Naturalismus und Ästhetik

Re: Naturalismus und Ästhetik

Beitragvon ujmp » Fr 23. Dez 2011, 10:29

Alles wunderschön, aber keine Kunst. Kunst verstoffwechselt das Gesehene, man erkennt in einer Gestaltung den Gestalter. Jackson_Pollock_Inspiration_by_bionikdesign
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Re: Naturalismus und Ästhetik

Beitragvon mat-in » Fr 23. Dez 2011, 10:44

Das ganze sind schon hoch-aufbereitete, gefärbte Bilder. Im "wissenschaftlichen original" sind die meist grau, verrauscht, ... dein Link führt mich auf was, das aussieht wie meine Bastel-Unterlage. Mag jetzt sein das ich da als Wissenschaftler "gestört" bin, aber damit kann ich nix anfangen. Nichts gegen das ein oder andere Gemälde der "alten Meister", aber ich kann z.B. mit einem abstrakten Picasso nichts anfangen und würde mir eher das Hochglanzbild einer Retina oder tolle 3D ansichten aus dem Gehirn ins Wohnzimmer hängen oder optische Täuschungen oder sowas. Ich kann mit "meine Farbkleckse drücken mehr aus als deine auf der Schreibtischunterlage, weil ich sie ausgestellt bekomme" nichts anfangen. Ja, man kann in den Bildern oft den Maler erkennen und die Zeit und Strömung in der er lebte, aber... manchmal ist das eben eine Strömung die ich nicht Kunst nennen würde. Nicht weil es mich "verstörend berührt" und damit auch noch Kunst wäre, sondern einfach weil es unsinn ist den auch ein Schimpanse genau so hin bekommt. Tut mir leid :gott:
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Re: Naturalismus und Ästhetik

Beitragvon ujmp » Fr 23. Dez 2011, 11:48

Wenn ein Schimpanze das hinbekommt oder meine Malunterlage so aussehen würde, würde ich mir das sofort ins Wohnzimmer hängen. Per Zufall bekommt man sowas aber nicht hin - habs probiert! Abgesehen von dem "geklecksten" Duktus, der immerhin auch gewollt ist, ist das Bild durchgängig bewusst gestaltet. Es ist eine ziemlich klare Farbkomposition, deren Farben sich gegenseitig steigern. Der Zufall würde eher ein langweiliges grau produzieren.

Aber Ok, das ist Geschmackssache. Jedenfalls find ich an der Kunst das Interessante, wie ein Mensch etwas gestaltet. Das sagt etwas über diesen Menschen aus und über mich, der ich mich in diesem Menschen spiegele, ob es um die Gestaltung von Farben und Formen, Melodien und Harmonien, Wörter und Geschichten oder sonstwas geht. Wenn man sich einen van Gogh ansieht, spührt man, wie stark er, was er gesehen hat, empfunden hat. Und er war obendrein noch in der Lage, diese Empfindungen auf eine Leinwand zu codieren mit einem Code, den ich lesen kann. Seine Empfindungen resonieren in mir. Das schafft eine Fotografie nicht, weil das Gesehene nicht durch ein menschliches Bewusstein transformiert wurde.

Die Natur hat auch ihren Reiz, das ist aber ein anderer.
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Re: Naturalismus und Ästhetik

Beitragvon Lumen » Sa 24. Dez 2011, 00:19

Die Ästhetik einer wissenschaftlich orientierten Weltanschauung ist in Ockhams Rasiermesser formuliert. Es findet sich auch im Begriff der "Eleganz" wieder, eine Ästhetik die alles unnötige weglässt und soweit vereinfacht, wie es geht, aber eben nicht darüber hinaus.

Auch finden sich Teile davon in diesen Zitaten Einsteins:
  • "Any intelligent fool can make things bigger, more complex, and more violent. It takes a touch of genius -- and a lot of courage -- to move in the opposite direction." (ein intelligenter Tor kann Dinge größere, komplexer und gewaltätiger machen. Es bedarf etwas Genie -- und viel Courage -- in die entgegengesetzte Richtung zu gehen).
  • "A scientific theory should be as simple as possible, but no simpler." (eine wissenschaftliche Theorie sollte so einfach wie möglich sein, aber nicht einfacher).

Siehe auch den empfehlenswerten Beitrag auf TED von Denis Dutton: "A Darwinian Theory of Beauty" (Untertitel sind dort in Deutsch vorhanden, siehe Box unter dem Film).

Hier direkt (nur englisch, oder mit Googles neuer automatischer Spracherkennung und Übersetzung; BETA, aber überraschend passabel).

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Re: Naturalismus und Ästhetik

Beitragvon Zappa » Sa 24. Dez 2011, 06:17

Ich denke in der Diskussionen gehen zwei Sachen durcheinander:

Die meisten reden von ästhetischem Empfinden, dass wir natürlich auch für natürliche Dinge entwickeln können. Landschaften, Wolkenformationen, Gestirne, Tiere, Mineralien etc. empfinden wir oft als schön. Man kann auch mit einer gewissen Berechtigung sagen, dass in der bildgebenden Kunst alles Schöne natürlich ist oder zumindest aus dem Spiel mit der Natur (Raum, Licht & Schatten, Farben) entsteht. Musik ist da eine hoch interessante Ausnahme.

Ich denke die Eingangsfrage ging in Richtung des künstlerischen Schaffens vor dem Hintergrund des Naturalismus auch mit einer aufklärerischen Intention. Ich finde die Frage hochinteressant, aber schwer zu beantworten.

Zunächst einmal ist der Naturalismus natürlich keine Ideologie oder wenigstens eine schlagkräftige Truppe von Gleichgesinnten. D.h. hier können keine Künstler beauftragt werden Hochkunstwerke zur Beeinflussung von Massen zu erschaffen. Wahrscheinlich würden wir das auch gar nicht wollen (ich zumindest nicht).

Bleibt für mich also die Frage: Hat die Idee des Naturalismus einen Einfluss auf die Kunst bzw. auf einflussreiche Künstler gehabt, d.h. gibt es naturalistisch geprägte Kunstrichtungen oder Kunstwerke. Ich bin zwar kein besonders großer Kunstkenner, würde das aber auf jeden Fall bejahen. Impressionismus, abstrakte Malerei, Photographie (z.B.: http://www.elliotterwitt.com/lang/index.html), moderne Musik sind doch häufig allzuoft gottlose Machwerke :wink: In der Architektur gibt es z.B. bewusst nicht-religiöse "Kathedralen der Wissenschaft und Technik", wie z.B. den Eiffelturm. Auch in der Literatur und vor allem Philosophie gibt es natürlich hervorragende naturalistisch geprägte Werke (Nietzsche wurde schon genannt, Darwins "The voyage of the Beagle" ist für mich auch Kunst). Ich würde also schon sagen, dass es eine naturalistische geprägte Kunst gibt.

Bleibt die Frage: Beschäftigt sich der Naturalismus noch zuwenig mit Kunst & Ästhetik und da könnte IMHO was dran sein ...

PS: Es gibt natürlich auch sehr schöne moderne Kirchen: http://www.sagradafamilia.cat/sf-eng/docs_instit/images.php
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