlich nur ein kleines semantisches Problem zu lösen.

Vollbreit hat geschrieben:Wieso?
Grade von Freiheit widersprechen doch einem absoluten Begriff, oder meintest Du das?


Auch, ja.
Ich meine halt, dass wenn ein Relativer Begriff genannt wird, auch eine Relation da sein muss, sonst ist dieser Begriff quasi leer, oder ich muss den Begriff halt versuchen in dem Fall absolut zu deuten.
Das geht ja auch bei meinem schwarz-weiß-Beispiel. Beim Druck kann man zum Beispiel verschiedene Sättigungen von schwarzer Tinte verwenden und wenn man weniger schwarz verwendet scheint auch weiß durch. Dementsprechend könnte man sagen, etwas kann sehr wohl schwarz und weiß zugleich sein. Aber als allein für sich stehende Begriffe sind sie nicht kompatibel.

Vollbreit hat geschrieben:Sehe ich als schöne Analogie für unser Leben an.
Allerdings gibt es nur eine endliche Anzahl an Möglichkeiten, dass ist der Grund warum Deep Blue oder wie der heißt, heute jeden Großmeister vernascht.
Wenn es verborgene Variablen geben sollte, wäre die Welt wie Schach, nur sehr sehr sehr viel komplexer. Dann wäre auch das Denken der Spieler determiniert. Trotzdem wählen sie den Zug der ihnen (vielleicht mangels Rechenleistung) als richtig erscheint, frei.


Aber trotzdem steht es auch Deep Blue frei andere Züge zu machen, die nach den Regeln erlaubt sind. Deswegen sind seine Schritte ja eben nicht determiniert, sondern er macht sie deswegen, weil sie ihm als die sinnvollsten Erscheinen. Den Willen von Deep Blue würde ich aber trotzdem deswegen nicht als frei bezeichnen, weil er so programmiert ist, immer gewinnen zu wollen. Er halt also als Wille keine Entscheidungsmöglichkeiten, nur in Bezug auf seine Züge, die aber eine Folge des schon festgelegten Willens sind. Hier könnte man sagen, dass der Wille selbst durch die Programmierung determiniert ist.

Vollbreit hat geschrieben:Du scheinst hier zu denken, dass sich Determiniertheit und die Aufnahme neuer Impulse, Informationen oder es auch anderen Wegen zu versuchen, ausschließen. Ist aber nicht der Fall.
Ich kann ja mit der Eröffnung x drei mal gegen die Wand gelaufen sein, also wähle ich eine andere, genau aus dem Grund. Das kann schon festgestanden haben, aber dennoch ist es mir möglich eine neue Variante zu probieren.


Doch, das ist ja eben der Fall. In einem determinierten Universum ist alles andere ausgeschlossen, nur das, was bestimmt ist, kann überhaupt passieren. Deswegen hätte man ja in einem determinierten Universum auch keine Entscheidungsmöglichkeiten.

Vollbreit hat geschrieben:Doch, das tun sie ganz ohne Zweifel.
Der Kuli, der vom Tisch rollt, wird nie an der Decke kleben.


Das ist doch noch lange keine Determinierung. Das sind eben nur die Spielregeln, in deren Rahmen man sich frei bewegen kann.

Vollbreit hat geschrieben:Du willst da einen Rest von Freiheit retten, aus den gleichen Gründen aus denen ich das auch versucht habe, kann ich also gut verstehen. Kapitulieren musste ich, weil ich keinen besseren Freiheitsbegriff als den der Kompatibilisten fand und nicht formulieren konnte, was in dieser undeterminierten Lücke sein soll. Ich habe zwar eine eventuelle Zufälligkeit abringen können, brachte mir aber nichts ein, da ich nicht erklären konnte, inwiefern dieser gewisse Grad an Zufall nun den Willen freier macht.
Hier liegt das Problem. Den Zufall konnte ich auch abtrotzen (kann man lange drüber reden), aber was dadurch gewonnen war, war mir dann selbst nicht mehr klar. Denn zufällig, also willkürlich, zu entscheiden, heißt eben nicht zu entscheiden, sondern es auf den Zufall ankommen zu lassen, es geschieht dann mit einem etwas, so oder eben anders, aber mit Freiheit hat das nichts mehr zu tun.
Ich wollte auch den Determinismus aushebeln, nur war auf Seiten der Freiheit damit kein Zugewinn verbunden. Das war mein Problem, es ist momentan Deines.


Wie ich schon AgentProvocateur erklärt habe, sind Willkür und freier Wille Synonyme. Wenn die Kompatibilisten behaupten, dass ein freier Wille nicht ein freier Wille sein kann, dann haben sie Dir einen Bären aufgebunden (und sich selbst wahrscheinlich auch).
Ich habe schon mehrfach als Lösung die Propensities angeboten, die weder von einem Zufall noch von einer Vorbestimmung ausgehen. Wobei Poppers Interpretation mir da doch dem Determinismus noch etwas zu nahe kommt, aber es gibt auch noch andere Theorien diesbezüglich, die das Problem auf weitaus elegantere Art und Weise lösen.
Wenn ich Dir damit helfen kann, endlich ein Gegenmittel gegen den Kompatibilismus zu finden, dann freut mich das, denn das scheint eine wirklich widerliche Krankheit zu sein. ;-)
Aber selbst der Zufall geht für mich auch in gewisser Weise klar. Warum sollte nicht der Zufall als die Möglichkeit eines Ereignisses, das dann zum freien Willen führt möglich sein? Der Zufall muss ja nicht direkt entscheiden, aber der Zufall kann mir eine Möglichkeit der Entscheidung bringen, die ich dann tatsächlich frei treffen kann. Ihr habt wohl in den Diskussionen diesen Zwischenschritt einfach übersprungen oder so nehme ich mal an.
Außerdem scheint mir hier aber auch ein idealisierter Freiheitsbegriff vorzuliegen. Warum sollte ein freier Wille denn bedeuten, dass ich Kontrolle über den Willen habe? Könnte der Wille nicht gerade dadurch frei sein, dass ich ihn nicht kontrolliere?
Nehmen wir zum Vergleich einen Zufallsgenerator wie zum Beispiel einen 6-seitigen Würfel. Wenn ich den Würfel werfe, dann ist die Möglichkeit für jede Zahl von 1-6 gerade das Potential vorhanden. Der Würfel wäre eben genau in dem Moment frei dieses Potential auszuschöpfen, also im übertragenden Sinne einen eigenen freien Willen für eine bestimmte Zahl entscheiden zu lassen, wenn der Wurf eben keine bestimmte Zahl determiniert.
Das Problem ist, dass dieser Begriff von Freiheit etwas paradoxes an sich hat, trotzdem ist gerade dieser Begriff richtig. Dass Leute wie Hobbes solch ein Paradoxon nicht ertragen konnten, verwundert mich nicht unbedingt, aber kratzt mich auch ebenso wenig.

Vollbreit hat geschrieben:Doch, Du entscheidest, Du bist nur determiniert.
An der Stelle steigst Du aus. Du sagst, wenn das alles schon entschieden ist, dann kann ich ja gar nicht mehr frei sein. Aber wenn Du das sagst, bist Du – nicht ich, ich habe mich schon erklärt – in der Pflicht zu sagen, was denn dann Freiheit für Dich bedeutet.
Zufall erhöht Deine Freiheit in keiner Weise, probier’s aus. Glaub’s nicht, durchprobieren. Irgendwann musst Du’s haben und Du bist kurz davor. Also, was soll Freiheit sein, wenn nicht selbst, gemäß eigener Vorstellungen zu entscheiden, was man wählt?


Kurz: Die Fähigkeit aus einem (echten) Potential eine Realität zu machen.
Und damit meine ich eben, dass das Potential einfach nur ein Potential ist, keine Determinierung. Selbst dann, wenn es im Nachhinein, nachdem ich die Entscheidung getroffen habe, so aussieht, als hätte wäre es schon immer so gewesen.
So gesehen kann nur ein echter Zufall Basis für einen freien Willen sein, auch wenn man sich da erstmal durch ein Paradoxon kämpfen muss, es geht tatsächlich. Und so unkontrolliert wie in meiner Frage weiter oben ist es in Wirklichkeit auch gar nicht. Denn der Zufall bestimmt mich ja nicht von außen, sondern ist in mir, geht von mir aus, von den Potentialen, die in mir sind.
Das ist auch nicht ganz leicht zu erklären, aber versuche es zu verstehen, bzw. versuche es richtig zu denken, was ich meine, vielleicht kommst Du drauf. Wenn nicht, werde ich es noch mal versuchen (möchte nämlich auch in der Lage sein, das erklären zu können).

Vollbreit hat geschrieben:Du vermischt hier zwei Dinge.
Roth war (er ist kuriert) harter Determinist und damit ein Inkompatibilist, KEIN Kompatibilist.
Wenn Du also (den frühen und mittleren) Roth attackierst, attackierst Du den Inkompatibilismus in seiner deterministischen Ausprägung. Der sagt, der Mensch ist vollkommen determiniert und darum kann er nicht frei sein.
Die Kompatibilisten sagen, nein, er mag vollkommen determiniert sein, frei ist er dennoch (wenn Freiheit bedeutet, nach eigenen rationalen Überlegungen zu handeln).
Es ist wichtig, diesen Unterschied zu sehen.


Den Unterschied sehe ich ja. Ich möchte mich nur von beiden Seiten abgrenzen und zeigen, dass Roth zwar schon verstanden hat, was Determinierung für Konsequenzen hat, aber dass er dennoch daran festhielt, dass es tatsächlich so sein, ist absurd. Da hilft es aber nichts, den Determinismusbegriff einfach nur ein bisschen weicher zu machen, sondern man sollte lieber sagen, dass Roth unrecht hat mit seinem Dualismus und das Gehirn eben nicht das Denken determiniert, sondern nur die Grundlage bietet (den Unterschied zwischen Grundlage und Grund habe ich hier auch schon erklärt, wobei ich annehme, dass er Dir bekannt sein dürfte).

Vollbreit hat geschrieben:Sich? Sich, mich, mein, ich, dass alles taucht erst im sprachlichen Kontext auf.
Zugegeben ist das viel und gedrubbelt ich habe mich Jahre mit dem Zeug gequält, deshalb bleib erst mal beim Willen und der Freiheit, ist schwer genug.


Klar, aber ich will ja auf das Erleben hinaus, für das Erleben ist es unerheblich ob ich „sich“, „mich“, „mein“ oder „ich“ denken kann. Ich kann trotzdem wahrnehmen und spüren, was in mir und um mich herum vorgeht, ohne dass ich auch nur einen sprachlichen Begriff dafür haben muss.
Und das weiß ich wiederum, weil ich es selbst erleben kann.

Vollbreit hat geschrieben:Der erste Ansatz war gut, denn Wissen ist nicht nur rein sprachlich, sondern auch lebenspraktisch, ich muss wissen, wann der Begriff richtigerweise gebraucht wird, der Kontext ist entscheidend, die Situation richtig beurteilen zu können, empathisch zu sein und so weiter.


Du beziehst Dich aber immer noch auf sprachlich-begriffliches Wissen. Ich versuche gerade zu erklären, dass es auch ein jenseits davon gibt (oder ist es ein Diesseits und die Sprache das Jenseits?), der Haken dabei ist, dass ich dafür wiederum Sprache verwenden muss, was hier wirklich tückisch ist.

Vollbreit hat geschrieben:Gefühl, hmmmm, ein unglücklicher Ausdruck an dieser Stelle, auch würde ich mit Wilber ein Veto einlegen, dass dieses Gefühl reinstes Bewusstsein ist.
Die Frage nach dem freien Willen, ist m.E. entschieden, ich würde mich zwar von guten Argumenten umstimmen lassen, sehe aber auch in weitester Ferne keine und kenne ziemlich viele.
Die Frage nach dem reinsten Bewusstsein, eine vielleicht spirituelle Frage, ist m.E. stark ungeklärt und leider tappe ich hier ziemlich im Dunkeln, auch wenn mir das nicht passt.
Ein anderes Mal gerne mehr dazu.


Das Gefühl ist auch nicht das Bewusstsein, sondern das Erleben, das ist noch mal eine andere Ebene.
Vielleicht kann ich Dir mit dem freien Willen ja tatsächlich noch behilflich sein. Das ist ein Thema, was mich schon fast mein Leben lang begleitet, weil ich wirklich verdammt früh angefangen habe, über so was nachzudenken.
Zum Thema Bewusstsein finde ich Gurdjieff und Ouspensky ziemlich hilfreich, auch wenn Ouspensky auch teilweise mit sehr viel Vorsicht zu betrachten ist. Dazu äußere ich mich aber in der Ken-Wilber-Diskussion noch mal, wo Du mich danach gefragt hattest.

Vollbreit hat geschrieben:Doch, es kann sich trefflich in Sprache aus, aber nicht nur oder nicht allein.
Einige Kompetenzen muss man herzeigen können.


Das würde ich aber nicht als wirkliches Wissen bezeichnen. Vielleicht als Überzeugung, aber jeder Versuch, ein Wissen in Sprache auszudrücken, verändert es schon. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sich das Reale nicht symbolisieren lässt um es mit Lacans Terminologie auszudrücken (die ich in der Hinsicht als die präziseste Empfinde, allerdings kostet es etwas Überwindung, da erstmal einzusteigen, nicht weil es schwierig wäre, wie manche behaupten, sondern weil man sich mit einigen Dingen konfrontieren muss, die nicht für jeden erstmal angenehm sind).
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 19. Dez 2011, 01:28

Ich fasse nochmal zusammen:

- es kann keine absolute Freiheit geben - wenn man darunter verstehen will: Unabhängigkeit von absolut allem - bezogen auf Entscheidungen, Handlungen, einen Willen usw. All dies wäre, wenn es unabhängig von allem wäre, logischerweise auch unabhängig von der Person, die diese Entscheidung trifft, die Handlung ausführt, den Willen hat - und das kann sich wohl niemand ernsthaft wünschen, denn das wäre dann eine Entscheidung, eine Handlung, ein Wille, der völlig aus dem Nichts käme, der oder die auch ebenso entgegengesetzt/völlig anders sein könnte - ohne Einflussmöglichkeit der Person. Es wäre eine Entscheidung, eine Handlung, ein Wille, die außerhalb der Kontrolle der Person liegen würde, ihr nur zustoßen würde. Diese Person wäre daher in diesem Falle nicht frei - denn notwenige Bedingung für Freiheit einer Person ist, dass ihr Wille, ihre Entscheidungen, ihre Handlungen ihrer Kontrolle unterliegen und sie diese nicht unkontrolliert / zufällig ausführen muss. Genau genommen würde man all dies noch nicht mal Entscheidung, Handlung und Willen nennen wollen. Jemand, der unaufhörlich willkürliche Zuckungen hat, dem permanent Zwangsgedanken durch den Kopf schießen, der einen von ihm nicht gewünschten Trieb hat, den er nicht unterdrücken / kontrollieren kann, der wäre unfrei. Ich glaube nicht, dass es darüber allgemein einen großen Dissens geben würde, selbst wenn das jemand hier anders sieht.

- mir erscheint es völlig absurd und es ist für mich nicht nachvollziehbar, einen (nicht existierenden) "god's point of view" zu postulieren und von diesem ausgehend bestimmen zu wollen, ob eine Person frei sei oder nicht. Denn dann wäre die hypothetische Person 1 in der (determinierten) Welt A unfrei und die hypothetische Person 2 in der (nicht-völlig-determinierten) Welt B frei - auch dann, wenn Person 1 und Person 2 eine vollkommen identische Lebensgeschichte hätten, immer das gleiche denken und tun würden, vom Zeitpunkt ihrer Geburt bis zum Zeitpunkt ihres Todes. Sie unterschieden sich nur durch die hypothetische Möglichkeit, dass, spulte man hypothetisch Welt A und Welt B zurück, es sein könnte, dass das Weltgeschen in Welt B daraufhin anders ablaufen könnte als beim ersten Mal. Also: alles läuft nur nur einmal ab, Person 1 und Person 2 sind identisch bis ins allerletzte Detail, bis auf die unterste Ebene - von einem hypothetischen "god's point of view" aus gesehen - aber trotzdem soll Person 1 unfrei sein und Person 2 frei? Tut mir leid, aber das erscheint mir absurd.

- oder aber: es reicht nicht, dass Welt B hypothetisch indeterminiert ist, um Person 2 frei zu machen, es muss noch etwas Grundlegendes, Wichtiges hinzukommen, damit der Inkompatibilist sagen würde: "ja, jetzt ist Person 2 frei". Gut, aber was? Das muss der Inkompatibilist darlegen, ansonsten ist er er - zumindest für mich - einfach nur unglaubwürdig, unverständlich, unlogisch. Es reicht jedenfalls nicht, mal eben schnell - furchtbar schwammig, weil nicht näher bestimmt - von einem "unbewegten Beweger" oder von "Propensitäten" redet. Das müsste näher dargelegt werden. Und es reicht auch nicht, einfach mal eben so zu behaupten, Freiheit und Determinismus würden sich einfach so schlicht per definitionem ausschließen. Da reicht ein einfaches "nö" als hinreichende Widerlegung dessen, mehr kann man dann dazu nicht sagen. Sprich: jeder kann alles und das Gegenteil behaupten, aber er muss es belegen, falls ernst genommen werden will.

- und: wenn derjenige Inkompatibilist, der harter Determinist ist, also, der sagt: in einer determinierten Welt (und unsere Welt sei eine solche Welt) sei niemand verantwortlich für seine Taten, niemand könne zur Rechenschaft gezogen werden, an niemanden dürfe!? eine moralische Forderung gestellt werden, weil niemand etwas steuern könne, weil niemand etwas dafür könne, was er denke und überlege, weil alles unabänderlich so abliefe, wie es abliefe, ohne Eingriffsmöglichkeit; wieso, zum Teufel, fordert er dann von anderen, z.B. das Strafrecht zu ändern, eine andere Politik zu machen, gerechter zu sein? Das kann er sich doch dann in die Haare schmieren, er sagte das doch dann nur, (wenn er recht hätte), weil er es sagen müsste, weil er so determiniert wäre. Wäre er anders determiniert, (und: wie jemand determiniert wäre, könnte man nicht wissen, man könnte dann garnichts wissen), würde er was anderes sagen, eventuell genau das Gegenteil davon. Warum sollte mich das jucken, was ein harter Determinist sagt, wenn er gleichzeitig aussagt, dass er gar nichts aus eigenen Gründen sagen kann? Wieso sollte ich unlogische Aussagen akzeptieren? Das kann ich gar nicht, dazu bin ich nicht determiniert, ich bin dazu determiniert, nur logische Aussagen anerkennen zu können.

- und wieso eigentlich soll ich gnädig, nachsichtig, moralisch gut, verzeihend usw. usf. sein und die anderen nicht? Wenn jemand mein Kind tötet, warum soll ich nicht ihn, seine Kinder, seine Familie, seine Verwandten, sein Dorf, sein Land und seinen Kontinent vergewaltigen und zerstören? Wieso wäre er in diesem Falle nicht böse, aber ich? Wo wir doch dann beide gleichermaßen determiniert wären (falls der harte Determinist recht hätte) das zu tun, was wir tun, ohne etwas dafür zu können. weil wir dann (nach Argumentation des harten Deterministen) seltsame, merkwürdige dualistische Entitäten in einer (für mich Naturalisten überhaupt nicht nachvollziehbaren) Sphäre außerhalb der eigentlichen physikalischen Welt wären, die nur Zuschauer eines Geschehens, ohne eigene Einflussmöglichkeit, wären. Ich fühle mich bei einer solchen Argumentation in Absurdistan: "niemand kann etwas für seine Taten, weil alles determiniert ist, also existierst Du gar nicht in der physikalischen Welt, also kannst Du gar nichts tun, also kannst Du auch von niemandem etwas verlangen und nichts erwarten, es wäre moralisch falsch, eben das zu tun, was Du gar nicht tun kannst, also darfst Du (und die anderen) das auch nicht tun". Dümmer geht nimmer.

- wie kann Zufall Freiheit bedeuten / Freiheit herstellen? Das ist die Gretchenfrage, die muss der Inkompatibilist beantworten können, ganz egal, ob er nun ein harter Dterminist oder ein Libertarier ist.

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- wenn wir hier miteinander diskutieren, dann gibt es zwei Möglichkeiten:

1. entweder gestehen wir uns gegenseitig Freiheit zu, halten uns gegenseitig für frei (d.h.: die Fähigkeit haben, zu verstehen, nach Gründen zu handeln, zu begründen, nicht einfach nur völlig willkürlich aus uns nicht verständlichen, weil völlig auf in der Vergangenheit liegenden und uns unbekannten Umständen Zurückführbares etwas für uns aus prinzipiellen Gründen Unverständlich abzusondern)

2. oder 1. gilt nicht; was wir sagen und schreiben, tun wir nur, weil es so determiniert ist, ob wir sagen: "A ist wahr" oder ob wir sagen: "A ist unwahr" ist völlig irrelevant, für uns gar nicht unterschedbar, wir sind nur Papageien, die das sagen und schreiben, was die Vergangenheit, die wir nicht kennen, für uns bestimmt hat.

Falls 1.: das ist aber die kompstibilistische Freiheit. Mehr Freiheit gibt es nicht, jedenfalls wüsste ich nicht, wie die auch nur im Ansatz aussehen könnte. Hier ist der Inkompatibilist gefordert, er muss zeigen, was es noch mehr als das geben jkönnte. Er muss einen Freiheitsbegriff präsentieren, der mehr und zwar Wesentliches mehr umfasst.

Falls 2.: Papageien können keine moralischen Forderungen an andere stellen, die Geltung beanspruchen. Es wäre absurd, überhaupt mit Papageien diskutieren zu wollen. Was immer der Papagei sagt: danach wird sich keiner richten, der noch alle Tassen im Schrank hat.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » Mo 19. Dez 2011, 01:44

Ich bin gerade noch mal in mich gegangen und habe des Rätsels Lösung (na ja, vielleicht eher Auflösung) gefunden, meine ich.

Ich habe gerade noch mal darüber reflektiert, wer hier eigentlich mit wem streitet. Und dabei ist mir aufgefallen, dass auf beiden Seiten Leute stehen, für die das Konzept eines freien Willens gar nichts ins Weltbild passen kann, weil es den Einblick eine radikale Dimension des Seins voraussetzt, die die wenigsten (bürgerlich liberalen, diese politische Komponente ist hier von Bedeutung) Naturwissenschaftler aufgrund der Seinsvergessenheit in Betracht ziehen.

Wer sich nicht nur mit analytischer Philosophie befasst hat, sondern auch die antiken Griechen, den deutschen Idealismus (und die, die ihn vom Kopf zurück auf die Füße gestellt haben) oder Philosophen wie Schopenhauer oder Nietzsche kennt, dem wird vielleicht aufgefallen sein, dass dort streng zwischen Wille und Vernunft unterschieden wird.
Die Fähigkeit, aufgrund von Abwägungen, die richtige Entscheidung zu treffen, wovon hier ja immer wieder gesprochen wird, ist eben nicht der Wille, sondern die (praktische) Vernunft.
Als ich den freien Willen als religiöses Konzept aufführte, war das gar nicht so schlecht, weil tatsächlich im Gegensatz zu den meisten Naturalisten einige Religionen in der Lage waren, einige radikale Dimensionen des Seins in ihre Weltsicht miteinzubeziehen. So gesehen ist der freie Wille tatsächlich etwas, was nicht daraus entstehen kann, dass ich Sachen abwäge, die in der Welt außerhalb von mir sind, sondern als ein freier Impuls, der aus dem reinen Subjekt-Sein entspringt (eine eigene kreative Kraft). Kann man das naturwissenschaftlich ausdrücken? Wohl kaum, jedenfalls nicht nach dem momentanen Kenntnisstand, da die Naturwissenschaften, was die Subjektivität angeht, vor einem totalen Rätsel steht (das wird gut ersichtlich, wenn man sich hier Themen durchliest, die mit Bewusstsein von Computern etc. zu tun haben). Da die Naturwissenschaft somit den Begriff eines Willens als solchen nur zurückweisen kann, haben die Inkompatibilisten es hiermit zumindest etwas besser getroffen.
Die Kompatibilisten hingegen – schon gar nicht mehr in der Lage, den Willen als radikale Dimension des Seins aufzufassen (was mich echt nicht wundert, wenn ich so gucke, wer diesen Standpunkt vertritt – nicht hier im Forum, da erstaunt mich das sogar eher etwas) – müssen den Begriff erst zu einem anderen machen, damit sie ihren Standpunkt irgendwie artikulieren können (und selbst da bleibt es nicht unproblematisch, was eben daran liegt, dass auch bei der Begriffsänderung das Problem der zur Naturwissenschaft inkompatiblen Subjekt-Sicht bestehen bleibt).

Eine weitere, sehr eng damit verbundene radikale Dimension des Seins ist die Kreativität. Die meisten naturwissenschaftlich denkenden Menschen würden auch hier sagen, dass es zur Kreativität nur nötig ist, verschiedene Elemente, die man kennt, neu zu verbinden und so aus dem was da ist, etwas nicht vorher so dagewesenes zu erschaffen. Allerdings ist dies meines Erachtens (und da spreche ich aus der Erfahrung des kreativen Künstlers) ein reduktionistischer Fehlschluss. Hier ist die gleiche Kraft wie beim Willen am Werke, eine Kraft die der dem Subjekt-Sein innewohnt, das überhaupt bietet erst die Grundlage, kreativ, also schöpferisch sein zu können.

Ich wollte noch was wegen der politischen Bedeutung schreiben, aber ich merke gerade, dass ich immer müder werde … das hole ich aber noch nach.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 19. Dez 2011, 02:07

Teh Asphyx hat geschrieben:Die Fähigkeit, aufgrund von Abwägungen, die richtige Entscheidung zu treffen, wovon hier ja immer wieder gesprochen wird, ist eben nicht der Wille, sondern die (praktische) Vernunft. [...] Die Kompatibilisten hingegen – schon gar nicht mehr in der Lage, den Willen als radikale Dimension des Seins aufzufassen (was mich echt nicht wundert, wenn ich so gucke, wer diesen Standpunkt vertritt – nicht hier im Forum, da erstaunt mich das sogar eher etwas) – müssen den Begriff erst zu einem anderen machen, damit sie ihren Standpunkt irgendwie artikulieren können (und selbst da bleibt es nicht unproblematisch, was eben daran liegt, dass auch bei der Begriffsänderung das Problem der zur Naturwissenschaft inkompatiblen Subjekt-Sicht bestehen bleibt).

a) Du schwafelst ("radikale Dimension des Seins") und b) - was viel schlimmer ist - Du tust hier so, als ob Du die Definitionshoheit über Begriffe - z.B. über den "freien Willen" hättest. Aber die hast Du nicht - Du musst im Gegenteil darlegen und begründen, wieso Deine Definition/Dein Verständnis besser ist als die/das der Kompatibilisten. Eine reine Behauptung reicht dazu nicht, da kann jeder mit derselben Berechtigung das Gegenteil behaupten. Und: als Allererstes musst Du das, was Du vertrittst, erst mal nachvollziehbar darlegen. Und wenn Du das schon getan hast: eine stichpunktartige Definition/Darlegung der notwendigen und hinreichenden Bedingungen für einen freien Willen in Deinem Sinne wäre dennoch hilfreich.
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